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Noch wichtiger ist ein anderer Unterschied, den wir zwischen Natur und Nachahmung annehmen müssen. Die Nachahmung arbeitet stets mit völlig wahlloser Mischung aller Chromosomen. In der Natur dagegen werden in manchen Fällen bei der Bildung des ersten Furchungskerns die Chromosomen eines jeden Vorkerns unter sich enger benachbart bleiben, wodurch sich die Wahrscheinlichkeit erhöht, daß sie in die gleiche Spindel eintreten. Noch günstiger gestalten sich die Verhältnisse, wenn der eine Spermakern ganz selbständig bleibt, wie wir dies für einige der besonders gut entwickelten Dreierplutei als höchst wahrscheinlich annehmen mußten (vergl. p. 101 und 130).

Vergleichen wir nun die Prozentverhältnisse normaler und pathologischer Larven unserer Dispermie-Zuchten mit den Ergebnissen der Wahrscheinlichkeitsversuche, so haben wir für die Dreier 8 Proz. völlig gesunder Plutei gefunden (p. 80). Die Wahrscheinlichkeit, daß jede primäre Blastomere alle 18 Chromosomenarten in mindestens einem Repräsentanten erhält, hat sich (p. 154) als 11 Proz. ergeben. Die Nachahmung stellt sich also etwas günstiger heraus, obgleich eher das Umgekehrte zu erwarten wäre. Denn nach dem eben Gesagten liegt den Wahrscheinlichkeitsversuchen wahllose Mischung aller Chromosomen zu Grunde, wogegen unter den gezüchteten Dreiern, wie kaum bezweifelt werden kann, solche sind, bei denen die Chromosomen in nahezu typischer Weise auf die 3 primären Blastomeren verteilt worden waren.

Eine Möglichkeit, die hier bestehende Differenz zwischen den Versuchen und der Nachahmung zu erklären, könnte darin gegeben sein, daß, wie erwähnt, die quantitative Verteilung des Chromatins in der Natur ungleichmäßiger ist, wodurch sich die Wahrscheinlichkeit des Auftretens pathologischer Drittel erhöhen muß. Auf eine zweite Möglichkeit bin ich erst vor kurzem aufmerksam geworden. Beim Studium des von mir konservierten Materials hat Herr F. BALTZER neben den typischen Triaster-Eiern mit ca. 54 Chromosomen auch einige mit nur 36 Chromosomen gefunden, also offenbar Triaster in normal befruchteten Eiern. Obgleich diese Fälle nun ohne Zweifel selten sind fehlen doch in den im Kapitel C mitgeteilten Versuchen in den schwach besamten Portionen die Dreier vollständig so ist doch mit der Möglichkeit zu rechnen, daß unter den von mir isolierten und gezüchteten Simultan-Dreiern auch einzelne von dieser Art gewesen sind. Da bei Verteilung von 72 Tochterchromosomen auf 3 Zellen jede Zelle im Durchschnitt nur 24 Chromosomen erhält, also noch weniger als die Blastomere des

dispermen Tetraster-Eies, so ist die Wahrscheinlichkeit, daß sich ein derartiger Keim normal entwickeln könnte, noch erheblich geringer als beim dispermen Tetraster. Diese Fälle müßten also das Prozentverhältnis in den Dreierzuchten zu Ungunsten der normalen Keime verschieben.

Für die Vierer haben wir unter (mindestens) 1500 Keimen 2 gesunde Ganzplutei konstatiert (p. 143), von denen jedoch der eine kaum mitgezählt werden darf, da er aller Wahrscheinlichkeit nach nicht aus einem Tetraster-Ei, sondern aus einem Ei mit zwei selbständigen Spindeln entstanden war. Rechnet man ihn dazu, so stellt sich das Verhältnis gesunder Plutei auf 0,13 Proz.; schließt man ihn aus, so daß nur die Larve der Fig. 54 (Taf. VIII) in Betracht kommt, so ist das Verhältnis 0,07 Proz. Die Wahrscheinlichkeit, daß jede primäre Blastomere des Simultanvierers von jeder Chromosomenart mindestens einen Repräsentanten erhält, ergab sich aus den oben angeführten Nachahmungsversuchen als O Proz. Zwar ist diese Zahl aus nur 100 Fällen berechnet, allein wir können kaum zweifeln, daß auch unter 1000 und 10000 Fällen das Resultat das nämliche wäre. Ist doch bei den Wahrscheinlichkeitsversuchen auch die Rubrik 3/4-normal mit O Proz., die Rubrik 24-normal nur mit 2 Proz. vertreten.

Daraus würde also abzuleiten sein, daß sich bei den Vierern die Verhältnisse in der Natur günstiger gestalten als in der Nachahmung; und dieser Satz bestätigt sich auch, wenn wir die in den Viererzuchten gefundenen Plutei mit einem pathologischen Viertel, also die -normalen, betrachten. Ich habe oben (p. 145) erwähnt, daß es sich nicht immer entscheiden läßt, ob in einer Larve ein

Fig. LXIII.

Viertel oder zwei Viertel in Form pathologischer Massen nach innen getreten sind; doch wurden die Plutei der Figg. 56, 60, 61, 62 und 63 als solche mit einem pathologischen Viertel angesprochen, und zu diesen kommen noch 4 nicht abgebildete, im ganzen also unter (mindestens) 1500 Keimen 9, d. i. 0,6 Proz., gegenüber O Proz. in den Wahrscheinlichkeitsversuchen.

Auch hier ist aber nun geltend zu machen, daß in der Natur gewisse regelmäßige Verteilungen eintreten können, die bei unserer Methode der Nachahmung unmöglich sind. Ein Blick auf die nebenstehende Fig. LXIII genügt, um dies klar zu machen. In dieser Weise

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läßt sich also das Auftreten einzelner - normaler und sogar völlig normaler Larven unter den Keimen des Tetrastertypus wohl verstehen.

Wenn wir nun dazu übergehen, die Zahlenverhältnisse der partiell-normalen und völlig pathologischen Objekte mit den Ergebnissen der Wahrscheinlichkeitsversuche zu vergleichen, so betreten wir ein sehr unsicheres Gebiet. Als ich meine Versuche ausführte, war mir noch nicht klar, wie wichtig diese Vergleichung für alle Abstufungen von partiell-normalen bis zu ganz pathologischen Keimen wäre, und so habe ich bei den meisten Versuchen, besonders bei denen mit sehr vielen Keimen, nur die interessanteren Larven herausgenommen und untersucht; die übrigen blieben gewöhnlich ihrem Schicksal überlassen, bis sie zerfielen. Hierbei war freilich auch der Gesichtspunkt maßgebend, keinem Keim seine Entwickelungsmöglichkeiten vorzeitig abzuschneiden. Erst später, als ich die Wahrscheinlichkeitsversuche angestellt hatte, empfand ich es als eine bedauerliche Lücke, daß nicht für jeden Keim eines jeden Versuchs genau registriert worden war, inwieweit er normal oder pathologisch gewesen ist. Freilich wäre dies bei großen Versuchen eine kaum zu bewältigende Aufgabe, und selbst wenn sie sich durchführen ließe, gäbe es wohl stets nicht wenige Fälle, für die eine Entscheidung, unter welche Rubrik man sie stellen solle, kaum getroffen werden könnte.

Unter diesen Umständen konnten die Zuchten ganzer dispermer Eier außer für die bereits erwähnten Viererlarven mit einem pathologisshen Viertel - zu den fraglichen Vergleichungen nicht verwendet werden; vielmehr standen mir dafür nur die Zerlegungsversuche (vergl. p. 44) zur Verfügung. Auch diese sind in verschiedener Hinsicht mangelhaft, vor allem wegen der geringen Zahl der Fälle; sodann, weil wegen der Schädigung beim Isolieren und wegen der Kleinheit der Keime gerade die Entwickelung der normalsten Blastomeren ungünstiger verlaufen muß, als es ihren Potenzen entspricht. Setzt man diejenigen - und - Blastomeren als normal ein, die es mindestens zu einer guten Gastrula gebracht haben, so ergeben sich ungefähr folgende Zahlen, denen ich die oben aus den Wahrscheinlichkeitsversuchen gewonnenen zur Seite stelle.

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Ich glaube, die Uebereinstimmung der aus den Zuchten berechneten Zahlen mit den aus den Wahrscheinlichkeitsversuchen gewonnenen ist groß genug, um die Behauptung zu rechtfertigen, daß die Annahmen, welche wir über die Chromosomen des Echinidenkerns gemacht haben, richtig sein können.

Es wird jedoch nunmehr nötig sein, diese Annahmen noch etwas genauer ins Auge zu fassen. Unsere erste Voraussetzung war die (p. 70), daß alle 18 Chromosomen eines jeden Vorkerns untereinander verschieden sind. Hiergegen könnte die Tatsache angeführt werden, daß bei Echinus microtuberculatus Individuen vorkommen, deren Sexualzellen nur 9 Chromosomen enthalten 1). Hier müssen also alle von uns angenommenen verschiedenen Kernqualitäten in 9 Chromosomen zusammengefaßt sein. Man könnte diese Forderung mit unserer Voraussetzung in der Weise in Einklang bringen, daß man annimmt, jedes dieser 9 Chromosomen entspreche zweien der sonst 18, sei gewissermaßen aus diesen zusammengesetzt. Wenn nun auch diese Annahme gewiß zulässig ist, so kann doch gegen sie geltend gemacht werden, daß, nach den im vorigen Heft mitgeteilten Tatsachen, jene Echinuskerne mit der Grundzahl 9 entsprechend kleiner sind als die mit 18, woraus zu schließen ist, daß die einzelnen Chromosomen hier und dort die gleiche Größe besitzen.

1) Bei meinen Dispermieversuchen scheinen solche allerdings nicht vorgekommen zu sein.

Unter diesen Umständen müssen wir jedenfalls die Möglichkeit, daß in den Vorkernen mit 18 Chromosomen jede Art doppelt vertreten ist, auch in unserer Nachahmung prüfen. Es lassen sich dazu die gleichen Versuche verwenden, die oben angeführt worden sind; wir brauchen nur je 2 der 18 Nummern als identisch zu betrachten, also z. B.

1= 2 3 = 4

5 = 6 etc.

Ich habe diese Umrechnung für 10 Dreier- und 10 Viererversuche durchgeführt und dabei folgende Zahlen erhalten.

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Diese Zahlen sind so, daß eine Weiterführung der Versuche überflüssig erscheint; an eine Uebereinstimmung mit den natürlichen Verhältnissen ist nicht zu denken. Trotzdem darf damit die Möglichkeit doppelten Vorkommens einer jeden Chromosomenart im Monokaryon noch nicht als ausgeschlossen betrachtet werden. Wir kommen nämlich jetzt zu unserer zweiten Voraussetzung, daß eine Zelle dann normal sei, wenn sie jede Chromosomenart mindestens einmal besitzt, und daß es gleichgültig sei, ob neben einfach vertretenen Arten im gleichen Kern auch zweiund dreifach vertretene vorkommen. Diese Annahme ist zwar jedenfalls die einfachste, die man machen kann, ob aber auch die wahrscheinlichste, ist eine andere Frage. Wenn die Chromosomen verschiedene Stoffe liefern, die sich das Gleichgewicht halten müssen, dann erscheint es sehr wohl möglich, daß z. B. dreifache Vertretung einer Chromosomenart neben einfacher Vertretung einer bestimmten anderen Art zu pathologischen Zuständen führt. Wenn wir nun mit der zunächst viel zu günstig scheinenden Annahme, daß in jedem Vorkern die ganze Chromosomenserie zweimal

Boveri, Zellen-Studien VI.

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