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Die Erscheinung, daß in den betrachteten dispermen Keimen völlig lebenskräftige Zellen sich an den Leistungen der Gesamtheit nicht mehr beteiligen, sondern ihre eigenen Wege gehen, daß sie nicht mehr organotypisch nach R. HERTWIGS (80) treffendem Ausdruck sondern nur cyto typisch sich betätigen, diese Erscheinung ist es vor allem, auf die sich die früher (22) von mir ausgesprochene Vermutung stützen darf, daß im Metazoenkörper mehrpolige Mitosen die Ursache von Geschwülsten sein könnten. Ja die Analogie zwischen diesen Zellen dispermer Keime und den Geschwulstzellen geht vielleicht noch weiter; müßte doch die Entstehung der Metastasen durch die Tendenz gegenseitiger Loslösung, wie sie uns bei den in Rede stehenden dispermen Keimen begegnet ist, entschieden befördert werden.

Im Gegensatz zu der meist ziemlich rasch erfolgenden Auflösung eines Wandbezirks nach außen vollzieht sich der Prozeß der Abstoßung kranker Zellen nach innen gewöhnlich langsamer, wie dies oben schon erwähnt worden ist. So haben die Nachbarzellen Zeit, den entstehenden Defekt sofort durch geringe Gestaltsoder Ortsveränderung zu reparieren, und eine solche Larve bleibt dauernd ganzwandig, mag auch die Hälfte der Wandzellen oder noch mehr nach innen getreten sein. Es kommen aber auch nicht ganz selten Fälle vor, wo alle Zellen eines Drittels oder Viertels nahezu gleichzeitig erkranken und wo dann auch bei dieser Art der Erkrankung der epitheliale Zusammenhang für einige Zeit unterbrochen wird. Doch ist dieser Zustand von dem vorhin besprochenen scharf unterschieden, denn man erkennt deutlich die trüben, in Zerfall begriffenen Massen, zum Teil im Innern der Blastulahöhle gelegen, zum Teil mit fetzigen Rändern nach außen hervorragend. Allmählich schließen sich auch hier die gesunden Nachbarteile zusammen, wobei größere oder kleinere Stücke des pathologischen Klumpens nach außen abgestoßen werden können.

Der Zustand, in welchem die erkrankten Zellen das Epithel verlassen, ist ein sehr verschiedener. Man findet in manchen Larven pathologische Massen, deren Kerne sich von den normalen Kernen der Wand kaum unterscheiden. In anderen Fällen dagegen zeigt die noch im Epithel steckende kranke Zelle einen Kernzustand, der nach den Befunden an den ältesten Larven als das Endstadium der Kerndegeneration erscheint, nämlich die Anordnung des Chromatins zu einer homogenen Halbkugel, dem „Halbmond". Die 1/3-Gastrula der Fig. 77 (Taf. X) bietet dieses Verhalten dar.

Zwischen diesen beiden Extremen finden sich mancherlei Zwischenstufen, selbst im gleichen Bezirk können verschiedene Zustände nebeneinander vorkommen.

Ich war zuerst der Meinung, daß alle diese verschiedenen Bilder von degenerierenden Kernen nur verschiedene Stadien oder Formen eines wesentlich gleichartigen Prozesses darstellen. Je mehr Objekte ich aber prüfte, um so deutlicher drängte sich mir die Ueberzeugung auf, daß verschiedene Arten von Erkrankung unterschieden werden müssen, kenntlich an der verschiedenen Beschaffenheit der Kerne. Die auffallendsten Typen seien im folgenden aufgeführt.

1) Fälle, wo Zellen mit fast normalen Kernen nach innen abgestoßen worden sind (Fig. 92). Dies ist, abgesehen von der Auflösung nach außen, jedenfalls der geringste Grad von pathologischem Verhalten. Ein einziges Mal habe ich in einem Haufen solcher Zellen eine Mitose gefunden. Dabei ist es freilich nicht ausgeschlossen, daß diese Zelle eine normale Mesenchymzelle war.

2) Fälle, wo die Kerne der nach innen getretenen Zellen zwar die normale Form ziemlich unverändert beibehalten, das Chromatin aber sich nicht in Gestalt eines feinen Retikulums darstellt, sondern grober anastomosierender Stränge, die größtenteils der Kernoberfläche anliegen (Fig. 93).

3) Fälle, wo die Kerne der noch im Epithelverband liegenden Zellen sich ohne Formänderung in blaß gefärbte homogene Kugeln umwandeln (Fig. 90), über deren weiteres Schicksal ich nichts aussagen kann.

4) Fälle, wo die Kerne der noch im Epithel befindlichen Zellen im Vergleich zu ihrem Protoplasmakörper sehr groß werden und dabei, unter Bewahrung der retikulären Struktur, so blaß und so wenig scharf begrenzt, daß man sie kaum mehr vom Protoplasma unterscheiden kann (Fig. 88). Wo der Prozeß weit vorgeschritten ist, möchte man die Zellen für kernlos halten. Treten diese Zellen nach innen, so scheinen sie sofort bis auf einen flachen, blassen, schalenförmigen Rest zu zerfallen.

5) Fälle, wo der Kern einseitig blaß wird, während er im übrigen Bereich sein typisches Aussehen bewahrt (Fig. 85). Dieser Zustand führt zu einem Platzen der Kernhülle; man findet einen farblosen homogenen Tropfen oder mehrere solche (Fig. 85 c), auf deren Oberfläche an irgend einer Stelle das zu einem kleinen

Boveri, Zellen-Studien VI.

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Klumpen zusammengezogene Chromatin aufliegt. Fig. 85b stellt diesen Prozeß in einem mittleren Stadium dar.

6) Fälle, die mit den vorigen verwandt erscheinen, insofern sich eine große Vakuole gebildet hat, der der Kern angeschmiegt ist. Der Unterschied liegt darin, daß in unserem jetzigen Fall bei dieser Veränderung, die auch hier auf einem Austritt eines farblosen Tropfens aus dem Kern zu beruhen scheint, der übrige Teil des Kerns nicht zu einem homogenen Chromatinklumpen zusammenschrumpft, sondern seine Bläschenform und typische Struktur bewahrt (Fig. 87). Wie sich diese Kerne weiter verändern, weiß ich nicht.

7) Fälle, wo der Kern in mehrere, gewöhnlich in zwei verschieden beschaffene färbbare Teile zerfallen ist, nämlich ein mehr oder weniger typisches Kernbläschen und einen homogenen Chromatinbrocken (Fig. 97). Häufig zerfällt die Zelle, diesen beiden Bestandteilen entsprechend, in zwei Stücke. Unter diesem Typus scheint es noch verschiedene Spezialfälle zu geben, von denen einer vielleicht in dem Bild der Fig. 91 seine Vorstadien findet. Man sieht ein Stück Wand einer dispermen Viererblastula von Echinus mit zahlreichen Zellen, die Mitosen enthalten oder, richtiger gesagt, isolierte Chromosomen. Denn eine Anordnung zu Aequatorialplatten scheint nicht vorzukommen; von Sphären ist in dem Präparat nichts zu erkennen. Diese Zellen zeigen unregelmäßige Umrisse, wie wenn sie amöboid beweglich wären. Dabei finden sich oft einzelne Chromosomen von den anderen weit abgedrängt oder gar in einem völlig abgeschnürten Protoplasmateil gelegen. Auf diese Weise dürften die zahlreichen zwischen den ruhenden Kernen zerstreuten Chromatinbrocken zu stande gekommen sein.

Endlich hat Herr MURRAY an Schnitten durch disperme Larven Zellen gefunden, welche in ihrem Protoplasma chromatische Teilchen zerstreut zeigen, von einer Art, die an Chromidien erinnert.

Es wird die Frage auftreten, ob die unterschiedenen Fälle wirklich typisch verschiedene Erkrankungen darstellen und nicht lediglich untergeordnete Variationen oder gar nur verschiedene Stadien des gleichen Prozesses. Es ist klar, daß hier große Vorsicht in der Deutung geboten ist. Man findet in der Tat im gleichen Larvenbezirke verschiedene Krankheitsbilder nebeneinander, wie dies aus den Figuren der Taf. X zu ersehen ist. Auch ist nicht auszuschließen, daß die fast normal aussehenden Kerne

der Fig. 92 in den Zustand derer der Fig. 93 übergehen, wie diese selbst vielleicht in dem so häufigen Degenerationsbild der hohlen Halbkugel endigen mögen. Allein selbst wenn dies der Fall sein sollte, müßte doch der Umstand, daß die eben genannten Zustände in älteren Larven vorkommen, während viel stärker degenerierte Kerne in jungen Stadien gefunden werden, als ein nicht zu vernachlässigender Unterschied in Anspruch genommen werden.

Als völlig selbständig steht jedenfalls neben den genannten Fällen der in Fig. 85 gezeichnete Typus da, wo das Chromatin eines normal erscheinenden Kerns durch einseitiges Austreten von ,,Kernsaft" sofort in ein homogenes Klümpchen verwandelt wird. Und davon wieder verschieden, wenn auch verwandt, ist die Bildung der Bohnenkerne (Fig. 87) mit ihrer Vakuole daneben. Auch das Homogenwerden der großen kugelig gebliebenen Kerne (Fig. 90) und dann wieder das Abblassen bei Erhaltung der Netzstruktur (Fig. 88), auch diese Zustände lassen sich unmöglich als Stadien eines und desselben Prozesses auffassen.

Es ist dabei noch besonders darauf hinzuweisen, daß ein solcher Zustand sich fast immer sehr gleichartig durch einen ganzen zusammenhängenden Wandbereich verfolgen läßt und daß mit scharfer Grenze ein gesunder oder ein in anderer Weise erkrankter daran angrenzt.

Endlich müssen auch pathologische Veränderungen, wie sie in Fig. 91 und 97 gezeichnet sind, auf ganz besonderer Disposition dieser Zellen beruhen; denn sonst könnten nicht mit solcher Regelmäßigkeit die gleichen Bilder wiederkehren, die in anderen Keimen oder in anderen Bereichen des gleichen Keimes völlig fehlen.

Ohne also auf eine bestimmte Zahl Gewicht zu legen, halte ich es für ein nicht zu bezweifelndes Faktum, daß in dispermen Seeigelkeimen eine Anzahl verschiedener Krankheitsformen unterscheidbar sind. Mit der Größe der Zellen und Kerne haben diese Verschiedenheiten nichts zu tun. Das einseitige Platzen (Fig. 85 und 86), das Homogen werden habe ich in gleicher Weise bei großen und kleinen Kernen gesehen. Der grob retikulierte Kern der Fig. 93 kommt gleichfalls in den verschiedensten Größen vor, ebenso die so häufig auftretende hohle Halbkugel, die für viele Erkrankungsarten den definitiven Kernleichnam darzuzustellen scheint. Bei der Beurteilung der Größe aller dieser stärker veränderten Kerne ist allerdings zu beachten, daß beim Zerfall der Zellen auch die Kerne nicht selten zerfallen, so daß

man in einem gleichartigen pathologischen Haufen identische Kerndegenerationsformen in sehr verschiedener Größe antreffen kann.

In Fig. 82 ist ein optischer Durchschnitt durch die Wand einer dispermen Blastula wiedergegeben, um das Austreten der kranken Zellen aus dem Epithel zu illustrieren. Auch Fig. 83 und 84 zeigen diesen Vorgang. Das Protoplasma der aus dem Verband ausscheidenden Zellen sieht in der Regel homogener aus, als das der noch epithelial angeordneten Nachbarzellen, und es beginnt nun zu zerfallen, wobei der Kern entweder in einem dieser Fragmente verbleibt oder völlig frei wird. Die Erscheinungen des Zellzerfalls sind ziemlich mannigfaltig; manchmal sieht man Formen, die auf amöboide Bewegungen hinweisen, meist aber größere oder kleinere abgerundete Ballen und Körner, teils homogen, teils granuliert oder schaumig.

Fragt man nun, was das primär Erkrankte ist, das Protoplasma oder der Kern, so kann ich darauf eine entscheidende Antwort nicht geben. Zwar zeigen sich in vielen Fällen Veränderungen am Kern, wo im Protoplasma noch gar nichts von solchen zu erkennen ist. Allein das Protoplasma dieser winzigen Zellen bietet eben so wenig an Merkmalen dar, daß dies nicht viel sagen will. Indirekt dagegen weisen unsere Erfahrungen mit Bestimmtheit auf den Kern als den ursprünglichen Sitz der Erkrankung hin. Denn wir sehen nicht nur überhaupt keinen Grund, warum das Plasma dispermer Keime erkranken sollte, sondern, was viel wichtiger ist, es wäre nicht zu verstehen, warum das Plasma in dem einen Keimviertel erkranken sollte, in einem anderen nicht, oder warum die Erkrankung sich hier in dieser, dort in einer anderen Weise äußern sollte. Sowie wir aber die Ursache der Erkrankung in unrichtiger Kombination von Chromosomen sehen, sind alle diese Verschiedenheiten sofort erklärlich.

So bilden die betrachteten Tatsachen eine weitere wichtige Stütze für die Theorie der Verschieden wertigkeit der Chromosomen. Wenn zur normalen Funktion eines Kerns das Zusammenwirken verschiedenwertiger Chromosomen nötig ist, so muß ein Kern, dem die Chromosomen a fehlen, einen anderen Defekt besitzen als ein Kern, dem die Elemente b fehlen. Und wenn das Fehlen dieser Chromosomen den Kern krank macht, so muß die Erkrankung im ersten Fall eine andere sein als im zweiten. Freilich ist damit nicht gesagt, daß wir von dieser Verschiedenheit etwas wahrnehmen müßten. Was wir an den pathologisch veränderten Kernen sehen,

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