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pneustes variegatus, in welche 2, 3 und 4 Spermatozoen eingedrungen waren, bis zum Gastrulastadium verfolgt habe, ohne daß sich eine Unregelmäßigkeit in deren Entwickelung hätte nachweisen lassen. Diese Angabe muß auf einem Irrtum beruhen. Denn selbst wenn man annehmen wollte, SELENKA habe gerade jenen überaus seltenen, unten zu besprechenden Dispermietypus vor sich gehabt, welcher zu normaler Entwickelung führt, so lassen sich doch seine Fälle mit 3 und 4 Spermien nicht unterbringen. Höchst auffallend ist speziell für diese Eier seine Bemerkung, daß keine Unregelmäßigkeit in der Entwickelung vorgekommen sei, während doch derartige Objekte stets ein höchst abweichendes Furchungsbild darbieten. Und auch bei den dispermen Eiern hätte SELENKA wenigstens das Auftreten von 4 Polen und die simultane Vierteilung bemerken müssen. Statt dessen nimmt er an, daß sich die überschüssigen Spermakerne rückbilden und resorbiert werden. Niemand hat aber je in einem überfruchteten Seeigelei so etwas gesehen. Angesichts dieser Widersprüche wird man annehmen müssen, daß SELENKA gar keine überfruchteten Eier vor sich gehabt hat, und diese Vermutung hat um so mehr Berechtigung, als SELENKA nicht angibt, woran er eigentlich die Polyspermie erkannt hat. Es kommen in den Eiern mancher Seeigelweibchen helle Stellen im Protoplasma vor, die mit jenen Flecken, die durch die Spermaköpfe verursacht werden, eine gewisse Aehnlichkeit besitzen, wenn sie auch strahlenlos sind. Vielleicht hat sich SELENKA durch solche Vorkommnisse täuschen lassen.

Ein noch schärferer Widerspruch zu den Ergebnissen von DRIESCH und mir scheint auf den ersten Blick in dem Satz von O. und R. HERTWIG vom Jahre 1887 (73, p. 155) vorzuliegen, daß sie „Tausende von Larven aus überfruchteten Eiern gezüchtet und auf dem Gastrula- und Pluteusstadium untersucht haben". Allein genauere Betrachtung der Ausführungen der beiden Forscher lehrt, daß es sich bei diesen Untersuchungen gar nicht um eine Feststellung gehandelt hat, ob sich disperme Eier überhaupt entwickeln, sondern nur um die Frage, ob aus ihnen, falls sie sich entwickeln, Mehrfachbildungen hervorgehen. Demgemäß beziehen sich die Beobachtungen von O. und R. HERTWIG ausschließlich auf Massenkulturen, von Eiern, unter denen ein großer Prozentsatz von überfruchteten konstatiert worden war. Für die Frage, welche die Brüder HERTWIG entscheiden wollten, genügte dieses Verfahren; mit Recht haben sie eine Beziehung zwischen Ueberfruchtung und Mehrfachbildung auf Grund ihrer Erfahrungen

verneint. Ob aber disperme Eier überhaupt normale Larven liefern können, dies läßt sich durch Massenzucht unmöglich entscheiden. Die Tausende normaler Larven, von denen in dem zitierten Satz die Rede ist, waren offenbar aus den monosperm befruchteten Eiern der Zuchten entstanden. Der auf isolierter Züchtung ruhende Satz von DRIESCH, daß die dispermen Keime als Blastulae erkranken und zu Grunde gehen, wird also durch die Befunde von O. und R. HERTWIG nicht berührt.

Was ist nun der Grund dieser pathologischen Entwickelung? Schon seit Jahren schien mir hier ein Problem vorzuliegen, dessen Analyse tiefere Einblicke in das Triebwerk der Embryonalentwickelung erlauben müßte, und diese Ueberzeugung verstärkte sich mir noch, nachdem ich, durch eine zufällige Beobachtung veranlaßt, mich eingehender mit der Bedeutung beschäftigt hatte, welche der Protoplasmastruktur in der Entwickelungsphysiologie des Echinidenkeimes zukommt 1). Denn der Kreis von Möglichkeiten, die von vornherein für die pathologische Wirkung der Ueberfruchtung in Betracht kommen konnten, schien sich dabei immer mehr einzuschränken. In der Tat glaube ich nun, daß durch die Gesamtheit der im folgenden mitgeteilten Versuche die Frage gelöst ist. Aber selbst wenn sich die Notwendigkeit ergeben sollte, die hier vertretene Theorie durch eine andere zu ersetzen, hoffe ich, daß die Arbeit, die ich auf dieses Problem verwendet habe, keine vergebliche gewesen ist.

Es könnte dem Leser, besonders wenn er vorläufig einen Blick auf die Tafeln wirft, vielleicht scheinen, daß die Resultate dieser Untersuchung sich nur gezwungen einer Serie von Arbeiten einfügen lassen, die den Namen „Zellen-Studien" führen. Doch wäre diese Meinung nicht begründet. Denn wenn auch das, worauf sich unsere Argumentation gründen wird, fast ausschließlich Larvenmerkmale sind, so ist eben die Rolle, welche die Larve hier spielt, keine andere als die eines Meßinstruments, an welchem Eigenschaften der ersten Embryonalzellen abgelesen werden sollen.

Und zwar sind die zellulären Eigenschaften, auf die wir dabei geführt werden, gerade solche, mit denen sich frühere Hefte dieser Studien beschäftigt haben. Denn, wie sich zeigen wird, knüpft die Theorie der dispermen Entwickelung, die hier begründet werden soll, aufs engste an jenen früher (9) betonten „Dualismus der karyokinetischen Phänomene" an, wonach bei der Kernteilung zwei

1) Vergl. 19 und 20.

völlig selbständige, nur an einem Punkt ineinander greifende zyklische Prozesse nebeneinander herlaufen: der Kreislauf der Chromosomen und der der Centrosomen. Wie früher dargelegt, vermögen diese beiden zyklischen Vorgänge nur dann normal zusammenzuwirken, wenn zur Zeit ihres Ineinandergreifens nicht mehr als 2 Centrosomen in Tätigkeit treten. Nur unter dieser Bedingung nämlich ist die Verteilung der Chromosomen auf die Tochterzellen eine genau geregelte. Nehmen dagegen mehrere Pole an dem karyokinetischen Prozeß teil, so ist die Quantität und Qualität der Tochterkerne Sache des Zufalls. In diesem vor 17 Jahren entwickelten Satz ist, wie ich zu zeigen hoffe, die Lösung des Dispermieproblems bereits ausgesprochen.

Die Versuche, die dieser Arbeit zu Grunde liegen, sind zum größten Teil im Jahre 1901/1902 ausgeführt worden, als ich mit Unterstützung der Königl. preußischen Akademie der Wissenschaften die Monate Oktober bis April an der zoologischen Station in Neapel zubrachte 1). Einige Lücken, die sich bei der Ausarbeitung ergaben, konnten bei einem Aufenthalt in Neapel während der Osterferien 1905, wozu mir von dem Elizabeth Thompson Science Fund eine Unterstützung gewährt worden war, ausgefüllt werden. Für beide Subventionen sei hier ergebenster Dank ausgesprochen. Ebenso bin ich der Leitung und Verwaltung der zoologischen Station für die Förderung, die meine Arbeiten von ihrer Seite in reichstem Maße erfahren haben, zu lebhaftem Dank verpflichtet.

Fast alle Versuche, die im folgenden beschrieben sind, habe ich gemeinsam mit meiner lieben Frau ausgeführt, und dieses Zusammenarbeiten ist dem Ganzen in mehr als einer Hinsicht zu gute gekommen.

B. Die pathologische Entwickelung als Folge der Dispermie.

Das Problem der dispermen Entwickelung kann nur dann ein erhebliches Interesse darbieten, wenn sich zeigen läßt, daß die krankhafte Entwickelung dispermer Keime ihren Grund in der Einführung von mehr als einem Spermium und nicht in einer schon vorher krankhaften Beschaffenheit des Eies hat.

1) Eine kurze Darstellung der damaligen Ergebnisse findet sich in 22 und 26.

Es ist zuerst von FOL (53) und dann besonders umfassend von den Brüdern HERTWIG (73) festgestellt worden, daß Schädigung der Eier, vor allem die Behandlung derselben mit narkotisch wirkenden Substanzen, das Eindringen mehrerer Spermien begünstigt. Entwickelt sich daher ein solches Ei pathologisch, so läßt sich zunächst nicht sagen, ob diese krankhafte Entwickelung eine Folge der Mehrfachbefruchtung, oder ob sie auf die schon vor der Befruchtung vorhandene krankhafte Eibeschaffenheit zurückzuführen ist, oder ob vielleicht beide Momente eine Rolle spielen. Jedenfalls liegt auf Grund der genannten Erfahrungen der Gedanke nahe, daß vielleicht jedes Ei, auch wenn es ohne irgendwelche experimentelle Beeinflussung disperm geworden ist, schon vorher krankhaft veranlagt gewesen sei.

Zur Entscheidung dieser Frage konnte ich auf einer früher gemachten Erfahrung fußen, daß nämlich bei völlig gleichartigem und nach allen Umständen als normal zu bezeichnendem Eimaterial der Prozentsatz der Mehrbefruchtungen in hohem Maße von der Menge der Spermien abhängig ist, die mit den Eiern in Berührung kommen 1). Das heißt aber mit anderen Worten: man kann durch Verwendung von konzentriertem Sperma mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit ein Ei, das bei Berührung mit stark verdünntem Samen nur ein Spermium in sich aufgenommen hätte, zwingen, zwei eintreten zu lassen. Diese Tatsache wird wohl so zu erklären sein, daß beim Andringen sehr vieler Spermien nicht selten zwei (oder mehrere) so völlig gleichzeitig an die Eioberfläche herankommen, daß der Abwehrmechanismus, der auf ein, wenn auch noch so kurzes zeitliches Intervall zwischen der Annäherung der einzelnen Spermien berechnet ist, nicht in Tätigkeit zu treten vermag, bevor sich zwei (oder mehrere) mit dem Ei vereinigt haben.

Sind wir nun so im stande, ohne jede weitere Beeinflussung der Geschlechtsprodukte lediglich durch die Zahlenverhältnisse, in denen wir sie mischen, den Prozentsatz der Dispermie zu verändern, so ist es klar, daß sich durch ein statistisches Verfahren mit voller Sicherheit entscheiden lassen muß, ob die Dispermie rein für sich pathologische Entwickelung bedingt oder nicht.

Hierzu dienten folgende Versuche.

1) Wenn ich hierin der gegenteiligen Angabe von O. und R. HERTWIG (73, p. 139) widerspreche, so muß ich doch hinzufügen, daß die Resistenz verschiedenen Eimaterials in dieser Hinsicht recht verschieden ist.

Versuch vom 22. November 1901.

Tadellose Eier eines Weibchens von Strongylocentrotus lividus. wurden in zwei annähernd gleiche Portionen geteilt. Zu der einen Portion wurde sehr konzentriertes Sperma gesetzt, zu der anderen die gleiche Menge eines aus jenem ersten auf das Hundertfache verdünnten Sperma.

Nach erfolgter Befruchtung und Reinigung der Eier von den überschüssigen Spermien wurden von jeder Portion unter der Lupe 100 beliebige Eier isoliert; die beiden ursprünglichen Portionen wurden in größeren Schalen aufbewahrt.

Nach Auftreten der ersten Furche wurden die isolierten Eier untersucht, um festzustellen, ob sie sich in 2 oder in 4 oder mehr Zellen geteilt hatten.

Von den 100 Eiern aus der schwachbesamten Portion zeigten 99 Zweiteilung, eines Vierteilung und war also disperm. Unter den 100 starkbesamten Eiern fand sich eine Oocyte, von den 99 übrigen waren 11 auf Grund ihrer simultanen Mehrteilung als disperm oder polysperm zu erkennen, 88 zeigten sich zweigeteilt.

Der Versuch bestätigte also zunächst wieder die Erfahrung, daß die Zahl der Mehrfachbefruchtungen in sehr erheblichem Grad von der Spermamenge abhängig ist.

Die einzelnen Kulturen wurden nun ihrer Entwickelung überlassen und nach 3 Tagen (am 25. November), wo das Pluteusstadium erreicht war, wieder geprüft.

Die 100 schwachbesamten Eier ergaben 99 tadellose Plutei und eine pathologische Blastula, genau entsprechend dem Verhältnis von 99 zweigeteilten und einem viergeteilten Ei am 22. November.

Von den (nach Ausscheidung der Oocyte) 99 starkbesamten Eiern hatten sich 86 zu normalen Plutei entwickelt, daneben wurden 10 pathologische Objekte (Steroblastulae) gefunden. Es sind also 3 Stück zu wenig. Dieses Minus dürfte höchst wahrscheinlich auf die uns unten näher beschäftigende Erscheinung zurückzuführen sein, daß sich einzelne disperme Keime schon am 2. oder 3. Tag auflösen und damit verschwunden sind. Aber auch unter dieser Annahme stimmt unsere Rechnung nicht völlig; denn danach müßten 10+ 3, also 13 mehrfach befruchtete Stücke vorhanden gewesen sein, während am 22. November nur 11 abnorm gefurchte gezählt worden waren. Auch hierfür ließe sich eine Erklärung geben. Wenn nämlich in einem dispermen Ei der eine Spermakern mit seinen Zentren selbständig bleibt,

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