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nötigen. Es genügt, die Frage zu stellen, ob die Verschmelzung von Ei- und Samenzelle FICK veranlaßt, die Lehre von der Individualität der Zellen aufzugeben?

Mit dem Gesagten glaube ich gezeigt zu haben, daß FICKS Einwendungen keineswegs ein Aufgeben der Individualitätstheorie, sondern höchstens eine Modifikation derselben verlangen. Eine weitere Frage aber ist die, ob die Zustände, die wir an den Zellkernen beobachten, der FICKschen Vorstellung überhaupt günstig sind. Die Objekte, an denen ich selbst den Uebergang der Tochterchromosomen in den Zustand des Ruhekerns und die Bildung der neuen Mutterchromosomen aus diesem Ruhekern studiert habe, lassen, wie mir scheint, keine andere Deutung zu als diejenige, die vorher schon mehr oder weniger bestimmt FLEMMING, C. RABL u. a. gegeben hatten, daß nämlich die Tochterchromosomen durch. Aussenden von Fortsätzen in ein Gerüstwerk übergehen, und daß jedes neue Chromosom aus einem gewissen Bezirk dieses Gerüstes durch Kontraktion entsteht. Dazu kommen dann noch als höchst wichtige Ergänzung die bei verschiedenen Kernformen ermittelten deutlichen Anzeichen, daß jeder aus einem Chromosoma entstandene Gerüstbezirk wieder in ein Chromosoma zusammenfließt (vergl. 26).

Alle diese Fälle und ich glaube, sie dürfen noch immer als die bestuntersuchten gelten fallen also von vornherein aus der FICKschen Hypothese heraus. Was aber bleibt dann übrig? FICK beruft sich auf die Verhältnisse in den Keimbläschen und dabei besonders auf seine eigenen Studien an den Keimbläschen von Amphibien-Eiern. Leider liegt bisher über diese Untersuchungen nur eine äußerst kurze Mitteilung (50) vor, aus der sich kein Urteil gewinnen läßt, was FICK über das Schicksal der in das Keimbläschen eingegangenen und über die Bildungsweise der aus dem Keimbläschen wieder hervorgehenden Chromosomen ermittelt hat. Betrachtet man aber die Angaben, die sonst in der Literatur vorliegen, so schließen sie sich entweder dem von anderen Kernen Bekannten zwanglos an, so diejenigen von N. M. STEVENS für Sagitta (117), oder sie geben auf unsere Frage überhaupt keine Antwort und unterstützen somit auch nicht die spezielleren Vorstellungen von FICK 1). Jedenfalls muß es als verfehlt bezeichnet

1) Vergl. hierzu auch meine Bemerkungen in p. 40/41. Was im übrigen die Riesenkeimbläschen der Wirbeltiere anlangt, so halte ich die Darstellung, die RCCKERT (109) im Jahre 1892 für die Selachier gegeben hat, noch keineswegs für widerlegt.

werden, die klaren Fälle nach denjenigen, wo man nichts Klares sieht, beurteilen zu wollen. Und es ist eine unzweifelhaft irrige Auffassung, wenn FICK meint, das Keimbläschen, das er den ,,Kern der Kerne" und den ,,Kern par excellence" nennt, müsse in Fragen der Kernmorphologie deshalb die beste Auskunft geben, weil es unter allen Kernen am größten ist. Es ist fast zu verwundern, daß das Keimbläschen zu einer solchen irrigen Bewertung des Volumens in Fragen der Morphologie hat Veranlassung geben können. Denn was liegt näher, als von dem größten Kern den Blick auf die größten Zellen zu richten, auf die riesigen Wirbeltier-Eier, für die dann ein Gleiches gelten müßte. Welche Schwierigkeiten aber waren zu überwinden, bis man zu einer richtigen Auffassung dieser Eier und ihres Furchungsprozesses gelangen konnte, d. h. bis man sich zu überzeugen vermochte, daß sie im Prinzip das Gleiche darbieten, was bei einem kleinen Ei die einfachste mikroskopische Betrachtung gelehrt hatte!

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FICK stellt die Theorie der Chromosomen-Individualität an verschiedenen Stellen als eine Lehre hin, die die Chromosomen als wichtige" Individuen betrachte, was schon angesichts ihrer verschiedenen Zahl bei nahe verwandten Organismen unzulässig sei 1). Ich selbst habe jedenfalls niemals ein solches Werturteil abgegeben. Daß es in der Frage der Kernkonstitution Dinge gäbe, die viel wichtiger wären, wenn wir etwas von ihnen wüßten, dieser Meinung bin ich auch. Einstweilen aber sind wohl die Chromosomen für unsere Hilfsmittel faßbar, nicht aber jene sogenannten ,,Chromatin - Bionten", „Lebens- bezw. Erbeinheiten", die FICKS Gedankengang beherrschen, obgleich er sie selbst hypothetisch nennt. Für den Theoretiker, der nach Art WEISMANNS sich aus den Tatsachen der Vererbung ein anschauliches Bild des cellulären Vererbungssubstrates zu konstruieren sucht, sind solche Symbole vielleicht nicht zu entbehren; der Zellenforscher dagegen

1) Was den von mir geäußerten Gedanken anlangt (26, p. 101), daß das generative Chromosoma von Ascaris megalocephala eine Art von Sammelchromosoma darstelle und einer größeren Anzahl von Chromosomen bei Ascaris lumbricoides äquivalent sei, so hätte ich es richtig gefunden, wenn FICK bei seiner sehr abfälligen Besprechung dieser Vermutung (p. 189) die triftigen Gründe mitgeteilt hätte, die für sie anzuführen sind. Daß Chromosomen, die bei einer Species unabhängig voneinander sind, sich bei einer nahe verwandten assoziieren können, hat übrigens inzwischen Mc CLUNG (92) für Heuschrecken gezeigt.

hat nach meiner Meinung von ihnen abzusehen, solange er nicht auf seinem Feld etwas zu erkennen vermag, das jenen Konzeptionen entsprechen könnte.

FICK sagt, meine Befunde über das „proportionale Kernwachstum" und die von mir daran geknüpften Betrachtungen (26, 27) bewiesen nichts anderes, als daß überhaupt individualisierte Gebilde im Chromatin vorhanden sind. Ich muß ihm darin recht geben. Da uns jedoch aus dem Studium der Kernmorphologie nichts anderes bekannt ist, das diesem Postulat einzelner im ruhenden Kern bestehender Individuen entsprechen könnte, als die Chromosomen, diese aber sich der aufgestellten Forderung aufs beste fügen, so scheint es mir gerechtfertigt, in jenem Postulat ein gewichtiges Argument für die Individualität eben der Chromosomen zu erblicken.

Von einer anderen Seite her tritt soeben C. M. CHILD 1) der Individualitätstheorie entgegen. Schon früher hatte er für den Bandwurm Moniezia die Angabe gemacht, daß bei der Keimzellenbildung neben Mitosen auch direkte Kernteilungen ein reguläres Vorkommnis seien, und DRIESCH (46) hatte auch bereits diese Angabe gegen meine Schlüsse in betreff der Kernkonstitution angeführt. Ich glaubte darauf nicht eingehen zu müssen, da sich meine Experimente und Schlußfolgerungen auf Seeigel beziehen und nicht auf Bandwürmer. Inzwischen hat nun CHILD seine Beobachtungen auf andere Tiergruppen ausgedehnt, und er glaubt den Beweis geliefert zu haben, daß in weitester Verbreitung A mitose neben mitotischen Teilungen im normalen und regulatorischen Wachstum der Tiere vorkommt. Beide Arten von Teilungen können nach seiner Meinung miteinander abwechseln, derart, daß die Tochterkerne eines Kerns, der sich amitotisch geteilt hat, mit der typischen Chromosomenzahl in eine mitotische Teilung eintreten würden. Es ist klar, daß, wenn dies richtig ist, die jetzt sehr allgemein angenommenen Vorstellungen über die Konstitution des Chromatins falsch sein müssen. Und da für diese Anschauungen doch höchst bedeutungsvolle Tatsachen sprechen, wird es am Platz sein, die Grundlagen der CHILDSchen Behauptungen aufs genaueste zu prüfen. Sollen seine Beobachtungen das, was er vertritt, beweisen, so muß gezeigt sein: 1) daß der doppelkernige Zustand, den er findet, wirklich auf einer Teilung

1) C. M. CHILD, Amitosis as a Factor in normal and regulatory Growth. Anat. Anz., Bd. XXX, 1907, No. 11 u. 12.

beruht, 2) daß sich um jeden von diesen Kernen ein Teil des Protoplasmas abgrenzt, und 3) daß die so entstandenen Zellen sich wieder mitotisch teilen und dabei die normale Chromosomenzahl besitzen. Von diesen unerläßlichen Nachweisen ist in dem CHILDschen Aufsatz kein einziger erbracht; denn nicht einmal der erste der drei Punkte ist bewiesen. Freilich sieht es so aus, als seien die Zustände, die er abbildet, auf Kernteilung zu beziehen; seit wir aber durch RÜCKERT und besonders durch HAECKER wissen, daß sich vom Ei her ein Zustand von Doppelkernigkeit kürzere oder längere Zeit erhalten kann, ist es viel wahrscheinlicher, daß CHILDS Bilder in dieser Weise zu deuten sind. Da er sich speziell auch auf Amphibien-Embryonen bezieht und damit auf Objekte, die mir aus eigener Anschauung bekannt sind, sei an diesem Beispiel die Haltlosigkeit seiner Argumentation näher erläutert. Die gleichen Bilder, wie sie CHILD von Amblystoma veröffentlicht hat, finden sich in den Blastomeren von Triton. Für CHILD steht es fest, daß diese Bilder eine amitotische Teilung beweisen, und fraglich bleibt ihm bloß, in welcher Häufigkeit Amitose und Mitose nebeneinander vorkommen. Ich habe vor 3 Jahren Herrn Dr. W. RUBASCHKIN aus St. Petersburg veranlaßt, die den CHILDschen Abbildungen so ungemein ähnlichen Kernzustände in den Triton-Blastomeren eingehender zu untersuchen. Die Arbeit ist vor 2 Jahren erschienen 1). Sie lehrt erstens, daß die beiden ruhenden Kerne, die man so häufig nebeneinander findet, nicht durch Teilung eines vorher einheitlichen Kerns entstanden sind, sondern umgekehrt daher rühren, daß die nach der Mitose um die einzelnen Chromosomen auftretenden Bläschen nicht zu einer einzigen Vakuole verschmolzen sind, sondern zu zweien. Und zweitens, was viel wichtiger ist, läßt die Arbeit von RUBASCHKIN keinen Zweifel, daß die beiden Kerne sich niemals voneinander trennen, sondern daß sie sich gemeinsam zur Mitose vorbereiten, welche somit die einzige hier vorkommende Art der Kernvermehrung darstellt.

So glaube ich, daß auch dieser neueste Angriff die Individualitätstheorie nicht zu erschüttern vermag. Im übrigen aber möchte ich, anknüpfend an gewisse allgemeine Ausstellungen FICKS und CHILDS, bemerken, daß ich sehr gerne bereit bin, die von mir angeregte Benennung aufzugeben, wenn eine bessere gefunden werden kann. Einstweilen scheint mir eine solche nicht

1) W. RUBASCHKIN, Ueber doppelte und polymorphe Kerne in Tritonblastomeren. Arch. f. mikr. Anat., Bd. LXVI, 1905.

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zu existieren. Denn der FICKsche Ausdruck Manövrieren", selbst wenn die damit verbundene Vorstellung richtig sein sollte, läßt sich nicht zu einem Terminus gestalten, der etwas über die Beziehungen der aufeinander folgenden Chromosomenkomplexe aussagt. Die Bezeichnung von RABL aber: Kontinuität der Chromosomen" scheint mir deshalb unbrauchbar, weil sie, ganz entsprechend den RABLschen Darlegungen von 1885, das Wesentliche nicht ausdrückt, nämlich den genetischen Zusammenhang je eines bestimmten aus dem Kern hervorgehenden mit einem bestimmten der in ihn eingegangenen Chromosomen. Eine Kontinuität der Chromosomen" hatte schon FLEMMING gelehrt.

Gehen wir nun zu der Verschieden wertigkeit der Chromosomen über, so hat man ihr außer den oben (p. 220 ff.) besprochenen spezielleren Argumenten auch das allgemeine entgegengehalten, daß man unter dieser Voraussetzung eine um so größere Zahl von Chromosomen zu erwarten habe, je komplizierter ein Organismus sei, während wir in Wirklichkeit bei manchen niederen. Tieren weit höhere Zahlen finden als bei den Wirbeltieren. Hiergegen ist zu bemerken, daß, wenn eine Verschieden wertigkeit der Chromosomen für einen Organismus wahrscheinlich gemacht oder bewiesen ist, sie damit natürlich nicht für alle behauptet wird. Es mag Kerne geben, in denen alle Chromosomen gleichwertig sind und wo die Vielheit von der Bedeutung individueller Verschiedenheiten abgesehen nur den Zweck hat, eine gewisse Quantität zu repräsentieren. Betrachtet man die Frage als historisches Problem, so wird man gar nicht zweifeln können, daß ein solcher Zustand der Gleichartigkeit der ursprüngliche gewesen ist. Aber ebenso einleuchtend macht es uns die Betrachtung der vielen anderen Fälle in der Natur, wo wir ursprünglich gleichartige Teile ungleich werden sehen, daß auch zwischen den Kernelementen eine Arbeitsteilung eintreten konnte derart, daß bestimmte Leistungen in einzelnen Chromosomen verstärkt wurden, in anderen. sich rückbildeten, bis vielleicht zu gegenseitig sich ausschließendem Besitz.

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Eine genauere Betrachtung der Chromatin verhältnisse wird dies noch anschaulicher machen. Wenn wir von einem Zustand voller Gleichwertigkeit aller Chromosomen ausgehen, so werden wir nicht umhin können, in jedem einzelnen Chromosoma uns verschiedene Leistungen verbunden zu denken. Denn schon für die Protozoen ist kaum anzunehmen, daß die Funktion des Chroma

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