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Sind wir damit zu dem Schluß gekommen, daß nicht die abnorme Zahl der Chromosomen der Grund des von uns konstatierten Verhaltens dispermer Keime sein kann, so bleibt nur noch übrig, die abnorme Kombination der Chromosomen dafür verantwortlich zu machen. Dies aber würde heißen, daß die einzelnen Chromosomen verschiedene Qualitäten besitzen müssen. So war das Ergebnis der bisher betrachteten Erfahrungen die Hypothese von der Verschiedenwertigkeit der Chromosomen.

G. Die Hypothese von der Verschiedenwertigkeit der Chromosomen und ihre Forderungen in Bezug auf die Entwickelung dispermer Eier.

Wenn wir im Vorhergehenden aus den Folgen der Doppelbefruchtung einerseits und aus der dabei stattfindenden Chromatinverteilung andererseits eine qualitative Verschiedenheit der Chromosomen erschlossen haben, so setzen uns die besprochenen Erscheinungen nicht in den Stand, diesen Satz anders als in solcher ganz allgemeinen Formulierung auszusprechen. Auf Grund anderer Erfahrungen sind wir jedoch in der Lage, unserem Resultat eine etwas präzisere Fassung zu geben. Die Versuche über die Entwickelung monosperm befruchteter entkernter Eifragmente und über künstliche Parthenogenese haben gelehrt, daß sowohl der Spermakern, wie der Eikern alle zur Entwickelung nötigen Chromatinqualitäten, wenigstens bis zum Pluteusstadium enthält. Eikern und Spermakern sind einander also prinzipiell äquivalent, alle Qualitäten des einen müssen auch im anderen enthalten sein. Halten wir diese Tatsache mit unseren Resultaten über Dispermie zusammen, so lassen sich hinsichtlich der Verschiedenwertigkeit der Chromosomen zwei Annahmen machen. Entweder jedes Chromosoma des einzelnen Vorkerns besitzt eine ganz bestimmte Qualität oder Qualitätenkombination, und dieses Chromosoma hat im anderen Vorkern sein genaues Gegenstück, so daß also dem a, des Eikerns ein a, des Spermakerns entsprechen würde; oder die Qualitäten A, B, C, D . . . . . . jedes Vorkerns sind beliebig auf die einzelnen Chromosomen verteilt, die Chromosomen sind gleichsam nur die Gefäße, in welche die Qualitätenträger bei der Mitose eingefüllt werden, wobei lediglich die Bedingung besteht, daß sie sämtlich untergebracht sind, wogegen es gleichgültig ist, wie sie sich in jedem einzelnen Fall auf die vorhandenen Chromosomen verteilen. Dann würde wohl dem A1 des Ei

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kerns ein A, des Spermakerns gegenüberstehen u. s. f., die einzelnen Chromosomen aber würden sich im allgemeinen nicht entsprechen.

Es ließe sich nun schon aus einer allgemeinen Betrachtung der mitotischen Vorgänge, speziell aus der Vergleichung der Chromosomenstellung unmittelbar vor und nach dem Gerüstzustand, entnehmen, daß die erstere Annahme viel mehr Wahrscheinlichkeit. für sich hat. Fast unabweisbar aber erscheint sie angesichts der Reduktionsvorgänge. Wir wissen, daß die Chromosomenzahl sich in der Oo- und Spermatogenese auf die Hälfte reduziert; zugleich aber müssen wir, wenn das Chromatin eines jeden Vorkerns aus Trägern verschiedener Qualitäten besteht, postulieren, daß auch diese Qualitätenträger, die in der normalen amphigonen Entwickelung doppelt vertreten sind, wieder auf die einfache Zahl herabgesetzt werden. Ein solcher Prozeß kann sich ohne Schwierigkeit vollziehen, wenn jedes Chromosoma des einen Vorkerns einem. bestimmten des anderen qualitativ entspricht. Würden dagegen die bei der anderen Alternative supponierten kleinsten Qualitätenträger in beliebiger Weise auf die einzelnen Chromosomen verteilt sein, so wären Einrichtungen von kaum auszudenkender Komplikation nötig, um bei Reduktion der Chromosomenzahl auf die Hälfte zugleich auch die doppelte Serie von Qualitätenträgern auf die einfache Serie herabzusetzen.

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Aus diesem Grund bin ich schon in meiner ersten Veröffentlichung (22) bei der dort kurz mitgeteilten Wahrscheinlichkeitsberechnung und bei dem Hinweis auf die Beziehungen zum MENDELSchen Gesetz von der Vorstellung ausgegangen, daß jedem Chromosoma des einen einen Vorkerns ein solches des anderen qualitativ entspricht. Und es war ein merkwürdiges Zusammentreffen, daß kurz vorher mir damals noch unbekannt MONTGOMERY (94) beim Studium der Chromosomengröße in der Spermatogenese von Insekten Tatsachen ermittelt hatte, welche ihn zu ganz entsprechenden Schlüssen führten: daß nämlich jedem. Chromosoma des Spermakerns ein solches des Eikerns morphologisch äquivalent sei, daß diese zwei bei der Befruchtung zusammengeführten Serien durch alle Zellenfolgen nebeneinander hergehen, bis zum Zweck der Reduktion je ein väterliches Element mit dem ihm entsprechenden mütterlichen kopuliert. Wie an diesem Punkt weiterhin die Untersuchungen von SUTTON (121) im gleichen Sinne fördernd einsetzten, habe ich in meinem Referat über die Konstitution der chromatischen Kernsubstanz (26) eingehend besprochen, worauf hier verwiesen sein mag.

Was durch diese Untersuchungen zuerst für Insekten aufgedeckt worden ist, scheint sich nun auch für andere Tiergruppen zu bestätigen; als sicher dürfen wir es nach den Untersuchungen von K. BONNEVIE (3) bereits für Mollusken ansehen.

Daß sich die Echiniden ebenso verhalten, ist zum mindesten sehr wahrscheinlich. Schon im Jahre 1890 habe ich (11) für See

igeleier verschiedene Chromosomengrößen in der ersten Furchungsspindel beschrieben und abgebildet, wenn ich auch damals nicht daran dachte, daß in dieser Verschiedenheit irgend welche Gesetzmäßigkeit liegen könnte. Ich gebe in Fig. XXVII einen Schnitt durch eine Spindel von Strongylocentrotus wieder, welche sehr deutliche Verschiedenheiten der gezeichneten Chromosomen erkennen läßt. Auch wenn die Unterschiede in der Länge nur die Bedeutung verschiedener

Kontraktionszustände besitzen sollten, bleibt doch das verschiedene Volumen der einzelnen Chromosomen als ein völlig sicherer Unterschied übrig 1).

Fig. XXVII.

Um zu ermitteln, wie weit in diesen Größendifferenzen gesetzmäßige Verhältnisse vorliegen, veranlaßte ich einen meiner Schüler, Herrn F. BALTZER, die Tochterplatten sowohl monospermer, wie dispermer Eier zu untersuchen. Bei dieser Arbeit, die demnächst erscheinen wird, ergab sich vor allem, daß das in Fig. XXVII gezeichnete hakenförmige Tochterchromosoma ein völlig kon

1) Ich darf bei dieser Gelegenheit darauf hinweisen, daß ich bereits 1892 (12, p. 409) die verschiedene Größe der Chromosomen bei genau bestimmter Zahl als Stütze für die Individualitätstheorie angeführt habe.

stantes Vorkommnis ist. Herr BALTZER konnte in jedem darauf untersuchten monospermen Ei, sowohl bei Echinus, wie bei Strongylocentrotus, zwei Paare von solchen hakenförmigen Schwesterchromosomen nachweisen; in den dispermen Eiern fand er drei solche Paare. Danach kann nicht bezweifelt werden, daß hier ein spezifisches Chromosoma vorliegt, das in jedem Vorkern in einfacher Zahl enthalten ist. Neben diesem sehr auffallenden Element konstatierte Herr BALTZER mit großer Regelmäßigkeit noch ein weiteres, das durch besondere Länge ausgezeichnet ist. Auch dieses ist als Tochterchromosoma häufig an seiner Polseite ein wenig umgebogen.

Nach dem Gesagten dürfen wir es jedenfalls als die weitaus wahrscheinlichste Hypothese bezeichnen, daß die als qualitativ verschieden anzusehenden Chromosomen von Vorkern zu Vorkern als Ganzes homolog sind, und wir können nun betrachten, was wir unter dieser Voraussetzung von der Entwickelung dispermer Eier zu erwarten haben. Dabei müssen wir allerdings noch in zweierlei Hinsicht eine nähere Bestimmung treffen. Zunächst ist es fraglich, ob die zu normaler Entwickelung nötige Chromosomenserie a, b, c . . . . . in jedem Monokaryon in einfacher oder vielleicht in doppelter Zahl vorhanden ist; auch die letztere Annahme würde mit den oben für den Reduktionsvorgang aufgestellten Forderungen ganz wohl verträglich sein. Wir sind nicht in der Lage, diese Frage mit Bestimmtheit zu entscheiden; die eben erwähnten morphologischen Befunde sprechen aber für einmaliges Vorkommen einer jeden Chromosomenart im Monokaryon. Diese jedenfalls einfachste Annahme wollen wir daher wählen. Eine zweite Frage ist die, ob ein Kern dann normal ist, wenn er jede Chromosomenart mindestens einmal enthält, oder ob es zu seiner Normalität nötig ist, daß, wenn er z. B. drei a enthält, auch von den übrigen Arten drei Stücke vorhanden sind. Wir werden unten Tatsachen kennen lernen, aus denen wir, unter der Voraussetzung einmaligen Vorkommens jeder Chromosomenart im Monokaryon, mit Sicherheit entnehmen können, daß es innerhalb der für uns in Betracht kommenden Grenzen gleichgültig ist, in wie vielen Repräsentanten die einzelnen Chromosomenarten in einem Kern enthalten sind, wenn nur jede mindestens einmal vertreten ist. Wir legen also unseren Betrachtungen vorläufig diese Annahme zu Grunde.

Wenn wir nun unsere Postulate formulieren, so wird es für diese prinzipiellen Betrachtungen genügen, wenn wir, der leichteren

Uebersicht wegen, statt der (ungefähr) 18 Chromosomen 1) des Echiniden vorkerns nur 4 annehmen. Wir bezeichnen sie als a, b, c und d; das disperme Ei enthält also 3 a, 3 b, 3 c und 3 d. Wo es uns darauf ankommt, die Kernangehörigkeit der einzelnen Chromosomen auszudrücken, verwenden wir für den Eikern den Index 1, für die beiden Spermakerne die Indices 2 und 3.

Was wir zu erwarten haben, ist folgendes:

1) In den einzelnen dispermen Keimen des Tetraster- oder Triastertypus werden die primären Blastomeren sehr verschiedene Kombinationen von normaler und pathologischer Entwickelung darbieten können. Denn wie eine Betrachtung der Diagramme Fig. XXVIII-XXXII für tetrazentrische Eier lehrt, wird es möglich sein, daß alle 4 Blastomeren die richtige Chromosomen-Kombination abcd erhalten (Fig. XXVIII a, b); es wird vorkommen, daß

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Fig. XXVIII.

3 (Fig. XXIX a, b), 2 (Fig. XXX a, b), eine (Fig. XXXI b) oder endlich gar keine Blastomere (Fig. XXXII a, b) Repräsentanten aller Chromosomenarten zugeteilt erhält 2). Daß eine diesem Postulat entsprechende Variabilität in der Tat vor

1) Bei Echinus kommen, wie ich früher (11) festgestellt habe, auch Individuen mit 9 Chromosomen vor. Bei meinen neueren Untersuchungen sind mir jedoch niemals mehr solche Fälle begegnet.

2) In diesen, wie in späteren Diagrammen sind diejenigen Blastomeren, welche nicht die ganze Chromosomenserie a b c d enthalten, durch Punktierung gekennzeichnet.

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