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Hinrichtung. Dem Volke wurde gesagt, sie hab' dem Sohne des LandesHerrn mit Liebestränken angethan, der sei darum der Tage nimmer froh; und Herzog Wilhelms Kindlein habe sie mit Gift aus dem Leben getrieben. Gebunden, von Henkersknechten zur Donaubrücke geschleppt, ward sie, vor allem Volk, hinab in den Strom geworfen. Die Fluten trugen sie schwimmend wieder ans Ufer. Man hörte ihr Geschrei. Der Henker einer rannte hin, erfaßte mit langer Stang' ihr goldenes Haar und drückte sie damit unter die Wellen nieder. So ward der grausame Mord vollbracht, welchen der Stolz fürstlichen Vorurtheils begehrte.

Albrecht, durch die Botschaft sinnlos zu Boden gestürzt, ermannte sich nur zum Schwur, sein Haupt nicht ruhig zu legen, bis er Agnesens theurem Schatten schreckliche Genugthuung geleistet habe. Er floh aus dem befleckten Straubing zum bärtigen Ludwig nach Ingolstadt, und macht' ihn zum Gesellen seiner Rache. Wiewohl der Graf von Mortain zu dieser Zeit blutige Fehde gegen Bischof und Rath von Passau führte, deren Gebiet er, von seinen Burgen zu Schärding und Königstein aus, mit Raub und Brand heimsuchte, war er doch schnell bereit, die Empörung des ergrimmten Sohnes gegen den Vater zu unterstüßen. Von ihm geholfen, zog Albrecht würgend durch die Lande seines Vaters. Dessen Dörfer mußten zum Sühnopfer aufflammen; er rasete mit Feuer und Schwerd, als wollt er im wahnsinnigen Schmerz sein eigenes Erbtheil vertilgen. Vergebens schonte Herzog Ernst und suchte den Sohn mit Bitten zu erweichen. Boten um Boten flogen aus München zu ihm, wie zu Kaiser Sigmund, daß dieser dem Wüthenden gebiete, zur Pflicht und zur Ehre zurück zu kehren.

Erst die alles heilenden Stunden, auch der weiche Zauber der Lonkunst, milderten Albrechts Schmerz. Des Vaters Kummer, des Kaisers Mahnungen, der Freunde Bitten besiegten ihn. Albrecht ging nach München zurück, wo ihn Ernst mit Rührung empfing. Sei es, die verlorne Liebe des Sohnes wieder zu finden, oder aus aufrichtiger Reue um den Mord der schuldlosen Agnes, Herzog Ernst selbst befahl über dem Grabe der Unglückseligen ein Betkirchlein aufzubauen.

Nun weich und gehorsam gab Albrecht dem Wunsche seines Vaters, dem Gebote seines Herkommens nach. Er ließ sich mit Annen von Braunschweig vermählen; lieben konnt' er sie nicht. Nach zwölf Jahren nach Agnesens Ermordung erneuerte er an ihrem Namenstage feierlich die Stiftung ihres Jahrestages und ewigen Lichtes in der Altar - Zelle ; ließ auch die Gebeine der „ehrsamen Frau" in die von ihr einst ersehene Ruhestätte tragen, und mit marmornem Grabstein decken. Lange sang das Volk von Albrechts und Agnesens unglücklicher Liebe.

LXXXIV.

Rahel Antonie Friedrike Varnhagen v. Ense,

geborne

Rahel Levin, nachher unter dem Familiennamen
Robert bekannt.

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(Erster Theil. S. 465.)

Donnerstag, den 22. Februar 1810.

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Welch einen Kazenbrief hast du der Guten geschrieben! Ja, er ahmt die glatten, kleinen Bewegungen eines Kazenrückens bis in den kleinsten Theilen seiner anscheinend verwickelten Phrasen bis zum Verwechseln nach, und könnte der Mensch aus einem Brief eine Kaze machen, wäre es ihm vergönnt, deiner finge Mäuse. Die kann aber eine Welt um sich her zur Kaze machen. Dieser Hunde-Ader, daß du ihr gut bist; mußte sie nicht unter das Glanzfell? Muß ich nicht endlich nur sie loben? Hat man sie auch lieb, wie man es denen thut; zwingt sie einen nicht zu ewiger? bei mir ganz unerhörter Empörung durch ihre ungeheure Versteinerung ach nein! das ist es nicht mehr wie ein glattes festes Austerthier, in sich geschlossen, zu kleinen, blinden, trüben Funktionen gegen Ueberzeugung. Ich behandle ste jezt ganz wie du es ihr im Briefe machst: nur nicht mit so kleiner, regelmäßiger, ebenmaßvoller, geschloffner Schrift und Art: rhapsodischer, zerstreuter; größerer, unebenerer Handschrift! Gestern Rachmittag schickte sie mir deinen Glanzbrief, mit einer Oblate gesichert, und mit den Worten auf dem Umschlag: „Lesen Sie den Brief, Liebste! und lassen Sie mir sagen, ob Sie wohl einmal schreiben. Ich bin ganz beschämt!" Nun spreche ich es ihr noch zurechte! Kurz, es muß ihr wohl sein in der Schale und sie muß mich nicht quälen! Und nun von uns. Reiner von uns will mehr, daß mein ehrliches Leben auch geschaut werde von solchen, die es selbst sind; und genug findet man immer, unter Deutschlands Lesern, wenn man nur drucken läßt. Immerfort erzeugt die Erde auch wieder solche. Ich weiß, welche Freude, welches Behagen mir ein Fünkchen Wahrheit in einer Schrift aufbewahrt macht! Nur davon bekömmt die Vergangenheit Leben, die Gegenwart Festigkeit; und einen künstlerischen Standpunkt, betrachtet zu werden; nur Empfin dungen, Betrachtungen durch eine Historie erregt, schaffen Muße, Götterzeit und Freiheit; wo sonst nur allein Stoßen und Dringen und Drängen, und schwindliches Sehen und Thun möglich ist; im wirklichen Leben des bedingten und beschränkten Tages, wie er vor uns steht!

Nicht weil es mein Leben ist, aber weil es ein wahres ist; weil

*),Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Drei Theile. Mit Rahels Bildniß. Berlin. Duncker und Humblot. 1834. 8.

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ich auch vieles um mich her oft, mit kleinen unbeabsichtigten Zügen, für Forscher, wie z. E. ich einer bin, wahr, und sogar geschicht-ergänzend aussprach. Und endlich, weil ich ein Kraftstück der Natur bin, ein Eckmensch in ihrem Gebilde der Menschheit, weil sie mich hinwarf, nicht legte, zum grimmigen Kampfe mit dem, was das Schicksal nur konnte verabfolgen lassen; jeder Kampfgesell der Natur, der größern Geschichte, ist in einen Geschichtsmoment geworfen, wo er kämpfen muß, wie bei einem Thiergefecht in der Armee; glückliche Veteranen, wirken weiter, zu ihrem und der Menschen Bewußtsein; unglückliche, zerschellen; mich trugen Gedanken und Unschuld, als ich zerschellt schon war, empor, zwischen Himmel und Erde. Kurz, wie es mit mir ist, kann ich nicht sagen; ich will nichts mehr. Kein Plan, kein Bild; es schwankt und schwindet die Erde mit den Lebensgütern; der Lebensschaß ist alles! Sehen, lieben, verstehen, nichts wollen, unschuldig sich fügen. Das große Sein verehren, nicht Hämmerer erfinden und bessern wollen: und Lustig sein, und immer güter! So wie ich war und werde, mögen meine Brüder mich sehen! Ich aber selbst will aus meinen Briefen alles suchen, und verwerfen; und nicht, in vierzig, fünfzig Jahren, wie du der Guten schreibst, sondern viel früher; ich will noch leben, wenn man's liest. Ich mache mir nichts aus der Welt. Ich habe keinen Plan; wer den nicht auszuführen hat, hat keine Rücksicht; und Schande kann ich nicht haben: Schande, die mir das Leben hemmte; andere achte ich, wie du weißt, nicht. Nur meine Billigung ist mir nöthig und wichtig. Adieu, Lieber! Diesen Sommer, und das früh, und wahrscheinlich sehr bald, komme ich nach Löplig, und auch wohl vorher nach Prag. Lebe wohl! R. L.

2. Aphorismen.

Wissen um unser Wissen ist Philosophie. Ergebenheit und Voraussetzung, wo wir zu wissen aufhören, Religion. Dies begreift in sich, was alles nicht Religion ist, und des Wissens Gränze auf allen seinen Punkten, und erspart viel Reden.

Der Unterschied von Religion und positiver Religion besteht darin, daß die lettere ihr Prinzip in einer bestimmten Geschichte hat, und sich auf diese bezieht; und daß die erstere ihr Prinzip und ihre Beziehung aus aller Geschichte, und allem, was für Menschen von Geschehenem zur Erkenntniß kommt, findet. Die erste begränzt sich sogar in aller Zukunft.

Wer kann Gott nachrechnen! Menschen, und ihr Glück sind Bestandtheile des großen Alls, warum sollten sie zu einem glücklichOrganischen nach der größten Zerrüttung und Trennung sich nicht auch wieder zusammenfinden; zu neuen weiteren Beziehungen? Wie viel aber hier untergeht, zeigen die Begebenheiten aller Zeiten jedes Menschen!

Gewiß seyn, daß ein vielfältigerer höherer Geist aus heilbringenden guten Gründen Recht dazu hat, ist meine einzige Religion. Es ist mir auferlegt, muß ich denken; ist es doch viel, daß ich so viel weiß;` und Klarheit und Verständniß in einem höheren Wesen zu hoffen vermag Anfang der Gnade! Vergeht uns oft dieser Strahl, so verzweifeln wir; aber ganz können wir nicht verzweifeln; so wenig, als durch unsere eigenen Gedanken aufhören zu sein. Müssen wir doch unser ganzes Dasein als ein Wunder annehmen; ergeben wir uns ohne Richter über den Lauf desselbeh; und richten wir nimmer von neuem uns selbst, unser Bestimmen. Aber alle Buße sei Reinigung, Stärkung, Feinerung, Besserung; Reue vor der That, und fleißige Unschuld nach jeder.

Nur durch Liebe und wahre Gottesfurcht können die Menschen in das Herzenselement zurückgeführt werden. Gottesfurcht besteht in der Einsicht, daß wir Alle von ihm herkommen und gleich sind, und gleich gut und schlecht behandelt werden sollen! Täglich bekomme ich mehr und mehr Belege dafür; ein empfindlich Herz ist eine Gottesgabe: das öffnet die Pforten dieser Einsicht; das brachte ich mit. Dies ist aber auch mein ganzes Talent; für alle andre, die ich nicht habe. O welch Surrogat!

So wie kein Dichter sich ausdenken kann, was besser, mannig faltiger und sonderbarer wäre, als was sich wirklich in der Welt entwickelt und zuträgt, und nur der den besten Roman machen kann, welcher Kraft genug hat, das was geschieht zu sehen, und in seiner Seele auseinander zu halten: eben so sind unsere tief natürlichsten Wünsche roh, und gräuelhaft entwickelte sich ihre Erfüllung für uns; nur das, was Gott wirklich zuläßt, ist in allen Beziehungen heilsam für uns, weil wir uns ihm entgegenbilden können. Mir ist dieß schmerzhaft geschehen und klar geworden. Wem dieß glimpflich begegnet, der hat Glück.

(Aus einem Briefe.)

Vergiß es aber nicht! Alles kann sich ändern: und Wunder geschehen wirklich noch immer. In Hülfe; in neu angespon nenem Leben haben wir es ja Beide oft erfahren. Es kommen gewiß Augenblicke, wo du dem Gebete und dem göttlichen unmittelbaren Wunderschuh näher sein wirft: auf diese hoffe mit Zuversicht. Dies ist das einzig Erhabene, Reelle, und wie ein Licht lassen sie völlige Finsterniß in dem Schrecklichsten nicht zu. Trost giebt es nicht: sonst gäbe es kein Unglück: aber mit diesen Gedanken richt' ich mich selbst in schlimmen Fällen auf, und drücke sie fest an mein Herz.

Jede Wissenschaft ist ein abgerissener Strahl von der Sonne alles Wissens und Seins: ein Behelf, bis zu ihr zu gelangen, und unhin

länglich, nach seinem Ende zur Sonne, und nach seinem Ende zur Welt, wo Wissenschaft sich mit Wissenschaft verwirrt, und gearbeitet wird: wie denn wissenschaftliches Arbeiten auf Ruhe abzielt, zu seiner Sonne, wohin wir auch nicht gelangen. Dies ist alles nicht zu läugnen. Alle Wissenschaften sind Eine, und durch jeder gründlichste Bearbeitung werden sie zu Einer werden. Das Wissen frommspekulativer Menschen ist, das alles in der Sonne, in Gott finden. Das Finden ist schon recht; aber das Erklären geht nur, ich möchte sagen, durch den Weg der Strahlen. Trost und Verlaß giebt die Sonne, wo wir an's Unerklärliche kommen.

Die Jahrhunderte sind eine bittre harte Schale, in der das süße Thautröpflein Einsicht in das Recht, welches allein der Rückweg zur Unschuld ist, reifet: zur sanften süßen Unschuld! nämlich zum Glück; zur Ruhe. Nicht weil die Unschuld verloren ist, ist das Glück verloren; sondern umgekehrt. Die Hindernisse sezen in den Fall von Recht und Unrecht: der ganze Fall ist die Erde; das Hier; und muß sich auf ganz unbekannte Dinge beziehen! Es fehlt durchaus ein Stück in allen Stücken. Daher Religion. Die Voraussetzung aus Noth, ohne Gedankenform ein Wunsch! im fertigen, für uns Formlosen, nicht mit unserm Geiste zu behandelnden Herzen, welches den Geisteshorizont belebt; daher ohne Geist und Herz kein Gemüth, und nur mit Beiden zusammen eines.

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Es giebt nur Verwunderung, aber keine Wunder. Alles, was endlich geschieht, muß geschehen können; also hört das Wunder auf mit dem Faktum selbst.

Wer sich recht besinnt; still und ehrlich in sich; muß gewahr werden: Es sei mit dem Ursprung und dem Auftrag der Seele wie es immer will, ihr sind Gränzen zugemessen, in denen sie jezt lebt. Es fehlen ihr mitten in Stücke heraus, aus ihren Fähigkeiten; wie herausgebrochen. Beschränkte Farben; beschränkte Töne; beschränktere Antworten auf schon beschränkte Fragen, die sie sich selbst vorlegt, und doch ein schwaches Wissen eines klareren Seins, welches uns wie gleichsam wieder aus dem Gehirn entfällt, daher Wunder; Wunderbares; Vorausseßung aller Art; und die Höchste: die eines absoluten Geistes, der Grund seines eigenen Daseins und Wirkens ist; welches wir selbst sind.

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Das ist keine Kleinigkeit, die wir erfahren werden! Probe davon ist: Bewußtseyn, unabläugbares Bewußtseyn haben; wie schon jezt.

3. Kunst.

Der Kunst Bestreben ist, alle Bedingungen, unter welchen die Forderungen der menschlich-geistigen Natur befriedigt werden, zu erfüllen; vornämlich durch Vorstellungen eines bessern Zustandes, als der ist, in welchem wir uns befinden können, wenn auch nur durch solche

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