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stand der Poefte; lyrische Gedichte, als unmittelbare Aeußerungen des Gefühls ausgenommen. Das Christenthum selbst kann wohl weder Philosophie noch Poesie seyn, es ist vielmehr das, was aller Philosophie zum Grunde liegt, ohne welche Vorausseßung diese sich selbst niemals versteht, sich in leere Zweifelsucht, oder einen eben so leeren nichtigen Unglauben, und in endlose Streitigkeiten verwickelt. Auf der andern Seite aber ist das Christenthum dasjenige, was über alle Poesie hinausgeht, dessen Geist allerdings wie überall so auch hier herrschen, aber nur unsichtbar herrschen soll, und nicht geradezu ergriffen und darge= stellt werden kann.

Der Minnegesang.
(Erster Band. S. 283.)

Das allgemeine Erwachen eines neuen Lebens und jugendlichen Gefühls in dem Zeitalter der Kreuzzüge zeigte sich besonders in der plöglichen Entfaltung jener Poesie, welche man bei den Provenzalen die fröhliche Wissenschaft nannte, und welche bei den geistvollsten Nationen des damaligen Europa einen so verschwenderischen Reichthum von Rittergedichten und Minneliedern hervorgebracht hat. Da der Geist des Minnegesangs aus allen diesen Ritterdichtungen athmet, und dieser Geist vorzüglich sie von andern bloß heroischen Heldengedichten unterscheidet, so mache ich mit dem ersten den Anfang. Der Minnegesang blühte zuerst auf bey den Provenzalen, und pflanzte sich von ihnen auf die Italiäner fort, die anfangs selbst wohl in provenzalischer Sprache dichteten. Zezt ist diese Sprache wie ausgestorben, daher die noch vorhandenen Denkmale derselben unbenust in den Handschriften Sammlungen da liegen. Nebst Frankreich blühte die fröhliche Wissenschaft am frühsten in Deutschland, am meisten im zwölften und dreyzehnten Jahrhundert. Erst im vierzehnten Jahrhundert erreichte der Minnegesang der Italiäner durch Petrarka seine kunstreiche Vollendung, und das fünfzehnte Jahrhundert war die eigentliche Zeit der spanischen Lieder. Ja der lezte berühmte Dichter, der in dieser alten Art von Liebesliedern in Spanien einen großen Ruhm erreichte, lebte noch tief in das sechszehnte Jahrhundert hinein. Es war Castillejo, der Ferdinand dem Ersten aus seinem Vaterland nach Oestreich folgte.

Der Minnegesang hat sich bey jeder der genannten Nationen durchaus eigenthümlich entwickelt, dem verschiedenen Nationalgeiste gemäß; und ich glaube, daß hierin mit Ausnahme der Italiäner keine Nation von der andern so gar viel entlehnt hat; während die Ritterdichtungen allerdings immer von einer Nation zur andern verpflanzt wurden und eine Art von Allgemeingut für alle waren. Selbst die Liederform hat sich bei jeder Nation ganz verschieden gestaltet. In allen herrscht der Reim, und zwar ein sehr musikalischer Gebrauch desselben, der ohne die Beziehung auf die Musik fast verschwenderisch und spielend scheinen fönnte. Wahrscheinlich hat diese gemeinschaftliche Eigenschaft ihren Grund in der Beschaffenheit der damaligen Musik, da sie ursprünglich alle zum Gesange bestimmt waren.

Daß die deutschen Dichter ihre Minnelieder von den Provenzalen entlehnt hätten, wie man oft ohne allen Beweis behauptet, und ohne Grund vorausgesezt hat, ist um so weniger wahrscheinlich, da die Deutschen in viel früherer Zeit Minnelieder gehabt haben; denn schon unter Kaiser Ludwig dem Frommen fand man es nöthig, den Klosterfrauen das häufige Singen der deutschen Liebesgefänge, oder Wynelieder, zu untersagen. In der Ritterzeit haben allerdings einige deutsche Fürsten, die in Italien mehr einheimisch waren, auch in provenzalischer Sprache gedichtet; aber dieß beweist für den deutschen Minnegesang selbst nichts. Wäre dieser entlehnt, so würden die Sänger doch bisweilen ihre Vorbilder erwähnen, wie Petrarka seine geliebten Provenzalen so oft mit Ruhm anführt, um so mehr, da die deutschen Verfasser der erzählenden Rittergedichte, ihre provenzalischen oder französischen Quellen fast jeder Zeit anführen.

Wie dem auch sey, in der Liederform, und auch im Charakter, in dem Gedankengange, und der Gefühlsweise, sind die deutschen Minnelieder von den provenzalischen und französischen ganz verschieden, und von allen noch vorhandenen und schon bekannten Sammlungen der Art ist die deutsche die reichste.

Was darin zuerst auffällt, ist der sanfte Geist, den sie athmen; besonders Wunder nimmt es uns, wenn man einige dieser Fürsten und Nitter, von denen sie herrühren, in der Geschichte als die kühnsten Helden auftreten steht. Aber dieser Gegensatz findet sich oft in der Natur, und muß wohl dem menschlichen Herzen, wenn es edel ist, gemäß seyn; daß nämlich mitten in einem ganz kriegerischen Leben sanfte Neigungen erwachen, und aus der höchsten heroischen Kraft das seinste Zartgefühl, wie eine schöne Blume, emvorsteigt. So ist auch jene alte Melodie, welche dem König Richard allgemein zugeschrieben wird, nur wie ein rührender Klagehauch, sanfter als man von dem löwenherzigen Helden irgend erwarten sollte.

Doch die Zartheit der Gefühle, und auch die Anmuth, und musikalische Weichheit in der Sprache hat man den deutschen Minneliedern noch nie abgesprochen, dagegen macht man ihnen den Vorwurf der Einförmigkeit und Ländeley. Der Vorwurf der Einförmigkeit ist eigentlich sonderbar; es ist, als ob man sich beklagen wollte, daß im Frühling oder in einem Garten der Blumen zu viel sehen. Freilich sollten Gedichte der Art nur wie einzelne Blumen den Weg des Lebens schmücken, und nicht mit einem Male ausgeschüttet werden, was Ueberdruß erregt. Der Laura selbst hätte es zu viel werden mögen, wenn sie alle Gedichte, welche Petrarka noch bey ihrer Lebenszeit an sie gesungen hat, mit einem Male hätte lesen sollen. Der Eindruck der Einförmigkeit liegt aber bloß darin, daß wir ganze Hunderte von solchen Liedern, weil sie jezt eine Sammlung bilden, hinter einander lesen, oder durchlaufen; wozu sie ursprünglich gar nicht bestimmt waren. Denn sind sie auch nicht alle an eine wirkliche Geliebte gerichtet gewesen, sondern manche bloß ersonnen worden; so war es doch immer für den Gesang, und um gesungen, wo immer man Luft darán fand, das gesellige Leben zu

erheitern und zu verschönern. Außerdem ist es unvermeidlich, daß nicht bloß Liebesgesänge, sondern überhaupt alle lyrischen Gedichte, wenn sie ganz Natur sind, und nur aus der eignen Empfindung hervorgehen, fich in einem bestimmten Kreise von Gefühlen und Gedankengange bewegen.

Dieß ließe sich selbst in der ernsthaften lyrischen Gattung durch Beispiele von allen Nationen bewähren. Das Gefühl muß. eine gewisse Hauptrichtung haben, wenn es sich eigenthümlich und poetisch aussprechen soll; und wo das Gefühl vorherrschen soll, da kann der Gedankenreichthum nur eine untergeordnete Stelle einnehmen. Die geforderte Mannigfaltigkeit der lyrischen Gedichte findet sich nur in den Zeitaltern der Nachbildung, wo man denn oft alle mögliche Gegenstände in allen möglichen Formen behandelt, und nicht selten den Lon und den Geschmack der verschiedensten Nationen und Zeitalter in einer Sammlung bessammen, und um so mehr Abwechslung zum hintereinander Durchlesen findet, je mehr das Lied und der Gesang zum Gelegen= heitsgedicht herabgesunken ist, oder sich in sinnreiche Kleinigkeit und Epigramme zersplittert und aufgelößt hat.

Der zweyte Vorwurf, welchen man den Minneliedern macht, daß fie tändelnd sehen, ist nicht ungegründet; aber ich weiß nicht, ob es durchaus ein Ladel ist. Selbst die Alten, obwohl sie in ihren erotischen Gedichten mehr die Gluth der Leidenschaft in ihrer ganzen Stärke darzustellen streben, haben doch erkannt, daß auch dieses Spielende in der Natur und in dem Gefühl der Liebe liege, indem sie in ihrer Mythologie den Amor als ein Kind darstellen, und an diesen Begriff so manche sinnreiche Dichtungen und Bilder geknüpft haben.

Liebe als die heftigste Leidenschaft auch in der Ritterzeit oft tragische Ereignisse und Handlungen hervorgebracht hat, läßt sich schon aus dem lebendigen Charakter dieses Zeitalters vermuthen. Die Geschichte biethet eine Menge Beyspiele der Art dar. Aber diese ernsthafte und leidenschaftliche Seite der Liebe wird in den Minneliedern selten hervorgehoben. So ganz ohne Sinnlichkeit, wie die platonischen Sinngedichte und Gesänge des Petrarka, sind die deutschen Minnelieder nicht. Doch in den meisten wird auch diese Seite nur zart berührt. Vorzüglich und fast ausschließend ergriffen diese Dichter diejenige Seite des Gefühls, welche dem Spiele der Fantasie einen freyen Raum eröffnet. Es war also der Geist des Minnegesangs überhaupt, und des deutschen insbesondere etwa folgender. Aus der den Deutschen ursprünglich eignen Achtung vor den Frauen, entwickelte sich bey mildern und verfeinerten Sitten, und nachdem auch das Christenthum strengere und reinere Begriffe von Sittlichkeit allgemeiner verbreitet hatte, ein Zartgefühl, das nur da, wo es nicht mehr empfunden ward, und die bloße Form davon übrig geblieben war, in leere Galanterie entartete; was aber, so lange es wirklich gefühlt wird, doch etwas unläugbar Edles und Schönes, auch für die Poesie ist.

Die provenzalischen Liebesböfe und Gerichte, die daselbst mit einer fast methaphysischen Spisfindigkeit durchgeführten Streitigkeiten und

beantworteten Fragen über die Liebe, sind dem deutschen Minnegesang eigentlich durchaus fremd. Er ist kunstlos im Vergleich mit dem finns reichen Gedankenspiel des Petrarka oder der spanischen Lieder; dagegen aber ist er gefühlvoller, und besingt neben der Liebe gern auch die Natur, und die Schönheit des Frühlings.

LXXXIX.

Friedrich von Hardenberg. [Novalis.] *)

(1772-1801.)

1. Aus Heinrich von Ofterdingen.

Der Bergbau.

(Erster Theil. S. 144. Erste Ausgabe.)

Herr, sagte der Alte, indem er sich zu Heinrichen wandte, und einige Thränen aus den Augen trocknete, der Bergbau muß von Gott gesegnet werden! denn es gibt keine Kunst, die ihre Theilhaber glücklicher und edler machte, die mehr den Glauben an eine himmlische Weisheit und Fügung erweckte, und die Unschuld und Kindlichkeit des Herzens reiner erhielte, als der Bergbau. Arm wird der Bergmann geboren, und arm gehet er wieder dahin. Er begnügt sich zu wissen, wo die metallischen Mächte gefunden werden, und sie zu Tage zu fördern; aber ihr blendender Glanz vermag nichts über sein lautres Herz. Unentzündet von gefährlichem Wahnsinn, freut er sich mehr über ihre wunderlichen Bildungen, und die Seltsamkeiten ihrer Herkunft und ihrer Wohnungen, als über ihren alles verheißenden Besit. Sie haben für ihn keinen Reiz mehr, wenn sie Waaren geworden sind, und er sucht sie lieber unter tausend Gefahren und Mühseligkeiten in den Vesten der Erde, als daß er ihrem Rufe in die Welt folgen, und auf der Oberfläche des Bodens durch täuschende, hinterlistige Künste nach ihnen trachten sollte. Jene Mühseligkeiten erhalten sein Herz frisch und seinen Sinn wacker; er genießt seinen kärglichen Lohn mit inniglichem Danke, und steigt jeden Tag mit verjüngter Lebensfreude aus den dunklen Grüften seines Berufs. Nur Er kennt die Reize des Lichts und der Ruhe, die Wohlthätigkeit der freien Luft und Aussicht um sich her; nur ihm schmeckt Trank und Speise recht erquicklich und andächtig, wie der Leib des Herrn; und mit welchem liebevollen und empfänglichen Gemüth tritt er nicht unter seines Gleichen, oder herzt seine Frau und Kinder, und ergözt sich dankbar an der schönen Gabe des traulichen Gesprächs!

Sein einsames Geschäft sondert ihn vom Tage und dem Umgange mit Menschen einen großen Theil seines Lebens ab. Er gewöhnt sich

*) „Novalis Schriften. Herausgegeben von Friedrich Schlegel und Ludwig Tied. Berlin. Zwei Theile. 1802. Vierte Auflage." 1820. 8.

nicht zu einer stumpfen Gleichgültigkeit gegen diese überirdischen tiefsinnigen Dinge und behält die kindliche Stimmung, in der ihm alles mit seinem eigenthümlichsten Geiste und in seiner ursprünglichen bunten. Wunderbarkeit erscheint. Die Natur will nicht der ausschließliche Best eines Einzigen seyn. Als Eigenthum verwandelt sie sich in ein böses Gift, was die Ruhe verscheucht, und die verderbliche Lust, alles in diesen Kreis des Besizers zu ziehn, mit einem Gefolge von unendlichen Sorgen und wilden Leidenschaften herbeylockt. So untergräbt sie heimlich den Grund des Eigenthümers,. und begräbt ihn bald in den einbrechenden Abgrund, um aus Hand in Hand zu gehen, und so ihre Neigung, Allen anzugehören, allmählig zu befriedigen.

Wie ruhig arbeitet dagegen der arme genügsame Bergmann in seinen tiefen Einöden, entfernt von dem unruhigen Tumult des Tages, und einzig von Wißbegier und Liebe zur Eintracht beseelt. Er gedenkt in seiner Einsamkeit mit inniger Herzlichkeit seiner Genossen und seiner Familie, und fühlt immer erneuert die gegenseitige Unentbehrlichkeit und Blutsverwandtschaft der Menschen. Sein Beruf lehrt ihn unermüdliche Geduld, und läßt nicht zu, daß sich seine Aufmerksamkeit in unnüße Gedanken zerstreue. Er hat mit einer wunderlichen harten und unbiegsamen Macht zu thun, die nur durch hartnäckigen Fleiß und beständige Wachsamkeit zu überwinden ist. Aber welches köstliche Gewächs blüht ihm auch in diesen schauerlichen Tiefen, das wahrhafte Vertrauen zu seinem himmlischen Vater, dessen Hand und Vorsorge ihm alle Tage in unverkennbaren Zeichen sichtbar wird. Wie unzählige mal habe ich nicht vor Ort gesessen, und bey dem Schein meiner Lampe das schlichte Krucifir mit der innigsten Andacht betrachtet! da habe ich erst den heiligen Sinn dieses räthselhaften Bildnisses recht gefaßt, und den edelsten Gang meines Herzens erschürft, der mir eine ewige Ausbeute gewährt hat.

Der Alte fuhr nach einer Weile fort und sagte: Wahrhaftig, das muß ein göttlicher Mann gewesen seyn, der den Menschen zuerst die edle Kunst des Bergbaues gelehrt, und in dem Schooße der Felsen dieses ernste Sinnbild des menschlichen Lebens verborgen hat. Hier ist der Gang mächtig und gebräch, aber arm, dort drückt ihn der Felsen in eine armseelige, unbedeutende Kluft zusammen, und gerade hier brechen die edelsten Geschicke ein. Andre Gänge verunedlen ihn, bis sich ein verwandter Gang freundlich mit ihm schaart, und seinen Werth unendlich erhöht. Oft zerschlägt er sich vor dem Bergmann in tausend Trümmern: aber der Geduldige läßt sich nicht schrecken, er verfolgt ruhig seinen Weg, und sieht seinen Eifer belohnt, indem er ihn bald wieder in neuer Mächtigkeit und Höflichkeit ausrichtet. Oft lockt ihn ein betrügliches Trum aus der wahren Richtung; aber bald erkennt er den falschen Weg, und bricht mit Gewalt querfeld ein, bis er den wahren erzführenden Gang wieder gefunden hat. Wie bekannt wird hier nicht der Bergmann mit allen Launen des Zufalls, wie sicher aber auch, daß Eifer und Beständigkeit die einzigen untrüglichen Mittel sind, sie zu bemeistern, und die von ihnen hartnäckig vertheidigten Schäße zu heben.

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