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2. Hymne an die Nacht.

(3weiter Theil. S. 79.)

Welcher Lebendige, Sinnbegabte, liebt nicht vor allen Wunder: erscheinungen des verbreiteten Raums um ihn, das allerfreuliche Licht mit seinen Farben, seinen Strahlen und Wegen, seiner milden Allgegenwart, als weckender Tag? Wie des Lebens innerste Seele athmet es der raftlosen Gestirne Riesenwelt, und schwimmt tanzend in seiner blauen Fluth; athmet es der funkelnde ewig ruhende Stein, die sinnige, saugende Pflanze, und das wilde, brennende, vielgestaltete Thier; vor allen aber der herrliche Fremdling mit den sinnvollen Augen, dem schwebenden Gange, und den zartgeschlossenen, tonreichen Lippen. Wie ein König der irdischen Natur ruft es jede Kraft zu zahllosen Verwandlungen, knüpft und lößt unendliche Bündnisse, hängt sein himmlisches Bild jedem irdischen Wesen um. Seine Gegenwart allein offenbart die Wunderherrlichkeit der Reiche der Welt.

Abwärts wend ich mich zu der heiligen, unaussprechlichen, geheimnißvollen Nacht. Fernab liegt die Welt, in eine tiefe Gruft versenkt: wüst und einsam ist ihre Stelle. In den Saiten der Brust weht tiefe Wehmuth. In Thautropfen will ich hinuntersinken und mit der Asche mich vermischen. Fernen der Erinnerung, Wünsche der Jugend, der Kindheit Träume, des ganzen langen Lebens kurze Freuden und vergeb liche Hoffnungen kommen in grauen Kleidern, wie Abendnebel nach der Sonne Untergang. In andern Räumen schlug die lustigen Gezelte das Licht auf. Sollte es nie zu seinen Kindern wiederkommen, die mit der Unschuld Glauben seiner harren?

Was quillt auf einmal so ahndungsvoll unterm Herzen, und verschluckt der Wehmuth weiche Luft? Haft auch du ein Gefallen an uns, dunkle Nacht? Was hältst du unter deinem Mantel, das mir unsichtbar kräftig an die Seele geht? Köstlicher Balsam träuft aus deiner Hand, aus dem Bündel Mohn. Die schweren Flügel des Gemüths hebst du empor. Dunkel und unaussprechlich fühlen wir uns bewegt ein ernstes Antlig sch' ich froh erschrocken, das sanft und andachtsvoll sich zu mir neigt, und unter unendlich verschlungenen Locken der Mutter liebe Jugend zeigt. Wie arm und kindisch dünkt mir das Licht nun! wie erfreulich und gesegnet des Tages Abschied! — Also nur darum, weil die Nacht dir abwendig macht die Dienenden, säetest du in des Raumes Weiten die leuchtenden Kugeln, zu verkünden deine Allmacht, deine Wiederkehr, in den Zeiten deiner Entfernung? Himmlischer, als jene blizenden Sterne, dünken uns die unendlichen Augen, die die Nacht in uns geöffnet. Weiter sehen sie, als die blässe sten jener zahllosen Heere; unbedürftig des Lichts durchschauen sie die Tiefen eines liebenden Gemüthes, was einen höhern Raum mit unsäglicher Wollust füllt. Preis der Weltkönigin, der hohen Verkündigerin heiliger Welten, der Pflegerin seeliger Liebe! Sie sendet mir dich, zarte Geliebte, liebliche Sonne der Nacht. Nun wach ich, dann bin ich Dein und Mein: du haft die Nacht mir zum Leben verkündet, mich zum

Menschen gemacht. Zehre mit Geisterglut meinen Leib, daß ich luftig mit dir inniger mich mische und dann ewig die Brautnacht währe.

XC. Heinrich Steffens.

(1773.)

Norwegische Natur.

Thaulow, Thorstein und ich hatten von jeher die Begierde, das Innere der hohen Gebirge unsres Landes kennen zu lernen. Es war vor drei bis vier Jahren, als wir diese Gegend verlassen sollten, um nach Kopenhagen zu reisen. Ingier hatte schon eine Reise nach Christiania über das Gebirge nach Rummedalen gemacht, und schloß sich an. Man muß unsere Gebirge als den schroffen Abfall eines mächtigen Hochlandes betrachten. Je tiefer man in das Land hineindringt, desto enger treten die wilden Gebirgsmassen zusammen; sie bilden zwischen sich Schluchten, die in ungeheure Tiefe reichen, enge Spalten, die sich in seltsamen Biegungen durch die zerrissenen Gebirgsmassen ziehen. Je mehr man sich dem Meer nähert, desto mehr erweitern sie sich, nehmen zulezt das Meer auf und leiten es in tief einschneidenden Meerbusen dem hohen Gebirge zu. Wir standen nach einer langen Wanderung vor einer lothrechten Wand. Es schien uns unbegreiflich, wie wir sie ersteigen sollten. Da entdeckten wir, indem wir näher traten, Stufen in Zickzack gewunden, unbequem freilich, bald höher, bald niedriger man zählt ihrer an 1500. Mit welcher Beschwerde wir diese Stufen bestiegen, ist begreiflich; als wir die Höhe erreicht hatten, waren wir ganz erschöpft, alle Gliedmassen wie zerbrochen aber unter uns in bläulicher unge= wisser Tiefe lag das Thal, aus welchem wir heraufgestiegen waren, und vor uns erhob sich das Gebirge. Alle hohe Bäume waren verschwunden. Die kleinen krüppelhaften Weiden und Birken mit ihren dunkeln Blättern standen dicht an einander gedrängt, und bedeckten die unübersehbare Anhöhe, einer Pygmäen-Waldung ähnlich. Nur wo ein Bach rieselte, keimte das stets frische, liebliche, grüne Gras und Alpenpflanzen mit ihren weißen Blüthen.

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Je höher wir kamen, desto düsterer ward Alles und hier, in dieser Höhe, trafen wir einen Bauer; sein Haus liegt der Schneegrenze sehr nahe, von allen Wohnungen entfernt; große Schneeflächen befinden sich in der Nähe, die nie verschwinden; das Korn gedeiht nicht, das Gras hat eine bräunliche, traurige Farbe, man sieht keine Blume. Das Vieh allein, Rennthiere, Vogelwild, ernährt den rüftigen Mann mit seiner Familie. Wir stiegen in seiner Begleitung noch höher, wir drangen bis zu Haarteigen, bis jenseit der Schneelinie, die hier, in der öden kahlen Mitte des hohen Gebirgs, ein wilderes, furchtbares Ansehen hat; und als wir zurückgingen, bemerkten wir einen Fluß, der in schäumender Eile, einem fortdauernden Katarakt ähnlich, durch das Gebirge brauste. Wir mußten auf der kahlen Höhe die Stellen suchen, die am bequemsten waren, und so wurde der Fluß öfters durchschnitten

aber er hatte sich in das Gestein hineingewühlt, er floß in den finstern Grund einer Schlucht, die 20 bis 40 Fuß rief war. Brücken waren über die Schlucht gebaut, die nur der kühne Bergbewohner ohne Schaudern überschreitet. Leitern ragten von beiden Seiten von den schroffen Felsenwänden über die Tiefe, festgehalten durch schwere Steinmassen, die auf den ruhenden Enden lasteten. Zwey solche Leitern erreichten sich aber nicht; daher war eine dritte Laft auf die hervorragenden Enden gelegt. Man denke sich das Wandern über eine solche Brücke, oft mit schweren Lasten. Wenn man auf die lose mittlere Leiter tritt, bewegt sich die ganze Brücke; mehr als die Laft von zwey Menschen kann sie nicht tragen; eine größere würde die Steinmaffen heben, daß man in die brausende Tiefe stürzte. Freischwebend, den gähnenden Abgrund zu unsern Füßen, schwankten wir, Seiltänzern ähnlich, über diese Brücken. Uns schauderte, aber der Wirth in Maurseth lachte, es war sein täglicher Gang. Oft verwandelte sich der Fluß in einen mächtichen Waffersturz, und als wir einem solchen, der einen aufsteigenden Dampf, wie der rauchende Sturz in Tellemarken, bei Gousta, zeigte, uns neugierig nähern wollten, trat der uns begleitende Bauer auf uns zu. Was wollt ihr diesen kleinen Sturz betrachten?" sagte er. Ist es doch kaum der Mühe werth.",,Klein nennst du ihn?" fragten wir erstaunt. ,,Freilich klein; ich zeige euch einen andern, der eine halbe Viertelmeile hoch ist." Wir zweifelten.,, Folgt mir nur," antwortete der Bauer, es ist nicht weit."

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Wir gingen jezt in eine Wildniß hinein; Berge mußten wir erklimmen, wieder in Schluchten hineinsteigen, durch dichtes Gebüsch uns hindurchdrängen. Endlich vernahmen wir ein dumpfes Brausen, doch nicht so stark, wie man es von einem so unglaublich mächtigen Sturz erwarten sollte. Plöglich traten wir aus einem Gebüsch heraus. und befanden uns am Rande einer lothrechten Kluft; jenseits erhob sich eine höhere, schroffe Felsenwand, so nahe, daß man glaubte, fie mit einem Steinwurf erreichen zu können. Die Felsenwände schließen ein enges, tiefes Thal ein, und hier stürzte sich eine ungeheure Wassermasse, aus der Vereinigung zweier Flüsse entsprungen, in der riesenhaften Höhe von achthundert und fünfzig bis neunhundert Fuß herunter. Die ganze Wassermasse tobt, braust, wüthet, von den engen Wänden zurückgepeitscht, in wilden Schaum zersplittert; der gähnende Felsen nimmt den riesenhaften Sturz mit troziger Ruhe auf, verbirgt ihn in seinen tiefen Grund und jagt die zersplitterten Tropfen, in Staub verwandelt, bis zum Anfang des Sturzes zurück. Vergebens bemüht sich das Auge, in dieser Tiefe die Gegenstände zu unterscheiden. Alles verschwimmt in einer bläulichen Dämmerung, und selbst die Gewalt, mit welcher das Wasser in rasender Eile, mit furchtbarer Kraft den Felsen schlägt, tönt nur wie ein dumpfes, entferntes Brausen aus dem grauenhaften finstern Abgrund hervor. So lößt sich das Wasser tropfenweise von dem blassen Schnee ab, und tröpfelt über die naffen, nackten Felsmassen, und durchrieselt die dürren, grauen Flechten, emisiger schon die grünen Rinnen, und wird mächtiger, nimmt aus tausend Armen die Bäche

freundlich auf, und sie stürmen immer rascher, immer rauschender fort. Da wird das Rieseln schon ein lautes Rauschen, leidenschaftlicher entzündet sich die Begierde; was sich freundlich zu vereinigen schien, drängt, treibt, peitscht sich wechselseitig vorwärts, immer heftiger, immer rauschender, bis die zusammengedrängte Masse, wie von einer Furie des Wahnsinns ergriffen, mit lautem, Alles übertäubendem Geschrei sich hinunterstürzt in den gähnenden Abgrund. Aber in erhabene Einsamkeit verbirgt die Natur diese riesenhaft sich immer von neuem erzeugende That. Die Thiere fliehen aus der Nähe; keine menschliche Wohnung nähert sich dieser geheimnißvollen Stätte; nur die stille Vegetation darf ein stummer Zeuge des Wunders sein. Die Geschichte verstummt, kein menschliches Ereigniß drängt sich in diese Einsamkeit, keine Klage, kein Jubel mischt sich mit dem Gebrüll des Sturzes, und nur dem einsamen, müßigen Wanderer ist es vergönnt, ihn in kurzen Augenblicken zu bewundern. Uns aber ist das Bild unvergeßlich, und wir schauen das Vaterland wie mit einer heiligen, religiösen Scheu an, seit wir seine verborgenen Wunder kennen. Oft tönt mir, wie aus weiter Ferne, der Sturz in das Ohr, und ich sehe die mächtigen Schaummassen, zwischen den Felsen eingepreßt, sich in den Abgrund hinunterstürzen.

Durch enge Fußpfade, zwischen wildem Gestrüppe, über rauhe Felfenwege gelangten wir in das enge Thal; an vielen Stellen füllt das Wasser, die ganze Schlucht aus, und braust in dieser düstern Rinne an beiden Seitenwänden; dann traten wieder schmale, grüne Stellen hervor, das Thal erweiterte sich, indem es sich in mannichfaltigen Krüm mungen wand; aber die Felsenwände standen in erschreckender Höhe und Nähe da, und nur ein schmaler Streifen des blauen Himmels warf ein dämmerndes Licht in die enge Tiefe, die uns einklemmte. Hier trafen wir eine Wohnung; ein Bauer mit seiner Familie hatte sich in diese einsame Schlucht hineingedrängt, und aus der Rauch- und Lichtöffnung entdeckte man beide Felsenwände zugleich. Es ist, als drohte sie hoch über dem Dache des kleinen Hauses sich zu schließen. Als wir nun in diesem seltsamen Thal den Biegungen folgten, den brausenden Fluß neben uns, von den drohenden Felsen enge umschlossen, ward es immer dunkler. Der Tag ist hier viel kürzer, selbst mitten im Sommer dringt die Sonne nur ein paar Stunden in die enge Kluft hinein; und bald tappten wir im Finstern. Riesenhafte Felsenblöcke hatten sich in dem engen Thale angehäuft, nicht, wie gewöhnlich, von oben heruntergestürzt. Die Wände waren unten im Grunde wie zersprengt; große Aushöhlungen hatten sich dadurch gebildet, und die feste Masse hing, wie freischwe= bend, auf beiden Seiten über uns. Dichtes Gebüsch wucherte verworren zwischen den Felsentrümmern, die in wilder Unordnung übereinander gestürzt waren; große, einzelne Bäume umfaßten mit ihren kahlen Wurzeln die rauhen Blöcke und schauten von der Höhe düster in das vorüberrauschende Waffer. Das Fortkommen ward immer beschwerlicher, ja, als die Finsterniß zunahm, sogar gefährlich. Hier ist die Kirche und die Kanzel, sagte Ingier, und hier wollen wir bleiben." Unser Begleiter hatte uns verlassen, er war bei seinen Verwandten in der einsamen Rauchhütte geblieben, und Ingier hatte die Führung über sich III.

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genommen. Es war uns, jung und rüstig, wie wir waren, keinesweges unangenehm, die Nacht auf eine solche Weise zuzubringen. Eine wilde Zusammenhäufung von Felsenmassen, die einen mannichfaltig sich windenden engen Raum einschließen, nennt man die Kirche, so wie einen hoch oben hervorspringenden großen Felsenblock die Kanzel, und durch einen sonderbaren Zufall haben die zusammengehäuften Massen eine Art Wendeltreppe gebildet, die von einer innern Höhle nach seinem Gipfel führt. Ein schmaler Eingang führt zu der Höhle, und wir beschlossen, Gras und Moos zu sammeln, um uns dort ein nächtliches Lager zu bereiten. Hier, da wir, begraben in den verborgensten Tiefen der Steinwelt, wie unterirdische Geister in nächtlicher Stille herumwühlten, während die Gebirgswasser neben uns brausten, erschien uns Alles wahrhaft gespensterhaft Wir hatten ein Licht angezündet, kein Luftzug drang zu uns. Trockne Zweige wurden zum Brennen gebracht, und schnell prasselte eine mächtige Flamme auf, die eine seltsame Beleuchtung auf die dunkeln Felsenwände und das brausende Wasser warf. Thorstein kroch, als wir nach langem Suchen den Eingang fanden, hinein. Es sah aus, als verschwände er, einem Kobold ähnlich, in den dichten Felsen. Kaum war er verschwunden, als seine Stimme wunderbar hohl aus dem Felsen heraustönte. Es ist darinnen gar nicht übel, rief er, die Höhle erweitert sich, und wir können an einer Stelle ein bequemes Lager bereiten. Unser Ränzel, gut mit Eßwaaren und Wein versorgt, ward jezt ausgeleert und am nächtlichen Feuer unser Abendbrød genofsen. Eine Menge trocknes Holz und Reißig ward herbeigeschleppt, das Feuer verstärkt, daß die Flamme hochaufloderte. Der Rauch wirbelte in die Höhe, die Flamme praffelte, die Schatten spielten auf den düstern hohen Felsenmassen, die uns so enge umschlossen, und der Bergfluß rauschte von dem Schein des Feuers beleuchtet.

In dieser abentheuerlichen Lage wurden mit Frohsinn die Gläser geleert; erst spät in der Nacht lagerten wir uns in der Höhle, schliefen bis zum Morgen, und erreichten noch an demselben Tage unsere Heimath.

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Wenn man etwas mit sich selber vertraut ist, so muß man sehr oft über sich lächeln. Man nimmt sich manchmal sehr ernsthaft zusam men; mit aller Gravität sezt sich der Verstand in seinen Großvaterstuhl

*),,Ludwig Tieck's Schriften. Berlin 1827 flg. (Bis jetzt 15 Bände.)" 8.

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