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Muthes, ja der Verwegenheit: Euer Gönner Raleigh ist besonnener und sanfter. So mancher ältere Mann trägt in seiner Heldenphysiognomie den veredelten Ausdruck des Löwen; mancher sieht schlau wie ein Ulysses drein: und so stuft sich die Schönheit in unendlich vielen Veränderungen mit mehr oder weniger Bedeutsamkeit ab, und bleibt doch, so wie sie diesen oder jenen Charakter aufnimmt, immer noch Schönheit. Von allem diesen paßt aber nichts auf diesen Southampton.

Verzeiht, fuhr der Redner fort, er ist unentwickelt, er steht ja noch auf jener geheimnißvollen Stelle, auf welcher der Jüngling noch so nahe auf sein kürzlich verlassenes Kindesalter hinblicken kann; eine Zeit, die den Jüngling mit Reiz und wunderbarer Rührung zugleich schmückt. Im Grafen, scheint es mir, ist so recht vorzüglich der Mensch an sich, die menschliche Bildung in der Schönheit verherrlicht. Eine solche kann niemals so strahlend in die Augen fallen, wie diejenige, die mit hohem Charakter und bestimmtem, majestätischem Ausdruck sich darstellt. Als ich den Jüngling sah, in dessen glänzenden Augen und auf dessen blumigen Wangen, im Lächeln der reinen Lippen gleichsam tausend füße Empfindungen schlummern und das Erwachen träumend erwarten, war mir, als wenn die alten Märchen von Narciffus oder Adonis in ihm zur Wahrheit herausschimmern wollten.

Mir etwas unverständlich, antwortete Marlow, aber poetisch genug, und wenn Ihr nur ein Dichter wärt, solltet Ihr dem jungen Manne Euren Hof machen; denn ich höre, er bildet sich ein, die Dichtkunst zu lieben. Der pedantische Sprachmeister, der das Italienische lehrt, jener feierliche Florio schmeichelt ihm auch hinreichend, und fast noch mehr der stille, süßliche Daniel. Und so ein vornehmer, reicher Mensch, dem die ganze Laufbahn der Ehre und des Glücks weit offen steht, nimmt der gleichen, sei es auch noch so übertrieben, alles für richtige, blanke Wahrheit an, meint wirklich, er sei als ein Gott vom Olymp herabge= stiegen, und belohnt mit Lächeln und freundlichen Blicken jene im Staube liegenden Parasiten, die nur Geld und Geldeswerth von ihm erhaschen wollen, und denselben Gözen, wenn es ihr Vortheil fo erheischte, gern den Flammen überliefern würden. Nein, der Dichter, der wahre, wie ich mich einer fühle, sei zu stolz, dem äußern Menschen, dessen Ansehn, der Macht, dem Reichthum, dienstbar fröhnend zu huldigen. Das Talent steht mit dem Mächtigen durch das von den Göttern verliehene Gut auf derselben Höhe, und soll einer von beiden sich erniedrigen, so sei es der Vornehme. So hat sich Raleigh um meine Liebe bewerben müssen, ich habe ihn niemals aufgesucht und jenes hündische Anschmiegen an den Großen, das wir leider in allen Zeitaltern sehen, ist nur knechtisch und niederträchtig. Wissenschaft und Kunst sollen doch wenigstens die Gleichheit wieder herstellen, die mit dem goldenen Zeitalter dem Menschengeschlechte verloren ging.

Vergebt, sagte der Fremde, wenn ich Euch auch hierüber mein Gefühl, das ein anderes als das Eure ist, im Vertrauen auf Eure Nachsicht mittheile. Daß es ein Heuchelndes Lügen und niedriges Schmeicheln gebe, welches verächtlich sei, darüber sind wir alle einig;

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daß wir, wenn wir Wissenschaft und Kunst den Fuß des albernen Reichthums küssen sehen, an diesen Götterkindern selber irre werden und uns mit Geringschäßung von ihnen abwenden, ist eine edle Empfindung, die wir niemals aufopfern dürfen. Wenn wir aber Schönheit, Liebreiz und feines Gefühl mit Macht und Adel in derselben Erscheinung_ver= einigt finden, so ist nichts so natürlich, als diesem Wesen eine anstän dige Huldigung darzubringen, durch welche der Mächtige sowohl wie der Geringere Ehre erhält; jener, indem er auf edle Weise annimmt, was ihm gebührt, und dieser, weil ihm ein Sinn beiwohnt, die ausgezeichnete Natur zu fassen und ihr seine Ehrfurcht und Liebe so zu beweisen, daß er sich selber nicht erniedrigt. Und der Dichter vor allen! Er, der gesandt wurde, den verschlossenen Sinnen alle die Erscheinungen der Natur und der Geschichte auszudeuten, soll er denn nicht durch sein höheres Wesen den Sklavensinn zur wahren Verehrung und Liebe, so wie die stolze, sich auflehnende Verachtung, die sich doch selber nicht genügt, zur zarten Milde leiten? Denn mir scheint, der bloße nackte Mensch könne als Mensch keine Verehrung oder Bewunderung von uns verlangen; That, Schönheit, Arbeit, Reichthum müsse erst hinzukommen, weshalb wir ihn anstaunen; und so gehört auch ohne Zweifel Adel und hohe Abkunft zu jener Verherrlichung der Menschheit, vor der wir uns alle gerne neigen. Ich könnte mir kaum ein poetischeres Verhältniß denken, als das eines Dichters, der in seinem jüngeren, schönen Freunde, den die Natur und das Geschick mit allem ausgestattet haben, was den Neid des Menschen erregt, alle die Gefühle und Eigenschaften sicht, die er an sich selbst und andern verehrt, und nun in diesem Liebling des Himmels und seiner Seele jeden äußern wie innern Reichthum durch allen Aufwand seiner Kunst verklären und vergöttern möchte. Ist der Reiche und Mächtige erst glücklich, wenn er im reinen Spiegel der Dichtkunst seine Vorzüge erblickt, die ohne diesen Wiederschein ihm in trüber Einsamkeit wohl selbst arm dünken mögen: so wird auch das einsame Gemüth des Dichters erst wahrhaft mit dem Ueberirdischen vermählt, wenn er den Abglanz desselben im Irdischen mit liebender Hingebung erkennen mag.

Ein artiger Aberglaube, Freund, sagte Marlow, aber doch nur Gespensterglaube, dem viele Menschen freilich mit recht ausgebildeter Vorliebe anhangen: Ein Dichter, wie Ihr ihn Euch träumt, müßte nach alle dem, was Ihr neulich und soeben gesprochen habt, eine höchst son: derbare Erscheinung sein. Befreundet mit allem, was mir zuwider ist, alles das als Adel der Welt erblickend, was mein Auge als das Gemeine und Geringe steht, alle Vorurtheile stempelnd und rechtfertigend, die man am Haufen entschuldigt, und dabei doch höher, als die ganze Menschheit, stehend. Es muß wunderbar in Eurem Kopfe aussehen, daß Ihr Euch solche Ungeheuer formiren und dergleichen Widersprüche vereinigen könnt. Uebrigens aber zwingt Ihr mich, Achtung vor Eurem Geiste zu haben, und ich denke, wir werden uns näher kommen.

5. Aus der Novelle: Des Dichters Lod." *)

Camoens

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(1834.)

und sein Neger.
(S. 59.)

Es war eine stille Nacht herabgesunken und hatte sich auf der kühlen Erde gelagert. Die Luft war abgekühlt, ein linder Thau hatte die Bäume und Gesträuche erfrischt. Kein Wind regte sich, das Meer lag still, und leise flüsterte die Woge, anmuthig am Ufer spielend. Die Sterne glühten vom dunklen Himmel und das erste Viertel des Mondes stand über dem grauen Gebirge Cintea.

Einsam wandelte Luis am Ufer hin und her: er sah nach der Stadt hin, in welcher von Pallästen und den großen Häusern die Lichter herüber glänzten und im Widerschein des Meeres spiegelten. Feuerwürmer flogen in lichten Wolken auf, und die tausend leuchtenden Tropfen regneten spielend in die grünen Gebüsche hinein. Ein Fisch sprang von Zeit zu Zeit im Wasser empor und unterbrach die feierliche Stille. Auch kam wohl von fern ein Klang langsam vertönend vom Meere herüber. Luis sah heiter umher, und der Duft vom Meer, die erfrischte Luft, die Lichter, die zitternden, der Glanz der festen Sterne, das Echo des Windes, das sich lispelnd in den Baumblättern meldete, erhob seinen Geist und führte ihm die verlebten Jahre seinem Gedächtnisse wieder vor. Gern wandelte er. so wie jezt in den Sommernächten umher, das Lager und enge Zimmer ängstigte ihn: das Gespräch seines Geistes mit der Natur tröstete und erhob ihn über die Drangsale des Lebens.

Ein dunkler Schatten bewegte sich schnell auf ihn zu, und als er näher gekommen, sagte Luis: bist du schon ta, Antonio? Ich hatte dich nicht so früh erwartet.

Glückstag! Glückstag heute! rief der Neger erfreut: mehr heut bekommen, als sonst in Monaten: schaut, Herr, lieber Herr, vier große, schwere Goldmünzen und hier noch Silber und kupferne Münzen.

Treuer Mann, sagte Luis, das Glück hat dir wirklich beigeftanden. Er wägte das Geld, welches der Mohr in seine Hand hatte fallen lassen, und sagte dann ruhig: so kann ich mir endlich ein anständigeres Gewand und einen Mantel anschaffen, und ich darf mich nicht mehr von so vielen Augen als einen Verdächtigen mustern lassen. Hast du dir genommen, Freund, was du brauchst?

Weißt ja, sagte der Neger, lieber, verehrter, großer Herr, daß Antonio nichts braucht, daß ihm, dem Schwarzen nichts abgeht. Dir Freude machen, dir alles geben, was ihm Menschen schenken, das sein Glück, seine Luft. Hier guter Wein, großer, lieber Herr, hier einge= kauft gute Speisen und Brød.

*) Im Novellenkranz. Almanach auf das Jahr 1834. Von Ludwig Tied. Dritter Jahrgang. Berlin. Reimer." 8.

Das ist also, antwortete jener, eine unerwartete Festnacht, in welcher sich mir alle Güter der Erde entgegen drängen. So wollen wir uns denn nach jenem Gebüsche begeben und unsre späte Mahlzeit halten. Welchen Tag haben wir heute?

Donnerstag und den vierten Julius.

Der Sklave legte ein Tuch auf den Rasensiz und stellte auf dieses zwei Becher und die Weinflasche, welche er aus seinem Korbe nahm. Dann legte er auf kleinen Tellern die Fische, das Geflügel und Gebackne aus, das weiße Brod und einige Früchte. Er sah bedenklich nach seinem Herrn aus, der indessen nachsinnend auf und nieder wandelte, und sich schwermüthig vom Mahl entfernte. Kommen denn, sagte Luis zu sich selbst, immer wieder Thränen an diesem Tage? Wohin seid ihr entflohen, ihr schönen Stunden, als ich so glücklich war, an ihrer Seite, beim Glanz der Lichter, ihres lächelnden süßen Mundes, diesen Tag zu feiern? Wie viele Jahre liegen zwischen jezt und ihrem legten, leuchtenden, thränenvollen Blick! Also heut war sie geboren, heut vor fünfzig Jahren! Wo ruht nun ihr Staub im fernen Gebirge? und ist meine Form auch zerbrochen, so ist auch das Andenken ihrer Schöne und Hoheit unter den Menschen erloschen. Ich aber fühle sie und ihre Herrlichkeit im Hauch der Nacht, in Glanz der Gestirne, die Erinne rung an sie durchdringt alle meine Lebenskräfte, und so ist es, als wäre es gestern, wie ich sie sprach und liebte. Und welche Kluft dazwischen! Und in dieser wieviel Leiden und Thränen und Kampf! Nur diese Erinnerung an sie ist die Wahrheit meines Lebens, alles andere nur wie Märchen und Lüge. Traum des Lebens, o du herzdurchdringende Wehmuth: wird denn eine Zeit kommen, wo auch das Vergangene wieder Gegenwart wird?

Wir streifen nur, wie in einem flüchtigen Tanze, allen Gegenständen vorüber und berühren sie kaum mit den Händen; was wir anfassen, schwindet und welkt, wie die Blume des Feldes: indem wir dem theuern Wesen Auge in Auge sehn, wandelt es wie die helle Wolke, die über dem Meer dahin zieht, und so sind wir plöglich einsam und fragen uns in träumerischer Angst: war es denn da, was ich lieben und halten wollte? Doch ruhig, du ungeduldiges Herz, mein Freund dort wartet und betrübt sich um mich. Wir wollen ihr Angedenken im Genuß des Irdischen feiern.

Er ging schnell zurück und setzte sich neben den Sklaven: dieser schenkte Wein in einen Becher und reichte ihm diesen, indem er sagte: der gute Wirth dort unten hat mir den Wein gegeben. Er ist gut, erwiederte Luis, indem er langsam trank, er stärkt und löset die ängst lichen Fesseln der Gedanken. Er blickte in den Himmel und die weite Landschaft hinaus.

Ach! was ich glücklich bin! fing der Sklave wieder an, daß ich dir, großer lieber Herr, einmal Freude habe machen können. Wo ist in ganzer Welt der Knecht, der Schwarze, der so neben seinem Herrn sigen darf und mit ihm essen und trinken? so mit ihm schwagen? Und

doch nennen dumme Leute dich stolz und hochmüthig, weil nicht ihr Narr sein willst.

Ja, Antonio, sagte Luis, indem er ihm die Hand reichte, du bist mein Freund, mein Ernährer, mein Beschüßer, der einzige auf Erden, vor dem ich mich nicht scheue, der mir ein Bruder ist, und dessen Wohl: thaten mich nicht quälen.

Sprich nicht so, großer, göttlicher Mensch, rief der Sklave: sonst schnürt so an meinen Hals, daß ich nichts schlucken kann. Hast du mir nicht damals in Ormuz von Tod und Folter loskauft? Und mit deinem ganzen Vermögen? Haft nicht damals mit dem großen Stadthalter gezanft, daß er dir auch wollte ins Kerker schmeißen? Sagten nicht Capitäns, du wärest Rebell, verdientest todt gemacht zu werden? Ja, großer Mann, haft mir beigeftanden, wie Christ und Bruder, wie Heiland, und was bin ich Wurm, dir? Leidest mich um dich, liebst den Schwarzen, und du, so klug, gelehrt, und ich dumm, schwarz,

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nur Vieh gegen dir.

Nein, mein Antonio, sagte der edle Portugiese, wir wollen uns nicht erweichen, wir wollen heiter diese schöne Nacht, dieses ungehoffte Mahl, und ich das schönste Andenken aus meinem Leben genießen. Deine Treu macht dich der Freundschaft der Edelsten werth, du hast mich, ich habe dich erkohren.

Könnt ich dir Reichthum, rief der Neger, Haus und Pallast schaffen. Dir zum großen Admiral machen! König müßtest sein! Pabst!

Luis lachte herzlich. Du begreifft nicht, sprach er dann, wie wohl mir ist in dieser Armuth, seit sie eine freigewählte, nicht mehr eine aufgedrungene ist. Freund, seit ich mich und die Menschen erkannt habe, ist diese Armuth mein Troft und meine Beruhigung. Abgeschieden von aller Welt erwarte und hoffe ich nichts mehr, ruhig sehe ich Vornehme und Geringe mir vorübergehn, in der Nacht empfängt mich meine einsame Zelle, das Wenige, welches mein hinfälliger Körper bedarf, verschaffst du mir. Du selbst hast es erfahren, wie wenig der Mensch bedarf, um sein Leben zu fristen. So wohne ich in der Vergangenheit und Erinnerung, es gibt für mich keine Zukunft mehr, als jene unsichtbare, unfaßliche, von welcher Glaube und Offenbarung zu uns reden.

6. Aus den Dramaturgischen Blättern.“*)

a. Ueber das englische Theater:

John Kemble in seiner Abschiedsrolle_als_Coriolan, im gleichnamigen Trauerspiele von Shakspeare. (Zweiter Band. S. 163.)

Den 23. Junius trat endlich J. Kemble zum lezten Male auf das Theater und nahm in seiner berühmtesten Rolle, im Coriolan des

*)

III.

Dramaturgische Blätter. Nebst einem Anhange noch ungedruckter Auffäße über das deutsche Theater und Berichten über die englische Bühne, geschrieben auf einer Reise im Jahre 1817. Von Ludwig Tied. Breslau. J. Mar. 1826. 8. Zwei Bändchen.

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