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schnitt die mittlern und südlichen deutschen Staaten von aller Verbindung mit der Nordsee ab, überschritt die Elbe, riß Dänemark und Deutschland von einander, nahm selbst die Ostsee in Anspruch, schien der Linie der fortdauernd besezten preußischen Oderfestungen entgegen zu eilen. Und doch trug die ganze Okkupation, so gewaltsam sie auch in alle Rechte und Besizungen, in alle geographische, politische und militärische Demarkationen eingriff, so wenig das Gepräge eines vollendeten und geschlossenen Gebiets, daß man gezwungen war, sie nur als Einleitung zu noch größeren Gewaltschritten zu betrachten; durch welche die Hälfte von Deutschland eine französische Provinz und der Kaiser Napoleon wirklicher Oberherr des Kontinents werden sollte.

Am nächsten mußte sich durch diese unnatürliche Ausdehnung des französischen Gebiets, Rußland und Preußen gefährdet fühlen. Die preußische Monarchie, von allen Seiten eingeschlossen, keiner ihrer Bewegungen mächtig, jedes Mittels, neue Kräfte zu sammeln beraubt, schien sich ihrer gänzlichen Auflösung mit starken Schritten zu nähern. Rußland, durch die eigenmächtige Verwandlung der, im Tilsiter Frieden frey erklärten Stadt Danzig, in einen französischen Waffenplay und eines großen Theils von Polen in eine französische Provinz, auf seiner Westgrenze schon hinlänglich beunruhigt, sah in dem Vorrücken der französischen Macht längs der Seeküste und in den neuen Fesseln, die Preußen bereitet wurden, eine dringende Gefahr für seine deutschen und polnischen Besitzungen. Von diesem Augenblicke an war der Bruch zwischen Frankreich und Rußland so gut als entschieden.

Nicht ohne große und gerechte Besorgniß sah Oestreich diese neuen Wetterwolken aufsteigen. Der Schauplah der Feindseligkeiten mußte, in jedem Falle, seine Provinzen berühren, deren Vertheidigungsstand, da die nothwendige Reform des Finanzwesens, die Wiederherstellung der Militärmittel gehemmt hatte, höchst unvollkommen war. Aus einem höhern Standpunkte betrachtet, erschien der Kampf, der Rußland bevor stand, in einem äußerst bedenklichen Lichte; da er, unter eben so ungünstigen Konjunkturen, eben dem Mangel an Mitwirkung anderer Mächte, eben dem Mißverhältnisse der wechselseitigen Streitkräfte, folglich eben so hoffnungslos, als alle frühern von ähnlicher Art, begann. S. M. der Kaiser boten alles, was freundschaftliche Vermittlung von einer und der andern Seite vermochte, auf, um den Ausbruch des Sturms zu verhindern. Daß der Zeitpunkt so nahe war, wo das Mißlingen dieser wohlgemeinten Schritte dem Kaiser Napoleon weit verderblicher werden sollte, als seinen Gegnern, konnte damals kein menschlicher Scharfsinn vorausschn. So war es aber im Rathe der Weltregierung beschlossen.

Als die Eröffnung des Kriegs nicht mehr zweifelhaft war, mußten S. M. auf Maßregeln denken, wie sich in einer so gespannten und gefährlichen Lage, eigene Sicherheit mit pflichtmäßiger Rücksicht auf das wesentliche Interesse benachbarter Staaten, vereinigen ließ. Das System einer wehrlosen Unthätigkeit, die einzige Art von Neutralität, die der Kaiser Napoleon, seinen Erklärungen zufolge, gestattet hätte, war,

nach allen gesunden Staatsgrundsägen, unzulässig und am Ende nur ein ohnmächtiger Versuch, der schweren Aufgabe, die gelöst werden sollte, auszuweichen. Eine Macht von Oestreichs Gewicht, durfte der Theilnahme an den Angelegenheiten von Europa, unter keiner Bedingung, entsagen, noch sich in eine Lage versehen, wo sie, gleich unwirksam für Frieden und Krieg, ihre Stimme und ihren Einfluß in allen großen Berathschlagungen verloren hätte, ohne irgend eine Gewährleistung für die Sicherheit ihrer eigenen Grenze zu gewinnen. Sich gegen Frankreich zum Kriege zu rüsten wäre ein, unter den obwaltenden Umständen, eben so sehr mit der Billigkeit als mit der Klugheit streitender Schritt gewesen. Der Kaiser Napoleon hatte S. M. keinen persönlichen Anlaß zu feindlichen Handlungen gegeben; und die Aussicht durch geschickte Benutzung der einmahl geftifteten freundschaftlichen Verhältnisse durch vertrauliche Vorstellung und mildernde Rathschläge manchen wohlthätigen Zweck zu erreichen, war noch nicht ohne alle Hoffnung verschwunden. In Bezug auf das unmittelbare Staatsinteresse aber, hätte ein solcher Entschluß zur unausbleiblichen Folge gehabt, daß die östreich'schen Länder der erste und vornehmste Schauplag eines Krieges geworden wären; der, bey der offenbaren Unzulänglichkeit ihrer Vertheidigungsmittel, die Monarchie in kurzer Zeit zu Boden werfen mußte.

In dieser peinlichen Lage blieb S. M. kein anderer Ausweg, als der, auf der Seite von Frankreich den Kampfplatz zu betreten. Für Frankreich, im eigentlichen Sinne des Worts, Partey zu ergreifen, hätte nicht nur mit den Pflichten und Grundsägen des Kaisers, sondern selbst, mit den wiederholten Erklärungen Seines Kabinets, welches diesen Krieg ohne allen Rückhalt, gemißbilligt hatte, im Widerspruche gestanden. S. M. gingen, bey der Unterzeichnung des Traktats vom 14ten März 1812, von zwei bestimmten Gesichtspunkten aus. Der nächste war, wie selbst die Worte des Traktats bezeugen, sich keines Mittels zu begeben, wodurch, früher oder später, auf den Frieden gewirkt werden konnte; der andere, von innen und außen eine Stellung zu gewinnen, die, im Falle der Unmöglichkeit des Friedens oder wenn der Lauf des Krieges entscheidende Maßregeln nothwendig machen sollte, Oestreich in den Stand sette, mit Unabhängigkeit zu handeln und in jeder gegebenen Vorausseßung, so zu Werke zu gehn, wie eine gerechte und weise Politik es vorschreiben würde. Aus diesem Grunde ward nur ein genau bestimmter und verhältnißmäßig geringer Theil der Armee, zur Mitwirkung beh den Kriegsoperationen verheißen; die übrigen, bereits vorhandenen, oder noch zu bildenden Streitkräfte blieben außer aller Gemeinschaft mit diesem Kriege. Durch eine Art von stillschweigender Uebereinkunft wurde selbst das Gebiet der Morarchie von allen kriegführenden Mächten als neutral behandelt. Der wahre Sinn und Zweck des, von S. M. gewählten Systems, konnte weder Frankreich noch Rußland, noch irgend einem einsichtsvollen Beobachter der Weltbegebenheiten entgehen.

Der Feldzug vom Jahr 1812 bewies an einem denkwürdigen Beyspiele, wie ein, mit Riesenkräften ausgestattetes Unternehmen in den Händen eines Feldherrn vom ersten Range scheitern kann, wenn

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er, im Gefühle großer militärischer Talente, den Schranken der Natur und den Vorschriften der Weisheit Troz zu bieten gedenkt. Ein Blendwerk der Ruhmbegierde zog den Kaiser Napoleon in die Liefe des russischen Reichs; und eine falsche politische Ansicht verleitete ihn zu glauben, daß er in Moskau den Frieden vorschreiben, die russische Macht auf ein halbes Jahrhundert lähmen und dann siegreich zurück kehren würde. Als die erhabene Standhaftigkeit des Kaisers von Rußland, die ruhmvollen Thaten seiner Krieger und die unerschütterliche Treue seines Volks diesem Traume ein Ende gemacht hatte, war es zu spät, ihn ungestraft zu bereuen. Die ganze französische Armee wurde zerstört und vernichtet; in weniger als vier Monaten sah man den Schauplah des Krieges vom Dniepr und der Dwina an die Oder und Elbe versezt.

Dieser schnelle und außerordentliche Glückswechsel war der Vorbote einer wichtigen Revolution in den gesammten politischen Verhältnissen von Europa. Die Verbindung zwischen Rußland, Großbritannien und Schweden bot allen umliegenden Staaten einen neuen Vereinigungspunkt dar. Preußen, längst rühmlich vertraut mit dem Entschlusse fas Aeußerste za wagen, selbst die Gefahr des unmittelbaren politischen Todes, einem langsamen Verschmachten unter auszehrenden Bedrückungen vorzuziehn, ergriff den günstigen Augenblick und warf sich den Verbündeten in die Arme. Viele große und kleine Fürsten Deutschlands waren bereit ein Gleiches zu thun. Allenthalben eilten die ungeduldigen Wünsche der Völker dem regelmäßigen Gange ihrer Regierungen zuvor. Von allen Seiten schlug der Drang nach Unabhängigkeit unter eigenen Gesezen, das Gefühl gekränkter Nationalehre, die Erbitterung gegen schwer gemißbrauchte französische Obergewalt, in helle Flamme auf. S. M. der Kaiser, zu einsichtsvoll, um diese Wendung der Dinge nicht als die natürliche und nothwendige Folge einer vorhergegangenen gewaltsamen Ueberspannung und zu gerecht, um sie mit Unwillen zu betrachten, hatten Ihr Augenmerk einzig darauf gerichtet, wie sie, durch reiflich überdachte und glücklich kombinirte Maßregeln, für das wahre und bleibende Interesse des europäischen Gemeinwesens benußt werden könnte. Schon seit dem Anfange des Decembermonats waren von Seiten des östreichischen Kabinets bedeutende Schritte gethan worden, um den Kaiser Napoleon durch Gründe, die seiner eignen Wohlfahrt even so nahe lagen, als dem Intresse der Welt, für eine gerechte und friedliche Politik zu stimmen. Diese Schritte wurden von Zeit zu Zeit erneuert und verstärkt. Man schmeichelte sich, daß der Eindruck des vorjährigen Unglücks den Gedanken an die fruchtlose Hinopferung einer ungeheuern Armee, die zum Ersaße dieses Verlustes erforderlichen harten Zwangsmaßregeln aller Art, der tiefe Widerwille der französischen Nation und aller in ihr Schicksal verflochtenen Länder gegen einen Krieg, der ohne Aussicht auf künftige Schadloshaltung ihr Innerstes erschöpfte und zerriß; daß endlich selbst ein kaltblütiges Nachdenken über die Ungewißheit des Ausgangs dieser neuen höchst bedenklichen Krisis, den Kaiser bewegen könnte, den Vorstellungen Oestreichs Gehör

zu geben. Der Ton, in welchem diese an Ihn gerichtet wurden, war den Umständen sorgfältig angepaßt; so ernst, als die Größe des Zwecks, so schonend, als der Wunsch eines günstigen Erfolgs und die obwaltenden freundschaftlichen Verhältnisse es forderten.

Daß Eröffnungen, die aus so lautern Quellen geflossen waren, bestimmt verworfen werden sollten, ließ sich freilich nicht erwarten. Die Art aber wie man sie aufnahm und mehr noch der starke Kontrast zwischen den Gesinnungen, welche Oestreich nährte, und dem ganzen Verfahren des Kaisers Napoleon zur Zeit jener mißlungenen Friedensversuche, schlug schon früh die letten Hoffnungen darnieder. Anstatt, durch eine gemäßigte Sprache, wenigstens den Blick in die Zukunft zu erheitern und die allgemeine Verzweiflung zu besänftigen, wurde, von den höchsten Autoritäten in Frankreich bei jeder Veranlassung feyerlich angekündigt, daß der Kaiser auf keinen Friedensantrag hören würde, der die Integrität des französischen Reichs im französischen Sinne des Wortes verlegen, oder irgend eine der ihm willkürlich einverleibten Provinzen in Anspruch nehmen mögte. Zu gleicher Zeit wurde, selbst von solchen eventuellen Bedingungen, die diese eigenmächtig aufgestellte Grenzlinie nicht einmahl zu treffen schien, bald mit drohendem Unmuthe, bald mit bitterer Verachtung gesprochen; gleich als hätte man nicht vernehmlich genug andeuten können, wie fest der Kaiser Napoleon entschloffen sey, der Ruhe der Welt auch nicht ein einziges nahmhaftes Opfer zu bringen.

Diese feindseligen Manifeste hatten für Oestreich noch die besondere Kränkung zur Folge, daß sie selbst die Aufforderungen zum Frieden, die dieses Kabinet mit Vorwissen und scheinbarer Beystimmung Frankreichs an andere Höfe gelangen ließ, in ein falsches und höchst unvortheilhaftes Licht stellten. Die wider Frankreich verbündeten Souverains sezten den östreichischen Unterhandlungs- und Vermittlungsanträgen, statt aller Antwort, die öffentlichen Erklärungen des franz. Kaisers entgegen. Als S. M., im Monat März einen Gesandten nach London geschickt hatte, um England zur Theilnahme an einer Friedensunterhandlung einzuladen, erwiederte das brittische Ministerium: es könne nicht glauben, daß Oestreich noch Friedenshoffnungen Raum gebe; da der Kaiser Napoleon in der Zwischenzeit Gesinnungen offenbart habe, die nur zur Verewigung des Kriegs führen müßten; eine Aeußerung, die S. M. um so schmerzhafter seyn mußte, je gerechter und gegründeter sie war.

Nichts desto weniger fuhr Oestreich fort, dem Kaiser von Frankreich die dringende Nothwendigkeit des Friedens immer bestimmter und stärker ans Herz zu legen; bei jedem seiner Schritte, von dem Grundfaze geleitet, daß, da das Gleichgewicht und die Ordnung in Europa durch die grenzenlose Uebermacht Frankreichs zerstört worden war, ohne Beschränkung dieser Uebermacht kein wahrer Friede gedacht werden könne. Zu gleicher Zeit ergriffen S. M. alle, zur Verstärkung und Koncentrirung ihrer Armee erforderliche Maßregeln. Der Kaiser fühlte, daß Oestreich zum Kriege gerüstet seyn mußte, wenn seine Friedens

vermittlung nicht ganz ohnmächtig werden sollte. Uebrigens hatte S. M. sich schon längst nicht verborgen, daß der Fall einer unmittelbaren Theil

am Kriege von Ihren Bemühungen nicht ausgeschlossen seyn dürfte. Der bisherige Zustand der Dinge konnte nicht fortdauern; von dieser Ueberzeugung war der Kaiser durchdrungen; sie war die Triebfeder seiner sämmtlichen Schritte. Schlug jeder Versuch zum Frieden zu gelangen, schon in erster Instanz fehl, so mußte jene Ueberzeugung nur noch lebendiger werden. Das Resultat ergab sich von selbst. Auf einem von beiden Wegen, durch Unterhandlungen oder durch. Waffengewalt, mußte man zu einem andern Zustande gelangen.

Der Kaiser Napoleon hatte die Kriegsrüstungen Oestreichs nicht nur voraus gesehen, sondern selbst als nothwendig erkannt und, bey mehr als einer Gelegenheit, ausdrücklich gebilligt. Er hatte Gründe genug, um zu glauben, daß S. M. der Kaiser in einem für das Schicksal der Welt so entscheidenden Zeitpunkt, alle persönlichen und vorübergehenden Rücksichten bei Seite sezen, nur das bleibende Wohl der öftreichischen Monarchie und der, sie umgebenden Staaten, zu Rathe ziehn und nichts beschließen würde, als was diese höchsten Motive ihm zur Pflicht machten. Das östreichische Kabinet hatte sich nie so geäuBert, daß seinen Absichten eine andere vernünftige Deutung gegeben werden konnte. Nichts desto weniger wurde von Seiten Frankreichs nicht blos anerkannt, daß die östreichische Vermittlung nur eine bewaffnete seyn könnte, sondern mehr als einmahl erklärt, wie, bei den eingetretenen Umständen, Destreich sich nicht mehr auf eine Nebenrolle beschränken, sondern mit großen Kräften auf dem Schauplaze erscheinen und, als selbsthandelnde Hauptmacht, einen Ausschlag geben müsse. Was auch sonst die französische Regierung hoffen oder besorgen mogte, in jenem Geständnisse lag die vorläufige Rechtfertigung des ganzen, v. S. M. dem Kaiser beschlossenen und durchgeführten, Ganges.

Bis auf diesen Punkt hatten die Verhältnisse sich entwickelt, als der Kaiser Napoleon Paris verließ, um den Fortschritten der alliirten Armeen Einhalt zu thun. Dem Heldenmuthe der russischen und preußischen Truppen in den blutigen Gefechten des Monats May, haben selbst ihre Feinde gehuldigt. Daß gleichwohl der Ausgang dieser ersten Periode des Feldzugs nicht günstiger für ste war, hatte theils in der Ueberzahl der französischen Kriegsmacht und in dem, von aller Welt anerkannten, militärischen Genie des Anführers derselben, theils in den politischen Kombinationen, welche den verbündeten Souveräns bei ihren Unternehmungen zur Nichtschnur diente, seinen Grund. Sie handelten in der richtig berechneten Voraussetzung, daß eine Sache, wie die, für welche sie stritten, unmöglich lang blos die ihrige bleiben könnte, daß, früher oder später, im Glück oder im Unglück, jeder noch nicht ganz seiner Selbstständigkeit entkleidete Staat in ihren Bund treten, jede unabhängig gebliebene Armee auf ihrer Seite stehn müsse. Sie ließen daher der Tapferkeit ihrer Truppen nur so weit, als der Augenblick es gebot, freien Schwung und sparten einen ansehnlichen Theil ihrer Kräfte für einen Zeitraum auf, wo sie, mit ausgedehntern Mitteln,

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