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Nachdem einmal die Seelenvermögen da sind, sollen sie auch gebraucht werden zur Erklärung dessen was in uns vorgeht. Aber je weniger von den nähern Bestimmungen der Thatsachen in den Begriffen jener Vermögen enthalten ist: desto schlechter gelingt die Erklärung. fehlen die Mittelglieder zur Verknüpfung. Es entstehen unbeantwortliche Fragen über das Causalverhältniß der Seelenvermögen unter einander, wodurch sie beim Zusammenwirken eins in das andere eingreifen, und sich gegenseitig zur Wirksamkeit auffordern, oder veranlassen, oder nöthigen. Jede solche Frage, indem sie mit einem Geständniß der Unwissenheit endigt, bringt den Schein hervor, als liege eine dunkle, unübersteigliche Kluft zwischen den Seelenvermögen, die nun gleich Inseln aus einem unergründlichen und unfahrbaren Meere herausragen. Was Wunder, wenn man es endlich müde wird, um das Zusammenwirken der Seelenvermögen sich zu bekümmern; wenn man vielmehr sich darin gefällt, die weite Trennung derselben durch recht große Unterschiede des einen Vermögens vom andern, deutlich zu beschreiben? Und hierin hat man es in der That weit gebracht. Die Seelenvermögen scheinen in einem wahren bellum omnium contra omnes begriffen zu seyn.

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Die Einbildungskraft, sich selbst überlassen, erschafft Phantome; aber die Sinne verscheuchen sie; doch manchmal auch lassen sie sich von jener bethören, so daß wohl gar Gespenster mit Augen gesehen werden. Starkes Gedächtniß findet sich bei schwachem Verstande, und umgekehrt; die Ausbildung des einen läßt Nachtheil besorgen für das andere. Noch weniger Friede hält der Verstand mit den Sinnen; er entdeckt ihren Trug, er zeigt, daß die Sonne still steht, und das Ruder auch im Waffer gerade ist; er erblickt einfache Geseze, wo die Sinne lauter Unordnung sahen. Nicht besser vertragen sich Verstand und Einbildungskraft; er findet sie thöricht und flatterhaft, sie ihn unbehülflich und trocken. Besser als beide dünkt sich die Urtheilskraft; der Verstand wußte nur die Regel, ste erst erkennt das Rechte und Wahre mit Bestimmtheit im Einzelnen. Aber die Vernunft erscheint; sie schwingt fich auf zum Uebersinnlichen, Unendlichen, zur eigentlichen Wahrheit, während alle jene auf dem Boden der Erscheinungswelt kriechen. Bei diesen Streitigkeiten bleiben Gefühl und Begehrungsvermögen nicht müßig. Die lette Entscheidung über Wahrheit und Irrthum behauptet am Ende das Gefühl; insbesondere spricht es bald für, bald wider den Verstand; der doch seinerseits gegen die Einmischungen des Gefühls in seine Untersuchungen sich nachdrücklich verwahrt. Die Begierden bedienen sich des Verstandes, wo er ihnen nüglich seyn kann, aber sie verweisen ihm seine difficiles nugas, seine brodlosen Künste. Er will von ihnen nicht gestört, am wenigsten verblendet seyn; doch er muß weichen oder fröhnen, da sogar die Vernunft sich ihrer kaum erwehren, und das Vernünfteln der Leidenschaften nicht verhindern kann. Die ästhetische Urtheilskraft fämpft wider die Sinnenlust; und sie vertheidigt zuweilen die Einbildungskraft wider den Verstand. Aber die Vernunft pflegt ihr zu widersprechen, und das Schöne mit dem Häßlichen in den Rang bloßer Erscheinungen

zurückzustellen. Unser eigenes Ich ist der Kampfplag für alle diese Streitigkeiten! Ja es ist selbst die Gesammtheit aller dieser streitenden Partheien!

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Wird man dieses im Ernste glauben? Und doch stüßt sich alles zuvor Gesagte auf bekannte Thatsachen. Die Frage ist bloß, ob eine wirkliche Vielheit von Kräften, die mit einem bebarrlichen Daseyn in uns bestehen und wirken, und einander bald helfen, bald anfeinden, aus den Thatsachen solle geschlossen werden? Ob man immer fortfahren wolle, dem augenscheinlich flüssigen Wesen aller Gemüthszustände Tros zu bieten; und, je mehr dieselben jeder Auffassung in harten und starren Formen widerstreben, desto hartnäckiger und eifriger ihnen dergleichen aufzudringen? Unseres Wissens hat die bisherige, auch die neuere und neueste, Psychologie, durchaus nichts anderes geleistet, als immer neue, vergrößerte, schärfer gezeichnete Spaltungen und Gegensäge unter den vermeinten Seelenkräften. Jedoch, unsere Philosophen fangen schon an sich zu entschuldigen, wenn sie aus Noth, wie sie meinen und weil man sich doch müsse ausdrücken können, von Seelenvermögen reden; sie wollen es schon nicht Wort haben, daß sié wirklich und im Ernste jene Trennungen vorgenommen hätten; ste verehren die unbe= kannte Einheit aller jener Vermögen. Damit haben sie nun zwar an wirklicher Kenntniß der Seele noch nichts gewonnen, und die eigentliche Physik des Geistes mag wohl so bald noch nicht neben der falschen Freiheitslehre der neuern Zeit aufkommen können; doch sind die Zeichen vorhanden, daß die alten Götter nicht mehr lange bestehen, und daß ihre Orakel bald verstummen werden. Denn in der That ist es beim Lichte besehen, nicht so sehr übler Wille, noch unbeugsames Vorurtheil, sondern es ist Ungeschick, und Mangel an Kenntniß der Möglichkeit einer bessern Auffassung der Thatsachen, was der bessern Psychologie im Wege steht. Unsere Philosophen sind nicht Mathematiker; darum kennen sie nicht die Geschmeidigket, womit die mathematischen Begriffe sich dem Fließenden anpassen; vielmehr pflegen sie sich bei den mathematischen Formeln etwas recht Steifes, Starres und Lodtes zu · denken; in diesem Puncte aber kann man ihre Unwissenheit lediglich bedauern.

C. Heinrich von Kleist. *)
(1776 1811.)

Aus der Erzählung: Michael Kohlhas.

Ein Verhör.

(S. 19.)

Was hast du in der Tronkenburg gemacht? fragte Kohlhas, da Lisbeth mit ihm in das Zimmer trat. Ich bin nicht eben wohl mit

*),,Erzählungen von Heinrich von Kleist. Berlin 1810.“ 8.

dir zufrieden. -Der Knecht, auf dessen blasfem Gesicht sich, bei diesen Worten, eine Röthe fleckig zeigte, schwieg eine Weile; und: da habt ihr Recht, Herr! antwortete er; denn einen Schwefelfaden, den ich durch Gottes Fügung bei mir trug, um das Raubnest, aus dem ich verjagt worden war, in Brand zu stecken, warf ich, als ich ein Kind darin jammern hörte, in das Elbwasser, und dachte: mag es Gottes Blig einäschern; ich will's nicht! Kohlhas sagte betroffen: wodurch aber hast du dir die Verjagung aus der Tronkenburg zugezogen? Drauf Herse: durch einen schlechten Streich, Herr; und trocknete sich den Schweiß von der Stirn: Geschehenes aber ist nicht zu ändern. Ich wollte die Pferde nicht auf der Feldarbeit zu Grunde richten lassen, und sagte, daß sie noch jung wären und nicht gezogen hätten. Kohlhas erwiederte, indem er seine Verwirrung zu verbergen suchte, daß er hierin nicht ganz die Wahrheit gesagt, indem die Pferde schon zu Anfange des verflossenen Frühjahrs ein wenig im Geschirr gewesen wären. Du hättest dich auf der Burg, fuhr er fort, wo du doch eine Art von Gast warest, ein oder etliche Mal, wenn gerade, wegen schleuniger Einführung der Erndte Noth war, gefällig zeigen können. — Das habe ich auch gethan, Herr, sprach Herse. Ich dachte, da ste mir grämliche Gesichter machten, es wird doch die Rappen just nicht kosten. Am dritten Vormittag spannt ich sie vor, und drei Fuhren Getreide fuhr ich ein. Kohlhas, dem das Herz emporquoll, schlug die Augen zu Boden: und versezte: davon hat man mir nichts gesagt, Herse! Herse versicherte ihn, daß es so seh. Meine Ungefälligkeit, sprach er, bestand darin, daß ich die Pferde, als sie zu Mittag kaum ausgefressen hatten, nicht wieder ins Joch spannen wollte; und daß ich dem Schloßvoigt und dem Verwalter als sie mir vorschlugen frei Futter dafür anzunehmen, und das Geld, daß ihr mir für Futterkosten zurückgelassen hattet, in den Sack zu stecken, antwortete ich würde ihnen sonst was thun; mich umkehrte und wegging. Um dieser Ungefälligkeit aber, sagte Kohlhas, bist du von der Tronkenburg nicht weggejagt worden. Behüte Gott, rief der Knecht, um eine gottvergessene Missethat! Denn auf den Abend wurden die Pferde zweier Ritter, welche auf die Tronkenburg kamen, in den Stall geführt, und meine an die Stallthüre angebunden. Und da ich dem Schloßvoigt, der sie daselbst einquartirte, die Rappen aus der Hand nahm, und fragte, wo die Thiere jezo bleiben sollten, so zeigte er mir einen Schweinenkoben an, der von Latten und Brettern an der Schloßmauer auferbaut war. Du meinst, unterbrach ihn Kohlhas, es war ein so schlechtes Behältniß für 6 Pferde, daß es einem Schweinekoben ähnlicher war, als einem Stall. Es war ein Schweinekoben, Herr, antwortete Herse; wirklich und wahrhaftig ein Schweinekoben, in welchem die Schweine aus und einliefen, und ich nicht aufrecht stehen konnte. Vielleicht war sonst kein Unterkommen für die Rappen aufzufinden, versezte Kohlhas; die Pferde der Ritter gingen, auf eine gewisse Art, vor. erwiederte der Knecht, indem er die Stimme fallen ließ, Hauseten jezt in Allem sieben Ritter auf der Burg.

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Der Play, war eng. Es Wenn ihr es

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gewesen wäret, ihr hättet die Pferde ein wenig zusammen rücken lassen. Ich sagte, ich wollte mir im Dorf einen Stall zu miethen suchen; doch der Schloßvoigt verseßte, daß er die Pferde unter seinen Augen behalten müsse, und daß ich mich nicht unterstehen solle, sie vom Hofe weg zu führen. Hm! sagte Kohlhaas. Was gabst du darauf an? - Weil der Verwalter sprach, die beiden Gäste würden blos übernachten, und am andern Morgen weiter reiten, so führte ich die Pferde in den Schweinenkoben hinein. Aber der folgende Tag verfloß, ohne daß es geschah; und als der dritte anbrach, hieß es, die Herren würden noch einige Wochen auf der Burg verweilen. Am Ende war's nicht so schlimm, Herse, im Schweinekoben, sagte Kohlhaas, als es dir, da du zuerst die Nase hineinstecktest, vorkam. S'ist wahr, erwiederte jener. Da ich den Ort ein Bissel ausfegte, gings an. Ich gab der Magd einen Groschen, daß sie die Schweine wo anders einstecke. Und den Lag über bewerkstelligte ich auch, daß die Pferde aufrecht stehen konnten, indem ich die Bretter oben, wenn der Morgen dämmerte von den Latten abnahm, und Abends wieder auflegte. Sie guckten nun, wie Gänse aus dem Dach vor und sahen sich nach Kohlhaasenbrück, ohne sonst, wo es besser ist, um. Nun denn, fragte Kohlhaas, warum also, in aller Welt, jagte man dich fort? Herr, ich sag's euch, versezte der Knecht, weil man meiner los seyn wollte. Weil sie die Pferde, so lange ich dabei war, nicht zu Grunde richten konnten. Ueberall schnitten sie mir, im Hofe und in der Gesindestube, widerwärtige Gesichter; und weil ich dachte, zieht ihr die Mäuler, daß sie verenken, so brachen sie die Gelegenheit vom Zaune, und warfen mich vom Hofe herunter. Aber die Veranlassung! rief Kohlhaas. Sie werden doch irgend eine Veranlassung gehabt haben! O allerdings, antwortete Herse, und die aller gerechteste. Ich nahm am Abend des zweiten Tages, den ich im Schweinenkoben zugebracht, die Pferde, die sich darin doch zuge= sudelt hatten, und wollte sie zur Schwemme reiten. Und da ich eben unter dem Schloßthore bin, und mich wenden will, hör' ich den Voigt und den Verwalter, mit Knechten, Hunden und Prügeln aus der Gesindestube, hinter mir herstürzen, und: halt, den Spizbuben! rufen: halt, den Galgenstrick! als ob sie besessen wären. Der Thorwächter tritt mir in den Weg; und da ich ihn und den rasenden Haufen, der auf mich anläuft, frage: was auch giebt's? was es gibt? antwortete der Schloßvoigt; und greift meinen beiden Rappen in die Zügel. Wo will er hin mit den Pferden? fragt er und packt mich an der Brust. Ich sage, wo ich hin will? Himmeldonner! Zur Schwemme will ich reiten. Denkt er, daß ich? Zur Schwemme? ruft der Schloßvoigt. Ich will dich, Gauner, auf der Heerstraße, nach Kohlhaasenbrück schwimmen lehren! und schmeißt mich, mit einem hämischen Mordzeug, er und der Verwalter, der mir das Bein gefaßt hat, vom Pferd' herunter, daß ich mich, lang wie ich bin, in den Koth messe. Mord! Hagel! ruf ich, Sielzeug und Decken liegen, und ein Bündel Wäsche von mir, im Stall; doch er und die Knechte, indessen der Verwalter die Pferde wegführt, mit Füßen und-Peitschen und Prügeln über mich III.

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her, daß ich halb todt hinter dem Schloßthor niederfinke. Und da ich fage: die Raubhunde! Wo führen sie mir die Pferde hin? und mich erhebe: heraus aus dem Schloßhofe! schreit der Voigt, und: het Spiş! und eine Koppel von mehr denn zwölf Hunden fällt über mich her. Drauf brech' ich, war es eine Latte, ich weiß nicht was, vom Zaune, und drei Hunde todt streck ich neben mir nieder; doch da ich, von jämmerlichen Zerfleischungen gequält, weichen muß: Flüt! gelt eine Pfeife; die Hunde in den Hof, die Thorflügel zusammen, der Riegel vor: und auf der Straße ohnmächtig sink ich nieder. Kohlhaas fagte, bleich im Gesicht, mit erzwungener Schelmerey: hast du auch nicht entweichen wollen, Herse? Und da dieser mit dunkler Röthe, vor sich niedersah: gesteh' mir's sagte er; es gefiel dir im Schweinenkoben nicht; du dachtest, im Stall zu Kohlhaasenbrück ist's doch besser. Himmelschlag! rief Herse: Sielzeug und Decken ließ ich ja, und einen Bündel Wasche, im Schweinenkoben zurück. Würd' ich drey Reichsgulden nicht zu mir gesteckt haben, die ich, im rothseidnen Halstuch, hinter der Krippe versteckt hatte? Bliz, Höll und Leufel! Wenn ihr so sprecht, so mögt ich nur gleich den Schwefelfaden, den ich wegwarf, wieder anzünden! Nun, nun! sagte der Roßhändler; es war eben nicht böse gemeint! Was du gesagt hast, schau Wort für Wort, ich glaub es dir; und das Abendmahl, wenn es zur Sprache kommt, will ich selbst nun darauf nehmen. Es thut mir leid, daß es dir in meinen Diensten nicht besser ergangen ist; geh, Herse, geh zu Bett, laß dir eine Flasche Wein geben, und tröste dich: dir soll Gerechtigkeit widerfahren! Und damit stand er auf, fertigte ein Verzeichniß der Sache an, die der Großknecht im Schweinekoben zurückgelassen; specificirte den Werth derselben, fragte ihn auch, wie hoch er die Kurkosten anschlage und ließ ihn, nachdem er ihm noch einmal die Hand gereicht, abtreten.

CI. Friedrich Christoph Schloffer.

(1776.)

Aus der Abhandlung über die Entstehung der den Franzosen des achtzehnten Jahrhunderts vorgeworfenen Widersetzung gegen die in Beziehung auf Staatswesen und Kirche in Europa geltenden Grundsäße." *)

Die Jansenisten: Arnauld d'Andilly und Pascal.

(S. 17.)

Die Jesuiten und, von ihnen verleitet, auch der römische Hof, hatten aus dem Buche eines 1638 verstorbenen frommen Bischofs von

„In dem 2. Bande des von Fr. Chr. Schlosser und G. Aug. Bercht herausgegebenen Archives für Geschichte und Literatur. (Frankfurt am Main bei S. Schmerber.)"

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