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daß der Staatsmann, wenn auch vielleicht nur er fähig ist die Geschichte über dergleichen Gegenstände zu befragen, und Bruchstücke zu errathen, die dem Sammler ein Geheimniß bleiben, doch, wenn er nicht selbst forscht und zu forschen fähig ist, entweder falsche oder unbestimmte und folgenlose Begriffe darüber hegen wird. So sind das Landeigenthumsrecht des alten Roms und das Recht der Domainen, in ihren Eigenthümlichkeiten, in dem Maße von den uns gewöhnlichen Rechten und Einrichtungen verschieden, daß die Verwechselung der gewöhnlichen und der alteigenthümlichen Begriffe, deren sich Montesquieu so wenig als früher Macchiavelli erwehrte, über die wichtigsten Gegenstände der römi schen Gesetzgebung schreiend falsche Meinungen hervorbringt: Meinungen, bei denen die Stimme des Rechts Verdammniß über wahrhaft makellose Thaten und Unternehmungen aussprechen, oder ein ahndendes leidenschaftliches Gefühl für Größe und Hohheit den gefährlichsten Folgerungen und Unternehmungen das Wort reden muß.

Als die Griechen unter Roms Oberherrschaft gefällen waren, beschäftigte die Frage, ob Roms Größe eine Gabe des Glücks, oder frei, wie sie es nannten, durch Tugend erworben sei, ihre Schriftsteller, von denen die Meinung der Lesenden und der Gesellschaft des wehrlosen und müßigen Ostens bestimmt ward. Es war eine müßige Frage; nicht in dem Sinn aufgestellt, wie Mithridates ihr wohl später nachgesonnen haben mag: ob jeder Widerstand fruchtlos fein würde? ob ein unwandelbares Schicksal Rom die Weltherrschaft bestimmt habe? ob, fast eben so furchtbar wie dieses, eine unerreichbare Vortrefflichkeit des Nationalfinnes und der Einrichtungen römischen Heeren den Sieg auf ewig zusichern? Es war nur die Beschäftigung derjenigen, welche fich der Scham entledigen wollten über die schmähliche Art, mit der sie in ihr Elend herabgesunken waren; indem sie Mangel an Kraft, Tugend und Verstand da als Nebensache ausgaben, wo ein unwiderstehliches Schicksal geboten habe; wobei sie nach Sklavenart, wie Xanthias bei dem Komiker, den höchsten Genuß darin fanden, ihre Herren zu behorchen, zu beklatschen und zu belügen. Polybius, dem es Ernst gewesen war, der sich treu blieb, aber der allmächtigen Gewalt gehorchte, an der die thörichte Verwegenheit seiner von Leichtsinnigen und Heillosen aufgeregten Nation zertrümmerte, fühlte sich durch das Geschwäß solcher Schriftsteller erbittert; und einer der Zwecke seiner Geschichte war den Griechen klar zu machen, wie Roms Größe nicht durch Fatalität, sondern durch festen Willen, zweckmäßige Institutionen, unermüdete Aufmerk samkeit auf ihre Erhaltung, Ausbildung und Anwendung begründet sey. Damit aber legte er den Römern seiner Zeit dennoch nicht das Lob eigentlicher Tugend bei; und wenn er sich hin und wieder mit einem uns an einem Manne seiner Verhältnisse befremdenden Enthusiasmus ansdrückt, so müssen wir erwägen, daß er überhaupt ein ganz praktischer Mensch war, dem durchgehends Wärme und der Sinn für das Idealische fehlte, mit dem die Athenienser auch das, was vor ihren Augen vorging, vor allem aber, was diesen durch eine auch kurze Vergangenheit entrückt war, betrachtete. In diesem Mangel liegen eben die Unvollkommenheiten

feines Werks, welche ihn, nach dem Urtheil seiner Landsleute, zu einem Geschichtschreiber vom zweiten Rang machten. Er fand in allen Staaten, die später in das römische Reich versanken, Alles zum Untergang reif, und weil er sich bewußt war, daß er selbst mit nur sehr wenigen gleichgesinnten diesem Strom vergebens widerstanden hatte; weil er die, durch deren verschiedenartige Sünde das Elend bestand, Kallikrates, Diäus, Kritolaus bitter verachtete; Scipio aber, Cato und Paullus bewunderte; so trägt sein unbestechliches Urtheil vielleicht in einzelnen Fällen, mehr als den Schein der Gefühllosigkeit. Die Neueren, namentlich Macchiavelli und Montesquieu, scheinen jene Frage, und in einem etwas veränderten Sinn, wieder hervorgerufen zu haben, und gehen in ihrer Bewunderung der Römer und ihrer Einrichtungen bis zur entschiedensten Partheilichkeit. Die berbe Frugalität der alten Republikaner, ihre Unempfindlichkeit für den Beiz und die Genüsse des Reichthums, die strenge Gefeßlichkeit des Volks, die feste allgemeine Treue während der schönen Jahrhunderte, in denen die Verfassung, seitdem die Ansprüche der Aristokratie beschränkt waren, in ihrer ganzen Vollkommenheit lebte; der reine Sinn, welcher nie erlaubte, bei innerm Zwist fremde Einmischung zu suchen: die Allmacht der Geseze und Gewohnheiten, und der Ernst, womit an ihnen dennoch geändert ward, was nicht mehr angemessen war; die Weisheit der Verfassung und Geseze; das Ideal der Männlichkeit in den Bürgern und im Staat; alle diese Eigenschaften erregen gewiß in uns eine Ehrfurcht, welche wir bei der Betrachtung keines andern Volks so empfinden können. Es ist kein Zustand von Unnatur und Zwang, wie die Gesetzgebung Sparta's, unter der, nach dem Urtheil anderer Griechen, die Lodesverachtung natürlich war, weil der Tod ein unleidliches Joch brach: es war ein Leben, welches vielmehr wahres und hohes individuelles Glück pflegte, einen von Sinnlichkeit freien, starken Lebensgenuß. Andre vielleicht eben so vollkommne Verfassungen imponiren uns schon darum weniger, weil sie den Reichthum ehren: vielseitige und lebensvolle Völker können Fehlern nicht entgehen, gegen die nur Einseitigkeit schüßt: und in den Begebenheiten der Vergangenheit empfinden wir stärker, worin gefehlt wird, als was gebricht. So ist es ganz natürlich, daß wir, auch abgesehen von dem Glanz, womit Macht und Siege immer umgeben sind, zu den Römern jener guten Zeit der Republik mit Bewunderunghinaufsehen. Sie haben in ihren Tugenden eine große Aehnlichkeit mit den Arabern der ersten Chalifen: diesen aber fehlte die Verfassung, worin sie sich erhalten konnten. Die Römer waren Jahrhunderte lang in sich in einem Mittelpunkt zusammengedrängt: jene hatten nie diese Kerneinheit gehabt, sie zerstreuten sich über eine halbe Welt, und arteten schnell aus. Aber wenn wir uns lebhaft in jene Zeiten hineindenken, so wird sich doch ein Grauen in diese Bewunderung mischen: denn, verträglich und abgefunden mit diesen Tugenden, herrschten von den ältesten Zeiten her die furchtbarsten Laster: unersättliche Herrschsucht, gewiffenlose Verachtung des fremden Rechts, gefühllose Gleichgültigkeit gegen fremdes Leiden, Geiz, als Raubsucht noch fremd war, und eine ständische Absonderung, aus der nicht allein gegen den Sclaven, oder

den Fremden, sondern gegen den Mitbürger oft unmenschliche Verstockung entstand. Allen diesen Lastern bereiteten eben jene Tugenden den Weg zur Herrschaft, und gingen so selbst unter.

Wenn wir nun, bei einem gerechten Urtheil über die Römer, auch diese dunkeln Schatten nicht vergessen müssen, und also ihrer Verherrlichung nur mit Einschränkung beistimmen können, so müssen wir auch, obgleich in einem andern Sinn, als jene Griechen, dem Schicksal einen großen Antheil an der römischen Größe beimeffen. Durch den ganzen Gang der Geschichte werden wir sehen, wie oft alle Tugenden des Staats und des Volks fruchtlos gewesen wären, wenn nicht das Schicksal Nom in Gefahren gerettet, und seine Triumphe vorbereitet hätte. Die Völker und die Männer, denen Rom hätte unterliegen können, erschienen zu spät; in den Perioden der Schwäche hatte es nur ihm nicht überlegene Gegner zu bekämpfen; und während Rom Alles an Alles fezte, und im Krieg lebte, schonten andere Völker ihre Anstrengungen, weil fie am Sieg verzweifelten oder im Grunde ihres Herzens nur weichliche Muße liebten, was auch ihre mißrathnen Unternehmungen anzudeuten scheinen mochten. Keins unter allen ging ihm mit ähnlichem Sinn und einem ähnlichen Ziel entgegen; und schon darum mußte Rom über alle siegen. Philippus Ruhe am Anfang des hannibalischen Kriegs, Mithridates Unthätigkeit, so lange der marsiche Roms Dasein bedrohte und ein kleines Uebergewicht entschieden haben würde; darin verkenne keiner Gottes Finger. Denn daß Rom nicht angeboren unüberwindlich war, ist erwiesen durch den Widerstand weniger ächt kriegerischer Völker, die nur durch die Zahl und Macht überwältigt wurden; so aber dienten auch diese Kriege in den Zwischeuräumen zwischen den größeren und entscheidenderen der Ausartung der Disciplin und Kriegskunst vorzubeugen, welche langer Friede auch bei den römischen Herren leicht einführte.

Im Fortgang der Begebenheiten, da Roms Eroberungen in einem Körper verwuchsen, verliert die Geschichte gänzlich das moralische und poetische Interesse der früheren Jahrhunderte, welches schon längst durch Zerrüttungen und Gräuel, und das Absterben aller einheimischen Lugenden getrübt war. Es scheint der Gang der Weltgeschichte zu seyn, daß Eroberungen und vielfache Vermischung die ursprünglich zahllosen Stämme in einander schmelzen, und die, welche dieser Verschmelzung unfähig find, austilgen; und dieß hat die römische Herrschaft in einem größern Maaß und Umkreise, als irgend eine andre große Weltrevolution, sebst als die arabische, bewirkt. Selten wird bei dieser Vermischung für einzelne Völker Gewinn seyn; einige verlieren unerseßbaren Besiz einer edeln einheimischen Bildung, Wissenschaft und Literatur: schwerlich vergütet auch ungebildeteren Völkern eine feinere, doch auch sonst, wenn sie ihrer Natur angemessen war, nicht unerreichbare Cultur die Einbuße ihrer ursprünglichen Sprache, und mit ihr eigenthümlicher Sinnesart, einer Landesgeschichte und ererbter Geseze. Diesen Verlust empfanden zuerst die Provinzialen: aber indem Roms und Italiens Bevölkerung sich aus ihnen und aus Freigelassenen erneuerte, büßte Rom in gleichem Maaße: seine Vorzeit

mit ihrer Geschichte ward ihm so fremd, daß schon im dritten Jahundert unsrer Zeitrechnung ein demüthiger Lobredner ohne Furcht zu beleidigen zweifeln konnte, ob sein von ihm dem großen Scipio verglichener Herr vom Hannibalischen Kriege wisse; daß Valens dem Eutropius auftrug, ihm eine dürftige Uebersicht der Geschichte zu schreiben, weil sie ihm ganz unbekannt war. Doch aber, wie Vieles auch die römische Herr= schaft zertreten hat, müssen wir dankbar erkennen, was sie stiftete und erhielt. Sie hat fast alle Städte gegründet oder belebt, welche innerhalb ihres alten Umfangs noch jest bestehen; die Sprachen des westlichen. Europa, aus der lateinischen erzeugt, erhielten ihre Literatur zugänglich und machten ihre Wiederbelebung möglich. Ja die römische Herrschaft hat ohne Zweifel Griechenland und die griechischen Schriften erhalten; denn wäre der Osten nicht durch die Kräfte eines großen Reichs geschüßt worden, so hätten die Barbaren diese entvölkerten und geschwächten Gegenden wahrscheinlich schon sehr früh, unfehlbar aber in den Zeiten der großen Völkerbewegungen, überwältigt, und mit den entarteten Griechen auch die Schäße vertilgt, welche sie für auflebende Jahrhunderte bewahrten. Roms Gesetzgebung war wenigstens für die römisch gewordenen Völker ein großer Vortheil, so wie sie auch uns unentbehrlich bleiben wird, da wir die unsrer Vorfahren nicht ausgebildet, und ihren Geist verloren haben; und wie die Vereinigung der römischen Welt der Ausbreitung der Religion nothwendig war, wie Rom als ihr Mittelpunkt das gesammte Abendland bildete und milderte, wird von Unpartheischen jezt wohl nicht leicht verkannt und geleugnet. So können wir auf diese große Periode der Geschichte mit der Beruhigung zurückschen, daß den folgenden Geschlechtern nach der Noth und dem Untergang ihrer Vorfahren, durch das, was sich festseßte, wohl geworden ist. Von möglichen Ereig nissen zu reden, die im Keim erstickt sind, ist eitel; und so wollen wir nicht trauern, daß Allen manches unerseßte und unerseßliche Gut verloren ging; nicht fragen, ob der reichste Gewinn, den die Nachkommen erlangt haben mögen, die Leiden zertretener Geschlechter vergüten kann? Wir wenden wenigstens von jenen Zeiten unser Auge nicht so trübe und zweifelnd, als von den Schicksalen des verheerten und verödeten Asiens, dessen schönsten Ländern, selbst dem Leben der Natur entzogen, und jährlich mehr absterbend, sogar die Möglichkeit blühenderer Zeiten versagt:wo das Grab Schluß der Geschichte ist.

Von unserer deutschen Nation aber, so viele ihrer Stämme die Heimath nicht verließen, wenigstens nicht unter besiegten romanischen wohnend verfremdet wurden, dürfen wir behaupten, daß sie für den Kampf, den sie Jahrhunderte lang gegen Rom bestand, späterhin durch die Vertheilung mehr als belohnt worden ist, welche aus der Welteinheit unter Rom entstanden; und daß ohne diese und die Früchte, welche in ihr reiften, wir schwerlich aufgehört haben würden Barbaren zu sein. Nicht die Formen, welche unsre Vorfahren bei der Ausbreitung der Literatur von dort und vom classischen Boden sich aneigneten; haben ihre ehrwürdige und unerseßliche Eigenthümlichkeit verdrängt; sie waren mit ihr verträglich: aber erborgte, erkünftelte, geistlose, wälsche Formen,

Geschmack und Ideen, wie sich deren schon früher bei uns zum Verderben der einheimischen eingeschlichen hatten, diese haben uns während einer langen Zeit lau und unwahr gemacht. Und so haben auch wir, wenn andre Nationen in den Römern eins ihrer Stammvölker sehen, doch kein geringes eigenthümliches Interesse an ihrer Geschichte.

CV. Clemens Brentano.

(1777.)

1. Scenen aus dem Lustspiel: Ponce de Leon.“ *)

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a. Porporino und Sarmiento.

(S. 35.)

er

Porporino (als Grazioso maskirt, oder als Harlekin — spielt im Anfang der Scene die Rolle seiner Maske, er tritt neben Sarmiento, hat seinen Hut in der Hand und weint hinein - mit spöttischkläglichem Lon.)

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Oh, Ach, Oh! wie ist das menschliche Geschlecht mit Uebeln behaftet, wie mancherlei sind die Plagen, die über den Menschen verhängt sind, mit verhängtem Zügel reitet man dem Tode entgegen; – ja, Alles ist Verhängniß einer höhern Hand, denn erhängt sich einer, so muß seine Hand den Strick höher hängen als seinen Kopf; ja, es ist ein verhenkertes Leben, und selbst die Gerechtigkeit verhängt sich, wenn sie einen Unschuldigen aufhängen läßt. So tröstet euch denn mit diesem allge= meinen Elend über euer Kopfweh.

Sarmiento. Kopfweh werde ich haben, wenn du lange fortfährst. Ponce. Alles Wissen macht Kopfwch, und ihr wißt Alles, der Kopf muß euch brummen, wie ein Brummkreisel.

Sarmiento. Nimm dich in Acht, daß er dir nicht an die Schienbeine fährt.

Porporino. Anfahren könnt ihr einen wohl, aber ich bin kein

Schienbein.

Sarmiento. Ja, dein Schienbein mag wohl nur ein Schienbein seyn, und deine Waden falsch. Aber du mußt beffer haushalten, Junge; als ich dir die Ohrfeige gab, habe ich dir ja erst Beine gemacht. Porporino. O weh, ihr wiederholt auch ich bitte, sagt mir, ist das Wiederholen Herkommen bei euch, dann geht nur fort, ich will euch nicht wiederholen.

b. Ponce. Diener.

(S. 40.)

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(Großer Saal in Aquilars Haus, rechts und links eine Thüre, und in der Mittelwand eine offensstehend, durch die man in eine dunkle

*,,Ponce de Leon. Ein Lustspiel von Clemens Brentano. Göttin gen. H. Dietrich. 1804.

8.

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