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nicht, und weil ich das ganz gewis weiß, so kümmerts mich. Es kom men Visiten genug, das sind aber nur so Leutevisiten, mit denen ich nichts schwägen kann.

Die Franzosen hab' ich auch gern, das ist immer ein ganz ander Leben, wenn die französische Einquartirung hier auf dem Play ihr Brod und Fleisch ausgetheilt kriegt, als wenn die preußische oder hesische Holzböck einrücken.

Ich habe recht meine Freud' gehabt am Napoleon, wie ich den gesehen hab'; er ist doch einmal derjenige, der der ganzen Welt den Traum vorzaubert, und dafür können sich die Menschen bedanken, denn wenn sie nicht träumten, so hätten sie auch nichts davon und schliefen wie die Säck', wie's die ganze Zeit gegangen ist.

Amüsire Dich recht gut und sei luftig, denn wer lacht, kann keine Todsünd' thun. Deine Freundin

Elisabeth Göthe.

Nach dem Wolfgang frägst Du ja gar nicht; ich hab' Dir's ja immer gesagt: wart nur bis einmal ein anderer kommt, so wirst Du schon nicht mehr nach ihm seufzen.

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auf Ihre Nachschrift, und sonst nicht.

Jeht rath Sie einmal was der Schneider für mich macht. Ein Andrieng! Nein! Eine Kontusche?

Nein! Einen Joppel?

Nein! Einen

Nein! Eine Mantille? Nein! Ein paar Boschen?
Reifrock? Nein! Einen Schlepprock? Nein! Ein paar Hosen?

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Ja! Vivat jezt kommen andere Zeiten angerückt, und auch eine Weste und ein Ueberrock dazu. Morgen wird alles anprobirt, es wird schon sizen, denn ich hab' mir alles bequem und weit bestellt, und dann werf ich mich in eine Chaise und reise Tag und Nacht Courier durch die ganzen Armeen zwischen Feind und Freund durch; alle Festungen thun sich vor mir auf und so geht's fort bis Berlin, wo einige Geschäfte abgemacht werden, die mich nichts angehen. Aber dann gehts eilig zurück und wird nicht cher Halt gemacht bis Weimar. O Frau Rath, wie wird's denn dort aussehen? mir klopft das Herz gewaltig, obschon ich noch bis zu Ende April reisen kann, ehe ich dort hinkomme. Wird mein Herz auch Muth genug haben sich ihm hinzugeben? ist mir's doch, als ständ er eben vor der Thür! Alle Adern klopfen mir im Kopf; ach wär' ich doch bei Ihr! das allein könnt mich ruhig machen, daß ich säh', wie Sie auch vor Freud außer sich wär'; oder wollt mir einer einen Schlaftrunk geben, daß ich schlief bis ich bei ihm erwachte. Was werd ich ihm sagen? ach, nicht wahr, er ist nicht hochmüthig? von Ihr werd' ich ihm auch alles erzählen, das wird

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er doch gewiß gern hören. Adieu, leb Sie wohl und wünsch' Sie mir im Herzen eine glückliche Reiß. Ich bin ganz schwindlich.

Bettine.

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Aber das muß ich Ihr doch noch sagen, wie's gekommen ist. Mein Schwager kam und sagte, wenn ich seine Frau überreden könne, in Männerkleidern mit ihm eine weite Geschäftsreise zu machen, so wolle er mich mitnehmen, und auf dem Rückweg mir zu Lieb' über Weimar gehen. Denk Sie doch, Weimar schien mir immer so entfernt, als wenn es in einem andern Welttheil läg', uud nun ist's vor der Thür.

3. Göthe's Mutter an Bettine.

(Erster Theil. S. 2.)

Am 11. Mai 1807.

Was läßt Du die Flügel hängen? Nach einer so schönen Reise schreibst Du einen so kurzen Brief, und schreibst nichts von meinem Sohn, als daß Du ihn gesehen hast; das hab' ich auch schon gewußt und er hat mir's gestern geschrieben. Was hab' ich von Deinem geankerten Schiff? da weiß ich so viel wie nichts. Schreib doch was passirt ist. Denk doch daß ich ihn in acht Jahr nicht gesehen hab', und ihn vielleicht nie wieder seh'; wenn Du mir nichts von ihm erzählen willst, wer soll mir dann erzählen? hab' ich nicht Deine alberne Geschichte hundertmal angehört, die ich auswendig weiß, und nun, wo Du etwas Neues erfahren hast, etwas Einziges, wo Du weißt, daß Du mir die größte Freud' machen könntest, da schreibst Du nichts. Fehlt Dir denn was? es ist ja nicht über's Meer bis nach Weimar. Du hast ja jezt selbst erfahren, daß man dort sein kann, bis die Sonne zweimal aufgeht. Bist Du traurig? Liebe, liebe Tochter, mein Sohn soll Dein Freund sein, Dein Bruder, der Dich gewiß liebt, und Du sollst mich Mutter heißen in Zukunft für alle Täg, die mein spätes Alter noch zählt, es ist ja doch der einzige Name der mein Glück umfaßt. Deine treue Freundin

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Vor die Taffe bedank ich mich.

Elisabeth Göthe.

4. Antwort an Göthe's Mutter.

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Ich hab' gestern an Ihren Sohn geschrieben; verantwort' Sie es bei ihm. Ich will Ihr auch gern alles schreiben, aber ich hab' jezt immer soviel zu denken, es ist mir fast eine Unmöglichkeit, mich loszureißen, ich bin in Gedanken immer bei ihm; wie soll ich denn sagen wie es gewesen ist? Hab' Sie Nachsicht und Geduld; ich will die ander Woch nach Frankfurt kommen, da kann Sie mir alles abfragen.

Ihr Kind

Bettine.

5. An Göthe.

(Erster Theil. S. 146.)

Wartburg, den 1. Auguft in der Nacht.

Freund, ich bin allein; alles schläft, und mich hält's wach, daß es kaum ist, wie ich noch mit Dir zusammen war. Vielleicht, Göthe, war dieß das höchste Ereigniß meines Lebens; vielleicht war es der reichste, der seligste Augenblick; schönere Tage sollen mir nicht kommen, ich würde sie abweisen.

Es war freilich ein lester Kuß, mit dem ich scheiden mußte, da ich glaubte, ich müsse ewig an Deinen Lippen hängen, und wie ich so dahin fuhr durch die Gänge unter den Bäumen, unter denen wir zusammen gegangen waren, da glaubte ich, an jedem Stamme müsse ich mich festhalten, aber sie verschwanden, die grünen wohlbekannten Ruinen, sie wichen in die Ferne, die geliebten Auen und Deine Wohnung war längst hinabgesunken, und die blaue Ferne schien allein mir meines Lebens Räthsel zu bewachen; doch die mußt' auch noch scheiden, und nun hat ich nichts mehr als mein heiß's Verlangen, und meine Thränen flossen diesem Scheiden; ach, da besann ich mich auf alles, wie Du mit mir gewandelt bist in nächtlichen Stunden und haft mir gelächelt, daß ich Dir die Wolkengebilde auslegte und meine Liebe, meine schönen Träume, und haft mit mir gelauscht dem Geflüster der Blätter im Nachtwinde, der Stille der fernen weit verbreiteten Nacht.

Und haft mich geliebt, das weiß ich; wie Du mich an der Hand führtest durch die Straßen, da hab' ich's an Deinem Athem empfunden, am Ton Deiner Stimme, an etwas, wie soll ich's Dir bezeichnen, das mich umwehte, daß Du mich aufnahmst in ein inneres geheimes Leben, und hattest Dich in diesem Augenblick mir allein zugewendet und begehrtest nichts als mit mir zu sein; und dieß alles, wer wird mir's rauben? was ist mir verloren ? Mein Freund, ich habe alles, was ich je genossen. Und wo ich auch hingehe, mein Glück ist meine Heimath. Wie die Regentropfen rasseln an den kleinen runden Fensterscheiben, und wie der Wind furchtbar tobt! Ich habe schon im Bett gelegen, und hatte mich nach der Seite gewendet, und wollte einschlafen in Dir, im Denken an Dich. Was heißt das: im Herrn entschlafen? Oft fällt mir dieser Spruch ein, wenn ich so zwischen Schlaf und Wachen fühle, daß ich mit Dir beschäftigt bin; ich weiß genau, wie das ist: der ganze irdische Tag vergeht dem Liebenden, wie das irdische Leben der Seele vergeht; sie ist hie und da in Anspruch genommen, und eb sie sich's schon verspricht, sich selber nicht zu umgehen; so hat sie sich am End durch das Gewebe der Zeiten durchgearbeitet, immer unter der heimlichen Bedingung, einmal nur Rücksprache zu nehmen mit dem Geliebten, aber die Stunden legen im Vorüberschreiten jede ihrer Bitten und Befehle dar; und da ist ein übermächtiger Wille im Menschen, der heißt ihn allem sich fügen; den läßt er über sich walten, wie das Opfer über sich walten läßt, das da weiß, es wird zum Altar geführt.

III.

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Und so entschläft die Seele im Herrn, ermüdet von der ganzen Lebenszeit, die ihr Tyrann war und jetzt den Scepter sinken läßt. Da steigen göttliche Träume herauf, und nehmen sie in ihren Schoos, und hüllen ste ein, und ihr magischer Duft wird immer stärker und umnebelt die Seele, daß sie nichts mehr von sich weiß; das ist die Ruhe im Grabe; so steigen Träume herauf jede Nacht, wenn ich mich besinnen will auf Dich, und ich lasse mich ohne Widerstand einwiegen, denn ich fühle, daß mein Wolkenbett aufwärts mit mir steigt!

Wenn Du diese Nacht auch wach gehalten bist, so mußt Du doch einen Begriff haben von dem ungeheuern Sturm. Eben wollte ich noch ganz stark sein und mich gar nicht fürchten; da nahm aber der Wind einen so gewaltigen Anlauf, und klirrte an den Fensterscheiben und heulte so jammernd, daß ich Mitleid spürte, und nun riß er so tückisch die schwere Thüre auf, er wollte mir das Licht auslöschen; ich sprang auf den Tisch und schüßte es, und ich sah durch die offne Thür nach dem dunklen Gang, um doch gleich bereit zu sein, wenn Geister eintreten sollten; ich zitterte vor herzklopfender Angst; da sah ich was sich bilden, draußen im Gang; und es war wirklich, als wollten zwei Männer eintreten, die sich bei der Hand hielten; einer weiß und breit= schulterig, und der andere schwarz und freundlich; und ich dachte: das ist Göthe! Da sprang ich vom Tisch Dir entgegen, und lief zur Thüre hinaus auf den dunklen Gang, vor dem ich mich gefürchtet hatte, und ging bis an's Ende Dir entgegen, und meine ganze Angst hatte sich in Sehnsucht verwandelt; und ich war traurig, daß die Geister nicht kamen, Du und der Herzog. - Ihr seid ja oft hier gewesen zusammen, Ihr zwei freundliche Brüder.

Gute Nacht, ich bin begierig auf morgen früh; da muß sich's ausweisen, was der Sturm wird angerichtet haben; das Krachen der Bäume, das Rieseln der Wasser wird doch was durchgesezt haben.

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Heute Morgen hat mich die Sonne schon halb fünf 11hr geweckt; ich glaub', ich hab' keine zwei Stund' geschlafen; sie mußte mir grad' in die Augen scheinen. Eben hatte es aufgehört mit Wolkenbrechen und Windwirbeln, die goldne Ruh breitete sich aus am blauen Morgenhimmel; ich sah die Wasser sich sammlen und ihren Weg zwischen den Felskanten suchen hinab in die Fluth; gestürzte Tannen brachen den brausenden Wassersturz, und Felssteine spalteten seinen Lauf; er war unaufhaltsam; er riß mit sich, was nicht widerstehen konnte. Da überkam mich eine so gewaltige Luft - ich konnte auch nicht widerstehen: ich schürzte mich hoch, der Morgenwind hielt mich bei den Haaren im Zaum; ich stüßte beide Hände in die Seite, um mich im Gleichge wicht zu halten, und sprang hinab, in kühnen Säßen von einem Felsstück zum andern, bald hüben, bald drüben, das brausende Wasser mit mir, kam ich unten an, da lag, als wenn ein Keil sie gespalten

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hätte bis an die Wurzel, der halbe Stamm einer hohlen Linde, quer über den sich sammlenden Wassern.

liebster Freund! der Mensch, wenn er Morgennebel trinkt und die frischen Winde sich mit jagen, und der Duft der jungen Kräuter in die Brust eindringt, und in den Kopf steigt; und wenn die Schläfe pochen und die Wangen glühen, und wenn er die Regentropfen aus den Haaren schüttelt, was ist das für eine Luft!

Auf dem umgestürzten Stamm ruhte ich aus und da entdeckte ich unter den dick belaubten Aesten unzählige Vogelnester, kleine Meisen mit schwarzen Köpfchen und weißen Kehlen, sieben in einem Neste, und Finken und Distelfinken; die alten Vögel flatterten über meinem Kopf und wollten die jungen äßen; ach, wenn's ihnen nur gelingt, sie groß zu ziehen in so schwieriger Lage; denk nur: aus dem blauen Himmel herabgestürzt an die Erde, quer über einen reißenden Bach, wenn so ein Vögelchen herausfällt, muß es gleich ersaufen, und noch dazu hängen alle Nefter schief. Aber die hunderttausend Bienen und Mücken, die mich umschwirrten, die all' in der Linde Nahrung suchten;

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wenn Du doch das Leben mit angesehen hättest! Da ist kein Markt so reich an Verkehr, und alles war so bekannt, jedes suchte sein kleines Wirthshaus unter den Blüthen, wo es einkehrte, und emsig flog es wieder hinweg und begegnete dem Nachbar, und da fummten sie an einander vorbei, als ob sie sich's sagten, wo gut Bier feil ist. Was schwätze ich Dir alles von der Linde! und doch ist's noch nicht genug; an der Wurzel hängt der Stamm noch zusammen; ich sah hinauf zu dem Gipfel des stehenden Baumes, der nun sein halbes Leben am Boden hinschleifen muß, und im Herbst stirbt er ihm ab. Lieber Göthe, hätte ich meine Hütte dort in der einsamen Thalschlucht, und ich wär' gewöhnt, auf Dich zu warten, welch' großes Ereigniß wär' dieses, wie würd' ich Dir entgegen springen und von weitem schon zurufen: " Denk' nur unsere Linde!" Und so ist es auch, ich bin eingeschlossen in meiner Liebe, wie in einsamer Hütte, und mein Leben ist ein Harren auf Dich unter der Linde; wo Erinnerung und Gegenwart duftet, und die Sehnsucht die Zukunft herbeilockt. Ach, lieber Wolfgang, wenn der grausame Sturm die Linde spaltet, und die üppigere stärkere Hälfte mit allem innen wohnenden Leben zu Boden stürzt, und ihr grünes Laub, über bösem Geschick, wie über stürzenden Bergwassern, trauernd welkt und die junge Brut in ihren Aesten verdirbt; o dann denk, daß die eine Hälfte noch steht, und in ihr alle Erinnerung und alles Leben, was dieser entsprießt, zum Himmel getragen wird.

Ach

Adieu! Jezt geht's weiter; morgen bin ich Dir nicht so nah, daß ein Brief, den ich früh geschrieben, Dir spät die Zeit vertreibt. laffe sie Dir vertreiben, als wenn ich selbst bei Dir wär: zärtlich!

In Kaffel bleib ich vierzehn Tage, dort werd ich der Mutter schreiben, sie weiß noch nicht, daß ich bei Dir war.

Bettine.

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