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7. Göt he's Antwort.
(Erster Theil. 177.)

An Bettine.

Du bist ein feines Kind, ich lese Deine lieben Briefe mit innigem Vergnügen, und werde sie gewiß immer wieder lesen mit demselben Genuß. Dein Malen des Erlebten sammt aller innern Empfindung von Zärtlichkeit, und dem, was Dir Dein wißiger Dämon eingibt, sind wahre Originalskizzen, die auch neben den ernsteren Beschäftigungen ihr hohes Interessen nicht verläugnen, nimm es daher als eine herzliche Wahrheit auf, wenn ich Dir danke. Bewahre mir Dein Vertrauen und lasse es, wo möglich, noch zunehmen. Du wirst mir immer sein und bleiben, was Du bist. Mit was kann man Dir auch vergelten, als nur, daß man sich willig von allen Deinen guten Gaben bereichern läßt. Wie viel Du meiner Mutter bist, weißt Du selbst, ihre Briefe fließen in Lob und Liebe über. Fährst Du so fort, den flüchtigen Momenten guten Glückes liebliche Denkmale der Erinnerung zu widmen; ich stehe Dir nicht dafür, daß ich mir's anmaßen könnte, solche geniale lebenvolle Entwürfe zur Ausführung zu benüßen, wenn sie dann nur auch so warm und wahr an's Herz sprechen.

Die Trauben an meinem Fenster, die schon vor ihrer Blüthe, und nun ein zweites Mal Zeugen Deiner freundlichen Erscheinung waren, schwellen ihrer vollen Reife entgegen, ich werde sie nicht brechen, ohne Deiner dabei zu gedenken, schreibe mir bald und liebe mich.

8. Ueber Kunst.

(Zweiter Theil.)

Göthe.

Beiliegende Blätter geschrieben in der Montag Nacht.

Ueber Kunst. Ich habe sie nicht studiert, weiß nichts von ihrer Entstehung, ihrer Geschichte, ihrem Standpunkt. Wie sie einwirkt, wie die Menschen sie verstehen, das scheint mir unächt.

Die Kunst ist Heiligung der sinnlichen Natur, hiemit sag' ich alles, was ich von ihr weiß. Was geliebt wird, das soll der Liebe dienen, der Geist ist das geliebte Kind Gottes, Gott erwählt ihn zum Dienst der sinnlichen Natur, das ist die Kunst. Offenbarung des Geistes in den Sinnen ist die Kunst. Was Du fühlst, das wird Gedanke und was Du denkst, was Du zu erdenken strebst, das wird sinnliches Gefühl. Was die Menschen in der Kunst zusammentragen, was sie hervorbringen, wie sie sich durcharbeiten, was sie zu viel oder zu wenig thun, das möchte manchen Widerspruch erdulden, aber immer ist es ein Buchstabiren des göttlichen Es werde.

Was kann uns ergreifen an der Darstellung einer Gestalt, die sich nicht regt, die den Moment ihrer geistigen Tendenz nicht zu ent wickeln vermag? Was kann uns durchdringen in einer gemalten Luftschicht, in welcher die Ahnung des steigenden Lichts nie erfüllt wird?

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was bewegt uns zu heimathlichem Sehnen in der gemalten Hütte sogar? was zu dem vertraulichen Hinneigen zum nachgeahmten Thiere ? wenn es nicht eine Sanction des keimenden Geistes der Erzeugung ist! Ach was fragst Du nach der Kunst, ich kann Dir nichts Genügendes sagen? frage nach der Liebe, die ist meine Kunst, in ihr soll ich darstellen, in ihr soll ich mich faffen und heiligen.

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Es ist Beethoven, von dem ich Dir jest sprechen will, und bei dem ich der Welt und Deiner vergessen habe; ich bin zwar unmündig, aber ich irre darum nicht, wenn ich ausspreche (was jezt vielleicht keiner versteht und glaubt), er schreite weit der Bildung der ganzen Menschheit voran, und ob wir ihn je einholen? ich zweifle; möge er nur leben bis das gewaltige und erhabene Räthsel, was in seinem Geiste liegt, zu seiner höchsten Vollendung herangereift ist, ja, möge er sein höchstes Ziel erreichen, gewiß dann läßt er den Schlüssel zu einer himmlischen Erkenntniß in unsern Händen, die uns der wahren Seligkeit um eine Stufe näher rückt.

Vor Dir kann ich's wohl bekennen, daß ich an einen göttlichen Zauber glaube, der das Element der geistigen Natur ist, diesen Zauber übt Beethoven in seiner Kunst; alles wessen er Dich darüber belehren kann, ist reine Magie, jede Stellung ist Organisation einer höheren Existenz, und so fühlt Beethoven sich auch, als Begründer einer neuen sinnlichen Basis im geistigen Leben; Du wirst wohl herausverstehen, was ich sagen will und was wahr ist. Wer könnte uns diesen Geist ersezen? von wem könnten wir ein Gleiches erwarten? Das ganze menschliche Treiben geht wie ein Uhrwerk an ihm auf und nieder, er allein erzeugt frei aus sich das Ungeahnte, unerschaffene, was sollte diesem auch der Verkehr mit der Welt, der schon vor Sonnenaufgang am heiligen Tagwerk ist, und nach Sonnenuntergang, kaum um sich sieht, der seines Leibes Nahrung vergißt, und von dem Strom der Begeisterung im Flug an den Ufern des flachen Alltagslebens vorübergetragen wird; er selber sagte:,, wenn ich die Augen aufschlage, so muß ich seufzen, denn was ich sehe, ist gegen meine Religion, und die Welt muß ich verachten, die nicht ahnt, daß Musik höhere Offenbarung ist als alle Weisheit und Philosophie, sie ist der Wein, der zu neuen Erzeugungen begeistert, und ich bin der Bacchus, der für die Menscheu diesen herrlichen Wein keltert und sie geistestrunken macht, wenn sie dann wieder nüchtern sind, dann haben sie allerlei gefischt, was sie mit auf's Trockene bringen. Keinen Freund hab ich, ich muß mit mir allein leben; ich weiß aber wohl, daß Gott mir näher ist wie den andern in meiner Kunst, ich gehe ohne Furcht mit ihm um, ich hab ihn jedesmal erkannt und verstanden, mir ist auch gar nicht bange um meine Musik, die kann kein bös Schicksal haben, wenn sie sich verständ

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lich macht, der muß frei werden von all dem Elend, womit sich die andern schleppen. Dieß alles hat mir Beethoven gesagt, wie ich ihn zum ersten Mal sah, mich durchdrang ein Gefühl von Ehrfurcht, wie er sich mit so freundlicher Offenheit gegen mich äußerte, da ich ihm doch ganz unbedeutend sein mußte; auch war ich verwundert, denn man hatte mir gesagt, er sei ganz menschenscheu und lasse sich mit Niemand in ein Gespräch ein. Man fürchtete sich, mich zu ihm zu führen, ich mußte ihn allein aufsuchen, er hat drei Wohnungen, in denen er abwechselnd sich versteckt, eine auf dem Lande, eine in der Stadt und die dritte auf der Bastei, da fand ich ihn im dritten Stock; unangemeldet trat ich ein, er saß am Clavier, ich nannte meinen Namen, er war sehr freundlich und fragte: ob ich ein Lied hören wolle, was er eben componirt habe? dann sang er scharf und schneidend, daß die Wehmuth auf den Hörer zurückwirkte:,,Kennst du das Land," — nicht wahr, es ist schön," sagte er begeistert,,,wunderschön! ich will's noch einmal singen," er freute sich über meinen heitern Beifall.,,Die meisten Menschen sind gerührt über etwas Gutes, das sind aber keine Künstlernaturen, Künstler sind feurig, die weinen nicht," sagte er. Dann sang er noch ein Lied von Dir, das er auch in diesen Tagen componirt hatte: Fr Trocknet nicht Thränen der ewigen Liebe." begleitete mich nach Hause, und unterwegs sprach er eben das viele Schöne über die Kunst, dabei sprach er so laut und blieb auf der Straße stehen, daß Muth dazu gehörte zuzuhören, er sprach mit großer Leidenschaft und viel zu überraschend, als daß ich nicht auch der Straße vergessen hätte, man war sehr verwundert, ihn mit mir in eine große Gesellschaft, die bei uns zum Diner war, eintreten zu sehen. Nach Tisch sezte er sich unaufgefordert an's Instrument und spielte lang und wunderbar, sein Stolz fermentirte zugleich mit seinem Genie; in solcher Aufregung erzeugt sein Geist das Unbegreifliche und seine Finger leisten das Unmögliche. Seitdem kommt er alle Tage oder ich gehe zu ihm. Darüber versäume ich Gesellschaften, Gallerien, Theater und sogar den Stephansthurm. Beethoven sagte:,, Ach was wollen Sie da sehen! ich werde Sie abholen, wir gehen gegen Abend durch die Allee von Schönbrunn." Gestern ging ich mit ihm in einen herrlichen Garten, in voller Blüthe, alle Treibhäuser offen, der Duft war betäubend; Beethoven blieb in der drückenden Sonnenhige stehen und sagte: ,,Göthe's Gedichte behaupten nicht allein durch den Inhalt, auch durch den Rhythmus eine große Gewalt über mich, ich werde gestimmt und aufgeregt zum Componiren durch diese Sprache, die wie durch Geister zu höherer Ordnung sich aufbaut und das Geheimniß der Harmonieen schon in sich trägt. Da muß ich denn von dem Brennpunkt der Begeisterung die Melodie nach allen Seiten hin ausladen, ich verfolge fie, hole sie mit Leidenschaft wieder ein, ich sehe sie dahin fliehen in der Masse verschiedener Aufregungen verschwinden, bald erfasse ich sie mit erneuter Leidenschaft, ich kann mich nicht von ihr trennen, ich muß mit raschem Entzücken in allen Modulationen sie vervielfältigen, und im legten Augenblick da triumphire ich über den ersten musicalischen Gedan

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ken, sehn Sie, das ist eine Symphonie; ja, Musik ist so recht die Vermittlung des geistigen Lebens zum sinnlichen. Ich möchte mit Goethe hierüber sprechen, ob der mich verstehen würde? Melodie ist das sinnliche Leben der Poeste. Wird nicht der geistige Inhalt eines Gedichts zum sinnlichen Gefühl durch die Melodie? empfindet man nicht in dem Lied der Mignon ihre ganze sinnliche Stimmung durch die Melodie? und erregt diese Empfindung nicht wieder zu neuen Erzeugungen? Da will der Geist zu schrankenloser Allgemeinheit sich ausdehnen, wo alles in Allem sich bildet zum Bett der Gefühle, die aus dem einfachen musikalischen Gedanken entspringen, und die sonst ungeahnt verhallen würden; das ist Harmonie, das spricht sich in meinen Symphonien aus, der Schmelz vielseitiger Formen wogt dahin in einem Bett bis zum Ziel. Da fühlt man denn wohl, daß ein Ewiges, Unendliches nie ganz zu Umfassendes in allem geistigen liege, und obschon ich bei meinen Werken immer die Empfindung des Gelingens habe, so fühle ich einen ewigen Hunger, was mir eben erschöpft schien mit dem lezten Paukenschlag, mit dem ich meinen Genuß, meine musikalische Ueberzeugung den Zuhörern einkeilte, wie ein Kind von neuem anzufangen. Sprechen Sie dem Goethe von mir, sagen Sie ihm, er soll meine Symphonieen hören, da wird er mir recht geben, daß Musik der einzige unverkörperte Eingang in eine höhere Welt des Wissens ist, die wohl den Menschen umfaßt, daß er aber nicht sie zu fassen vermag. F8 gehört Rhythmus des Geistes dazu, um Musik in ihrer Wesenheit zu fassen, sie gibt Ahnung, Inspiration himmlischer Wissenschaften, und was der Geist sinnlich von ihr empfindet, das ist die Verkörperung geistiger Erkenntniß. Obschon die Geister von ihr leben, wie man von der Luft lebt, so ist es noch ein anders, sie mit dem Geiste begreifen ; je mehr aber die Seele ihre sinnliche Nahrung aus ihr schöpft, je reifer wird der Geist zum glücklichen Einverständniß mit ihr. Aber Wenige gelangen dazu, denn so wie Tausende sich um der Liebe willen vermählen, und die Liebe in diesen Tausenden sich nicht einmal offenbart, obschon sie alle das Handwerk der Liebe treiben, so treiben Tausende einen Verkehr mit der Musik, und haben doch ihre Offenbarung nicht; auch ihr liegen die hohen Zeichen des Moralfinns zum Grund wie jeder Kunst, alle ächte Erfindung ist ein moralischer Fortschritt. — Sich selbst ihren unerforschlichen Gefeßen unterwerfen, vermöge dieser Geseze den eignen Geist bändigen und lenken, daß er ihre Offenbarungen ausströme, das ist das isolirende Princip der Kunst; von ihrer Offenbarung aufgelöst werden, das ist die Hingebung an das Göttliche, was in Ruhe seine Herrschaft an dem Rasen ungebändigter Kräfte übt; und so der Phantasie die höchste Wirksamkeit verleihet. So vertritt die Kunst allemal die Gottheit, und das menschliche Verhältniß zu ihr ist Religion, was wir durch die Kunst erwerben, das ist von Gott göttliche Eingebung, die den menschlichen Befähigungen ein Ziel steckt, was er erreicht.

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Wir wissen nicht, was uns Erkenntniß verleihet; das fest ver= schlossene Samenkorn bedarf des feuchten, elektrisch warmen Bodens, um zu treiben, zu denken, sich auszusprechen. Musik ist der elektrische Boden,

in dem der Geist lebt, denkt, erfindet. Philosophie ist ein Niederschlag ihres elektrischen Geistes; ihre Bedürftigkeit, die alles auf ein Urprincip gründen will, wird durch sie gehoben, und obschon der Geist deffen nicht mächtig ist, was er durch sie erzeugt, so ist er doch glückselig in dieser Erzeugung, und so ist jede ächte Erzeugung der Kunst unabhängig, mächtiger als der Künstler selbst, und kehrt durch ihre Erscheinung zum Göttlichen zurück, und hängt nur darin mit dem Menschen zusammen, daß sie Zeugniß gibt, von der Vermittlung des Göttlichen in ihm.

Musik gibt dem Geist die Beziehung zur Harmonie. Ein Gedanke abgesondert, hat doch das Gefühl der Gesammtheit der Verwandtschaft im Geist; so ist jeder Gedanke in der Musik in innigster, untheilbarster Verwandtschaft mit der Gesammtheit der Harmonie die Einheit.

Alles elektrische regt den Geist zu musikalischer, fließender, ausströmender Erzeugung.

Ich bin elektrischer Natur. Ich muß abbrechen mit meiner unerweislichen Weisheit, sonst möchte ich die Probe versäumen, schreiben Sie an Goethe von mir, wenn Sie mich verstehen, aler verantworten kann ich nichts, und will mich auch gern belehren lassen von ihm.“ Ich versprach ihm, so gut ich's begreife, Dir alles zu schreiben. Fr führte mich zu einer großen Musikprobe mit vollem Orchester, da saß ich im weiten unerhellten Raum in einer Loge ganz allein; einzelne Streiflichter stahlen sich durch Rizen und Astlöcher, in denen ein Strom bunter Lichtfunken hin und her tanzte, wie Himmelsstraßen mit seligen Geistern bevölkert.

Da sah ich denn diesen ungeheuren Geist sein Regiment führen. D, Goethe! kein Kaiser und kein König hat so das Bewußtsein seiner Macht, und daß alle Kraft von ihm ausgehe, wie dieser Beethoven, der eben noch im Garten nach einem Grund suchte, wo ihm denn alles herkomme; verstünd ich ihn so wie ich ihn fühle, dann wüßt ich alles. Dort stand er so fest entschlossen, seine Bewegungen, sein Gesicht drückten die Vollendung seiner Schöpfung aus, er kam jedem Fehler, jedem Mißverstehen zuvor, kein Hauch war willkürlich, alles war durch die großartige Gegenwart seines Geistes in die besonnenste Thätigkeit versegt. Man möchte weissagen, daß ein solcher Geist in späterer Vollendung als Weltherrscher wieder auftreten werde.

Gestern Abend schrieb ich noch alles auf, heute Morgen las ich's ihm vor, er sagte: „Hab ich das gesagt? nun dann hab ich einen Raptus gehabt;" er las es noch einmal aufmerksam und strich das oben aus und schrieb zwischen die Zeilen, denn es ist ihm drum zu thun, daß Du ihn verstehst.

Erfreue mich nun mit einer baldigen Antwort, die dem Beethoven beweist, daß Du ihn würdigst. Es war ja immer unser Plan, über Musik zu sprechen, ja ich wollte auch, aber durch Beethoven fühl ich nun erst, daß ich der Sache nicht gewachsen bin.

Bettina.

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