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ich hinter mir schreien: „Junger Herr! he! junger Herr! hören Sie doch!" Ich sah mich um, ein altes Weib rief mir nach:,,Sehe sich der Herr doch vor, Sie haben Ihren Schatten verloren." -,,Dante Mütterchen!" ich warf ihr ein Goldstück für den wohlgemeinten Rath hin, und trat unter die Bäume. Am Thore mußt ich gleich wieder von der Schildwacht hören:,, Wo hat der Herr seinen Schatten gelassen?" und gleich wieder darauf von ein paar Frauen: „Jesus Maria! der arme Mensch hat keinen Schatten!" Das fing an mich zu verdrießen, und ich vermied sehr sorgfältig, in die Sonne zu treten. Das ging aber nicht überall an, zum Beispiel nicht über die breite Straße, die ich zunächst durchkreuzen mußte, und zwar, zu meinem Unheil, in eben der Stunde, wo die Knaben aus der Schule gingen. Ein verdammter buckelicher Schlingel, ich seh ihn noch, hatte es gleich weg, daß mir ein Schatten fehle. Er verrieth mit großem Geschrei der sämmtlichen literarischen Straßenjugend der Vorstadt, welche sofort mich zu recensiren und mit Koth zu bewerfen anfing: Ordentliche Leute pflegten ihren Schatten mit sich zu nehmen, wenn sie in die Sonne gingen." Um sie von mir abzuwehren, warf ich Gold zu vollen Händen unter sie, und sprang in einen Miethswagen, zu dem mir mitleidige Seelen verhalfen.

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Sobald ich mich in der rollenden Kutsche allein fand, fing ich bitterlich an zu weinen. Es mußte schon die Ahnung in mir aufsteigen: daß, um so viel das Gold auf Erden Verdienst und Tugend überwiegt, um so viel der Schatten höher als selbst das Gold geschäßt werde; und wie ich früher den Reichthum meinem Gewissen aufgeopfert, hatte ich jetzt den Schatten für bloßes Gold hingegeben; was konnte, was follte auf Erden aus mir werden!

CXII. Friedrich von Raumer.

(1781.)

Aus der „Geschichte der Hohenstaufen." *) 1. Die Legende von der heiligen Lanze zu Antiochien.

(Erster Band. S. 592.)

Auf dem Zuge, welchen die Christen unter Anführung des frommen Herzogs Gottfried von Bouillon, des Grafen von Toulouse und andrer Fürsten antraten, um das heilige Land und Jerusalem aus den Händen der Ungläubigen zu befreien, gelangten sie nach Antiochien und belagerten die Stadt. Nach sieben Monaten sah man jedoch noch keinen Erfolg: die Angriffe der Feinde, der Mangel an Lebensmitteln und ein furchtbares Erdbeben erzeugten große Noth im Lager der Christen.

*), Geschichte der Hohenstaufen und ihrer Zeit von Friedrich von Raumer. Sechs Bände. (Mit Kupfern, Karten und Plänen). Leipzig. F. A. Brockhaus. 1823-1825,′′ 8.

Es war daselbst unter ihnen Petrus, ein Pilger, arm und geringer Herkunft aber fromm. Er konnte weder lesen noch schreiben; doch das Vaterunser, den Glauben, das Gloria und das Benediktus betete er mit einfachem Sinne, wie man es ihm gelehrt hatte. Einsam ruhte dieser einst in seinem Zelte und rief in schlafloser Nacht, von großer Furcht bedrängt: Herr hilf, Herr hilf!" Da traten zwei Männer zu ihm mit leuchtenden Kleidern: der ältere hatte einen langen braunen Bart und schwarze durchdringende Kleider; der jüngere war schlanker, man mochte sein Antlig mit keiner andern Bildung vergleichen. Jener aber hub an: „ich bin Andreas der Apostel, fürchte dich nicht, sondern folge mir nach." Der Pilger stand vom Lager auf, jene beiden gingen voran zur Kirche des heiligen Petrus. Zwei Lampen brannten nur in dem weiten Gewölbe, und doch war es so hell wie am Mittage. Der Apostel sprach:,,warte ein wenig," und ging hinweg. Petrus sezte sich an eine Säule auf die Stufen, welche vom Mittag her zum Hochaltare führten; der jüngere Begleiter stand in der Ferne, auch an den Stufen des Altars. Nach einer Weile kam der heilige Andreas aus der Liefe hervor, trug eine Lanze in der Hand und sprach zu Petrus:,, siehe, mit dieser Lanze ist die Seite geöffnet worden, aus welcher das Heil gefloffen für alle Welt. Gib Acht, wo ich sie verberge, damit du sie nach der Einnahme Antiochiens dem Grafen von Toulouse nachweisen könnest; zwölf Männer müssen graben, bis man sie findet. Jeht aber verkünde dem Bischofe von Puv: er möge nicht ablassen von Ermahnung und Gebet, denn der Herr sey mit euch Allen." Als der Apostel so gesprochen, führte er mit seinem Begleiter den Pilger über die Mauern der Stadt zurück in sein Zelt. Dieser aber wagte nicht zu dem Bischof zu gehen und das Geschehene zu erzählen; sondern zog nach Roja um Lebensmittel zu sammeln. Da erschien ihm um die Zeit, wenn der Hahn zum ersten Mahle kräht, am ersten Tage der großen Fasten, wiederum der Apostel mit seinem Begleiter; ein heller Glanz füllte das Zimmer. Jener sprach:,, Petrus, schläfst du?" Petrus antwortete : ,,nein, Herr, ich schlafe nicht." Hast du gethan, was ich dir befohlen?" fragte Andreas weiter. ,,Ich habe mich gefürchtet," (erwiederte der Pilger),,denn ich bin arm und gering, keiner wird meinen Worten glauben." Da sprach der Apostel:,,weißt du nicht, wie die Armen und Geringen das Reich Gottes erwerben, und hat euch nicht der Herr auserwählt zur Erlösung seines Heiligthumes? Siehe, die Heiligen selbst möchten den Himmel verlassen und Theil nehmen an eurem Beginnen. Gehe hin und thue was ich dir geheißen!" Petrus zögerte noch immer, er wollte gen Cypern segeln; ein Sturm warf ihn zum Lande zurück; er erkrankte. Während dessen war Antiochien eingenommen durch Hülfe christlich gesinnter Bewohner: aber ein neues Heer der Türken belagerten nunmehr die Kreuzfahrer, und größere Noth entstand als je zuvor. Da erschienen jene zwei zum dritten Male dem Pilger, und der Apostel sprach: Petrus, Petrus, du hast noch nicht verkündet was dir vertraut worden!" Dieser aber sagte:,,o Herr, erwähle einen Weiseren, einen Reicheren, einen Edleren; ich bin unwürdig solcher Gnade."

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(antwortete der Heilige) ist würdig, welchen der Herr erwählet; thue was dir befohlen ward, damit die Krankheit von dir weiche." Ernst war des Apostels Blick, mild aber und wie von himmlischem Lichte umflossen das Antlig seines Begleiters. Da faßte Petrus Muth und sprach:,,wer ist dein Begleiter, der noch nimmer gesprochen hat? zu dem mich aber Liebe hinzieht und Sehnsucht, der mein Inneres löset von jedem Zweifel, der meine Seele füllt mit Vertrauen und himmlischer Ruhe." Der Apostel antwortete:,,du magst ihm nahen und seine Füße küssen." Petrus trat hinzu und kniete nieder; da sah er blutige Male an den Füßen, er fiel auf sein Angesicht und rief: „mein Herr und mein Gott!" Es breitete Christus über ihn die Hände und ver

schwand.

Der Pilger verkündete das Gesicht. Zwölf Männer gruben vom Morgen bis zum Abend, da zeigte sich die Lanze. Durch ihre Wun derkraft gestärkt siegten die Christen über alle Feinde, und die Erzählung ist aufbewahrt worden, damit ein kindlich Gemüth sich an dem erbaue, was den Verständigen dieser Erde verborgen ist.

2. Der Abfall Heinrich des Löwen von Friedrich Barbarossa.

(Zweiter Band.)

Noch allgemeiner war die Freude des Volkes, als in Pavia auch die Unterhandlungen zwischen Friedrich und Alexander wieder angeknüpft wurden. Denn obgleich dieser vor den unruhigen Einwohnern wieder aus Rom hatte entweichen müssen, gehorchte ihm doch der größte Theil der christlichen Welt, und er stand in so engen Verbindungen mit den Lombarden, daß diese ohne seine Zustimmung keinen Frieden abschlie ßen wollten. Um deswillen, und weil er des Kirchenstreites nicht min der überdrüssig war, als der städtischen Fehde, empfing Friedrich die päpstlichen Gesandten aufs Ehrenvollste, begrüßte sie den Hut abneh mend aufs Freundlichste, und gab seinen eifrigen Wunsch einer Aussöhnung zu erkennen. Allein Humbald Allucingolo, Kardinalbischof von Ostia und Velletri, nahm hierauf keine Rücksicht, sondern rechnete ihm, ungeschickt und unzeitig, alle seine Vergehen seit dem Anfange der Kirchenspaltung vor, und versicherte: er und die übrigen Gesandten könnten ihn, seiner Sünden wegen, nicht wieder begrüßen. Der Kaiser ließ sich hierdurch keineswegs in Zorn oder aus der Fassung bringen, vielmehr begannen umständliche Verhandlungen zwischen dem Reichskanzler Philipp von Köln und den Abgeordneten Alexanders. Gleichzeitig legten die Lombarden ihre Forderungen dar: „Aussöhnung mit den Städten und der Kirche, Rückgabe der Gefangenen, Verzeihung alles Geschehenen, freie Wahl ihrer Obrigkeiten, Bestätigung aller konsularischen Rechtssprüche, Herstellung der Weltlichen und Geistlichen in ihre verlornen Besigungen, Erlaubniß, Städte zu befestigen, Burgen anzulegen und gemeinsam zu widerstehen, sobald der Kaiser die Friedensbedingungen nicht halte. Ueberhaupt müsse er sich mit dem begnügen, was man beim Tode Heinrich IV. gezählt und geleistet habe, und alle widersprechende Geseze und Beleihungen vernichten. Ihm stehe also nur zu:

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Unterhalt und ausreichender Markt auf bem friedlichen Römerzuge, und Stellung von Hülfsmannen durch diejenigen, welche wirklich Lehne befäßen." Während die Lombarden hiermit eigentlich eine völlige Aufhebung der ronkalischen Geseze verlangten, ging der Kaiser von dem Gesichtspunkte aus, daß man sie in allem Wesentlichen erhalten und nur Maaßregeln treffen müsse, die bei ihrer Anwendung etwa ein= geschlichenen Mißbräuche hinweg zu schaffen. Der Papst endlich behielt nicht bloß die lombardischen Angelegenheiten im Auge; sondern stellte, zum Mißvergnügen beider Theile, natürlich die Anordnung der kirchlichen Verhältnisse als das Wichtigste in den Vordergrund. Kein Wunder also, daß die vermittelnden Cremoneser für ihre Bemühungen keinen Dank ernteten und wechselseitige Beschuldigungen hervortraten: jede Partei habe mehr verlangt, als je früher von einem Kaiser, oder einem Papste, oder von Städten bewilligt sey. Die Ueberzeugung von der Wahrheit dieser Behauptung und der Rechtmäßigkeit aller Ansprüche, beruhte theils auf den verschiedenen Grundfäßen über die Gränze der weltlichen und geistlichen Gewalt; theils darauf, daß jeder seine geschichtliche Beweise von einem andern Zeitraume hernahm. Kein Theil wollte etwas aufgeben, ehe er alles gewagt habe; und überdies hielten die Lombarden den Kaiser nach Entlassung seines Heeres für ohnmächtig, während diesem neue Hoffnung entstand, weil Pisa, Genua und Lukka ihre Streitigkeiten jest willig seinem Spruche unterwarfen, und Christian von Mainz, troß manchem Glückswechsel, im mittlern Italien die Oberhand behielt. Immer beruhte jedoch Friedrichs Vertrauen hauptsächlich auf deutscher Hülfe, wegen deren schneller Herbeiführung ist Schreiben in das Reich erlassen wurden; aber wie erstaunte er über die Nachricht: der mächtigste Fürst Deutschlands, Heinrich der Löwe, seh ihm untreu und verweigere allen Beistand.

Zur Erklärung dieses Bruches wird, geringerer Ursachen nicht zu gedenken, hauptsächlich Zweifaches angeführt: erstens, daß der Kaiser die Erbschaft Welfs für sich gewonnen; zweitens, daß er während einer Pilgerung Heinrichs nach Palästina gezeigt habe, er werde, im Fall er sterbe, gewiß manchen Theil seines Erbes als Reichsgut in Anspruch nehmen. Allerdings schmerzte jener erste Verlust den Herzog, allein er mußte ihn sich selbst beimessen, und konnie, da er so sehr viel anderes Gut durch Friedrich erhielt, wohl dulden, daß der Schwestersohn hier einmal dem Brudersohne vorging. Im Falle Heinrich ferner auf der Wallfahrt, das heißt zu einer Zeit gestorben wäre, wo er noch keine Söhne hatte, so übertrat der Kaiser weder Gesez noch Herkommen, wenn er manche Bestzung als eröffnetes Reichslehn betrachtete.

Wie viel nun auch diese beiden Umstände im Stillen mögen gewirkt haben, öffentlich führte sie der Herzog nicht als Grund seiner Weigerung an: dasjenige aber, was er laut aussprach, konnte dem Kaiser noch weit weniger genügen. Heinrich behauptete, sein Alter mache ihn unfähig zu Feldzügen, allein er zählte erst sechs und vierzig Jahre und Friedrich war noch älter; er sprach von seiner Scheu vor dem Gebannten, und hatte ihm doch sechszehn Jahre lang, ohne irgend eine Rücksicht III.

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auf den Spruch der Kirche, beigestanden; er stellte sich besorgt vor einheimischen Feinden, obgleich seine schwächeren Nachbarn am wenigsten einen Angriff gewagt haben würden, wenn er des Kaisers Freund geblieben wäre. In Wahrheit entschieden die zur Schau gelegten äußeren Einzelheiten weniger, als die Gesammtheit der inneren Verhältnisse. So hoch standen jezt die Welfen, daß sie den Hohenstaufen fast das Gleichgewicht hielten; und aus der Gleichheit der Kräfte entspringt der Wunsch nach Herrschaft; aus dem Wunsche, der Kampf um die Oberherrschaft. Daher wollte Heinrich der Löwe keineswegs länger, als ein gehorsamer Reichsstand, seine Kräfte für des Kaisers Zwecke verwenden, fondern im Gefühle großer Macht ein eigenthümliches, unabhängiges Leben beginnen und seine Bahnen sich selbst vorzeichnen. Der italieni schen Züge war er überdrüffig; und wenn auch die Beschuldigung nicht erwiesen ist, daß er für den Abfall vom Kaiser lombardisches Geld genommen habe, so sah er doch dessen Schwächung in diesem Augenblicke gern, um ungehindert für seine eigene Größe wirken zu können.

All diese Mißverständnisse, das hoffte der Kaiser, würden leicht durch ein mündliches Gespräch ausgeglichen werden, zu welchem Heinrich der Löwe in Chiavenna *) am Comer See eintraf. Nachdem Friedrich dessen Entschuldigungen angehört und nach Kräften widerlegt hatte, fuhr er fort: unter allen Fürsten Deutschlands hat dich Gott durch Reichthum und Macht erhöht; deshalb mußt du allen übrigen ein Vorbild seyn, damit das wankend gewordene Reich wiederum durch dich genese, so wie du es, was ich gern anerkenne, zeither vorzüglich erhalten haft. Gedenke, daß ich dir nie etwas verweigerte, immerdar deine Macht und Ehre beförderte, und keinen Feind gegen dich aufkommen ließ. Und du könntest jest zurücktreten, wo der Deutschen Ehre, des Kaisers Ruhm, der Preis meines ganzen Lebens auf dem Spiel steht? Ich will nicht von jenem Eide sprechen, den du dem Reiche geschworen hast; ich will dich nur an die heiligen Bande des Bluts erinnern, welche doch da festhalten und entscheiden sollten, wo alles Andere sich geseglos und willkürlich löset. Iht nur, in dieser Noth unterstüße mich, deinen Herrn, Vetter und Freund, noch einmal aus allen Kräften, und seh überzeugt, daß du mich künftig zu jeglichem, was du verlangst, bereit und willig finden wirst." So sprach der Kaiser; aber der Herzog beharrte (uneingedenk all des Guten, was ihm jener in so vielen Jahren aus freier Zuneigung erwiesen hatte) bei seiner Weigerung, und bot endlich, für große Abtretungen in Deutschland, ärmliche Geldhülfe! Dem Kaiser erschien dieses Benehmen unwürdig und eigennützig, denn er verlangte, als Reichsoberhaupt, daß Heinrich den Dienst leiste als des Reiches Herzog, nicht aber mit ihm markte und feilsche wie ein, feinen Vortheil berechnender, jede Noth herzlos benugender Kaufmann. So groß war jedoch diese Noth, so viel stand auf dem Spiele, daß Friedrich, kein Mittel verschmähend, von seinem Size hinabstieg und flehend die Knie Heinrichs umfaßte. Dieser erschrack zwar und suchte

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*) Andere segen die Zusammenkunft nach Partenkirch, nordwestlich von Inspruď.

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