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seiner Söhne, noch weiß er selbst nicht, welches? verfolgt ihn; doch Liebe hilft aus Todesneßen. Hier ist mehr als Politik; hier ist ein Roman.

Was haben die Napoleoniden von der Zukunft zu hoffen? Nichts. Ihre Protestation gegen die Geschichte überhört sowohl die Freiheit als die Legitimität. Die Privilegien ihres Blutes sind zerrissen; ja selbst die Privilegien ihres Verdienstes können nie den Umfang erreichen, wie in jener illusorischen Vergangenheit, wo sie auf Alles hoffen durften. Was sie den Einen nähmen, würde unwillkommen den Andern sein, welchen sie es geben wollten. Hier gibt es keine Initiative mehr. Der breite Despotismus des Kaisers war erträglich; aber die, welche die Despotie zerstückeln, sind den Völkern verhaßt.

Fine Universaldespotie ist eine glückliche Chance der Freiheit; denn an einem Ende sinkend, reißt sie das ganze unermeßliche Gebäude in den Untergang; während die kleinen Erben der Größe, die, welche theilen, eiserne Nägel am Sarge der Freiheit sind.

Aber eine Huldigung des Weltgeistes ist es, die die Geschichte dem Heldengrabe auf St. Helena darbringt, daß sie den Enkeln einer wunderbaren Herrschaft die Möglichkeit nimmt, ein großes Andenken schmerzlich zu machen. Starb nicht darum auch der junge Frühling im Gar= ten von Schönbrunn, ehe er reifte und wurmstichige Früchte trug?

Eine weise Gottheit stellte an die Wiege zweifelhafter Hoffnungen den Sarg einer beweinten Vollendung, damit das glänzende Gedächtniß des Größten unsrer Tage ohne Flecken bliebe, und die Geschichte um einen Helden trauern kann, der ohne Nachahmung starb.

Der Vorhang dieses Dramas ist auf Ewig gefallen; nur Gebete sollt Ihr flüstern unter Longwoods Thränenweiden!

CXLI. Gustav Bacherer.

(1813.)

Aus den Charakteren und Umrissen aus der würtembergischen

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Abgeordnetenkammer.“

Paul Pfizer.

(Phönix 1838. Nro. 41. S. 161.)

In der Stunde des Kampfes, wenn die Meinungen, die Ansichten, die Systeme sich im heftigsten Zusammenstoß begegnen, seht Ihr zur rechten Seite Uhland's einen jugendlichen Mann sich erheben, von weichem, großem Wuchse, ohne alle dramatische Bewegung, anspruchslos, mit einer Miene, die auf den ersten Blick einige Schüchternheit verrathen will. Sein Auge, durch die nächtlichen Studien geschwächt, sieht durch eine Brille, doch verdeckt diese die männliche Bescheidenheit nicht, welche auch in seinem dunklen Auge sich ausspricht. Seine langen Haare hängen ihm ziemlich weit vom Kopfe hernieder, und gar seltsam und

fast feierlich nimmt sich der lange, schwarze, parlamentarische Mantel an ihm aus, er hängt recht theologisch-aschgrau über seinen Schultern nieder.

Die Erscheinung Paul Pfizer's, so lange er nicht redet, macht auf Euch denselben Eindruck, wie die eines anderen Ehrenmannes, in dessen Aeußerem Ihr das stille Walten eines ächten Bürgersinnes zu erblicken glaubt. Doch wenn Pfizer den Mund zum Sprechen eröffnet, dann ergreift's den Zuhörer eigenthümlich und wunderbar, und man ist längere Zeit im Zweifel, ob diese kernhafte, nicht funkensprühende, aber um glühende Lava gehüllte Sprache wirklich, wie es äußerlich scheint, aus einem ruhigen unbewegten Elemente, und nicht aus einem verborgenen Krater emporsteige. Erst wenn man ihm eine Viertelstunde zugehört, muß man sich für die lettere Vermuthung entschließen.

Jedes seiner Worte, so kurz, so nackt und vernünftig, ist zugleich so durchgreifend und eindringlich, so scharf, zuweilen so leise tödtlich, daß es nicht auf der Flur des Friedens, sondern nur auf den Stoppelfeldern des Krieges, auf dem metallenen Grunde eines heißen Elementes den Ursprung empfangen haben kann. Ja nach der Natur des Gegenstandes, der zur Berathung gerade vorliegt, glaubt Ihr den schlanken Mann, mit dem schwarzseidnen Mantel und den geistigen Schlagschatten in dem bleichen länglichten Antlig um uns des allein passenden, aber etwas schauerlichen Bildes zu bedienen an einem offenen Grabe stehen zu sehen, worin einige kostbare Schäße, etwa, damit wir doch nur auch einen Namen für sie haben, Wahrheit und Recht, begraben liegen; doch ist's nicht eine Leichenrede, die er diesen Pretiosen hält, es ist eine Rede voll stillen, aber darum nur um so schauerlicher klingenden Stahles und Erzes, mit ihr will er die gebannten Geister wieder herauf zur Höhe des Lebens beschwören. Aber auch bei minder wichtigen Fragen hört Ihr das summende Klingen solchen Getöns, aber nicht daran gewöhnt ist, dem möchten darob die Ohren zerspringen.

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Dieser schwäbische Publizist und Parlamentsredner ist nicht nur eine der reichsten Geistesnaturen, welche in neuester Zeit Schwaben, sondern, man darf es kecklich behaupten, Deutschland hervorgebracht hat. In diesem Kopfe quillt und strömt die tiefste Spekulation, in diesem Kopfe geht die geläutertste Doktrine auf der Stüße des gesundesten Menschenverstandes, darum klingt jedes Wort aus seinem Munde, obschon physisch bescheiden, doch so großartig und kühn, und ist den ungebildeten Geistern so gut wie den gebildeten verständlich. Aechte Wissenschaft und eine gesunde Menschennatur verfehlen ihre Wirkung nie; dies hat. sich in der neuesten Geschichte bei keinem Manne so sehr, wie bei Pfizer bewiesen. Welche Wirkungen sein erstes gewaltiges Auftreten im gesammten Deutschland hervorgerufen, dies hab ich schon an einem anderen Orte ausführlich berührt, ich werde darum hier nicht in den Fehler der Wiederholung verfallen. Die deutsche Mannesjugend fühlte damals, daß ein Briefwechsel zweier Deutschen" nur das Werk einer körnig verwandten Jugendkraft und das Produkt einer mehr als spießbürgerlichen deutschen Gesinnung sein könne, man fühlte sich, auf der einen Seite wohlthätig, auf mancher anderen aber unangenehm und widerwärtig aus der

phlegmatischen Ruhe aufgerüttelt, in der man so lange, theilweise mit dem bewußten wohlbestellten Bauche, der die Deutschen so beneidenswerth friedselig macht, sich hatte einwiegen lassen.

Die offiziose Wissenschaft, die sich im abgelaufenen Jahrzehnte schon wieder eingewöhnt hatte, vom Brodkorbe nicht mehr aufzusehen, fühlte sich von den Pfizerschen Redeperioden zu Schanden gemacht, sie anerkannte, daß schon lange kein Mensch mehr so transparent und durchdringend deutsch geschrieben, und das Journalistenthum, dessen geistige Integrität schon geraume Zeit in Schaum und Blase aufgegangen war, nahm den Briefwechsel schon um deswillen zur Hand, um wieder deutsch zu lernen und den ausgehungerten oder schon von Haus aus dürftigen Kopf mit einigen ergiebigen Jreen, mit mannhafter Geisteskost anzufüllen.

Wer die Sprache jenes Briefwechsels kennt, der begreift es, wie sein Verfasser auch auf der Rednerbühne ein Publikum, das nicht gera dezu stumpfsinnig ist, fesseln kann. Pfizer's Einbildungskraft, so rege und glänzend sie sein kann, beherrscht seine durchaus philosophischen Ideen nie; Pfizer ist immer und jederzeit rationell, er ist, im Begriffe der Wissenschaft, der erste Logiker in der Kammer; aber da er das Leben nicht mit jenem äußerlich frischen Drange, mit jener lebendigen Rezeptivität, wie Hr. v. Schlaier, erfassen und zum Privat- oder Staatsgebrauche zergliedern kann, so läuft seine Logik, obgleich sie rationell genommen, schärfer und tiefer als die des gedachten ausgezeichnetsten Redners ist, doch mit derselben in Hinsicht auf deren praktischen Gebrauch kaum parallel. Pfizer's Reden sind oratorische Kunstwerke durch und durch; in ihnen ist kein Wort zu viel, kein Wort zu wenig, sie füllen gerade das Maaß und die Natur des Gegenstandes aus, über welchen sie gehalten sind. Mit so wenig deklamatorischer Aktion sie Pfizer auch vorträgt, so entgeht Euch doch die innere, die hinreißende Begeisterung nicht, auf deren Fittig sie zum Theil emporsteigen, und auch den Athem des Feuers fühlt Ihr, auf dessen Heerde die Worte geboren sind. Eigentliche Ausfälle macht Pfizer nie, sein Wig hingegen, der aber immer in einem dunkeln Hintergrunde sich hält, wie um die Scene ernster und imposanter zu machen, ist scharf, verwundend, ein schneidendes Messer sezt er sich dem Gegner geradezu an die Brust, der zuweilen die erhaltene Wunde erst bluten sieht, wenn er Pfizer's Rede gedruckt zu Gesichte bekommt. Denn das stille immer ruhende physische Element dieses Mannes, hält sich stets wie eine Scheide um seine Waffe, darum erkennen auch manche die lettere alsdann erst, wenn sie sie bereits bis zum Blute verwundet hat. In Pfizer ist nicht eine Linie Spießbürgerthum, das Misère philiströser Geringfügigkeiten ist ihm ein Gräuel, sein Auge hebt sich vielmehr von der Scholle der blos provinziellen, nicht selten so engherzigen Lebensinteressen weise und mächtig hinweg, und auch sein parlamentarischer Standpunkt ist immer derselbe, auf den er sich als Verfasser seines Briefwechsels gesezt hat. Hr. Pfizer ist ganz und gar Politiker, seine Politik aber ist schwarz, roth und Gold, das will sagen, sie objcctivirt sich im deutschen Nationalismus, deshalb haßt er so glühend und heiß den gallomanischen Liberalismus, der seine Landsleute

über alles gerne durch die überrheinischen Hähne aus dem „Schlummer" zöge, der aber in seiner blinden Leidenschaftlichkeit zu kurzsichtig ist, um den éngen Stall zu sehen, in welchen der gallische Hahn die gute deutsche Henne sperren würde. Pfizer's Angriffe auf die oft besagten Bundesbeschlüsse wurden ihm von den Männern der Contreparthei als eine Inkonsequenz vorgeworfen; jene Parthei nämlich behauptete, bei Erlassung der Junibeschlüsse habe der Bundestag gerade dieselbe Grundidee vor Augen gehabt, welche Hr. Pfizer in seinem Briefwechsel aufgestellt: die Idee einer deutschen Centralkraft im Gegensahe zu den vielen souve rainen Einzelkräften. Ja, der Konservatismus fügte siegreich lächelnd hinzu, Hr. Pfizer habe sich jezt auf den Katechismus seiner liberalen Coalliirten geworfen, der den einzelnen Regierungen die oberste Bundes autorität, dem Bundestage aber die Souveränität der einzelnen Regierungen entgegenstelle, je nach Lage der Umstände und nach Maaßgabe einer geschickten Nuzanwendung für hervorstrebende Lieblingszwecke. Dieser Vorwurf war so ungegründet, als vielfach insipid, denn wessen Auge zu jener Zeit etwas schärfer als mit dem gewöhnlichen Lichte eines wäfserigen Gehirnes bewaffnet war, der mußte in dieser scheinbaren. Anomalie Pfizer's gerade die eiserne und unerschütterliche Konsequenz seiner Grundideen gewahren.

Pfizer ist von seinem Haupte bis zu seinen Zehen ein deutscher Charakter, Ihr mögt ihn stellen, wohin es Euch beliebt, Ihr werdet seinen Ursprung zwischen den schwäbischen Bergen nicht erkennen, Ihr werdet vor dem deutschen Urgedanken staunen, wie er bereits in dieser Natur zur Offenbarung gekommen ist. Pfizer ist Mann und Herr seiner Gesinnung; als im Jahre 1830 die würtembergische Regierung ihn wegen seines Briefwechsels glaubte väterlich zur Rede stellen zu müssen, da legte er zu deren Füßen den juristischen Amtsrock bescheiden nieder, um nicht etwa noch zu einer officiellen Zerknirschungsthräne gerührt werden zu müssen.

Pfizer's Germanismus hat mit dem Welker'schen nichts gemein, zwischen Beiden ist eine so große Kluft, wie zwischen diesen beiden Naturen; in Pfizer herrscht eine mächtige freie Spekulation über der Spize des philosophischen Gedankens; in Welker's ganzer Erscheinung hingegen findet Ihr nicht einen abgeschloffenen Gedanken auf; in diesem Kopfe ist Alles buntgefärbte, fieberhafte Phantasie, und diese ist auch die Wurzel seines Germanismus.

Aus Pfizer's Geiste sind noch nicht alle Ideen zu Geistesthaten herausgewachsen, ihm scheint jedenfalls noch eine bedeutendere Mission von dem Herrn der Völker aufbewahrt zu sein, und die Unterrichteten wissen, welche Kräfte Pfizer auf die Wagschaale der deutschen Publicistik legt, und was diese von ihm zu halten hat.

Der deutsche Patriotismus und die deutsche Begeisterung haben heutzutage die Hämorrhoiden, Ihr kennt dies Uebel, denn die Deutschen leiden viel daran; die Deutschen handeln auf dem Sopha und hinter dem Staube ihrer Bücher, dort ruht ihr Bauch behaglich; dort können sie ungestört ihre Pfeife schmauchen, und kein kühles Lüftchen stört sie

in der Wärme ihres dicken, ihres vossisch-idyllischen Schlafrocks. Dafür aber stirbt so mancher Deutsche an der Rückendarre, wie weiland die deutsche Begeisterung, die sich vor zwanzig Jahren so groß gemacht, und Hr. Pfizer wird noch oft an ihrer Asche rütteln können: es werden Jahre vergehen, bis ein Schwan, den Untergang unsers politischen Philistrismus verkündigend, aus derselben sich erheben wird.

CXLII. Theodor Melas.

Aus „Erwin von

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Steinba ch.“

Ueber christliche Baukunst.

(Erster Theil. S. 124.)

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Wir sind an Ort und Stelle," sagte Dieterich, nun blicket auf, hier soll die Kirche stehen!" Er entrollte mit diesen Worten seine Riffe, die er in der Hand trug. Es waren große, sehr sorgfältig ausgeführte Blätter, die den ganzen Grundriß und mehrere Theile des Doms im Aufriß enthielten. Besonders viel Liebe und Fleiß war auf den perspectivischen Aufriß des schönen und wundersamen Chors verwandt, welches, erhöht am Ende des Schiffes, eine prächtige Wirkung. machte. Der Meister schien in diesem kühnen Chor alle Geheimnisse seiner Kunst vereinigt zu haben, und Erwin ward von dem großen Gedanken so ergriffen, daß er Thränen vergoß und keine Worte finden fonnte. Es dünkte ihm so ganz neu, was diese Verhältnisse sagten, und doch war es ihm wieder so alt bekannt, als wenn er es wohl selbst hätte machen können; ja, es war Dieterichs Geist in seiner stillsten Feier, in seinem ganzen Glauben, wie wenn er kniete, als der unsichtbare Priester, in diesem Heiligthume, und allein da mit seinem Gott war; so stiegen die hohen, herrlichen Pfeiler, dicht gedrängt, in hohe Himmelsbogen hinauf, und das reine Licht der erhabenen Fenster fiel durch farbige Seiten still und heilig auf den Altar, und zündete im Herzen eine Opferflamme, die niemals auslöschet, an.

Erwin erblickte diese Feier des frommes Greises, der weit mit seinen Augen über die Welt hinausreichte, in jeder Fensterrose, in jedem Kragstein, und die süßesten Ahnungen zukünftigen Glückes mischten sich geschwisterlich mit diesen ernsten Empfindungen.

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, Wie glücklich seyd Ihr doch," sagte er nach einer langen Stille, ,, wie glücklich, daß Ihr Eure tiefsten und heiligsten Gedanken so rein und ohne Makel in architektonischen Linien aussprechen könnet, und das der Nachwelt hinmauern dürfet, was sonst wie Schatten und Träume verfliegt! Ihr müßt viel wahren und frohen Lebensgenuß gehabt haben, daß die Einbildungskraft noch in Eurem Alter so ungeschwächt blieb, um die süße Sehnsucht der Jugend mit der reifen Erkenntniß des Greises, so einfachedel, in diesen Linien zu knüpfen!"

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Es ist der Glaube an meinen Erlöser, versezte der Meister, ,, welcher mich immer verjüngt, und in dem uns eigentlich wohl nichts

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