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Kreuzes, öffnet sich ein großes Portal zwischen zwei Schwesterthürmen, gleichsam wie zu den Füßen unsers Erlösers gelegt, wo alle Welt in langen, feierlichen Prozessionen eingeht. Diese Thürme haben einen Unterbau von fünf Stockwerken durch Säulen getragen. Ins Erdgeschoß eines jeden führt ein kleineres Portal und geht in die Seitenhallen. Diese Abseiten haben eine gleiche Breite mit dem Schiffe der Kirche, und nicht, wie gewöhnlich, im Verhältniß der Quadratwurzel zur Diagonale. Statt dessen aber habe ich jede Abseite durch mittlere Säuleureihen in zwei neben einander laufende Hallen getheilt, die eben deßhalb auch einer viel kleinern Sprengung bedürfen und weit niedriger ausfallen als das Gewölbe des Schiffes. Es sollen ernste Vorhallen zum stillen Nachdenken seyn, wo der Wanderer unter schlänken Säulen auf und nieder gehen mag, um sich zu sammeln, ehe er in die große und weite Halle des innern Heiligthums zum Gottesdienst eintritt. Hier im Schiffe erheben sich zur schwindelnden Höhe die vier und sechzig starken Riesensäulen, welche von dem Hauptportale bis zum Chorraume hinführen, und denen eben so viele Pilaster in den beiden Seitenhallen entsprechen sollen. Die großen hohen Fenster aber, welche theils in die Nebenhallen, theils über denselben, in die Haupthalle das Licht abgeben müssen, sind wie durchsichtige und farbige Wände behandelt, auf welchen die heiligen Geschich ten des alten und neuen Bundes dargestellet, das Auge nicht unbeschäf= tigt, den Geist nicht unbelehrt lassen. Die Kapitäle der Säulen dagegen, so wie die Vorsprünge und Vertiefungen der Mauern, die Seitenwände und Spigbogen der Thüren, die Brüstungen der Fenster, die Sparrengiebel und Krönungen sind mit Statuen von heiligen Wohlthätern der Kirche zu verzieren, wie auch die massiven Wände mit allerlei halbdurchbrochener Arbeit, in Bogen, Stäben, Knospen und Blumen zu bekleiden, so wie Mutter Natur sie reichlich ausspendet; doch hier, dem geometrischen Geseze dienstbar, in länglichten Formen auf den schmalen, hochstrebenden Feldern dargestellt; denn das Feld ist nicht um der Bildsäule hier, sondern die Bildsäule um des architektonischen Feldes willen. — Von den Geschwisterthürmen aber, welche auf ihrem fünfgestuften Vorbaue, kühn und leicht durchbrochen, fünfhundert Schuh in die Wolken steigen, und mit vielen Ranken, Röhren und Knospen, wie eine große Blume, sich enden sollen, könnte ich euch noch vieles sagen, was nicht in diesem Risse zu bezeichnen ist; doch es mag die Zeit euch lehren, wie es wird und wächst in Sinn und Gedanken; denn es geht aus einem ähnlich einfachen Geseze hervor, wie die Natur selbst, und ist eben deswegen auch der größesten Mannigfaltigkeit fähig. - Dieses geheime Gesez fühlt sich mehr, als es sich nachweisen läßt; es bewegt sich vorzüglich in der heiligen Siebenzahl, welche ganz klar in den vierzehn Säulen und Krypten des Chorraums hervortritt, und aus den Winkeln des Rechtecks und Dreiecks in den vielfachsten Zusammenseßungen konstruirt, den ganzen Bau belebt."

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„So viel für heute, ihr Brüder," sprach der Meister Dieterich, rollte die Risse zusammen, und ging mit Gerhard und Erwin zum Mittagsmahle nach Hause.

CXLIII. Dr. Mises.

Aus: Schußmittel für die Cholera." *)

Zweites Kapitel.

Ueber völkerung.

(S. 8.)

Daß zu viele Menschen auf der Welt sind, darüber ist man schon lange einig, wenn es auch minder entschieden ist, welche der Menschen zu den vielen gehören. Im Allgemeinen zwar kommt die eine Hälfte der Aerzte überein, daß die andere überflüssig sey, die eine Hälfte der Candidaten, daß man die andere nicht brauche, und da daffelbe in allen Ständen und zwar reciprok zwischen beiden Hälften geschieht, so wäre auf diese Weise freilich die ganze Menschheit überflüssig. Indeß der ärgste Streit entsteht doch immer in diesem Bezuge zwischen den Reichen und Armen, den Vornehmen und Geringen. Die Reichen toleriren allerdings die Armen, doch nicht anders, als wie Menschen die Fliegen toleriren, die sie wegen ihrer Menge nicht ausrotten können, von denen sie es doch aber unbequem und widrig finden, daß sich diese unreinlichen Geschöpfe mit an ihre Schüffeln sehen wollen; die Armen finden umgekehrt die Reichen überflüssig, ungefähr nach demselben Schlusse, den der Holzapfelbaum und Schlehbaum macht: daß wir mit schlechten Holzäpfeln und Schlehen vorlieb nehmen müssen, rührt blos daher, daß die vornehmen Bäume uns alle guten Aepfel und Pflaumen wegtragen; und sie dienen daher willig gern jedem zu Prügeln, der diesen stolzen Bäumen ihre Früchte abzuschlagen Luft hat. Freilich waren jene auch einmal Schlehen- und Holzapfelbäume, und diese können sich dazu veredlen; allein dieser Schluß liegt nicht so nahe und ist weit minder bequem, als jener.

Im Grunde kommt dieser Streit auf das allgemeine Naturgesetz heraus, daß jeder Hund, der ein Stück Knochen im Munde trägt, den Hund, der das andere Ende anfaßt, für überflüssig hält, selbst wenn es jener eher anfaßte; denn wäre jener nicht da gewesen, so hätte er selbst den Knochen finden können; und es ist gewiß, daß, wenn blos zwei Menschen auf der Welt existirten, sie doch über Uebervölkerung klagen würden, ja der Streit zwischen Kain und Abel hatte wahrscheinlich keinen andern Grund. Genau betrachtet, scheinen auch unsere jezigen Klagen über Uebervölkerung noch keinen triftigern Grund zu haben. Es giebt in Brasilien, Nordamerika, Neuholland noch genug urbares Land, das, um es in Besiß zu nehmen, blos die Ausrottung einiger Wälder

*),,Schuhmittel für die Cholera, nebst einem Anhange, enthaltend die vornehmsten Meinungen der Aerzte über den Siz und das Wesen oder die nächste Ursache, die Contagiosität oder Nichtcontagiosität dieser Krankheit. Von Dr. Mises. Nro. 5. 3weite Auflage. Leipzig, Leopold Voß. 1837.“ 12.

und wilder Völkerstämme erforderte, und Leute, die so laut über Mangel an Arbeit klagen, fänden dort deren mehr, als sie brauchten; allein die Wahrheit ist, daß sie die Arbeit überhaupt nicht brauchen. Der Mensch will nicht blos Plaz zum Hause; nein, er will auch das Haus haben, und nicht blos das Haus, sondern auch eine eingerichtete Stube mit einem Canapee zum Faullenzen und einem Tischchen decke dich. Aller= dings könnte er sich da Alles selbst machen; denn Plaz ist da, Holz ist da, Steine sind da, Füße sind da, nach dem leeren Plaße zu wandern und Hände, Holz und Steine zusammenzufügen; aber wie viel leichter scheint es dem Menschen, in einem schon fertigen Haushalt einzuziehen ; wenn also, denkt er, ein Theil von denen stürbe, die oder deren Voreltern das im Schweiße ihres Angesichts erworben haben, so könntest du und deine Kinder das ohne Schweiß genießen, und hierin liegt ein Grund der Klagen über Uebervölkerung. Nicht Menschen überhaupt, sondern Faule und Liederliche sind sonach zu viel; denn an fleißigen Leuten findet noch keinesweges Uebervölkerung Statt Im Gegentheile: ein fleißiger Arbeiter, eine Magd oder ein Bedienter comme il faut, ein tüchtiger Beamter sind Dinge heut so selten, als vor 100 Jahren, und oft mit schwerem Gelde nicht zu erlangen. Aber man will nicht fleißig arbeiten, nicht tüchtig und thätig seyn, und denkt wiederum, wenn ein Theil von denen stürbe, die es sind, müßte man dann auch die Faulen und Liederlichen bezahlen.

Allerdings giebt es unglückliche Gegenden, wo die angestrengteste Arbeit durch die zunehmende Vermehrung der Producte ihren Lohn nur immer mehr mindert, aber nicht die Uebervölkerung ist deshalb anzukla= gen; ja eher die entgegengesezte Ursache; denn würden nicht, wenn es doppelt so viele Menschen gäbe, doppelt so viel Strümpfe und Spigen getragen werden? Blos die Indolenz der Menschen oder ihrer Führer, daß sie, wie Raupen an einem abgefreffenen Afte, noch klumpenweis an einem erschöpften Gewerbszweige hängen bleiben, während der Baum wohl noch viel andere grüne Zweige hat, wohin sie sich vertheilen könnten, ist Schuld an ihrem Hunger. So ist das Erzgebirge mit seiner stockenden Industrie ein alter abgedankter Bergmann, der vor seinem erschöpften Schacht steht und seine lehten Kräfte verschwendet, aus dem tauben Gestein noch Gold und Silber herauszuklopfen, während in reichen Schachten daneben die edeln Metalle durch Dampf und Maschinen ohne lebendige Kräfte mühelos zu Tage gefördert werden. Diese Armen sind zu bedauern, wenn man nicht mehr für sie thun will oder kann; aber die Armen sind es nicht überall; denn an den meisten Orten ist Brod zu finden, wer es nur, anstatt mit dem Bettelsack vor den Thüren, auf dem Felde mit dem Säetuche sucht.

In der That fehlt es wohl im Allgemeinen an Nahrungsmitteln und sonstigen Producten? Im Gegentheil, geht man der Sache auf den Grund, so beruht die Klage der Oekonomen über Nahrungslosigkeit nicht darauf, daß sie zu wenig, sondern daß sie zu viel Korn und Kartoffeln haben, die ihnen die Arbeiter nicht abkaufen, weil sie für ihr Geld Branntewein kaufen müssen, um sich den Verdruß darüber zu verIII.

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trinken, daß ihnen die Maschinen Schuhe und Röcke halb umsonst machen, um die sie sich sonst beinahe todt arbeiten mußten. Es ist freilich sonderbar, daß man erst Branntewein aus Korn und Kartoffeln destilliren will, und dann doch verlangt, der Rückstand solle die Leute noch eben so satt machen, als vorher. Unstreitig hat der Schöpfer Korn und Kartoffeln wachsen lassen, um gegessen zu werden, und nicht darauf gerechnet, daß man diese Producte vertrinken würde. Ist es aber Wunder, daß, wenn man die Nahrungsmittel zu Wasser macht, man auch nur Wasser übrig behält, sich zu nähren. Es ist gewiß, daß, wenn alle Feldfrüchte, die jezt, zu Branntewein verbraucht, den Weg nach dem Kopfe nehmen, um sich dort in _revolutionäre und zornige Ideen von Freiheit und Gleichheit gegen Nachbar und Staat zu verwandeln, vielmehr als Brod, Klöße und Brei den Weg nach unten einschlügen, nicht nur genug hiervon da seyn würde, um wohlfeil verkauft zu werden, sondern auch noch Geld übrig bleiben würde, es zu kaufen, Vernunft genug das Geld zu verdienen, und Dünger, die Produkte selbst wieder zu erzeugen; und der Grund ist sehr untriftig, den man anführt, daß der Branntewein zur Stärkung der Arbeit diene, denn das römische Coliseum wurde zu der Zeit gebaut, da man noch keinen Schnaps kannte, und fiel ein, da man zur Gnüge davon hatte. Blos die Verwandlung hat er hervorgebracht, daß, während sonst die Leute tranken, um zu arbeiten, sie jezt höchstens arbeiten, um zu trinken, und sich beschweren, daß sie das Brod nicht nebenbei umsonst von der Regierung oder Armenanstalt erhalten. Man hält den Regierungen immer das Beispiel Heinrichs IV. vor, welcher sagte, er würde nicht eher ruhen, als bis er's so weit gebracht, daß jeder seiner Unterthanen des Sonntags ein Huhn im Topfe habe, wiewohl er's meines Wissens nie wirklich so weit gebracht; allein man verlangt zugleich, daß die Regierung selbst jedem das Huhn in den Topf stecke.

In Summa mögen also wohl nicht zu viel Menschen an sich da seyn; aber es sind ihrer zu viel für einander da, die sich aus Faulheit erdrücken; weil jeder, der eine faule Bärenhaut sicht, sich darauf legt, und wenn auch schon 10 andere darauf lägen, statt daß er in den Wald gehen und den Bär selbst jagen sollte, um sich bequem und allein auf die selbst= erworbene Lagerstätte zu werfen. Daher seht man ein Stockwerk über das andere und noch eins, und noch eins, bis man denkt, es ist am Ende eben so bequem, nach Amerika zu gehen und dort eine neue Parterrewohnung zu bauen, als alle Tage 6 Treppen auf und abzusteigen. Bevor es nicht so weit gekommen ist, wird sich niemand von der Stelle rühren, und wahrscheinlich dann noch nicht; denn er berechnet weislich noch die Mühe, die es ihn kostet, zur Bequemlichkeit zu gelangen. Wenn daher troz aller Seligkeit, die man uns vom Leben im Himmel vorspiegelt, doch mehr Menschen in die Hölle, als den Himmel kommen werden, so dürfte der einzige Grund der seyn, daß sie in den Himmel eine hohe Leiter hinanzusteigen haben, während sie sich in die Hölle gleich Kopf über kollern können. Durch diese allgemeine Faulheit wird nun Europa mit seinen Städten zulegt einem Korbe mit faulen Käsen ähnlich, worin

die Maden unter und übereinander liegen, dennoch kriecht keine in die frischen Körbe, die ein Stück davon stehen, weil die Fliege nicht gleich das Ei hineingelegt hat.

Man hat dieser Neigung der Menschen, lieber auf der Stelle, wo er geboren ist, zu verhungern und die Rübenschalen aus dem Kehricht zu lesen, weil man keinen Plaz mehr findet, selbst daselbst welche zu bauen, als an einen fremden Ort zu gehen, wo der Plaz die Menschen, nicht die Menschen den Platz suchen, verschiedene Namen beigelegt: Vaterlandsliebe, Geselligkeitstrieb, gemüthliches Festhalten des Gewohnten; aber bedenkt sich Jemand, nach Indien zu gehen, um einen reichen Vetter dort zu beerben? bedenken sich die Mönche und Nonnen, im Kloster der Einsamkeit zu pflegen? blos die Arbeit will man nicht außer Landes suchen. Man führt ferner an, die Armen hätten nicht einmal die Mittel, auszuwandern. Das mag wahr seyn; was würde man aber von Jemandem sagen, der aus Furcht vor dem Klettern mit aufgesperrtem Munde so lange unter einem hohen Baume voll schöner Früchte stände, in der Erwartung, daß ihm eine ohne sein Zuthun hineinfalle, bis der Hunger ihm zuleht auch die Kräfte geraubt hinauf zu gelangen?

Es ist wahr, der Mensch kann nichts für diese Trägheit, die unter den verschiedensten schönen Titeln alle Noth über ihn bringt; denn sie ist ihm angeboren, und es hilft auch auf die Dauer kein Mittel dage= gen; aber um so nöthiger werden dadurch Mittel, die der Folge der= selben, dieser sogenannten Uebervölkerung der Erde, die noch kein Dritts theil der Menschen trägt, die sie nähren könnte, abhelfen.

CXLIV. Aug. Freiherr von Sternberg.

Lessing und Gellert. *)

(S. 252.)

Man fuhr durch einen düstern Wald: die dunklen Föhren rauschten zu beiden Seiten des Weges über der dahin rollenden Kutsche zusammen. Der Postillon trieb eilig vorwärts, denn er fürchtete diese Gegend, berüchtigt durch kürzlich verübte Gewaltthaten, überschwemmt von unruhigem Gefindel aller Art. Das aufmerksame Ohr des alten Christian hatte schon lange verdächtige Laute durch den Wald schallen hören, prüfend blickte er den einzelnen Soldaten in die bärtigen Gefichter, welche mit Gepäck beladen, auf der Landstraße daher zogen und die sowohl durch ihre Kleidung als ihre Mienen den Uebergang von dem sehr ehrwürdigen Stande der Vaterlandsvertheidiger zu dem minder ruhmwürdigen der Landstreicher zu bilden schienen. Der Grenadier theilte seine Besorgnisse dem Schwager Postillon mit, und dieser zog wiederum den jungen Jäger hinter dem Wagen_ins_Vertrauen.

,,Wenn wir nur ein besseres Stück Mannsbild im Wagen hätten," brummte Christian,,, aber der schwächliche blasse Knirps von Professor,

*),,Lessing. Eine Novelle von A. Freiherrn von Sternberg. Stutt gart und Tübingen. Cotta. 1834. 8.

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