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Zeichen antreffen. Sonst entstehen Lücken, wo sie ihn verläßt, statt ihn zu begleiten.

Öbgleich endlich der Geist immer und überall nach Einheit und Nothwendigkeit strebt, so kann er beide doch nur nach und nach aus sich, und nur mit Hülfe mehr sinnlicher Mittel entwickeln. Zu den hülfreichsten unter diesen Mitteln gehört für ihn die Sprache, die schon ihrer bedingtesten und niedrigsten Zwecke wegen, der Regel, der Form und der Gesezmäßigkeit bedarf. Je mehr er daher in ihr ausgebildet findet, wonach er auch für sich selbst strebt, desto inniger kann er sich mit ihr vereinigen.

Betrachtet man nun die Sprachen nach allen diesen, hier an fie gestellten Förderungen, so erfüllen sie dieselben nur, oder doch vorzugsweise gut, wenn sie ächt grammatische Formen, und nicht Analoga der= selben besigen, und so offenbart sich dieser Unterschied in seiner ganzen Wichtigkeit.

Das Erste und Wesentlichste ist, daß der Geist von der Sprache verlangt, daß sie Sache und Form, Gegenstand und Verhältniß rein abscheide, und nicht beide mit einander vermenge. So wie sie auch ihn an diese Vermengung gewöhnt, oder ihm die Absonderung erschwert, lähmt und verfälscht ste sein ganzes inneres Wirken. Gerade aber diese Absonderung wird erst rein vorgenommen bei der Bildung der ächt grammatischen Form durch Beugung, oder durch grammatische Wörter, wie wir oben bei dem stufenartigen Bezeichnen der grammatischen Formen gesehen haben. In jeder Sprache, die nur Analoga von Formen kennt, bleibt Stoffartiges in der grammatischen Bezeichnung, die bloß formartig sein sollte, zurück.

Wo die Zusammenschmelzung der Form, wie sie oben beschrieben worden; nicht vollkommen gelungen ist, da glaubt der Geist noch immer die Elemente getrennt zu überblicken, und da hat für ihn die Sprache nicht die geforderte Uebereinstimmung mit den Gesezen seines eignen Wirkens.

Er fühlt Lücken, er bemüht sich sie auszufüllen, er hat nicht mit einer mäßigen Anzahl in sich gediegner Größen, sondern mit einer verwirrenden halb verbundener zu thun, und arbeitet nun nicht mit gleicher Schnelligkeit und Gewandtheit, mit gleichem Gefallen am leicht gelingenden Verknüpfen besonderer Begriffe zu allgemeineren, vermittelst wohl angemessener, mit seinen Gesezen übereinstimmender Sprachformen.

Darin-nun offenbart es sich, wenn man die. Frage auf die äußerste Spize stellt, daß, wenn eine grammatische Form auch schlechterdings kein anderes Element in sich schließt, als welches auch in dem sie nie ganz ersehenden Analogon liegt, sie dennoch in der Wirkung auf den Geist durchaus etwas anderes ist, und daß dieß nur auf ihrer Einheit beruht, in der sie den Abglanz der Macht der Denkkraft an sich trägt, die sie schuf.

In einer nicht dergestalt grammatisch gebildeten Sprache findet der Geist lückenhaft und unvollkommen ausgeprägt das allgemeine Schema der Redeverknüpfung, dessen angemessener Ausdruck in der Sprache die

unerläßliche Bedingung alles leicht gelingenden Denkens ist. Es ist nicht nothwendig, daß dieß Schema selbst ins Bewußtseyn gelange; dieß hat auch hochgebildeten Nationen gemangelt. Es genügt, wenn, da der Geist immer unbewußt danach verfährt, er für jeden einzelnen Theil einen solchen Ausdruck findet, der ihn wieder einen andern mit richtiger Bestimmtheit auffassen läßt.

In der Rückwirkung der Sprache auf den Geist macht die ächt grammatische Form, auch wo die Aufmerksamkeit nicht absichtlich auf sie gerichtet ist, den Eindruck einer Form, und bringt formale Bildung hervor. Denn da sie den Ausdruck des Verhältnisses rein, und sonst nichts Stoffartiges enthält, worauf der Verstand abschweifen könnte, dieser aber den ursprünglichen Wortbegriff darin verändert erblickt, so muß er die Form selbst ergreifen. Bei der unächten Form kann er dieß nicht, da er den Verhältnißbegriff nicht bestimmt genug in ihr erblickt, und noch durch Nebenbegriffe zerstreuet wird. Dieß geschieht in beiden Fällen bei dem gewöhnlichsten Sprechen, durch alle Classen der Nation, und wo die Einwirkung der Sprache günstig ist, geht allge= meine Deutlichkeit und Bestimmtheit der Begriffe, und allgemeine Anlage auch das rein Formale leichter zu begreifen, hervor. Es liegt auch in der Natur des Geistes, daß diese Anlage, einmal vorhanden, sich immer ausbildet, da, wenn eine Sprache dem Verstande die grammatischen Formen unrein und mangelhaft darbietet, je länger diese Einwirkung dauert, je schwerer aus dieser Verdunkelung der rein formalen Ansicht herauszukommen ist.

Was man daher von der Angemessenheit einer nicht solchergestalt grammatisch gebildeten Sprache zur Ideenentwickelung sagen möge, so bleibt es immer sehr schwer zu begreifen, daß eine Nation auf der unverändert bleibenden Basis einer solchen Sprache von selbst zu hoher wissenschaftlicher Ausbildung sollte gelangen können. Der Geist empfängt da nicht von der Sprache, und diese nicht von ihm dasjenige, dessen beide bedürfen, und die Frucht ihrer wechselseitigen Einwirkung, wenn sie heilbringend werden sollte, müßte einst eine Veränderung der Sprache selbst sein.

Auf diese Weise sind also, soviel dieß bei Gegenständen dieser Art geschehen kann, die Kriterien festgestellt, an welchen sich die grammatisch gebildeten Sprachen von den andern unterscheiden Jassen. Keine zwar kann sich vielleicht einer vollkommenen Uebereinstimmung mit den allgemeinen Sprachgesehen rühmen, keine vielleicht ist durch und durch, in allen Theilen geformt, und auch unter den Sprachen der niedrigern Stufe gibt es wieder viele annähernde Grade. Dennoch ist jener Unterschied, der zwei Classen von Sprachen bestimmt von einander absondert, nicht gänzlich ein relativer, ein bloß im Mehr oder Weniger bestehender, sondern wirklich ein absoluter, da die vorhandene, oder fehlende Herrschaft der Form sich immer sichtbar verkündet.

Daß nur die grammatisch gebildeten Sprachen vollkommene Angemessenheit zur Ideenentwickelung besigen, ist unläugbar. Wieviel auch noch mit den übrigen zu leisten sein dürfte, mag allerdings der Versuch

und die Erfahrung beweisen. Gewiß bleibt indeß immer, daß sie niemals in dem Grade und der Art, wie die anderen, auf den Geist zu wirken im Stande sind.

3. Aus dem Werke: „Ueber die Kawi-Sprache auf der Insel Java; nebst einer Einleitung über die Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaues und ihrem Einfluß auf die geistige Entwickelung des Menschengeschlechts. *)

a. Entwickelungsgang der Sprachen.
(~. CCVII.)

In der Periode der Formenbildung sind die Nationen mehr mit der Sprache, als mit dem Zwecke derselben, mit dem, was sie bezeichnen sollen, beschäftigt. Sie ringen mit dem Gedankenausdruck, und dieser Drang, verbunden mit der begeisternden Anregung des Gelungenen, bewirkt und erhält ihre schöpferische Kraft. Die Sprache entsteht, wenn man sich ein Gleichniß erlauben darf, wie in der physischen Natur ein Krystall an dem andern anschießt. Die Bildung geschieht allmählig, aber nach einem Gesetz. Diese anfänglich stärker vorherrschende Richtung auf die Sprache, als auf die lebendige Erzeugung des Geistes, liegt in der Natur der Sache; sie zeigt sich aber auch an den Sprachen selbst, die, je ursprünglicher sie sind, desto reichere Formenfülle besigen. Diese schießt in einigen sichtbar über das Bedürfniß des Gedankens über, und mäßigt sich daher in den Umwandlungen, welche die Sprachen gleichen Stammes unter dem Einfluß reiferer Geistesbildung erfahren. Wenn diese Krystallisation geendigt ist, steht die Sprache gleichsam fertig da, das Werkzeug ist vorhanden, und es fällt nun dem Geiste anheim, es zu gebrauchen und sich hineinzubauen. Dies geschicht in der That; und durch die verschiedene Weise, wie er sich durch dasselbe ausspricht, empfängt die Sprache Farbe und Charakter.

Man würde indeß sehr irren, wenn man, was ich hier mit Absicht zur deutlichen Unterscheidung grell von einander gesondert habe, auch in der Natur für so geschieden halten wollte. Auch auf die wahre Structur der Sprache und den eigentlichen Formenbau hat die fortwährende Arbeit des Geistes in ihrem Gebrauche einen bestimmten und fortlaufenden Einfluß; nyr ist derselbe feiner, und entzieht sich bisweilen dem ersten Anblick, Auch kann man keine Periode des Vienschengeschlechts oder eines Volkes als ausschließlich und absichtlich sprachentwickelnd ansehen. Die Sprache wird durch Sprechen gebildet, und das Sprechen ist Ausdruck des Gedankens oder der Empfindung. Die Denk - und Sinnesart eines Volkes, durch welche, wie ich eben sagte, seine Sprache Farbe und Charakter erhält, wirkt schon von den ersten Anfängen auf dieselbe ein. Dagegen ist es gewiß, daß je weiter eine Sprache in ihrer grammatischen Structur vorgerückt ist, sich immer weniger Fälle ergeben,

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* In den Abhandlungen der königlichen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Aus dem Jahre 1832. Zweiter Theil. Berlin. 1836, 4.

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welche einer neuen Entscheidung bedürfen. Das Ringen mit dem Gedankenausdruck wird daher schwächer; und je mehr sich der Geist nun des schon Geschaffenen bedient, desto mehr erschlafft sein schöpferischer Trieb und mit ihm auch seine schöpferische Kraft. Auf der andern Seite wächst die Menge des in Bauten hervorgebrachten Stoffs, und diese, nun auf den Geist zurückwirkende, äußere Masse macht ihre eigenthüm lichen Geseze geltend und hemmt die freie und selbstständige Einwirkung der Intelligenz. Man muß also, um die Verflechtung des Geistes in die Sprache genauer zu verfolgen, dennoch den grammatischen und lerikalischen Bau der letteren gleichsam als den festen und äußern von dem inneren Charakter unterscheiden, der, wie eine Seele, in ihr wohnt, und die Wirkung hervorbringt, mit welcher uns jede Sprache, so wie wir nur anfangen ihrer mächtig zu werden, eigenthümlich ergreift. Es ist damit auf keine Weise gemeint, daß diese Wirkung dem äußeren Baue fremd sei. Das individuelle Leben der Sprache erstreckt sich durch alle Fibern derselben und durchdringt alle Elemente des Lautes. Es soll nur darauf aufmerksam gemacht werden, daß jenes Reich der Formen nicht das einzige Gebiet ist, welches der Sprachforscher zu bearbeiten hat, und daß er wenigstens nicht verkennen muß, daß es noch etwas Höheres und Ursprünglicheres in der Sprache gibt, von dem er, wo das Erkennen nicht mehr ausreicht, doch das Ahuden in sich tragen muß.

b. Der Charakter der Spra che ́n.

(S. CCIX.)

Um den Charakter der Sprachen genauer zu betrachten, müssen wir auf den Zustand nach Vollendung ihres Baues sehen. Das freu= dige Staunen über die Sprache selbst, als ein immer neues Erzeugniß des Augenblicks mindert sich allmählig. Die Thätigkeit der Nation geht von der Sprache mehr auf ihren Gebrauch über, und diese beginnt mit dem eigenthümlichen Volksgeiste eine Laufbahn, in der keiner beider Theile sich von dem anderen unabhängig nennen kann, jeder aber sich der begeisternden Hülfe des andern erfreut. Die Bewunderung und das Gefallen wenden sich nun zu Einzelnem glücklich ausgedrückten. Lieder, Gebetsformeln, Sprüche, Erzählungen erregen die Begierde, sie der Flüchtigkeit des vorübereilenden Gesprächs zu entreißen, werden aufbewahrt, umgeändert und nachgebildet. Sie werden die Grundlage der Literatur; und diese Bildung des Geistes und der Sprache geht allmählig von der Gesammtheit der Nation auf Individuen über und die Sprache kommt in die Hände der Dichter und Lehrer des Volkes, welchen sich dieses nach und nach gegenüberstellt. Dadurch gewinnt die Sprache eine zwiefache Gestalt, aus welcher, so lange der Gegensatz sein richtiges Verhältniß behält, für sie zwei sich gegenseitig ergänzende Quellen, der Kraft und der Läuterung entspringen.

Neben diesen lebendig in ihren Werken die Sprache gestaltenden Bildnern stehen dann die eigentlichen Grammatiker auf, und legen die legte Hand an die Vollendung des Organismus. Es ist nicht ihr Geschäft, zu schaffen; durch sie kann in einer Sprache, der es sonst

daran fehlt, weder Flexion noch Verschlingung der End- und Anfangslaute volksmäßig werden. Aber sie werfen aus, verallgemeinern, ebnen Ungleichheiten, und füllen übrig gebliebene Lücken. Von ihnen kann man mit Recht in Flexionssprachen das Schema der Conjugationen und Declinationen herleiten, indem sie erst die Totalität der darunter begriffenen Fälle zusammengestellt vor das Auge bringen. In diesem Gebiete werden sie, indem sie selbst aus dem unendlichen Schahe der vor ihnen liegenden Sprache schöpfen, geseßgebend. Da sie eigentlich zuerst den Begriff solcher Schemata in das Bewußtseyn einführen, so können dadurch Formen, die alles eigentlich Bedeutsame verloren haben, blos durch die Stelle, die sie in dem Schema einnehmen, wieder bedeutsam werden. Solche Bearbeitungen einer und derselben Sprache können in verschie= denen Epochen aufeinander folgen; immer aber muß, wenn die Sprache zugleich volksthiemlich und gebildet bleiben soll, die Regelmäßigkeit ihrer Strömung von dem Volke. zu den Schriftstellern und Grammatikern, und von diesen zurück zu dem Volke ununterbrochen fortrollen.

So lange der Geist eines Volks in lebendiger Eigenthümlichkeit in sich und auf seine Sprache fortwirkt, erhält diese Verfeinerungen und Bereicherungen, die wiederum einen anregenden Einfluß auf den Geist ausüben. És kann aber auch hier in der Folge der Zeit eine Epoche eintreten, wo die Sprache gleichsam den Geist überwächst, und dieser in eigner Erschlaffung, nicht mehr selbst schöpferisch, mit ihren aus wahrhaft sinnvollem Gebrauch hervorgegangenen Wendungen und Formen ein immer mehr leeres Spiel treibt. Das ist dann ein zweites Ermatten der Sprache, wenn man das Absterben ihres äußeren Bildungstriebes als das erste ansieht. Bei dem zweiten welkt die Blüte des · Charakters, von diesem aber können Sprachen und Nationen wieder durch den Genius einzelner großer Männer geweckt und emporgerissen werden.

LXVIII. Ernst Wagner.")

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(1767-1812.)

Reisen aus der Fremde in die Heimath.

1. Der Sonntagmorgen.
(Siebenter Band. S. 13)`

Hat nicht der sonnenlichte Rubemorgen ein gewisses himmlisches Gepräge vor jedem seiner sechs andern Brüder? Kannst du, du, der das Glück, ein Landpredigerssohn zu sein, nicht kennt, es mir nachfühlen, wie seligstill, und doch wie lebendig heute alles ist? Der Mensch ist vom Schlaf aufgestanden, um zu ruhen. In mehreren Dörfern vor

*),,Ernst Wagners sämmtliche Schriften. Ausgabe letter Hand besorgt von Friedrich Mosengeil. Leipzig. Fleischer 1827 und 1828. Zwölf Bande." 8.

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