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Liebe gewinnen kann, und beweiset durch euer ganzes Leben, daß die Liebe, wie sie der Apostel beschreibt, das Erste ist, dem ihr nachtrachtet.

LXX. Karl Heinrich Ritter von Lang.

(1764-1835.)

Aus den Reisen nach Hammelburg. "*)
(Fortgesette Reise S. 60 flg.)

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Vom falschen Weg kommt man auf den rechten. Daher freuts mich immer, wenn ich sehe, wie eine Sache recht widersinnig und ver= kehrt angegriffen wird, weil ich auf eine stockfinstere Nacht noch immer wieder einen Tag erlebt habe. Meine verunglückten Versuche in der Kauzenresidenz leiteten mich zur Entdeckung, daß meine Talente eigent= lich in der Staatsverwaltung glänzen müßten. Um die Kaiserliche Prinzessin bei der Audienz darauf aufmerksam zu machen, steckte ich einen Auffaz zu mir, betitelt: Ueber das Poetische der Hof- und Domainen Kammmern und der Reichsschulden-Commissionen. Darin bewieß ich, daß mit Ausmerzung des gemeinen handwerksmäßigen Schreib- und Rechenmeisters Lands, in jeder Finanzregierung eine gewisse Poesie vorherrschen müsse, welche die Erscheinungen der Welt in verschönerten Bildern wiedergiebt, oder was bei einer perzipirenden Finanzstelle richtiger gesagt ist, auffaßt; Furcht und Hoffnung erregt, Verwicklungen darstellt, deren mögliche Lösung man gar nicht ahnet, und endlich mit einem höchst unerwarteten Ausgang endet. Ein Kammerpräsident muß tagtäglich von Poesien überfließen. Was sind seine Bordereaur und Kassenertracte anders, als die poetischen Schiffs= listen im zweiten Gesang der Ilias? Alle Rechnungen sind, was ich wenigstens erfahren, Gedichte, und der oberste Rechnungshof hat durch seine jährlich ausgeschickte Commissarien lediglich zu prüfen, ob die Provençalen richtig gereimt und skandirt haben. Die Schuldenliquidation ist das verlorne Paradies, die Schuldentilgung das befreite oder erfreute Jerusalem, oder ein Klopstockischer Messias; in den Rechnungen der Hofintendanzen findet man das Mädchen von Orleans, in jenen des Kriegsöconomie Raths den Orlando Furioso, und die Stiftungsrechnungen sind Stanzen aus Dantes Hölle. Will ein Kammerpräsident zu Idyllen übergehen, so geben ihm dazu die Landanlchen, zu Lustspielen die Lotterieloose und Prämien, zu Gelegenheitsstücken die Zwangsanlehen und Lokalausschläge die Veranlassung. Blos zur Satyre ist gar kein Stoff vorhanden. In der Elegie haben die Gläubiger von Littera D. etwas gethan.

*) Merkwürdige Reise über Erlangen, Dresden, Kassel und Fulda nach Hammelburg. München, 1817. Im Verlage der akademischen Buchhandlung unter den Salzstädeln. Fortgesette Reise nach Hammelburg oder meine harten Schicksale im Kaugenland. München bei Hans Fürchtegott und Drucknichtnach. 1818.

Mein achtzigjähriges Blondinchen, die Kaiserliche Prinzessin, empfing mich, ihren Lenardo, sehr holdselig und mein Aufsaz ward sogleich dem Kammerdiener ihres Herrn Oheims, des Reichserzkanzlers zugestellt, um ihn, gleichsam wie aus Versehen in den Käfig seines Papageys zu stecken. Da sich nun der Reichserzkanzler, wenn er sich täglich lang genug mit seinen Staatsräthen, Ministerialräthen, Legationsräthen, Fis kalräthen, Obermedizinalräthen, Bauräthen, Forsträthen, Regierungsräthen, Schulräthen, Kriegs-Oekonomieräthen, müd und matt gezappelt, (Gott bewahre mich vor solch einem sauren Dienst) zur Erholung einige Stunden lang mit seinem Papages unterhielt; so fand er die Schrift, las sie und zwar in seinem besten Papageys-Humor, fragte den Kammerdiener, wie sie hieher gekommen, und so war denn flugs (ohne alle Vernehmung des Staatsraths) Entschluß und Dekret gefaßt, daß ich oberster Schulden - Liquidations- und Tilgungs - Commissions - Poet seyn sollte; ein Beruf, der mich um so inniger ergriff, als gerade die Schuldentilgungs- Commission einst die Ursache gewesen, daß meine Mutter vor Freuden Lodes verblichen. Denn nachdem sie schon large nichts von mir gehört, und keine Ursache hatte, mich in glänzenden Umständen zu vermuthen, sah sie gleichwohl eine auf mich verlautende LandanlehensObligation in den Händen eines Juden, und konnte sich vor Freuden gar nicht mehr darüber fassen, daß ich, ein armer Schlucker und einer armen Mutter Sohn, es so weit in der Welt gebracht hätte, mein überflüssiges Geld, (es waren freilich nur 10 fl. und geschah nicht einmal freiwillig) an Könige und Potentaten auszuleihen; welches unglaublich glänzende Schicksal ihr schon eine Zigeunerin vor meiner Geburt vorausgesagt, von ihr aber, als zu groß und unmöglich, nicht gefaßt werden wollte.

In jedes neue Amt muß ein neues Leben und der Beweis gelegt werden, daß jeder Amtsvorgeher nichts getaugt habe. Bei Herrn Caffetier Scheidel in München sah ich, wie die Herren Schüßen mit einem Blasrohr bis in die Stadt Paris (nämlich die an der Wand hängende gemahlte) hineingeschossen. Dies gab mir nun daher in der Kaußenresidenz, wo so etwas ganz neu war, den Einfall, sämmtliche Inhaber der Staatslotterieloose, und zwar sowohl von A bis M als von M bis Tz, zu einem solchen Blasrohrschießen einzuladen, nachdem ich zugleich alle Spaßen, die nur zu haben waren, lebendig auffangen, und jedem eine Lotterieloosnummer an Hals hängen ließ. So wie nun ein Gläubiger einen Spaßen mit seinem Blasrohr getroffen, so hätte er die daran hängende Nummer auf der Stelle baar ausbezahlt erhalten sollen; fehlt er aber den Spazen, so müsse er seine Forderung prolongiren und die Zinsen kapitalisiren lassen. Die ganze Stadt war voller Freuden und Herrlichkeit; ich wurde von den Juden in den Himmel erhoben, und darauf von den Christen angebetet; auf allen Straßen sangen die Interessenten freudiger, als selbst am Erndte: oder Reformationsfest : Nun danket alle Gott. Die Lotterieinhaber, jeder mit einem Blasrohr versehen, wollten nun so eben das Schießen anfangen, als, so wenig kann man sich überhaupt auf seine Leute verlassen, ein schlecht

zugemachter Fensterflügel aufsprang, und in einem Nu alle Spaßen mit ihren Numeros hinaus in die weite Oberwelt flogen. Ich wäre lieber so tief in die Erde gesunken, als ein Spaß in 35 Jahren fliegen kann, binnen welcher Zeit nemlich nach anerkannten Grundsäßen der Finanzmathematik der Schulden Gletscherberg eines Reichs von selbst zu schmelz zen ist. Sogar den Herren Schüßen wollten vor Schrecken die Blasrohre aus der Hand fallen; doch blieb der Herr Reichserzkanzler, für welchen zuvörderst ein roth damastner Lehnstuhl hingestellt ward, noch ziemlich ruhig, in Erwägung, (dies war sein angewöhntes Ministerial-Leibwort) daß die Spaßen nicht ihm davon geflogen seyen.

Unter sämmtlichen Kaußenstämmen galt, so wie es Diodor (XII. Buch Kap. 17) auch von Sybaris erzählt, die besondere Gewohnheit, daß alle diejenigen, welche neue Geseze vorzuschlagen hatten, auf dem Markt mit einem Strick um den Hals erscheinen mußten. Fand der Gesezvorschlag Beifall und Genehmigung, so wurde der Gesezproponent mit schmeichelhafter Ehrenmeldung seiner Klugheit nach Haus entlassen, fiel er aber mit seinem Antrag durch, so wurde er ohne weiters auf dem Markt alsbald aufgehängt, und damit aller Ueberzahl und Vermehrung unberufener Gesetzgeber so ziemlich vorgebeugt. Zu einem solchen halsbrechenden Ehrenamt, das man wohl mit einem Großkreuz ehren sollte, nachdem es selbst ein Großkreuz war, fanden sich daher die wenigsten Bewerber vor, so leicht auch sonst das Handwerk der Geset= geberei gehalten wurde. Man sah sich daher gezwungen, immer nur Beungnadigte, Kriegs- oder Staatsgefangene, oder sich hierher verirrte Reisende, wie ich, zu einer solchen Gesezcommission aufzugreifen. Durch den Ruf, welchen mir meine, obgleich verunglückten Unternehmungen zu Weg gebracht, war es meinen Neidern und Feinden ein leichtes, ein Kaiserliches Dekret auszuwirken, das mich mit aller Feierlichkeit zum Gesezgebungs - Präsidenten ernannte, welchem Patent zugleich auch der Strick, den ich provisorisch um den Hals zu tragen hätte, beigelegt war. Anfangs suchte ich mich damit zu retten, daß ich gar keine Geseze machte. Allein der Reichserzkanzler gieng mir durch seine Geschäftstabellen gar zu sehr auf den Leib. Aus diesen konnte er nemlich deutlich ersehen, was ein jeder Staatsbeamter nach den drei LabellarRubriken an Gedanken, an Worten und an Werken geleistet habe. Ein Gedanke galt in der Klassification 1000 Worte, und 1000mal 1000 Worte wurden gleichgehalten einem Werk. Wer es im Staatsdienst auf 1000 gute tabellenmäßige Gedanken, vorgetragen in tausendmaltausend Worten gebracht hatte, woraus endlich eine einzige würkliche Handlung hervorgieng, erhielt den Orden des silbernen Lungenflügels; 10 würklichen Handlungen, welche man aber wegen des Uebermaaßes der vorausgehenden Worte, nemlich 10 Millionen, nicht wohl erzielen konnte, war der Orden des schwarzen Dintenfluffes verheißen. Indessen giengs den Staatsdienern der Kaußen wie bei uns den Aepfelbäumen. Ihre guten Gedanken waren die Holztriebe, welche der Gärtner möglichst unterdrückte und wegschnitt; was gefallen und an der Tagesordnung bleiben wollte, mußte in der Mittelperiode der bloßen

Worte, oder der sogenannten Blüthen hervorgehen, welche man den hohen Vorgesezten duftend, dampfend, schmeichelnd und vielversprechend auf ihre Allongeperücken fallen ließ; kams nun dazu, daß man würklich nügliche und dienstliche Früchte trug, so wurde nach dem lieben Baum, dem nun sogar die Straßenjungen auf den Kopf stiegen, so lange mit Steinen und Prügeln geworfen; bis endlich kein gutes Haar, wenigstens kein guter Apfel, mehr an ihm war.

LXXI. Christoph Friedrich von Ammon.

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(1766.)

Religionsvorträge im Geiste Jesu. *)

Daß nur die Religion den Menschen zur wahren Größe erhebt!“ (Dritter Band S. 535.)

Nur die Religion verleiht dem Menschen wahre Größe; das, Freunde, ist die allgemeine Wahrheit, von der wir uns überzeugen wollen, um die Geburt des Erlösers würdig zu feiern. Und hiezu bieten sich uns in der That sehr entscheidende Gründe dar; denn sie gibt unsern Gedanken den höchsten Schwung, unserm Willen die beharrlichste Richtung, unserem Gefühle die edelste Reinheit, und unserem ganzen Daseyn eine ruhmvolle Unsterblichkeit.

Wahrhaft groß werden die Menschen nur durch die Religion, zunächst schon deßwegen, weil sie unseren Gedanken den edelsten Schwung giebt. So oft dringt sich uns nemlich die traurige Bemerkung auf, daß der kleine Wirkungskreis, in dem wir leben, daß die beschränkte Bildung unserer Freunde und Hausgenossen, von welchen wir umgeben sind, daß eine gewisse Trägheit des Denkens und Wirkens, in die man immer tiefer versinkt, je mehr man sich ihren unedlen Reizen hingibt, den schnellen Flug unseres Geistes lähmt, das von dem Schöpfer so weit hinausgestellte Ziel unseres Daseyns verkürzt und uns allmählig zu einem Eigennuße, zu einer Beschränkheit und Selbstsucht erniedrigt, die alle Weisheit und Liebe, und mit ihr den guten Geist des Himmels aus unserem Herzen verdrängt. Haben wir in dieser unglücklichen Verfassung des Gemüthes noch Sinn für das Edle, o wie willkommen sind uns dann die heiligen Augenblicke, wo unser besseres Selbst diese schimpflichen Fesseln zerbricht; wie erweitert sich dann nicht unser Herz und unser Inneres, wenn wir in der Nähe, oder aus der Ferne, von den Thaten, der Großmuth, von der Selbst

*) Religionsvorträge im Geiste Jesu für alle Sonn- und Festtage des Jahres zur Erbauung gebildeter Familien und zur Vorbereitung ange hender Kanzelredner aus allen christlichen Partheien, von Dr. Christoph Friedrich Ammon. 3 Bände. Göttingen 1804-1809. Bei Heinrich Dieterich.

überwindung ausgezeichneter Menschen hören; ja wie vermag dann schon der Anblick eines Stromes, eines hohen Gebirges, oder des gestirnten Himmels, so weit unser schwaches Auge reicht, reinere, umfassendere und wohlwollendere Gesinnungen in unserer Brust zu wecken! Aber was find alle diese Ansichten gegen den festen und lebendigen Glauben an den Weltenvater, auf den sich die Religion, wie auf einen sicheren und unerschütterlichen Anker stüßt; was ist alles Streben, Treiben und Handeln um uns her, gegen das Alles durchdringende Seyn und Wirken des Unendlichen, der im wiederkehrenden Wechsel der Welten und der Zeiten unerreichbar in sich selbst beharrt; ja was ist das höchste Wissen, der seligste Genuß, der vollendetste Werth weiser, guter und glücklicher Menschen gegen die Vollkommenheit des Allerhöchsten, der ein großer König ist, über alle Götter, der in einem reinen und unzugänglichen Lichte wohnt, und zu dessen Nechten Wonne und liebliches Wesen ist auf immer! Wer kann diesen seligen und sich in reinen Gemüthern zu immer neuen Kreisen der Vollkommenheit erweiternden Gedanken denken, ohne sich von einer Würde durchdrungen zu fühlen, die mit keiner irdischen Hoheit vergleichbar ist; wer kann diesen Unsichtbaren gefunden haben, der nicht fern ist von einem Jeden unter uns, ohne daß sich in ihm, wie der Apostel sagt, des Herrn Majestät spiegele, so daß er verz klärt wird in dasselbige Bild von einer Klarheit zur anderen? Nein, m. 3., treibt ihr euch nur in den Schranken eures bürgerlichen Berufes, in dem jammervollen Kreise irdischer Sorgen, oder auf dem bunten Schauplaze sinnlicher Vergnügungen und Zerstreuungen umher, o so wundert euch nicht, wenn ihr keines großen Entwurfes, keiner hellen Ansicht menschlicher Schicksale, keiner das Ganze der Welt umfassenden Betrachtung fähig seid; denn wahrhaft groß wird der Mensch nur durch die Religion, weil sie seinem Geiste den höch= en Schwung giebt.

Aber auch dem Willen die beharrlichste Richtung. Und daß wir dieser Alle im höchsten Grade bedürfen, darüber kann unter denen, die sich und Andere mit der gehörigen Aufmerksamkeit beobachtet haben, gewiß kein Zweifel herrschen. Was wir heute billigen, wird morgen verworfen; was wir in einer heiteren Stunde beschließen, wird bei der nächsten Aufwallung der Begierde vergessen; unsere Leidenschaf= ten wechseln wie die Jahreszeiten, und unsere Vergnügungen wie die Blumen; und wenn wir nach Jahren und Zeiten einmal die lange Reihe unserer Handlungen übersehen, so entdecken wir gemeiniglich in ihnen einen Wechsel von Widersprüchen und Launen, daß wir oft selbst nicht mehr wissen, was wir eigentlich gewollt und gewünscht haben. Noch sucht es meine Seele, und hat es nicht gefunden, sagt ein Weiser der Vorzeit; unter tausenden hab' ich einen Menschen funden, denn das Herz unserer Brüder ist trogig und verzagt, sie sind Zweifler und unbeständig in allen ihren Wegen. Wie könnten wir aber von dieser unseligen Veränderlichkeit unserer Wünsche und Vorsäge besser befreit werden,

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