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Das gesellschaftliche Leben, das sich allenthalben ähnlich sieht, ist übrigens glänzend und belebt in München. Ich gedenke nur Eines, der vielen Feste, die im Laufe des Winters hier stattzuhaben pflegen, weil es in seiner Art nirgends so besteht. Die Künstler geben nåmlich vereint dem Hofe und der übrigen Gesellschaft der gebildeten Stånde alljährlich ein Ballfest im Odeon, das nicht nur rücksichtlich des schönen Locals und der ebenso eleganten als somptuosen Einrichtung sich auszeichnet, sondern besonders durch die edle und doch ungezwungene Haltung, durch die schöne Vereinigung des Un standes der großen Welt mit heiterer Fröhlichkeit, welche hier herrscht. Es ist leider in Deutschland noch nicht so all, gemein eingeführt, daß Bildung und guter Ton hinreicht, um Gleichheit im Umgang zwischen den verschiedenen Stän den herzustellen.

in ein besonderer Reiz dieser Gedichtsammlung besteht, sie rein aus der Feder des königlichen Dichters erhalten zu haben, ohne daß er Rücksprache mit sogenann= ten Dichtern vom Fache gepflogen. Die Freunde des großen Friedrichs haben durch die Einmischung ihrer Federn den Poesien dieses Monarchen keinen Dienst geleistet; man hat sich ohne Zweifel mit Unrecht ge= wöhnt, sie nur halb für sein Werk zu halten. Nicht so ist es mit König Ludwigs Gedichten. Ihn, ihn selbst haben wir erhalten; er hat als Dichter den Muth gehabt, mit allen Zufälligkeiten vor die Nation zu treten, mit Mängeln, welche freilich in der Dichterlaufbahn eines Privatmannes durch das Urtheil von Freun den und Feinden leichter verschwinden, als auf dem einsamen Pfade, den ein fürstlicher Sänger zu wandeln hat. Und jene edle Aufrichtigkeit, welche die Kri tik in so mancher höhern Beziehung an den Gedichten des Königs Ludwig zu rühmen findet, zeigt sich be= sonders auch darin, daß er sie uns in ihrer ursprünglungen ergôgt, die nichts zu wünschen übrig lassen. Indessen lichsten Gestalt überliefert hat. So marke denn auch die Kritik nicht über Das, was er uns gegeben. Sie lasse uns ungestört in unserm geistigen Verkehre mit einem Fürsten; ein solcher findet ja nicht alle Jahre, nicht alle Jahrhunderte statt.

Correspondenz nachrichten.

2.

München, im November 1829. Nachdem ich München 8 Jahre lang nicht gesehen hatte, vergönnten mir die Umstånde, im Herbst dieses Jahres wieder einen kurzen, äußerst genußreichen Aufenthalt hier zu machen.

Es ist oft, und mit Grund, bedauert worden, daß Müns chen eine so wenig günstige Lage hat. Was indessen gesche hen konnte, die etwas einförmigen Umgebungen zu verschönern, das ist geschehen. Fleißiger Anbau hat den sonst unfruchtba ren Gefilden doch ein leidlich blühendes Ansehen gegeben; und obschon Gärten und Landhåuser umher nicht gerade schön und geschmackvoll genannt werden können, so zieren sie doch das Land durch ein gewisses Ansehen von Wohlhabenheit und verbreiteten Lebensgenuß. Kurz, der Fremde, der sich der Stadt nahet, findet zwar kein reizendes Land, aber das Ganze wird ihm doch sagen: Hier ist gut wohnen!

Die Erweiterungen und Verschönerungen der Stadt haben ihr ein so verändertes Ansehen gegeben, daß ich davon mehr überrascht war, als es ein Fremder gewesen sein würde, der München nie zuvor gesehen gehabt hätte. Es scheint fast, als ob die Baulust zu weit ginge: Straßen und Häu ser entstehen, aber die Menschenzahl wennschon sie bedeu tend zugenommen hat wächst doch schwerlich in gleichem Verhältniß. Nach den Anzeigen so unendlich vieler leeren Wohnungen, die man zur Miethe anbietet, muß man glau ben, das viele Unternehmer, die auf Speculation bauen, fich wol verrechnet haben dürften, und noch sieht man eine sehr große Anzahl von Häusern, ja ganze Straßen, die erst im Entstehen sind. Gegen die Mehrzahl der neuen Häuser dürfte vielleicht einzuwenden sein, daß ihnen eine zweckmäßige and wohnliche innere Eintheilung fehlt, wenn auch das äußere Ansehen nichts zu wünschen übrig läßt.

Die öffentlichen Gebäude sind durch so viele Beschreibungen bekannt, daß ich mich enthalte, darüber etwas zu sagen; fie zeigen den nüglichen und wohlberechneten Prachtaufwand der gegenwärtigen Regierung zu edeln Zwecken.

Das Theater ist, wie billig, unter allen Unterhaltungsanstalten am höchsten geschäßt. Der Aufwand, den der Hof und das Publicum zu dessen Unterhalt macht, geben der Dis rection die Mittel, ausgezeichnete Künstler anzustellen und auf Decorationen und Costume das Erfoderliche zu verwens den. Dabei gehört das Orchester zu den vortrefflichsten der Welt. Auch wird allerdings das Publicum durch Vorstel

mus man mit Bedauern gestehen, daß die Auswahl der mehr. sten Vorstellungen von einem hohen Grade von Gleichgültig, keit zeugt, welche die Direction für das Publicum zu haben scheint. Die gehaltlosesten und veraltetsten Erscheinungen un, serer dramatischen Dichtungen wiederholen sich 10 Mal, ebe einmal eine glücklichere Wahl das Publicum erfreut. Selbst das Neue ist oft so, daß man es lieber gar nicht gesehen hätte. Die neueste Oper:,,Der Untersberg", ist eine höchst unbedeus tende Erscheinung, so sehr sie auch ex officio gelobt worden ist.

Das geistige Leben hat an Umfang und an Mannichfal. tigkeit in Baiern unendlich gewonnen; Kunstsinn und wissen, schaftliche Bildung hat sich weit allgemeiner verbreitet. In d. Bl., Nr. 220-225, für 1829, findet sich ein Schreiben,,Uus und über Baiern", nach welchem eine fast allgemeine Unzufrie denheit in Baiern herrschen soll, und der Verf. rügt die Mångel, welche diese angeblich veranlassen. Diese Beleuch, tung des öffentlichen Zustandes in Baiern soll von einem tiefen Beobachtungsgeiste und vieler Sachkenntniß zeugen. Ges wiß wird das Gute und der Tadel dieses Schreibens, wenn er gegründet ist, erkannt werden und Nugen stiften. Zu bedauern ist aber doch, daß Uebertreibung und Tadelsucht so vielfältig, mehr als der Wunsch, zu belehren, hervorleuchtet, und daß der Verf. in seiner übeln Laune das Gute übersieht, was so sehr Anerkennung verdient.

Eine Staatsverwaltung, welche bestehende Zerrüttungen in den Finanzen ordnet, übertriebene Ausgaben beschränkt und das Gleichgewicht derselben mit der Einnahme immer mehr und mehr herstellt, die durch vermehrte Betriebsam, keit die Quellen des öffentlichen Wohlstandes und Erwerbs vermehrt, - die so thatig und wohlwollend und mit so sichts barem Erfolg Geistescultur befördert eine solche Staats verwaltung könnte allgemeine unzufriedenheit erregen? Daß aber wirklich die gegenwärtige Regierung nach diesen Zwecken strebt und durch Weisheit und Ausdauer Fortschritte auf der Bahn zu diesem Ziele gemacht hat, davon zeugen wesentliche Verbesserungen in der Landwirthschaft, die nach langem Wi derstande nun anheben und sich verbreiten; davon zeugen Vermehrungen und große Verbesserungen der Fabriken, Mas nufacturen und Arbeiten; denn wenn hier auch noch lange nicht Alles geschehen ist, so ist doch viel geschehen, und es vers mehrt sich die Thätigkeit und der Gewerbsfleiß tåglich; endlich ist der neue Handelsverein der glänzendste Beweis von der Weisheit, mit welcher die Regierung die Quellen des Wohlstandes zu vermehren sucht.

Wie viel für das Aufblühen der Künste und Wissenschaf ten geschehen ist und noch geschieht, ist bekannt.

In dem erwähnten Schreiben wird der neue Schul. plan und zwar, wie es scheint, mit Recht ange: griffen. Es ist aber zu bemerken, daß er noch nicht be stätigt, und daß daher zu hoffen ist, seine nicht zu leugnen den Mångel dürften abgestellt werden. *)

Hart und viel zu allgemein ist auch das Anathema, wel ches dieses Schreiben über die Zeitschriften Baierns aus spricht. Ich sollte nicht glauben, daß ein unbefangener und unparteiischer Leser den Zeitschriften,,Inland“ und „,Aus: land" die Vorzüge streitig machen wird, die sie, sowol in Hinsicht auf den Zweck, nach dem sie streben, als durch den Gehalt sehr gut gewählter und gut geschriebener. Artikel mit Recht behaupten. Gewiß auch kann man dem,,Volksfreund", seit dessen Redaction durch Herrn von Aretin besorgt wird, nicht das verdiente Lob versagen, daß er zweckmäßig und gut geschrieben ist und sehr gemeinnüßige Artikel liefert. Selbst die Flora“ verbreitet bessern Geschmack und nügliche Kenntnisse unter einer Classe von Lesern, obwol ich nicht behaupten will, daß es eine Zeitschrift von großem Werth sei.

"

Dem Herrn von Cotta wird ein Vorwurf daraus gemacht, daß er den Kammerherrnschlüssel angenommen, oder, wie hier angegeben werden will, daß er darnach gestrebt habe. An sich mag freilich wol der Kammerherrntitel einen nicht sehr großen oder blos relativen Werth haben. Indessen ist es eine Rangsbezeichnung, die in gewissen Verhältnissen ange: nehm sein kann, und die vielleicht Mancher, der darüber spöttelt, recht gern annehmen würde, wenn er sie erhalten könnte. Herr von Cotta, der nicht darnach gestrebt, sondern fie als ein Merkmal der Zufriedenheit seines Souverains erhalten hat, ist berechtigt, den ihm gewährten Titel als eine ehrenvolle Auszeichnung zu betrachten, und dafür wird er allgemein erkannt. Uebrigens hat Hr. von Cotta im gan zen Umfange feines weiten Wirkungskreises sich so viele Vers dienste um das Publicum erworben, daß ihm die Anerkennung derselben nicht entgeht.

Aus der Lecture der neuesten Taschenbücher.

3.

In dem neuesten Taschenbuch zum geselligen Vergnů: gen", herausgegeben von Fr. Kind, gibt Hr. J. H. Gottl. Heusinger einen geschichtlichen Auffah: „Der Krieg Friedrichs II. gegen seine Feinde in den Jahren 1756-63′′, wel: cher von Seiten der Richtigkeit wie des Vortrags Vieles zu wünschen übrig läßt. Unrichtige Aufstellung der Thatsachen nachzuweisen, wollen wir für einen andern Augenblick ver: schieben und uns hier begnügen, jene Behauptung durch Nachweisung von unrichtiger Bezeichnung der Personen zu docu mentiren. Seite 27 heißt es:,,Georg II. von England rati ficirte die Convention von Seeven nicht, und so sendete der König von Preußen seinen Schwager, den regierenden Herzog von Braunschweig, von seiner Armee ab“. Kurz nachher wird auch der neue Feldherr der verbündeten Armee genannt: Herzog Ferdinand, welcher aber nicht regie: render Herzog von Braunschweig war, noch gewor den ist; der regierende Herzog war Ferdinands ålterer Bruder, Karl, der im siebenjährigen Kriege nie ein Heer befehligte und sehr unzufrieden war, daß die Prinzen seines Hauses wider Destreich kämpften. Seite 29 wird der in Sachsen commandi: rende Prinz Heinrich von Preußen zum jüngsten Bruder des Kdnigs gemacht; der jüngste Bruder Friedrichs II. war aber bekanntlich der 1813 verstorbene Prinz Ferdinand.

Was den Tadel eines nachlässigen Vortrags betrifft, so mag felbigen folgende Stelle beweisen. Dieser selbst (Lau

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don) bezieht nun am Tage darauf bei Grögersdorf ein Lager. Diese ganz unerwartete Ereignisse retteten den König. Dies fer ließ sogleich den Grafen Butterlin verfolgen und brachte ihm großen Schaden durch Zerstörung seiner Magazine bei. Am 25. September verließ der König sein Lager und begann einen verstellten Marsch nach Oberschlesien, um Laudon aus seiner vortheilhaften Stellung zu bewegen. Dieser aber fendet dem Könige nur ein schwaches Corps nach" u. s. f. (Siehe Seite 64.)

Beildufig erwähnt, gestaltet sich hier das Tragische oft gar komisch. Den Feldzug vom Jahre 1762 beginnt Hr., Heusinger also: „In diesem Feldzuge, in dem legten dieses Krieges, springt endlich der dramatische Gott aus der Cous liffe hervor und löst den Knoten des Stückes vor den Augen der Zuschauer". Wahrscheinlich hätte der Schuggott der deuts schen Literatur nichts verloren, wenn Hr. Heusinger mit die ser Geschichtserzählung des siebenjährigen Krieges auch nicht aus der Coulisse hervorgesprungen wäre. 4.

Literarische Notizen aus Dänemark.

1. Italica, eller Mindeblomster fra mit Ophold i Italien. Hus J. C. Hillerup. 2 Theile. Kopenhagen, 1829.

Diese Erinnerungen an Italien sind die Frucht eines fechsjährigen Aufenthalts in diesem Lande, aus welchem der Verf. erst 1826 zurückkehrte. Die,,Italica" besteht in Originalauffägen und in Uebersehungen in Versen und in Prosa. Den 1. Theil bilden_ein_kleiner Roman:,,Fedor und Evelina", einige poetische Stücke und eine Novelle. Die Helden des Romans sind Fedor, ein russischer Maler, und Evelina, ein junges, hübsches englisches Mädchen, die einans der zum ersten Mal in Albano bei Rom sehen und natürlich sich sterblich in einander verlieben. Der gütige Autor um schlingt Beide, freilich erst nachdem er sie etwas gequält und geångstet hat, mit Hymen's Rosenketten. Der Styl ist lobenswerth, und die Beschreibung römischer Scenerei richtig und anmuthig. Auch die Charaktere sind ausgezeichnet edel und vortrefflich, und wenn sie sich nicht auf jeder Seite selbst als solche bezeichneten, so wäre es noch besser: ein Fehler, der auch bei der Novelle zu rügen ist. In beiden Theilen gibt es poetische Ueberseßungen aus dem Italienischen, die nicht ohne Zierlichkeit sind, und das Originalgedicht:,,Erins nerung an C. Ponloppidan" betitelt, ist der reine Ergus eines zärtlichen und treuen Freundesherzens. Die Stücke aus Boccaccio und Macchiavelli sind besonders treu und an muthig überfest, aber das größte Vergnügen in diesen Mittheilungen gewähren unstreitig die Notizen über Rom, die, wie der Verf. in der Vorrede sagt, nur die Vorläufer einer weitern Beschreibung Roms sind. Der 1. Theil ist dem be rühmten dänischen Bildhauer Thorwaldsen dedicirt, dem doch wol des Weihrauchs etwas zu viel gestreur ift. Von der Aufnahme dieser beiden Theile soll die Erscheinung des 3. abhängen.

2. Digte af Chr. Winter. Kopenhagen, 1828-29. Unter diesem prunklosen Titel gibt einer der ausgezeich netsten unter Dånemarks jungen Dichtern die erste Sammlung seiner Musenerzeugnisse heraus, welche die dänische Lis teratur wahrhaft bereichern. Der Reiz dieser Gedichte besteht weniger in äußerm Glanz des Genius, oder in der Künstlichkeit der Composition, als in der Einfalt und dichterischen Wärme, die sie haben. Den größten Theil bilden lyrische Gedichte, und unter diesen sind diejenigen, die gegen den Schluß der Sammlung Dånemarke Hirtenleben schildern, die besten. Nennenswerth ist außerdem das hüb, sche Studentenlied mit dem Titel:,,Her under Valhimreus rolige Skygge". 5.

für

literarische Unterhaltung.

Sonntag,

Georg Forster's Briefwechsel. Erster Artikel. *)

Nr. 3.

,,Unter allen eigentlichen Prosaisten, welche auf eine Stelle in einer Auswahl deutscher Schriftsteller Anspruch machen dürfen, athmet keiner so sehr den Geist freier Fortschreitung wie Georg Forster. Man legt fast keine seiner Schriften aus der Hand, ohne sich nicht blos zum Selbstdenken belebt und bereichert, sondern auch erweitert zu fühlen. In andern, auch den besten deutschen Schriften, fühlt man Stubenluft. Hier scheint man in frischer Luft, unter heiterm Himmel, mit einem gefunden Manne bald in einem reizenden Thal zu lustwandeln, bald von einer freien Anhöhe weit umherzuschauen. Jeder Pulsschlag seines immer thätigen Wesens strebt vormårts".

So schrieb Friedrich Schlegel („,Charakteristiken und Kritiken", I, S. 93) zu einer Zeit über Forfter, wo auch ihm jener Geist freier Fortschrei tung, den er hier mit vollem Rechte so hervorhebt und preist, noch über Alles theuer und werth war. Dieses Urtheil rechtfertigt sich auch heutzutage noch dem unbefangenen Beobachter. Ein Sinn voll Empfånglichkeit, und ein Herz voll des wärmsten, edelsten Eifers für das Wahre, Schöne und Gute, unaufhörliches Streben nach eigner und Anderer Vervollkommnung, glühende Sehnsucht nach dem Reiche des Lichts und der Wahrheit, dabei eine feine und durchdringende Beob achtungsgabe, tros des entschiedenen Abscheues gegen das Unrechte und Schlechte, doch viele Milde des Urtheils, und eine Darstellung, eine Schreibart, welche dem Tone der feinsten Gesellschaft zum Muster dienen kön nen, die, bei aller Rundung, allem sanften Flusse, aller Anmuth und Lieblichkeit, doch nichts von jener Gediegen heit und Eigenthümlichkeit eingebüßt haben, die den Styl zum Spiegel und Abdruck des denkenden Geistes machen: dies sind die Eigenschaften, welche Forster einen hohen Rang unter unsern Schriftstellern anweisen. Daß er, trog aller dieser glänzenden-Gaben, im Ganzen weit weniger gelesen zu werden scheint als er es verdient, kann in Deutschland nicht Wunder nehmen, wo der

*) Es werden noch 2 Artikel hierüber folgen. Vgl. übris
gens Nr. 130 d. Bl. für 1829.
D. Red.

3. Januar 1830.

Strom des mittelmäßigen, ja, völlig werthlosen Neuen åltern, wohlverdienten Ruhm ungleich schneller wegspült als bei andern Nationen. Wie sollte auch Der, der es für seine Pflicht hält, alle Controversschriften über Nationalismus und Supernaturalismus, so viele schlechte Uebersehungen geringfügiger französischer Memoiren, alle Romane von Walter Scott, Cooper und ihren deutschen Nachahmern zu lesen, noch Zeit und Muße übrig haben für Georg Forster, oder selbst für Lessing?

Der vorliegende Briefwechsel ist für alle Verehrer des trefflichen Mannes das willkommenste Geschenk. Wer, der einen vorzüglichen Schriftsteller liebgewonnen hat, hegt nicht den Wunsch, ihn auch da belauschen zu können, wo er sich flüchtiger, zuweilen unbedachter, aber auch kecker, freier und ungezwungener äußert als in den unmittelbar für das Publicum bestimmten Schriften, wo das Gewand, das er umnimmt, auch wider seinen. Willen immer etwas vom Feierkleide hat? Forster ers scheint hier stets unbefangen, freimüthig, natürlich und so liebenswürdig, daß man Die beneiden möchte, die ihn persönlich gekannt. Nun wird freilich für solche Briefe ganz besonders der Maßstab der Beurtheilung gelten, den Forster für alle schriftstellerische Erzeugnisse verlangt, wenn er (Ansichten vom Niederrhein", III, S. 217) fagt: Ist es nicht Thorheit, die Schriftsteller richten zu wollen wegen einzelner Empfindungen eines Augenblicks, wo man vielmehr ihre Offenherzigkeit, das Herz des Menschen aufzudecken, bewundern sollte? Wenn sie einen Fehler dabei begehen, so ist es nur eine unschickliche Wahl in der Darstellung der Eindrücke, die ihr Gefühl bestürmten. Die schnellen tausendfachen Uebergänge in einer empfänglichen Seele sählen zu wollen, die sich unaufhörlich jagen, wenn Ges genstände von Außen, oder durch ihre lebendige Phantasie hervorgerufen, auf sie wirken, wåre wirklich vers lorene Mühe". Für Uebelwollende ist überhaupt kein Buch gedruckt, am wenigsten ein vertrauter Briefwechs fel, dessen Herausgabe seine Rechtfertigung am meisten in jenem Wohlwollen zahlreicher Freunde und Verehrer eines Verstorbenen findet, welches den ganzen Menschen ins Auge faßt und sich an Einzelnes nicht stößt, das, von dem persönlichen Verhältnisse getrennt, zuweilen seltsam und schroff erscheint. Wir sind aber überzeugt,

daß dieser Briefwechsel nicht blos Forster's alte Bessie ist doch auch nicht um ein Haar breit von der Phikannte anziehen und erfreuen, sondern ihm auch recht viele neue Freunde erwerben und ihre Aufmerksamkeit auch auf seine frühern Schriften lenken wird.

Die Sammlung beginnt mit Briefen Forster's, 1778, auf einer Reise von England nach Deutschland geschrieben, wo er Hülfe suchte für seinen Vater, der damals in jenem goldreichen und doch dem Weltumsegler den verdienten Lohn vorenthaltenden Lande mit der bittersten Noth kämpfte. So empfängt gleich im Ein gange den Leser freudige Rührung über den schönen kindlichen Sinn, den Forster hier ausspricht. Keine Freude, die ihm von Andern auf dieser Reise bereitet wird, gönnt er sich, ohne sie mit einem herben Wehmuthsgefühl zu mischen, das ihm der Blick auf das alterliche Haus in der Ferne einflößt. Er lernte da= mals in Düsseldorf Friedrich Heinrich Jacobi kennen. und fand in ihm einen überaus einnehmenden, scharf sehenden, einsichtsvollen Mann, voll Gefühl fürs Schöne in allen Fächern, ganz voll richtiger Begriffe über die meisten Gegenstände". Die Bande der Freundschaft, Die Bande der Freundschaft, welche Beide bald aneinander knüpften, werden von Forster's dankbarem Sinn in Briefen gefeiert, in denen fein weiches Herz überströmt. Wer könnte den 11. Brief lesen, ohne den Mann, der so empfand, lieb zu gewinnen?

Von Kassel aus, wo F. bald darauf angestellt ward, unternahm er eine Reise nach Berlin. Ich „Ich hatte mich", schreibt er (I, S. 201) an Jacobi,,,in meinen mitgebrachten Begriffen von dieser großen Stadt sehr geirrt. Berlin ist gewiß eine der schönsten Städte in Europa. Aber die Einwohner! Gastfreiheit und ge= schmackvoller Genuß des Lebens, ausgeartet in Ueppig keit, Prasserei, ich möchte fast sagen, Gefräßigkeit; freie, aufgeklärte Denkungsart in freche Ausgelassenheit und zugellose Freigeisterei; und dann die ver nünftigen, klugen Geistlichen, die aus der Fülle ihrer Tugend und moralischen Vollkommenheit Religion von Unverstand saubern und dem gemeinen Menschenverstande ganz begreiflich machen wollen!" Es ist merkwürdig, daß in Berlin, von dem doch, als dem Mittelpunkte des preußischen Staats, so Großes ausging, sich damals, sowie lange nachher, die Richtungen und Gesinnungen am lautesten und geräuschvollsten hervordrängten, welche die Einsichtsvollen und am meisten geniale Köpfe mit Widerwillen erfüllen mußten, merk würdig, aber freilich nicht unerklärlich und nicht ohne Zusammenhang mit der ganzen eigenthümlichen Ents wickelung dieser Stadt. In Rücksicht auf Forster darf man den entschiedenen Unwillen nicht außer Acht las sen, mit dem er sich hier gegen die neologische Nich= | tung in der Theologie ausspricht, die damals in Ber- | lin vorzüglich gehegt und gepflegt wurde. Dieser Unwille spricht sich auch noch an andern Orten aus. S. 259: Die theure Philosophie unserer neuen Reformation ist mir doch auch keinen Kreuzer werth, denn

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losophie der Encyklopädisten verschieden; Voltaire im schwarzen Rock und mit den Pastorenbeffchen!" S. 341:. ,,So lange es einen blauen gestirnten Himmel gibt, wird es, troß unserer Pfaffen, unserer Volkslehrer, unserer Menschenfreunde, Leute geben, die sich freuen werden, daß man sie Enthusiasten schimpft. Wol ist es entsehlich und ein Greuel über alle Greuel, daß heut= zutage Religion nichts weiter heißen soll als Fürbitte um Regen und Sonnenschein, um Brot und Wein und Kleidung und Obdach, und was der Armseligkeiten mehr sind, die unser himmlischer Vater auch den Thieren gibt, die ihn nicht darum bitten, wie viel mehr uns, die er gelehrt hat, um ganz was Anderes vertraulich ihn anzugehen".

Dieser Widerwille gegen die berliner Schule der Aufklärer blieb, wie sich im folgenden Artikel noch zeigen wird, dem unbefangenen, wahrheitsliebenden Manne auch in einer spåtern Periode seines Lebens, wo er über religiöse Dinge ganz anders dachte als damals. Seicht heit und Oberflächlichkeit galten ihm nie für Fortschritt, wenn auch, gerade wie in unsern Tagen, noch so laut damit geprahlt ward. In Kassel gerieth Forster in religiöse Schwärmerei, von geheimen Ordensverbindungen erweckt und genährt; Forster's eigenste Natur neigte dazu freilich nicht hin. Die diesen Briefen vorange= sehte, aus der Feder der Herausgeberin, der nun auch verstorbenen Frau Forster's, geflossene Lebensbeschreibung sucht den Antrieb zu diesen Verbindungen großen Theils in Forster's steten Geldverlegenheiten und seinem Streben nach Ueberfluß. Da er nicht die Charakter kraft hatte, ohne Mismuth zu entbehren, da er sich nicht über seinen theilnehmenden Kummer, über die Bes drängniß seiner Weltern emporschwingen konnte, ergriff er den überirdischen Trost und die Aussicht auf wuns derbare Hülfe, welche der Rosenkreuzerorden ihm bot, mit sehnsüchtigem Eifer. Er betete, hoffte mit Gei stern in Verbindung zu kommen und war unaufhörlich mit chemischen Arbeiten beschäftigt, die zur Entdeckung des Steins der Weisen führen sollten". So jene Biographie, der man es nicht zum Vorwurf machen kann, daß sie ihren Helden überall zu sehr ins Schöne gemalt. Forster selbst gibt, nicht lange nachdem er sich von jener Verbindung getrennt, über seinen Antheil an derselben folgenden über ihn und andere in ähnlicher Lage Befindliche sehr belehrenden Aufschluß (S. 426): ,,Sie wissen, ich war ein Schwärmer; aber wie sehr ichs gewesen bin, welchen hohen Grad ich erstiegen hatte, das konnten, weil ichs für Pflicht hielt, es zu verbergen, sehr wenige Menschen wissen. Ich habe Alles geglaubt. Die Ueberzeugung, daß Diejenigen, die mich zu diesem Glauben führten, keine moralisch - guten Menschen wären, öffnete mir die Augen; ich glaubte nun, das ganze aufgetbürmte Glaubensgebäude auf ei ner Nadelspite ruhen zu sehen, und wie ich die unters suchte, fand ich sie auch verrostet und unsicher, ich war wie Einer, der aus schweren Träumen erwacht und einer

Lobesgefahr entronnen ist. Was ich je von Einbil | dungskraft hatte, spielte immer in fanften, rosenfarbe nen Bildern; mit Liebe, mit sanften Empfindungen konnte man mich locken, wohin man wollte. Meinem Verstande schmeichelte es, Wahrheit zu erkennen, sie auszuforschen, und meinem Herzen, sie da zu finden, wo ich sie so gern suchte. Nichts ist berauschender für einen fo eiteln Menschen, wie ich war, als das Glück, den großen Zusammenhang des Schöpfungsplanes zu übersehen, Gott nahe, in ihm gleichsam anschauend Alles zu lesen und concentrirt zu übersehen, was in anscheinender uns unbegreiflicher Unordnung da vor uns liegt, ein Vertrauter der Geisterwelt und selbst ein Eleiner Halbgott, ganz Herr der Schöpfung, alle, auch die noch verborgenen Naturkräfte zu kennen, ihnen zu gebieten, und dies Alles durch das leichteste Mittel von der Welt, durch grenzenlose, seraphische Liebe gegen das vollkommenste Wesen, innige Vereinigung im Geiste mit ihm, Selbstverleugnung im höchsten Grad, Verachtung alles Deffen, was die schnöde Welt hochachtet, Entfagung aller Eitelkeit, beständige ascetische Gemeinschaft mit ihm, contemplative sowol als praktisch expe= rimentirende Erforschung der Natur u. f. w. Bon dieser Höhe war, wie leicht vorauszusehen, der Fall etwas unsanft".

Wie sehr ist es doch zu beklagen, daß das tiefe religiöse Gefühl, welches, dem kalten ertödtenden Hauche mattherzigen Vernünftelns zu entgehen, zu dem Glauben flieht, und in dem unerschöpflichen, vom Verstande nie zu ermessenden Borne der göttlichen Gnade für den Durst des warmen Herzens Labung und Befriedigung sucht, so oft auf Irrwege geráth, in Einseitigkeit, Erstarrung, Hårte übergeht, sich von der Lust und Freude des Lebens abwendet, beschränkende Formen, todtes Buchstabenwesen auf den Thron des Glaubens erhebt. und das Reich Gottes von frommen Worten und`duBerlichen Geberden erwartet! Noch schlimmer freilich, wenn Leidenschaften und Begierden sich ins Spiel mi schen und bald sich mit jenen Regungen auf das felt= famste verweben, bald gar sich ihrer nur als Larve bedienen, die Unbefangenheit Anderer für selbstsüchtige Zwecke zu misbrauchen. Das eine Extrem führte zum andern, und zumal in jenen Tagen, wo der Unglaube mehr als je herrschte, Zweifelsucht sich aller Geister bemächtigt hatte, die durch Lesen, Forschen, durch irgend einen Grad von Bildung sich von dem frommen Glauben der Kindheit entfernt hatten. Forster's reifste Pe= riode fällt in diese Zeit; es kann Niemand wundern, daß er sich in die Skepsis tauchte, da die Philosophie den Rückweg zur christlichen Offenbarung, den Punkt, wo die Uebereinstimmung mit derselben als nothwendig erscheint, noch nicht gefunden hatte. Daher es nun von ganz religiösen Stellen aus den Jahren 1782 u. 1783, wie S. 296, 302, 326, die wir zum Nachlesen em= pfehlen, in den nächsten Jahren zu anderslautenden übergeht, z. B. S. 430: Noch gibt es viele Dinge, deren Wirklichkeit zu glauben mir ein Vergnügen

macht, so wenig diese Wirklichkeit erwiesen werden kann. Möglich ist ihr Sein und auch ihr Nichtsein, und gerade die lettere Möglichkeit ist doch wol ein hinrei chender Grund, an die Entscheidung, ob sie sind oder nicht sind, keinen einzigen Faden meines Glücks und meiner Zufriedenheit fest zu knüpfen". An Jacobi (S. 468):,,Wie wünschte ich, mein Bester, um einmal mit meiner reifern Ueberlegung und Erfahrung vor Ihren Richterstuhl treten und erfahren zu dürfen nicht welcher Ring der echte, oder ob ein echter überhaupt vorhanden ist, sondern ob es nicht Finger geben kann, auf welche der Ring, welcher es auch sei, nicht past, und ob der Finger darum nicht auch ein guter, brauchbarer Finger sein kann". Und 2 Jahre nachher an Lichtenberg (S. 582): „Meines Bedünkens hat mein Freund, der düsseldorfer Jacobi, mit_seiner Rückkehr unter die Fahnen des Glaubens eine klägliche Rolle gespielt, indem kein Mensch den Schluß einzus sehen vermag, der ihn zu dieser Rückkehr geleitet hat. Seine Nothwendigkeit eines theologischen Glaubens, weil ein physischer Glaube nothwendig ist, scheint ein sehr schwacher, sophistischer Grund; denn Anderes ist doch, an Dasjenige glauben, was alle Erscheinungen zu allen Zeiten für alle Menschenorgane gleich darstellen, und dagegen Das, was keines Menschen Organ sich je darstellen kann, und folglich nie einem Menschen Beweis oder Empfindung seines Daseins gibt. Aber freilich berufen sich Schwärmer auch auf Empfindungen, die kein gesunder Mensch je hatte". Aber selbst auf dieser Höhe, oder vielmehr in dieser Tiefe des Skeptis cismus wie ganz anders stellt Forster sich dar als die selbstzufriedene Bornirtheit, die damals den Ton angab und (leider nicht damals allein) Jedermanns Verstand in Zweifel zog, der sich erkühnte, nicht so bornirt zu sein als sie. (Der Beschluß folgt.)

Niebuhr vor dem Forum der englischen Kritik. *)

Wir übergehen die verächtlichen Ausfälle des Neides und der Beschränktheit, auf welche sich:,,A vindication of Niebuhr's,,History of Rome" from charges of the,,Quarterly review", by C. J. Hare" (London, 1829), bezieht, mit Stillschweigen und theilen unsern Lesern lieber die freu dige und hohe Anerkennung mit, welche unser berühmter Landsmann bei allen unparteiischen und urtheilsfähigen Briten findet. Sie spricht sich besonders durch eine Stimme im,,Westminster review" (Nr. XXII, S. 353-388) aus:

,,Die neuere Geschichte betreffend haben zwar die Briten stets den ersten Rang behauptet; aber was die alte an: belangt, so muß man eingestehen, daß die Briten da nie den Geist des Alterthums erfaßt haben. Der Grund ist darin zu suchen, daß die britischen Geschichtschreiber im Allgemeinen nur mit mittelmäßigen philologischen Kenntnissen ausge= ftattet gewesen sind, und daß sie nun, anstatt durch vertraute Bekanntschaft mit der gesammten alten Literatur lebendige Gemålde der alten Seiten hervorzubringen, sich begnügt haben, ihre Geschichte nach den Erzählungen der griechischen

*) Vgl. Nr. 232 u. 233, u. 287 u. 288 d. Bl. f. 1829. D. Red.

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