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1. Mémoires d'une femme de qualité sur Louis XVIII, sa cour et son règne. 4 Bånde. Paris, 1829.

2. Denkwürdigkeiten einer Frau von Stande über Ludwig XVIII., seinen Hof und seine Regierung. Aus dem Französischen überseht von Karl Schall. Ers ster Band. Breslau, Max u. Comp. 1829. 8. 1 Thlr. 12 Gr. *)

Die Neubegier erhebt die Frage, wer wol diese Dame von Stande sei, die hier als Verfasserin von Denkwürdigkei ten über eine kaum verlebte Epoche auftritt. Ich will und mus", sagt sie selber,,,meinen Namen verschweigen". Allein, nichtsdestoweniger möchte sie, ohne Zweifel um ihren Meis nungen desto mehr Gewicht und Unsehen zu geben, das Pus blicum glauben machen, sie habe der Hauptperson jener Epoche sehr nahe gestanden, sogar, sie sei deren Favorite gewesen, sie habe reiche Geschenke von ihr erhalten u. s. w. In kurzen Worten: der Leser soll glauben, diese Memoiren fldssen aus der Feder der Frau v. C., deren Standpunkt, wie man weiß, ungefähr der hier soeben bezeichnete war. Allein, es dürften wol in dieser Beziehung vorliegende Denkwürdigkeiten ledig: lich für apokryph zu erachten sein, was jedoch ihren Werth nicht schmälern würde, entspräche sonst nur ihr Inhalt den Erwartungen, welche der Titel erregt. Sind aber diese Erwartungen nicht sehr bescheiden gewesen, so findet man sich unangenehm getäuscht, sowol hinsichtlich der Anekdoten und geschichtlichen Thatsachen, die erzählt werden, wie auch im Betreff der subjectiven Tendenz der Verfasserin, die durchaus jedweder Consequenz ermangelt. Unsere Dame hatte sich, wie sie berichtet, in früher Jugend mit einem Manne von Stande verheirathet, der am Hofe Napoleons mit aller Ges walt sein Glück machen wollte. Sie sah sich daher gend. thigt, in ihrem Gesellschaftssaale die ganze vornehme Welt jener Epoche zu empfangen; deffenungeachtet haßte sie den Kaifer von ganzem Herzen, besonders seit seiner Scheidung von Josephinen. Ueberdies zog sie ein unbestimmter und un überlegter Instinkt zur Legitimitåt hin", und sie trat mit allen royalistischen Agenten in Verbindung, unter denen sie auch Hrn. Royer: Collard namhaft macht, dem sie blos vor: wirft, daß eine gewisse philosophische Eitelkeit ihn zu Ge schäften wenig tauglich mache". So brennend indessen der Eifer dieser guten Royalistin auch zu einer frühern Epoche gewesen sein mag, so scheint derselbe heute ziemlich erkaltet zu sein. Ohne alle Rücksicht auf die politische Meinung macht fie fich oftmals auf Kosten der Linken wie der Rechten lustig. Es gab", sagt fie, mit Bezugnahme auf die Zeit vor der Restauration,,,eben nicht viel Tapfere unter uns; es gab gar zu viel Gescheite Solche Leute aber kennen die Gefahr zu gut, um ihr Troß zu bieten". Der verstorbene Kd= nig, erzählt sie an einem andern Orte, habe weder die Person noch die Schriften des Hrn. v. Bonald leiden mögen. Als sich eines Tages der Herzog de La Châtre über einen heftigen Zahnschmerz mit dem Beifügen beklagte, daß er es, um einzuschlummern, vergebens mit allen möglichen Schlafmitteln versucht habe, erwiderte ihm Ludwig XVIII.: Herzog de La Châtre, lesen Sie die Legislation primitive". Die Liberalen kommen freilich nicht besser weg. „Hr. Benjamin Conftant, wie gesagt, ist der feudalste unter den Liberalen Frankreichs. Er will den Roturier spielen; allein er verdeckt blos fein Spiel. Unter seiner entlehnten Roture entdeckt man, wider seinen Willen, den Edelmann. Ich glaube in Wahrheit, er würde, erfoderlichen Falls, lieber alle seine literarischen und politischen Schriften ins Wasser werfen, wie

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*) Es ist darüber bereits in einer Correspondenznachricht aus Paris in Nr. 167 d. Bl. f. 1829 die Rede gewesen. D. Red.

seinen Adelsbrief... Als dffentlicher Beamter bietet Hr. B. C. keinerlei Bürgschaft dar; Alles ist ihm gleichgültig; alle Meinungen sind gut für ihn. Wer ihn haben mag, wird ihn haben, sagte mir Ludwig XVIII. Wer ihn Abends zuvor gewinnt, kann für den folgenden Tag auf ihn zählen ...“ Hiernächst kommt Hr. de Pradt an die Reihe. „Dieser Aus vergnate", sagt sie,,,ift lebhaft wie ein Provençale und lügt wie ein Gasconier. Er ist ein rasender Egoist; er hat die größte Idee von seinem eignen Ich, und er strebt nach nichts Geringerm als nach den höchsten Stellen, die für ihn stets unerreichbar bleiben... Hat er, wie er sagt, seit einigen Jahren aufgehört, die Bourbons zu beschüßen, so kommt dies daher, weil sie ihm nicht das Kanzleramt der Ehrenlegion gelassen haben, dessen er sich, im Augenblicke der Restauration, gleichsam zum Scherz bemächtigt hatte“.— Mit nicht mehr Achtung und Schonung wie Privatpersonen behandelt unsere Dame gekrönte Häupter. Ihrer Versicherung nach, hätte es ihr ihre Stellung gestattet, besser zu hören und zu sehen, als irgend Jemand. Es liegt darin viel Prah lerei am häufigsten jedoch fündigt sie noch weniger aus Un wissenheit, als weil sie eine beißende Lüge der platten Wahr. heit vorzieht. So berichtet sie uns, es wären am 20. März der Kaiser von Oestreich und Buonaparte vollkommen mit einander einverstanden gewesen. Sie theilt fogar die Abschrift eines Tractats mit, der zwischen Beiden bereits im Monat Oktober unterzeichnet ward. Da sie indessen wohl weiß, daß man Verstorbene ungestraft als Zeugen aufrufen kann, so verweiset sie auf Hrn. Regnault de Saint Jean d’Angely, der jenen Vertrag in Hånden haben soll, und bei welchem Neugierige das Concept davon einsehen können. 27.

Literarische Notizen aus Dänemark.

Der gelehrte Professor J. Miller beschäftigt sich_mit einer Sammlung von Denkmålern und historischen Gemälden der berühmtesten Männer seines Vaterlandes, welche den Titel ,,Mnemosyne“ führen soll. Späterhin will er auch ein Pans theon von Dänemark oder Lebensbeschreibungen der berühm testen Männer aus den 3 legten Jahrhunderten sowie eine Geschichte der dänischen Literatur von Einführung der Buchdruckerkunft bis auf unsere Zeit herausgeben.

Die Herren Olsen und Bredsdroff sind mit einer geogra phischen Karte von ganz Europa beschäftigt. Sie wurden von der Geographischen Gesellschaft zu Paris mit dem Preise beehrt.

Kopenhagen hat 3 große Bibliotheken: 1. Die königliche Bibliothek in einem schönen Gebäude an der Südseite des Palastes Christiansburg. Sie enthält 400,000 Bånde, wurde von Friedrich III. gegründet und gehört zu den bedeutendsten Büchersammlungen Europas. Hinsichtlich der Sprache, Ge schichte und Geographie des Nordens ist sie am reichsten; dagegen ist des Königs Privatsammlung besonders reich an morgenländischen Manuscripten und Inkunabeln. Von jedem im Lande erscheinenden Buche nimmt sie 2 Exemplare in Anspruch. 2. Die Universitåtsbibliothek in der h. Dreifaltig: keitskirche. Sie enthålt 100,000 Bånde, worunter sich sehr wichtige Manuscripte befinden. Sie erhält von jedem Werke ein Exemplar und ist seit 1776 täglich von 10-2 Uhr offen. 3. Die Elasenbibliothek, 30,000 Bånde stark, ward 1792 von J. F. Clasen und seinem Bruder gegründet und ist täglich 3 Stunden offen. Außerdem haben die chirurgische Akademie, der botanische Garten, die Veterinairschule, das geistliche Seminar und die Akademie der Künfte ihre eignen Bibliotheken.

5.

für

literarische Unterhaltung.

Sonnabend,

Nr. 9.

Geschichte Preußens von den ältesten Zeiten bis zum Untergange der Herrschaft des deutschen Ordens, von Johannes Voigt. Zweiter Band. Die Zeit von Ankunft des Ordens bis zum Frieden 1249. Dritter Band. Die Zeit vom Frieden 1249 bis zur Unterwerfung der Preußen 1283. Königsberg, Bornträger. 1827-28. Gr. 8.

6 Thlr.

Referent hat schon im Jahre 1827 das Vergnú gem gehabt, in Nr. 251-253 diefer Blätter dem Publicum von dem 1. Bande des obigen vortrefflichen Werkes eine Charakteristik zu liefern, und würde, wäre der Gegenstand, welchen die Darstellung des 2. und 3. Bandes enthält, nicht an und für sich zu anziehend, nur auf jene Anzeige zu verweisen brauchen, denn nicht leicht wird die neuere historische Literatur Deutschlands irgend ein Werk aufzuweisen haben, was in allen seinen einzelnen Partien so gleichmäßig, mit so überall glei= cher Ruhe, treuer Forschung und Besonnenheit gearbeitet wåre wie dieses. Der Gegenstand selbst aber, die Stiftung und Erziehung des deutschen Ordens, seine Berufung nach Preußen und die Eroberung dieses Landes scheinen eine ausführlichere Anzeige des Inhalts unerläßlich zu machen.

Das 1. Capitel des 2. Bandes führt uns nach dem Oriente, nach dem Lande wo Christus gelebt, gewirkt und gelitten hatte", und zeigt uns zuvorderst in raschem Ueberblicke das Entstehen der geistlichen Ritterorben überhaupt, dann die Schicksale des Mariens hospitals zu Jerusalem insbesondere.

Es war ums Jahr 1128, als ein frommer Deutscher, der zu Jerusalem mit seinem Weibe lebte, tief gerührt von dem jammervollen Elende, in welchem er so manche Pilgrime durch Hunger, Ermattung und Krankheit leiden sah, den Ge danfen faßte, für seine erkrankten und hålflofen Landsleute, die das Grab des Herrn besuchten, aus den Mitteln seiner Habe ein Pilgerhaus zu erbauen, denn in den andern Stif tungen solcher Art, die zur Zeit zu Jerusalem bestanden, hinderte schon die Unkunde der deutschen Sprache eine sorgsame Pflege der erkrankten Deutschen. Dieses aber war zugleich auch der Grund, daß dieses deutsche Hospital von solchen, denen Pflege in ihrer Krankheit und Erquickung in ihren Leiden vonnöthen war, bald zahlreich besegt wurde. Andere fromme Deutsche, die neben Gebet und Andacht an den hei: ligen Orten auch durch Werke menschlicher Liebe und Mild

9. Januar 1830.

thätigkeit des Himmels Gnade zu erwerben strebten, 'nahmen gern die Pflicht der Pflege der Unglücklichen über sich und beschenkten die Stiftung mit milden Gaben. Da erregte sie die Aufmerksamkeit des Patriarchen, und es ward, mit seiner Zustimmung und Unterstügung, neben dem Hospitale nun auch ein Bethaus für Deutsche errichtet, und beides unter den Schuß der Jungfrau Maria gestellt.

Was sich über dies Marienhospital bis zur Eins nahme von Jerusalem durch Saladin auffinden ließ, ist bis S. 19 mitgetheilt; es folgt dann die Geschichte des dritten großen Kreuzzuges und die mit demselben gleichzeitige und durch ihn unterstüßte Belagerung von Akkon, während welcher die Stiftung des deutschen Ordens unter Mitwirkung mehrer Brüder des Marienhospitals stattfand, durch Herzog Friedrich von Schwaben. Die Verhandlungen, welche deshalb nöthig wurs den mit Kaiser Heinrich und mit dem Papste Clemens III., welche den Orden bestätigen und ihn mit Rechten und Freiheiten ausstatten mußten, die Wahl eines Ordensmeisters geben den Stoff für die nächsten Seiten

bis S. 36.

Als der würdigfte unter allen wurde befunden der so ta= pfere als fromme Ritter Heinrich Walpot von Baffenheim, aus den Rheinlanden gebürtig, wo sein Geschlecht noch Jahre hunderte nach ihm fortgeblüht. Von ihm, einem Manne noch frischen Alters und hochgeachtet bei Fürsten und Herren, war für des Ordens jugendliches Erheben gewiß Alles zu erz warten, was die Verhältnisse der Zeit nur irgend möglich machten. Seine Tapferkeit im Kampfe, fein ritterlicher Sinn, seine Mildthätigkeit und Sorgfalt gegen unglückliche Pilgrime zeigten ihn in jeder Weise der hohen Achtung wür dig, die er als Meister des neuen Ordens nun allgemein genoß.

Lange zog sich die Belagerung von Akkon hin, bis die Ankunft der Könige von Frankreich und England eine solche Macht unter den Mauern der Stadt vers sammelte, daß an långeres Halten bald nicht mehr zu denken war. Die Einnahme verschaffte dem deutschen Orden seinen ersten festen Sig. Der Meister erkaufte einen Garten bei dem Kloster des heil. Lazarus,,,erbaute daselbst ein Hospital, daneben eine Kirche und verschie dene Wohngebäude. Eine Mauer im Fünfeck schloß das Ganze ein, und ein hoher Thurm im Süden, der Thurm der Deutschen genannt, diente zugleich als EinMan nannte das gang und als nöthige Schuhwehr. Ganze das deutsche Haus". Die Darstellung der åltesten Verfassung des Ordens, die Aufzählung seiner

ersten Besitzungen, der Tod des ersten Meisters int Oktober des J. 1200 und die Wahl eines Nachfolgers bilden den hauptsächlichsten Inhalt bis S. 55.

Erwählt wurde als neuer Meister durch die Ordensbrü der der tapfere und fromme Ritter Otto von Kerpen oder Karpen, schon ein hochbejahrter Mann und sonder Zweifel einer jener 40 Ritter, die durch ihren Eintritt den Orden begründet. Ob er aus Bremen gebürtig und, wie Manche behaupten, eines dortigen Freiherrn Sohn gewesen sei, ist zweifelhaft; eher möchten die Rheinlande sein Geburtsland sein, denn dort blühte das Geschlecht von Kerpen gerade um diese Zeit und noch lange nachher.

Ueber die Zeit, wo dieser Meister dem Orden vorstand, ist nur sehr wenig bekannt; er starb im Juni 1206. Sein Nachfolger wurde Hermann Barth, dessen Heimath bald in Baiern, bald in Pommern, bald in Holstein gesucht wird. Nur allmålig, durch Erwerbung einzelner Güter und Besißungen, durch einzelne Gaben und Vergünstigungen hob sich der Orden; was er für das heilige Land håtte sein können, ward sehr geschmå lert dadurch, daß er in die Feindseligkeiten der Johannis ter und Templer hereingezogen ward und bei den Streitigkeiten, an denen es bei den so verwirrten Verhältnissen des Königreiches Jerusalem nie fehlte, die Partei der Johanniter gegen die Templer hielt. kleinlicher, årgerlicher Zwist über die Ordenskleidung, indem die Templer nicht dulden wollten, daß die deuts schen Ritter weiße Mantel trügen, beschließt das 1. Capitel S. 67. Hermann Barth war im März 1210 gestorben, und nach seinem Tode hatte der Papst den Vorschlag des Patriarchen, die deutschen Ritter möch ten hinfort ihre weißen Rittermåntel von einer von der der Tempelherren abweichenden besondern Tuchgattung tragen, um allen Streit der Orden zu vermeiden“, bestås tigt; doch wie läßt sich Streit vermeiden, wo die Stims mung von der Art ist, daß man um solche Dinge hadert ?

Ein

Das 2. Capitel enthält die Schicksale und Thaten des Ordens unter dem Hochmeister Hermann von Salza (feines Stammes aus Thüringen, wo das Geschlecht der Edeln von Salja, reichbegütert und hochgeachtet, schon seit langen Zeiten gewohnt und von da aus sich weit verzweigt hatte") bis zu der Berufung gegen die Preußen. Dieser Hochmeister war es, der dem ganzen Institut erst seine hohe, welthistorische Wichtigkeit gegeben hat; er gehörte unter die Menschen, welche durch geraden Verstand, durch die von diesem immer gegebene Lebensgewandtheit und durch unermüdliche Thätigkeit sich Alles zu unterwerfen, d. h. zu ihren Zwecken und zu ihren Interessen in Beziehung zu brin gen wissen, was in ihre Nähe kommt. Schön ist die Schilderung, welche uns der Verf. S. 70 von Hermann gibt, schön die begeisterte Liebe zu der schönen Landschaft, der Hermann seinen Ursprung verdankte, dem Lande,,,wo seit alten Zeiten und bis auf diesen Tag in Wald und Thal Gesang und Klang ertönte". Hermann soll den Orden in solchem Verfalle gefunden haben, daß er, als er die Meisterwürde übernahm, sagte: Er wolle das Eine feiner Augen darum geben, wenn

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während seines Meisteramtes der Orden auch nur 10 ftreitrustige Ritter aufzustellen habe". Und als er im März 1239 starb, war der Orden nicht nur bei weitem reicher als vorher in Deutschland, in Italien, in dem Morgenlande begütert, sondern das neue Für stenthum desselben in Preußen konnte auch als festbes gründet betrachtet werden. Wir übergehen hier als zu weitführend eine nähere Angabe von Hermanns Thá tigkeit im Oriente, wie an Friedrichs II. Hofe, überges hen die ärgerlichen Streitigkeiten mit der Geistlichkeit, welche eifersüchtig wurde durch die dem Orden vom Papste verliehenen Privilegien, das treulose Benehmen des Königs von Ungarn und viele dazwischenfallende Begebenheiten von untergeordneter Bedeutung, um die Schilderung der Macht des Ordens, wie sie war, als der Meister derselben von Kaiser Friedrich zum deutschen Reichsfürsten erhoben ward, ganz geben zu können, mit welcher der Hr. Verf. S. 155-57 fein 2. Capitel beschließt.

Außer seinen Ordenshäusern im Vaterlande und in Ita lien, hatte er auch noch seine alten Besigungen im Morgens lande, die im Ertrage zwar nicht von sonderlicher Bedeutsam. keit und ohnedies in ihrer Sicherheit oft sehr gefährdet was ren, doch aber auch dort den Orden außerhalb der Mauern Akkons weiter verzweigt hatten, sodaß man den Anfangs fo ganz armen Orden nun schon für ziemlich begütert halten durfte. Auf diesen Gütern vertheilt und in den verschiede nen Ordenshäusern zerstreut, lebte nun auch schon eine bedeu tende Anzahl von Ordensrittern und Ordensbrüdern, die im Morgenlande unter Aufsicht des dortigen Stellvertreters des Hochmeisters, des Großkomthurs, die in Deutschland unter der des Deutschmeisters. Hermanns allgemein gefeierter Name hatte unstreitig Manchen, der nach Ruhm und Ehre geizte, auch wol Manchen, der mit frommem Herzen nur den heiligen und menschenfreundlichen Zweck des Ordens vor Augen hatte, in die geweihte Brüderschaft hineingezogen, denn der Geist der Zeit, der die Ritterorden geboren hatte, nährte die Sprößlinge der Kreuzzüge auch wol von selbst schon durch Vermehrung ihrer Gliederzahl. Zudem hatte der Papst Honorius, wie wir gesehen, manches Mittel zur Ver größerung der Brüderzahl aufgeboten und wiederholt den Eintritt in den Orden als eine heilige Weihe für den Dienst Gottes und des Heilandes angepriesen. Selbst kirchliche Gnadenmittel waren für die Theilnahme an der Gemeinschaft des Ordens vom Papste öffentlich ausgesezt worden. Und wenn man weiß, wie lockend solche Mittel in jenen Zeiten waren, und wie- mächtig fie einwirkten auf die Entschlüsse und Gesinnungen der Menschen, so ist leicht zu glauben, daß auch sie zur Vermehrung der Ordensbrüder nicht ohne bedeu tenden Erfolg blieben. Sicherlich bedurfte es zur Bezähmung des wilden Kumanervolkes, an den Grenzen des Burzenlandes einer ansehnlichen Zahl streitbarer Ordensritter, einer nicht minder bedeutenden zur Bewachung und Vertheidigung der kaiserlichen Burgen auf Sicilien und zur Besehung der Dr. denshäuser in Deutschland und in Syrien. Dazu nun noch die dem Orden zugehörigen Halbbrüder, welche vorzüglich in den ersten Zeiten für des Ordens Erhaltung und für die Vermehrung seines Einkommens in aller Weise so wichtig wurden und den Stamm der Ordensverbrüderung auch in einen Stand verbreiten halfen, von welchem er sonst durch beschränkende Gesehe geschieden war.

Das 3. Capitel enthält (S. 158-204) im Des tail die Umstände, unter denen die Berufung des deuts schen Ordens nach dem Norden statt hatte, wie vor

fichtig Hermann von Salza dabei zu Werke ging, wie die ersten Niederlassungen der Ritter im Kulmerlande statthatten, wie Herzog Konrad von Masovien, der • Bischof Christian von Preußen und das Stift zu Ploczk dem Orden alle Rechte in und über das Kulmerland abtraten und zugestanden, mit einzigem Vorbe= halte der bischöflichen Gerichtsbarkeit, welche Christian verblieb. Eine Stelle dieses 3. Capitels veranlaßt uns noch zu einigen besondern Bemerkungen; es ist folgende:

Es war ein höchst wichtiger Entschluß, den Hermann gefaßt hatte, gewiß der wichtigste Gedanke, der sich jemals in seinem Geiste bewegt hat; denn wenn man erwägt, was aus ihm, als dem Urquell der gesammten nachfolgenden Er. eignisse, für Preußen auf Jahrhunderte lang Alles hervorging, wie in ihm zunächst die Bestimmung der Schicsale eines ganzen Volkes für unendliche Zeiten lag, wie durch ihn ein Land, rings umgeben von Völkern slawischer Eigenthümlichkeit, deutscher Gesinnung, deutscher Sprache, Sitte und Ge fegen zugewandt wurde, und wenn man ferner noch hinzunimmt, wie folgenreich hierdurch wieder auf einen großen Theil des ganzen europäischen Nordens in mannichfaltigster Weise eingewirkt und in Staaten und Völkern unendlich Vieles anders gestaltet, umgebildet und umgewandelt wor den ist; wenn man dieses Alles im Vorblick auf die kom: menden Jahrhunderte zusammenfaßt und im Geiste nach sei: ner ganzen Wichtigkeit verfolgt, so liegt gewiß in Hermanns Gedanken, seinen Orden auch nach Preußen herauf zu verpflanzen, eine wahrhaft königliche Größe, und der Augenblick, in welchem er diesen Entschluß faßte, ist unbezweifelt der größte und wichtigste Moment seines ganzen Lebens; denn diesen einen Gedanken aus Hermanns Seele hinweg und es gab wol nie ein deutsches Preußen!

Wir wollen hier nicht erwågen, ob es überhaupt zweckmäßig sei, in einer historischen Darstellung zu un-. tersuchen, was geschehen sein könnte und nicht geschehen | sein könnte; denn sobald eine Darstellung durch die Form auf die Menschen wirken soll, wird man ihr auch die gehörigen Hebel des rhetorischen Wirkens zugestehen müss sen, und daß auf die meisten Menschen dies nicht ohne | Wirkung bleibt, das Wirkliche mit allerhand Möglichkeis ten in Contrast zu bringen, kann als durch die Erfah❘ rung ausgemacht gelten; wir wollen uns vielmehr an einen Theil der Ansicht halten, welche in dieser Stelle aufgestellt ist, und welche dann durch das ganze Werk sich durchspinnt: es wird nämlich überall als ein Glück betrachtet, daß Preußen, daß die Ostseeländer der deutschen Art und Bildung gewonnen worden seien. Daß es ein Glück war für Preußen, leis tet keinen Zweifel; es ist diese kleine Landschaft dadurch mit einer Sprache und Bildung bedacht worden, welche das Resultat des Lebens von Millionen auf sehr verschie denem, zu sehr individualisirtem Leben Motive enthaltenden Terrain war; es hat einen geistigen Zusammenhang be= kommen, bis wo bei Murten sich Allemannen und Burgunder, bei Brüssel Deutsche und Wallonen, bei Sas lurn Tiroler und Lombarden sich scheiden; es hat die Heranbildung an Schriftstellern gewonnen, die des Súdens aufgeschlossenerer Sinnlichkeit, des Westens raschere Gewandtheit des Geistes dem Nordostdeutschen in der Sprache zu Gesicht gebracht haben, die er selber spricht; daß es also für Preußen ein Glück war, daß die allezeit

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bornirte Art eines unter rauhem Klima wohnenden, der Menschenzahl nach unbedeutenden, über ein wenig durch Individualisirung zerrissenes Terrain verbreiteten Volkss stammes nicht geschont und, gleich andern Armseligkeiten dieser Art in andern Gegenden der Welt und sogar Deutschlands, auf die Nachwelt gebracht worden ist, darüber ist kein Streit. Aber das läßt sich noch fragen, ob es für Deutschland ein Glück war, daß Preußen deutsch wurde, und da möchte sich manches Erhebliche dagegen sagen lassen. Schwerlich möchte sich irgend eine Uebelthat in der Geschichte so schwer gerächt haben als die Führung deutscher Waffen gegen Often, weiter als unmittelbare Noth und Abwehr erfoderten. Die Eroberungen östlich der Elbe, östlich von Böhmen, die Erwerbung von Ungarn sie vorzüglich haben die Blicke unserer mächtigsten Fürstenhäuser Jahrhunderte lang nach Osten gewendet, um mit den gemachten neu zu machende Erwerbungen zu verbinden, oder die ge= wonnene Grenze zu schüßen; und unser herrlicher Westen, Lothringens wildtapferer Menschenschlag und des Elsasses fröhlich derbe Bewohner sie sind uns sammt der Freigrafschaft Burgund entfremdet, mit weniger Nachdruck hat man das Verbleiben der Eidsgenossen im Reichsverbande verlangt, hat die zu reicher Bildung, zu klarer Weltansicht und tiefem Genusse forttreibende Richtung auf Italien aufgegeben oder nur in ähnlicher Weise fortgefeßt wie die Richtung nach Osten; was kommt am Ende als Resultat zum Vorschein, wenn man die verlorenen Landschaften mit den gewonnenen vergleicht? In jenen ist ein buntes, jeder Kraft des Lebens Raum gebendes, vielfach durch Bodenformation, wie durch Verschiedenheit der Rechte und Verhältnisse individualisirtes Terrain verloren gegangen; der Kern

der rheinischen Ritterschaft, die schweizer und niederlothringischen Städte, geistliche Herrschaften, alte Landsgemeinden, Trümmer von Reichsvogteien alle diese unendlich bunte und reiche Welt sie ist verloren, ist von Fremdlingen erdrückt worden, die vorzüglich durch diese Provinzen die Kraft gewonnen haben, auch weiter auf Deutschland hereinzudrücken; in diesen aber, den Ländern des Ostens, ist die deutsche, statt wie im Westen und Süden mit der sonnenklaren romanischen, mit nebelgrauer slawischer Art gemischt worden; in diesen sind sehr bald als nothwendige Folge der Eroberung bei weitem allgemeinere Verhältnisse entstanden; was von untergeordneten Kreisen hat Widerstand leisten wollen, wie etwa hier und da die Städte, die man nach westlichern Mustern eingerichtet hatte, die zum Theil mit der Hanse in Verbindung waren, oder die. Ritterschaft des Landes, ist unterlegen, im Kampfe erz mattet, und so konnte von den Ländern östlich der Elbe für Deutschland die Einführung mechanischern Staatslebens ausgehen, welches ebenso sehr wie das Eindringen der westlichen Nachbarn die urspünglich deutsche Art verkümmert, die Zahl der kleinen und in sich verschiedenen, selbständigen Kreise, auf denen der Reichthum und die Mannichfaltigkeit deutschen Lebens

'beruhte, verringert hat. Welch ein Unterschied der Bildung zwischen der ursprünglich deutschen und der modernen mechanischen Staatsbildung in ihrer Einwir kung auf die Menschen ist, sieht man an den Provin zen, wo sich jene am långsten erhalten hat, oder am treusten noch besteht; welch einen Schaß innerer Poesie und Geistestiefe zeigt nicht im ganzen Volksleben, wie in einzelnen, die Provinz gewissermaßen repräsentirenden Individuen das alte Allemannenland vom Zürichersee bis zur Lahn; welchen Sinn für heitern Lebensgenuß, für sinnige Auffassung der Außenwelt birgt nicht der Thüringerwald in seinen Thälern? Dies also ist von jenem Streben nach Osten für Deutschland der Gewinn gewesen, daß die ucaltdeutschen Provinzen des Westens verloren und dagegen halbslawische erworben worden sind, und daß an die Stelle des schönen lebendigen Ges zaunes, welches zu Anfange des 16. Jahrhunderts noch ganz und, troß des Gespótts der Zeit, auch im 18. Jahrhundert noch leidlich das deutsche Reich umschloß, das künstliche Werk neuerer mechanischer Staatsbildung getreten ist. (Die Fortsetzung folgt.)

Die deutschen Musenalmanache. *)

In der 7. Auflage des Conv. Lexikon" heißt es, im II. Bande, in dem Artikel „Taschenbücher und Almanachs: literatur in Deutschland“, S. 51: „Die berühmteste Samm lung derselben (der deutschen Musenalmanache) ist die von Bürger und Voß. Der französische „Almanach des Muses" brachte beide Freunde auf den Gedanken, eine ähnliche Sammlung für Deutschland zu veranstalten, und ihr Be: mühen wurde in jener durch den bekannten göttinger Freundesverein für die deutsche Poesie so bedeutungsreichen Zeit mit großem Erfolge gekrönt. Von 1770—76 gaben beide Dichter die Sammlung unter dem Titel:,,Göttingischer Musenalmanach" (auch,,Blumenlese") gemeinschaftlich heraus. Von 1777-94 besorgte Bürger denselben allein. 1795-1803, wo er aufhörte, war Karl Reinhard der Herausgeber. Voß begann 1777 eine besondere Sammlung, im Ver: ein mit Göcking, welche bis 1798 fortdauerte und sich von jener durch den Titel:,,Hamburgische poetische Blumenlese" auszeichnete". Diese Angaben bedürfen einer Berichtigung

und Ergänzung.

Von

Bürger und Voß haben nie einen Musenalmanach gemeins schaftlich herausgegeben, und Beide sind nicht die ersten Her: ausgeber eines deutschen Musenalmanachs. Der zu Göttingen erschienene Musenalmanach hat auf dem Titel nie den Beifag,,Göttingischer", der zu Hamburg erschienene nie den Beifah,,Hamburgischer“, und der legte nie den Titel „Poetische Blumenlese" gehabt. Den ersten deutschen Musenal: manach gab Boie für das Jahr 1770 zu Göttingen heraus. Kästner, und besonders Gotter hatten Antheil an dem Unter: nehmen und lieferten auch, nebst Boie, zuerst ungedruckte Beiträge. Ursprünglich war es, nach dem Beispiele des fran: zösischen Musenalmanachs, blos die Absicht, die einzeln oder zerstreut in Deutschland erscheinenden guten Gedichte jährlich zu sammeln und sie allenfalls mit einigen neuen zu vermeh: ren. In der Folge wurde es Grundsag der Herausgeber deutscher Musenalmanache, nur ungedruckte Gedichte zu lie: fern. Boie sehte den seinigen bis zum Jahre 1775 fort. Vom Jahre 1776 an unternahm Voß einen zweiten, der An

D. Red.

fangs in Lauenburg, dann in Hamburg und zuleht in NeuStrelig herauskam. Die Herausgabe des göttingischen führte v. Göckingk vom Jahre 1776-78 fort. Vom Jahre 1779 an vereinigte er sich mit Voß zur gemeinschaftlichen Besorgung des hamburgischen. Nun übernahm Bürger, vom Jahre 1779 an, den göttingischen und sehte ihn bis zum Jahre 1794 fort. Nach seinem Tode folgte ihm Karl v. Reinhard als Herausgeber, seit dem Jahre 1795. Bis zum Jahre 1802 war der Musenalmanach" (welcher zugleich den Titel,,Poe: tische Blumenlese" führte) in Göttingen erschienen. Den Jahrgang 1803 gab v. Reinhard in Leipzig und den folgen: den für das Jahr 1804 in Münster heraus. Mit_einem neuen Titel und der Jahrzahl 1807 wurde diese lehte Samm: lung wiederholt in die Lesewelt eingeführt. In der Vorrede dazu wird die Geschichte des „Göttingischen Musenalmanachs" erzählt. Reinhard vereinigte den,,Musenalmanach" mit dem von ihm für die Jahre 1798 - 1803 herausgegebenen „,Nomanenkalender", und es erschien die Polyanthea, ein Tas Der schenbuch für das Jahr 1807“, zu Münster. Got: tingische Musenalmanach" hat also eine Dauer von 35 Jahren gehabt. Da aber die ältere Verlagshandlung zu Göttingen gleichfalls eine Fortsegung für das Jahr 1803 versuchte, welche Sophie Mereau redigirte, so besteht er aus 36 Bånds chen. Die frühern Jahrgänge sind långst nicht mehr im Buchhandel zu haben, und die vollständige Sammlung, mit allen Musik und Kupferblåttern, ist eine Seltenheit. 33.

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Schloß Sternberg. Ein Roman von Wilhelm Martell. 2. Theile. Breslau, Max. 1828. Gr. 12. 2 Thlr. 8 Gr.

Die deutsche Lesewelt (wir meinen hier freilich die Worthies derselben) hat alle Ürsache, dem Hrn. W. Martell, oder wie er mit seinem rechten Namen heißen möge, für sein ,,Schloß Sternberg" dankbar zu sein. Es ist kein aus Latten und Leinwand auf den Effect zusammengezimmertes Decora tionsgebäude, sondern eine aus wahrhaft poetischem Grund und Boden hervorgerufene, lebendige Schöpfung, in die er uns einführt. Der Fabel fehlt es nicht an Reiz, der Sprache nicht an Eleganz, Hewandtheit und Schwung, den Charak teren nicht an Frische und plastischer Kraft. Einige unter diesen sind vorzüglich gelungen, wie z. B. Franz, der Held des Buches; der rauhe Grenzjäger Trost; der lange Friede, der mit dem liebenswürdigen Franz einen interessanten mo ralischen Contrast bildet, und viele andere vortrefflich ge= zeichnet sind. Die Scenen, in welchen das Wesen der Grenz: jäger, Schleichhändler und Wildschüßen geschildert wird, Franz seine Meisterschaft im Schießen bewährt, wo er ferner mit der Wahnsinnigen zusammentrifft, die er für seine Mut ter hält u. s. m., müssen durch ihre Wahrheit und Lebendig keit auf jeden nur einigermaßen empfänglichen Leser den tiefsten Eindruck machen. Obschon man das endliche Schicksal des Helden früh erråth und mancher kleinen Unwahrschein lichkeit begegnet, so wird man doch in fortwährender Span= nung gehalten und durch die Lösung des Ganzen überrascht und befriedigt. Hr. B. Martell liefert uns den erfreulichen Beweis, daß die Romanendichter, die sich auf Kenntniß des menschlichen Herzens, treffliche Charakterschilderung und mei: sterhafte Behandlung der Sprache verstehen, nicht blos jen: seits des Canals zu Hause sind, von woher wir so viel Fa brikwaaren übersehen lassen. Wir hoffen nicht zu irren, wenn wir vorliegendes Buch nur als den Vorläufer einer Reihe gediegener Arbeiten aus der Feder desselben Verfassers betrachten *), und freuen uns, Jedem, welchem es um eine anmuthige und geistreiche Unterhaltung zu thun ist, „Schloß Sternberg" von Herzen empfehlen zu können.

19.

*) Der Verf. hat sich schon früher durch einige gelungene Arbeiten
vortheilhaft bekanntgemacht.
D. Red.

*) Vergl. eine Notiz in Nr. 145 d. Bl. f. 1829.

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