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Darauf sucht er im einzelnen zu beweisen, daß das ganz unberechtigt sei. Er räumt ein, daß für die, deren Leben dem Studium gewidmet ist, die Kenntnis der fremden Sprachen erforderlich ist, aber für denjenigen, der bloß zu seinem Vergnügen und zu seiner Unterhaltung lese, und der nicht nach literarischen Ehren trachte, böten die eigenen Schriftsteller alles, was er brauche, um seine Wünsche zu befriedigen.

Die englischen Dichter von Spenser bis Pope seien allen Autoren überlegen, deren sich der Kontinent rühmen könnte, und daher würden die Dichter der andern Nationen, so bekannt sie auch seien, in England nur sehr wenig gelesen. 1) Ebenso fände auch jeder im eigenen Land alles, was in Mathematik und den abstrakten Wissenschaften wissenswert sei; was die „Kenntnis der Natur der Körper" beträfe, so sei England allen voran. Am flauesten verteidigt Johnson die englische Philologie und Kritik, die nur sehr wenig fremder Hilfe bedürften". Indirekt ist dies also doch ein Eingeständnis, daß die Engländer in dieser Hinsicht den Franzosen nachständen. 2) In der Philologie hat er zweifelsohne das Wörterbuch der französischen Akademie und andere grammatikalische und sprachwissenschaftliche Arbeiten im Auge. Schließlich legt er noch dar, daß keine andere Literatur sich eines solchen Schapes theologischen Wissens rühmen könne, und daß auch bezüglich politischer Werke die Engländer sich selbst genügen könnten. 3) Bemerkenswert ist, daß er die Geschichtsschreibung und die Briefliteratur unerwähnt läßt; und dieser Zurückhaltung entspricht, daß er bei anderen Anlässen (R. 122, 152) die Rückständigkeit der Engländer in diesen Zweigen

1) Hier spricht Johnson gegen sein besseres Wissen. Im grellsten Widerspruche hierzu steht seine Befürchtung, die er fünf Jahre zuvor geäußert hatte, daß durch die häufigen Übersetzungen aus dem Französischen, die den französischen Satzbau wiedergäben, die Engländer schließlich dazu gebracht würden, einen Dialekt Frankreichs zu stammeln (IX 226, siehe später S. 16).

*) Dies Bewußtsein der Rückständigkeit Englands in der Philologie kommt auch noch an anderen Stellen zum Ausdruck, vgl. IV 636 u. IX 227 (siehe S. 14). 3) Es ist seltsam, daß Johnson, der hier zeigt, daß die Engländer ihre Bildung in allen Wissenschaften viel besser durch einheimische Autoren erwerben können, im Vorwort zum „Preceptor" (1748) für die englische Jugend selbst viele von Franzosen verfaßte oder doch wenigstens französisch geschriebene Bücher aus den verschiedensten Wissensgebieten empfiehlt. Eine Zusammenstellung dieser Bücher, die alle an ihrer Stelle von uns erwähnt sind, dürfte den Widerspruch am deutlichsten hervortreten lassen: Für die Geometrie empfiehlt er Le Clerc und Tacquet; für die Geschichte Le Clerc's Compendium of History, Petavius's Rationarium Temporum, Scaliger's de Emendatione Temporum; für die Kirchengeschichte: Dupin und Fleury; für die Dichtkunst Bossu und Bouhours; für den Zeichenunterricht: The Jesuit's Perspective; für die Logik: Crousaz und Le Clerc; für die Philosophie Spectacle de la Nature; für die Kenntnis des Handels Dictionnaire de Commerce.

der Literatur den benachbarten Nationen gegenüber bedauert; ihre Erwähnung hätte daher dem Zweck dieses Aufsages, in dem er den französischen Einfluß bekämpft, wenig entsprochen. Daß dieser Aufsaß des Idler in erster Linie gegen Frankreich gerichtet ist, geht auch aus dem Schlußsag hervor: Laßt uns unsere Nachbarn nicht stolz machen, indem wir bei ihnen Hilfe suchen, die wir nicht nötig haben, noch unsern Fleiß durch Schwierigkeiten entmutigen, mit denen wir uns nicht zu belasten brauchen“ (VIII 368).

So stolz Johnson aber auch auf die Überlegenheit Englands über das Frankreich seiner Zeit ist, so muß er doch zugeben, daß das einstmals anders war, und daß England seinem nachbarlichen Nebenbuhler gerade in literarischer Hinsicht sehr viel verdankt.

Nach Johnsons Anschauung ist die Literatur, deren Blüte für ihn in England erst mit dem Klassizismus beginnt, von Frankreich herübergekommen. Die Überlegenheit der englischen Literatur, auf die er stets hinweist, hat nach seiner Auffassung ihre Grundlage in der französischen, und dies gibt er auch ausdrücklich zu. „Die Literatur“, sagt er, „war lange Zeit in Frankreich, bevor wir sie hatten. Paris war die zweite Stadt für das Wiederaufleben der Wissenschaften. Italien hatte sie vorher; in Frankreich war nicht ihr erster Frühling, höchstens ihr zweiter, ein Frühling nach einem Winter. 1) Was haben wir für die Literatur getan", fragt er, „was dem gleichkäme, was von den Stephani und anderen in Frankreich getan wurde! Unsere Literatur kam zu uns durch Frankreich." Aber hierauf als be= fürchte er, Frankreich zu sehr zu loben betont er wieder, daß nunmehr die Engländer den Franzosen überlegen seien: „Wir sind jetzt den Franzosen über in der Literatur, aber wir hatten sie in England erst lange nach ihnen. Jeder Mann, der einen Degen und eine gepuderte Perücke trägt, schämt sich, nicht literarisch gebildet zu sein. Ich glaube nicht, daß es in Frankreich ebenso ist. Aber trotzdem ist in Frankreich sehr viel Gelehrsamkeit, weil sie eine so große Zahl religiöser Institute besißen, so viele Menschen, die nichts zu tun haben, als zu studieren.... Wo viele Schüßen sind, sind immer auch einige Treffer" (Bosw. 369). Bei dieser rühmenden Erwähnung der Klöster hat Johnson sicher vor allem die Verdienste der Jesuiten, der Benediktiner, deren Bibliothek er bei seinem Aufenthalt in

1) Diese Äußerung Johnsons ist nämlich die Antwort auf die Behauptung: Literature is upon the growth, it is in its spring in France; here it is rather passée (Bosw. 368). Dies will Johnson nicht zugeben. Der Frühling der Literatur sei von Italien ausgegangen und nicht von Frankreich, wo es höchstens ein zweiter, ein Frühling nach einem Winter gewesen sei.

Paris mit großem Interesse besichtigte,1) und nicht zuletzt auch der Jansenisten von Port Royal im Auge.

England erhielt somit

Passus einzugehen

um auf den Hauptgedanken des zitierten seine Literatur durch die Vermittlung Frankreichs. Wann aber kam nach Johnsons Anschauung die Literatur von Frankreich nach England? Das geht deutlich aus seiner Darstellung der englischen Literaturgeschichte, wie sie uns in den „Lives" entgegentritt, hervor. „Im 16. Jahrhundert", sagt er, war England noch nicht der Hauptort der Literatur (capital of literature), als welcher es heute mit Recht gilt" (Life of Ascham, 1515-1568, IV 626). Waller und Denham bezeichnet er als die Reformatoren der englischen Dichtkunst (Lives, II 309); Denham nennt er „einen der Väter der englischen Poesie" (Lives, II 75) und bald darauf einen derer, die „den Geschmack in England verbesserten" (ibid. II 81). Waller und Denham stehen aber an der Spiße der Dichter, die, sich auf die französische Literatur stügend, dem Klassizismus in England zum Durchbruch verhalfen. 2) Damit beginnt, wie wir bereits betont haben, für Johnson eigentlich erst die englische Literatur, und daraus geht her= vor, in welchem Maße er diese der französischen Dichtkunst zu Dank verpflichtet glaubt. 3)

Johnson verehrt das Frankreich, das das Studium des Altertums eifrig pflegt, das eine Literatur auf den Schönheitsbegriffen des Altertums aufbaute, und das diese dann England vermittelte. Diese Epoche der französischen Entwickelung ist es, der er die höchste Anerkennung zollt, indem er sie als „die Mittagsstunde des Wissens der Franzosen“ bezeichnet.

2. Johnson und die französische Renaissance.

Nächst den Alten genießen die Gelehrten der Renaissance, „die ihre Sprache und ihren Stil mit so großem Erfolg nachahmten, und die mit so viel Fleiß daran arbeiteten, sie allgemein verständlich zu machen“ (IX 347),

1) Siehe sein Pariser Tagebuch unter dem 25. Oktober 1775 (Bosw. 262). 2) Auch Gosse, der den englischen Klassizismus in englischen Verhältnissen begründet sieht, gibt den Einfluß der französischen Literatur zu, siehe S. 112.

3) Diese Bedeutung Frankreichs war für England nach klassizistischer Auffassung besonders groß, weit größer als der moderne Literarhistoriker zugibt. Für den Klassizisten war die höchste Dichtung diejenige, die von Frankreich ausging; während die frühere Literatur, auch die Dichtung Shakespeares, mehr der Ausdruck eines noch in der Barbarei steckenden Volkes war. Das war auch Johnsons Auffassung. Um die Mängel Shakespeares zu entschuldigen, sagt er: The English nation, in the time of Shakespeare, was yet struggling to emerge from barbarity (IX 264).

Johnsons höchste Achtung. In stattlicher Anzahl sind die Namen der italienischen, der französischen, der niederländischen und der deutschen Renaissance in seinen Werken vertreten, was auf eine gediegene Kenntnis jener Periode schließen läßt. Daher ist es nur zu bedauern, daß er seinen Plan, die Geschichte des Wiederauflebens der Wissenschaften zu schreiben, nicht zur Ausführung gebracht hat. Daß er ein umfangreiches Werk dieser Art zu schreiben beabsichtigte, ist aus folgender Notiz in einem Katalog geplanter Werke zu ersehen: History of the Revival of Learning in Europe, containing an account of whatever contributed to the restoration of literature; such as controversies, printing, the destruction of the Greek empire, the encouragement of great men, with the lives of the most eminent patrons, and most eminent early professors of all kinds of learning in different countries (Bosw. 551). In diesem Werke hätte die französische Renaissance, nach der Art und Weise wie er ihrer gedachte und der Zahl der gelegentlich erwähnten Namen zu urteilen, eine hervorragende Rolle spielen müssen.

Von den Homerübersetzungen Popes sprechend, faßt Johnson sein Urteil über jene Zeit, in der sich die Franzosen um die Wiederbelebung des Altertums bemühten, folgendermaßen zusammen: „In der Mittagsstunde ihrer Gelehrsamkeit (the meridian hour of their learning) waren die Franzosen in sehr löblicher Weise bestrebt, ihre Sprache mit der Weisheit der Alten zu bereichern, sahen sich aber aus irgend einem Grunde genötigt, die griechische und römische Poesie in Prosa zu übertragen. Wer daher einen Autor zu lesen verstand, konnte ihn auch überseßen. Vor solchen Nebenbuhlern braucht man keine große Angst zu haben" (Lives, IV 125). Diese Versuche wurden nach Johnsons Meinung von den Engländern bald überflügelt, die auch vor metrischen Übersetzungen nicht zurückschreckten und darin mit Erfolg tätig waren, ein Unternehmen", so sagt er in der Biographie Drydens, „auf das die Franzosen in Verzweiflung zu verzichten scheinen, nnd daß wir lange unfähig waren, mit Geschick auszuführen" (Lives, II 387).

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Bezüglich der einzelnen Vertreter der französischen Renaissance, die sich um das Studium des Altertums verdient gemacht haben, die aber in der französischen Literatur selbst nicht produktiv tätig waren, oder wenigstens bei Johnson in dieser Eigenschaft keine Erwähnung finden, können wir uns mit einer kurzen Aufzählung begnügen.

Was haben wir für die Literatur getan, was sich mit dem messen könnte, was die Stephani für sie getan haben!" (Bosw. 369). Danach scheint er die Stephani für die verdienstvollsten Männer der Renaissance in Frankreich gehalten zu haben. Er meint damit die zwei bekannten Drucker und Verleger des 16. Jahrhunderts, Robert Estienne (1503–1559) und seinen bedeutenderen Sohn Henri Estienne (1528-1598). Dieser hat sich be

sonders einen Namen gemacht durch die Veröffentlichung des „Thesaurus græcæ linguæ". Von ihm besaß Johnson die 1560 erschienenen „Poetæ græci principes carminis heroici", wie das aus seinem Testament ersichtlich ist: To Mr. Windham: Poetæ Græci Heroici per Henricum Stephanum (Bosw. 551). Die genauere Kenntnis dieser beiden Humanisten kann Johnson aus einem Buch von Maittaire geschöpft haben, das Johnson als ein schwerfälliges (heavy) Buch bezeichnet. Michel Maittaire lebte von 1668-1747. Im Jahre 1709 erschien seine Beschreibung des Lebens und der Werke der Stephani: Stephanorum Historia, vitas ipsorum ac libros complectens, London 1709, von Johnson kurz als Mattaire's [sic] account of the Stephani angeführt (Bosw. 430). Von diesem Manne, den er zwar als ge= lehrt rühmt, aber als einen unklaren, verworrenen Kopf von sehr wenig Geist bezeichnet, erwähnt Johnson ziemlich mißachtend noch seine lateinische Gedichtjammlung: „Senilia", deren vollständiger Titel lautet: „Senilia sive poetica aliquot in argumentis varii generis tentamina, Paris 1742" (Bosw. 430, vgl. Hill's Bosw. IV 2). Am häufigsten begegnen wir dem Namen Scaliger in Johnsons Werken. Seine Erwähnungen, die sich auf Jules César Scaliger (1484-1558) und Joseph Juste Scaliger (1540—1609) beziehen, verraten eine große Vertrautheit mit dem Leben und Wirken dieser beiden Gelehrten. Die beiden Bücher, die Johnson nennt, haben den jüngeren zum Verfasser. Zum Studium der Geschichte empfiehlt Johnson für die englische Jugend im Vorwort zum Preceptor (IX 412): „De Emendatione Temporum“, dessen vollständiger Titel lautet: „Opus de emendatione temporum accesserunt veterum Græcorum fragmenta selecta, cum notis, Paris 1583. Von Joseph Scaliger stammt auch die die Abstammung seines Geschlechtes behandelnde Schrift: Accurata Burdonum Fabulæ Confutatio, die sich in Prayers and Meditations" vermerkt findet als: Confut. Fab. Burdonum (Misc. I 69).

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Über Peter Ramus (Pierre de la Ramée 1515–1572) erfahren wir von Johnson, daß er die Ruhe der Schulen störte“ durch seine Bekämpfung der antiken Philosophie (Lives, II 137); dabei dürfte Johnson wohl vor allem an die „Institutiones dialectica" (1543) gedacht haben, worin Ramus gegen Aristoteles vorgeht, dessen Philosophie er bereits in seiner Doktorthese im Jahre 1536 verworfen hatte. Johnsons Interesse an der modernen lateinischen Dichtkunst kommt zum Ausdruck in der Erwähnung des Gelehrten Passeratius (Jean Passerat 1534-1602), den er als einen guten, aber wenig bekannten Schriftsteller rühmt, und von dem er das lateinische Gedicht ,,Nihil" wiedergibt (Lives, II 202) und seine selbstverfaßte Grabschrift (ibid.), sowie diejenige auf Heinrich IV. erwähnt (IX 442). Passerats lateinische Gedichte erschienen 1597 unter dem Titel: Kalendæ

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