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Die Wichtigkeit dieses von VAN BENEDEN Zuerst erkannten Verhaltens ist so vielfach erörtert worden, daß ich hier darüber hinweggehen kann und nur die eine, durch die Publikationen von O. ZACHARIAS veranlaßte Bemerkung anfügen möchte, daß O. HERTWIG, als er seine Befruchtungs- und Vererbungstheorie näher ausführte 1), die Resultate VAN BENEDEN'S nicht nur kannte, sondern auch anerkannte und sogar zur Begründung seiner theoretischen Betrachtungen verwertete.

Hat VAN BENEDEN Sonach durch seine Untersuchungen unsere Einsicht in das Leben der Zelle um eine Reihe fundamentaler neuer Thatsachen bereichert, so sehe ich einen kaum geringeren Wert seines Werkes in der erstaunlichen geistigen Durchdringung des Stoffes, in der Art und Weise, wie VAN BENEDEN jedes scheinbar unbedeutende Detail beachtet, eines mit dem anderen kombiniert, wie er jede Beobachtung von allen Seiten beleuchtet und nach allen Richtungen verfolgt und wie er so einer jeden Erscheinung einen neuen Gedanken abzugewinnen weiß. Wie vieles hiervon auch durch spätere Untersuchungen anders gestaltet werden mag, das Buch enthält eine Fülle von neuen Fragen und Ideen, und ich gestehe gern, wie viel Anregung und Belehrung ich gerade aus diesen Eigenschaften desselben geschöpft habe.

Daß auch nach der so äußerst sorgfältigen Durchforschung, welche VAN BENEDEN dem Ei des Pferdespulwurms hat angedeihen lassen, weiteren Untersuchungen noch ein fruchtbares Feld offen steht, das hat uns der belgische Forscher neuerdings selbst bewiesen, indem er, gemeinsam mit A. NEYT (11, 14), sowohl über die Genese der achromatischen Teilungsfigur, als auch über die Konstitution der Blastomerenkerne die Ergebnisse seiner ersten Abhandlung sehr wesentlich erweiterte.

In der gleichen Richtung hatte gleichzeitig ich selbst (10, 15) die in dem großen Werke VAN BENEDEN'S niedergelegten Resultate ergänzen können, und die in den beiden angeführten Mitteilungen kurz beschriebenen Befunde sollen nun im Folgenden ihre ausführ

1) O. HERTWIG, Das Problem der Befruchtung und der Isotropie des Eies, eine Theorie der Vererbung.

Jena 1884.

liche Darstellung finden. Von den Hauptzielen, die ich dabei im Auge habe und zu deren Erreichung ich beitragen möchte, ist das eine die Erforschung der Konstitution des Kerns, die Geschichte der chromatischen Elemente.

Bekanntlich hat RABL1) durch seine mit bewunderungswürdiger Ausdauer und Beobachtungskraft angestellten Untersuchungen die Aufmerksamkeit auf die merkwürdige Thatsache gerichtet, daß bei der Vorbereitung gewisser Kerne zur Teilung nicht nur die gleiche Zahl von Kernelementen auftritt, die in das Gerüst eingegangen war, sondern daß diese neuen Mutterschleifen überdies annähernd in der gleichen charakteristischen Gruppierung hervortreten, in welcher die Tochterelemente vor der Kernrekonstruktion zu einander gestellt waren.

Während nun RABL diese Entdeckung in der Weise verwertet, daß er jedem Kern einen auf die erkannte Anordnung gegründeten einachsigen Bau mit differenten Polen vindiziert, von dem aus er dann die Erscheinungen der Teilung als den denkbar einfachsten Modus erklärt, um die gleiche Konstitution auf die beiden Tochterkerne zu übertragen, halte ich, nach meinen Erfahrungen an anderen Kernen, das Fortbestehen einer bestimmten Fadengruppierung im ruhenden Kern an sich für etwas vollkommen Bedeutungsloses; ich betrachte dasselbe nicht als den Zweck, sondern nur als gleichgültige Folge der durch die Teilungsmechanik bedingten Anordnung der Tochterelemente und sehe die Bedeutung des RABL'schen Fundes vielmehr in der durch denselben, meines Erachtens, eröffneten Wahrscheinlichkeit, daß die chromatischen Elemente selbständige Individuen sind, die diese Selbständigkeit auch im ruhenden Kern bewahren.

Diese Anschauung suche ich an dieser Stelle auf zweierlei Wegen zu erweisen: einmal in der von RABL vorgezeichneten Richtung durch die Vergleichung des entstehenden mit dem zur Teilung sich anschickenden Kern, zweitens durch die Verfolgung des Schicksals von chromatischen Elementen, welche infolge von Verschleppung oder sonst wie als überzählige einem Kern zu teil geworden sind.

Die Bedeutung, welche ein solcher Nachweis individualisierter Kernelemente haben müßte, scheint mir eine doppelte zu sein. Einerseits würde sich daraus eine gewisse Aussicht auf die Kon

1) RABL, Über Zellteilung. Morpholog. Jahrbuch, Band X, 1885.

stitution der Zelle überhaupt ergeben, die Idee, daß die Zelle selbst wiederum aus noch elementareren Organismen zusammengesetzt sein könne, die sich zu ihr verhalten, wie sie selbst zum Metazoënleib; auf der anderen Seite wäre mit jenem Nachweis ein Postulat unserer Vorstellungen über die Vererbung erfüllt und dadurch der Vererbungstheorie eine neue Stütze eingefügt. Wenn nämlich die chromatische Kernsubstanz der Vererbungsträger ist und demgemäß die Ähnlichkeit eines Kindes mit seinen beiden Eltern auf der Zusammenführung väterlicher und mütterlicher Kernsubstanz im Ei beruht, so muß die Thatsache, daß die auf solche Weise hergestellte Qualitätenkombination in allen Organen des Kindes zur Geltung kommt, besonders aber der Umstand, daß diese Kombination in den symmetrischen Teilen der beiden Körperhälften in ganz identischer Weise sich ausprägt, die Annahme fordern, daß in allen Zellen des Körpers das gleiche Mengenverhältnis väterlicher und mütterlicher Kernsubstanz besteht, das im Ei bestanden hat. Und diese Forderung, die man sich allerdings in verschiedener Weise erfüllt denken könnte, wäre sofort zur Thatsache erhoben, wenn es sich herausstellte, daß das Gerüst eines jeden Kerns aus einer bestimmten Zahl selbständiger Elemente zusammengesetzt ist, von denen die eine Hälfte Nachkommen der väterlichen, die andere Hälfte Abkömmlinge der mütterlichen Kernelemente des befruchteten Eies sind.

Endlich aber würde der Nachweis der Individualität der Kernelemente auch eine neue Forderung in sich schließen. Denn die Thatsache, daß die beiden im Befruchtungsakt sich vereinigenden Geschlechtszellen halb so viel chromatische Segmente enthalten als das befruchtete Ei, aus dem sie sich ableiten, würde verlangen, daß in irgend einer Keimzellengeneration eine Reduktion der Zahl der Kernelemente auf die Hälfte zustandekomme.

Bekanntlich ist WEISMANN 1) auf ganz anderer Grundlage zu einem ähnlichen Schluß geführt worden, und wenn ich mich auch seinen Anschauungen über den Zeitpunkt und die Art der Reduktion nicht anschließen kann, so gelange ich doch auch von meinem Standpunkte aus zu der von dem hochverdienten Forscher gezogenen bedeutsamen Konsequenz, daß durch die postulierte Reduktion bei einem und demselben Individuum eine (mit der Zahl der Kernelemente wachsende) Verschiedenheit der Geschlechts

1) Über die Zahl der Richtungskörper und über ihre Bedeutung für die Vererbung. Jena 1887.

zellen „,in bezug auf die in ihnen enthaltenen Vererbungstendenzen" hervorgebracht werden muß, eine Verschiedenheit, durch welche die bisher ganz rätselhafte Erscheinung, dass die Kinder gleicher Eltern einander niemals vollkommen ähnlich sind, in einfachster Weise einer Erklärung zugänglich würde.

Der zweite Punkt, den ich einer Klärung näher bringen möchte, ist die Mechanik der Kernteilung. Das Zusammentreffen einer Reihe der günstigsten Umstände im Ascaridenei: Kleinheit des Zellkörpers, Größe und geringe Zahl der chromatischen Elemente, die Sonderung dieser Körper in zwei oft weit von einanderentfernte Gruppen, die völlige Auflösung der Kernvakuole vor Ausbildung der karyokinetischen Figur, endlich die Möglichkeit, die Polkörperchen der Spindel schon lange vor der Teilung nachzuweisen und dieselben von einer Zellengeneration auf die nächste zu verfolgen alle diese Umstände machen das Ei von Ascaris megalocephala zu einem Untersuchungsobjekt, dem sich bis jetzt kein zweites an die Seite stellen kann, und rechtfertigen wohl den Versuch, den hier mit einer nirgends sonst erreichten Genauigkeit verfolgbaren Teilungsvorgang in seine einzelnen Faktoren zu zerlegen, aktive und passive Bewegung voneinander zu scheiden, die einzelnen Erscheinungen in die Beziehung von Ursache und Wirkung zu einander zu bringen und der Natur der thätigen Kräfte nachzuspüren.

Die Lösung dieser Aufgabe ist schon von verschiedenen Seiten. in Angriff genommen worden. Abgesehen von allgemeinen Vorstellungen über die Kräfte, welche bei der Karyokinese wirksam sein könnten, und neben Versuchen, einzelne Phänomene des Prozesses zu erklären, besitzen wir bereits mehrere den ganzen Verlauf in seinen Einzelheiten umfassende Hypothesen, so von CARNOY 1), PLATNER 2) und BERTHOLD 3). Auf diese untereinander sehr verschiedenen Versuche einzugehen, verschiebe ich auf eine

1) CARNOY, La cytodiérèse chez les Arthropodes. La Cellule, tom. I, f. 2, 1885.

2) G. PLATNER, Die Karyokinese bei den Lepidopteren als Grundlage für eine Theorie der Zellteilung. Internat. Monatsschrift f. Anat. u. Hist., Bd. III, Heft 10, 1886.

3) G. BERTHOLD, Studien über Protoplasmamechanik. Leipzig 1886.

andere Gelegenheit. Nur ein Grundunterschied zwischen den Anschauungen der genannten Forscher und denen, die ich mir gebildet habe, mag hier schon hervorgehoben werden. Jene Autoren sind der Meinung, die Erscheinungen der Karyokinese direkt auf das Ineinandergreifen chemischer und physikalischer Kräfte zurückführen zu können, und, wo sie es nicht können, da spricht sich wenigstens die Überzeugung aus, daß es sich doch nur um vielleicht sehr verwickelte chemische und physikalische Vorgänge handle.

Meiner Überzeugung nach ist die Zelle nicht jenes einfache Kompositum aus chemischen Körpern, das sie sein müßte, wenn eine solche, am schärfsten bei BERTHOLD durchgeführte Erklärungsweise Berechtigung und Aussicht auf Erfolg haben sollte; vielmehr sind noch die letzten Bestandteile der Zelle, die wir als bestimmte Formelemente nachweisen können, abermals organisierte Gebilde, die als Ganzes in ihren Lebensäußerungen jeder Erklärung durch chemisch-physikalische Kräfte spotten. Wenn wir also auch bis zu einem gewissen Grad in die Mechanik der Teilungsphänomene eindringen können, ähnlich etwa, wie wir an einem vielzelligen Tier die Mechanik des Schwimmens oder Fliegens, oder der Atmung und des Blutkreislaufs zu ermitteln vermögen, so bleiben doch in der Zelle ebenso, wie in dem Zellenstaat gerade die wichtigsten Phänomene unserer Einsicht verschlossen. Um nur die einfachsten Erscheinungen namhaft zu machen, so ist die Teilung der chromatischen Kernelemente, sowie die Teilung der Spindelpolkörperchen einer direkten chemischen oder physikalischen Erklärung ebenso unzugänglich, wie die Teilung der Zelle selbst, und wenn es richtig ist, daß wie ich zu zeigen suche die Chromatinsegmente während der Teilung durch den Zug der sich an dieselben festheftenden, nach Art von Muskelfibrillen wirksamen Spindelfasern bewegt werden, so haben wir schon darin eine Thätigkeit vor uns, die diese bewegenden Zellorgane über die Natur chemischer Körper weit erhebt.

Ganz abgesehen von diesen Schranken, die nur durch bedeutend leistungsfähigere optische Hilfsmittel zwar wohl nicht beseitigt, aber vielleicht weiter zurückverlegt werden könnten, verkenne ich nicht, wie mangelhaft der von mir im folgenden unternommene Erklärungsversuch noch ist und wie sehr derselbe selbst die Richtigkeit der ganzen Beweisführung vorausgesetzt einer Verbesserung fähig sein wird. Noch weniger aber beanspruche ich, eine auch für alle anderen Zellen gültige Erklärung

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