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häufen und Ambrosio schliesslich Mutter und Schwester ermorden zu lassen, hat Mrs. Radcliffe es verstanden hieraus eine Scene zu schaffen, die nach Dunlop's 1) Meinung weder von Shakespeare noch überhaupt von einem romantischen oder dramatischen Dichter je übertroffen worden ist. ,,The fine scene", heisst es bei Scott in Bezug auf diese Stelle,,,where the monk, in the act of raising his arm to murder his sleeping victim, discovers her to be his own child, is of a new, grand, and powerful character, and the horrors of the wretch, who, on the brink of murder, has but just escaped from committing a crime of yet more exaggerated horror, constitute the strongest painting which has been under Mrs. Radcliffe's pencil, and are well fitted to be actually embodied on canvass by some great master“2). Vergleichspunkte bietet ferner die Katastrophe in den zwei Romanen dar. Bei beiden, bei Lewis sowohl wie bei Mrs. Radcliffe, finden wir das Bestreben den Schluss ihrer Romane möglichst wirksam zu gestalten, beide haben dies durch eindrucksvolle Schilderungen des Todes ihrer Hauptpersonen zu erreichen gesucht. Wie fast überall, so gebührt auch hier dem,,Italian" der Vorzug vor dem,,Monk"; denn berührt in dem letzteren das Ende Ambrosios abstossend und widerlich, so wirkt bei Mrs. Radcliffe der Ausgang Schedonis furchtbar und versöhnend zugleich, versöhnend, weil der Sterbende noch beim Nahen des Todes die zärtlichste Sorge um Ellena an den Tag legt, furchtbar, weil er bis zum letzten Augenblick von Rachegedanken erfüllt ist und mit einem Freudenschrei über das Ende seines von ihm vergifteten Gegners verscheidet.

Wie die vorangegangene Betrachtung lehrt, sind also fast alle die bedeutenden Partieen des ,,Italian" die

1) Dunlop's History of fiction, III, 396.
2) Scott, Lives of the Novelists, II, p. 57.
Möbius, The Gothic Romance.

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Vorgänge in San Stefano, in Spalatros Haus, in der Inquisition, der Tod Schedonis u. a. m. unter dem Eindruck des Lewis'schen Romans entstanden. Wenn demzufolge auch nicht so originell wie die bisher besprochenen Werke Mrs. Radcliffes, so gebührt dennoch dem „Italian“ die erste Stelle unter diesen wie unter allen Gothic Romances überhaupt: Frei von den geschmack- und bisweilen sinnlosen Ungeheuerlichkeiten der Romane Lewis' und Maturins ist,,The Italian" den zwei anderen grossen Gothic Romances Mrs. Radcliffes in Bezug auf Wirkungsfähigkeit, Wahrscheinlichkeit der Handlung, Trefflichkeit des Stils und Einheitlichkeit des Plans und der Entwicklung weit überlegen und zeichnet sich überdies vor ihnen noch. ohne der vorzüglich gezeichneten Gestalt Schedonis zu gedenken durch grössere Knappheit der Darstellung und Abwesenheit gröblicher historischer Verstösse aus.

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Fünf Jahre waren seit der Veröffentlichung des ,,Italian" vergangen, als ein Besuch von Warwick Castle und Kenilworth Mrs. Radcliffe die Idee eingab einen Roman zu schreiben, dessen Handlung sich in einem der beiden Schlösser abspielen sollte. Wenige Monate später hatte. Mrs. Radcliffe ihr Vorhaben bereits zur Ausführung gebracht, und,,Gaston de Blondeville, or The Court of Henry III. keeping Festival in Ardenne" lag der Drucklegung harrend in ihrem Schreibpult. Aber Jahr auf Jahr verging, ohne dass der Roman aus seiner Vergessenheit hervorgeholt und der Leserwelt übergeben wurde, und als dies dann endlich nach dem Tode der Verfasserin durch Talfourd im Jahre 1826 geschah, war die Zeit der Gothic Romance längst vorüber, und,,Gaston de Blondeville" konnte nicht einmal mehr einen Achtungserfolg erringen. Heutzutage ist das Werk völlig von der Bildfläche verschwunden und selbst dem Litterarhistoriker kaum mehr als dem Namen nach bekannt 1).

Bevor wir nun die Besprechung unseres Romanes beginnen sei mit kurzen Worten auf die Aufgabe hingewiesen, die Mrs. Radcliffe sich bei der Abfassung desselben gestellt hatte. Diese war, wie sich bei genauerem Zusehen ergiebt, eine doppelte; nämlich erstens auf Grund eingehender historischer Studien einen Roman zu schreiben,

1) Ins Französische übertrug den Roman Defauconpret, der Übersetzer der Romane Walter Scotts. (Gaston de Blondeville, Paris 1826, 3 vols.)

in dem vom Leben und Treiben an einem mittelalterlichen Hof ein getreues Bild entworfen werden sollte und zweitens beim Leser Furcht und Schrecken zu erzeugen nicht durch scheinbar übernatürliche Begebenheiten und andere grauen-hafte Vorgänge, sondern wie Walpole und Miss Reeve durch wirklich überirdische Ereignisse und geisterhafte Erscheinungen. Wie und mit welchem Erfolg Mrs. Radcliffe diese ihre Aufgabe gelöst hat, wird sich bei der im folgenden vorzunehmenden Besprechung des Werkes zeigen, die wir jetzt mit einer kurzen Inhaltsangabe eröffnen wollen.

Gaston de Blondeville, der einflussreiche und glückliche Günstling Heinrichs III. von England, hat mit dem Abt von Saint-Mary in früheren Jahren den Johanniterritter Reginald de Folville meuchlings ermordet und sieht sich nun von einem Vetter desselben, Hugh Woodereeve mit Namen, beim König in Kenilworth wegen Totschlag verklagt. Sein Glück scheint jedoch Gaston auch in dieser misslichen Lage treu bleiben zu wollen, denn bereits wenige Tage später wird allen eintretenden Wunderzeichen und Erscheinungen zum Trotz Hugh Woodereeve von den verblendeten Richtern des Königs als Verleumder und Zauberer zum Tode verurteilt. Doch ehe noch dieser ungerechte Spruch zur Ausführung gelangt, werden die beiden Mörder von ihrem Schicksal ereilt: Gaston de Blondeville fällt im Turnier zu Kenilworth von Geisterhand, und der Abt wird am nächsten Morgen tot und furchtbar entstellt in seinem Bett aufgefunden. Hugh Woodereeve aber, der tapfere Verfechter des Rechtes, wird auf Geheiss der Geister Reginalds und Gastons noch tags darauf aus seiner Haft entlassen und reich beschenkt zu den Seinen nach Bristol zurückgeschickt. Mit ihm zugleich verlässt auch König Heinrich das ihm verleidete Kenilworth, um es nie wieder in seinem Leben zu betreten.

Zunächst eine kurze Bemerkung über den Schauplatz

dieser Geschichte, das durch Sir Walter Scott nachmals so berühmt gewordene Schloss Kenilworth 1). Wie bei allen früheren Gelegenheiten, so hat Mrs. Radcliffe auch in,,Gaston de Blondeville" von dem Hintergrund eine ausführliche Schilderung entworfen, welche, ohne weniger lebendig und anschaulich zu sein wie die ihrer älteren Romane, bei aller Trefflichkeit jenes geheimnisvollen romantischen Reizes ermangelt, der uns dort so unwiderstehlich anzog und für das kommende Ausserordentliche empfänglich machte.

Von viel grösserem Interesse wie die Darstellung des Hintergrundes wird nun für uns die Betrachtung der Wunder des Romanes sein; ist doch derselbe das einzige Werk Mrs. Radcliffes, in dem sie sich des wirklich Überirdischen bezw. Geisterhaften bedient hat. Für den freilich, der nach den bisher gemachten Erfahrungen von einem derartigen Buche Mrs. Radcliffes ganz besonders hohe Erwartungen gehegt hat, dürfte die Lektüre des,,Gaston de Blondeville" eine bittere Enttäuschung bedeuten: Die zahlreichen Erscheinungen des Geistes Reginalds de Folville - andere Wunder kommen kaum in Betracht können weder auf irgendwelche Wirksamkeit noch auf Originalität Anspruch erheben. Er ist ein merkwürdiger Geist, dieser Geist Reginalds de Folville, denn nicht bloss erschlägt er im Turnier vor aller Welt Augen seinen Mörder, den Baron de Blondeville, sondern er erscheint auch bei so unpassenden Gelegenheiten und geht in dem Schlosse so häufig aus und ein, dass man zuletzt kaum noch Notiz von ihm nimmt und sich versucht fühlt ihn mit den Wor

1) Eine Beeinflussung Walter Scotts durch Mrs. Radcliffe kann nicht stattgefunden haben, da „Gaston de Blondeville" erst 24 Jahre nach seiner Entstehung und 5 Jahre nach der Veröffentlichung von ,,Kenilworth" erschien.

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