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zösischer Ton bereits als weltbeherrschend hingestellt werden, oder wenn gar der aus Italien stammende Kriegsmann Ludovico provenzalische Sagen im Urtext mit Leichtigkeit zu lesen vermag 1). Ebenso wenig angebracht, weil von zu modernem Geiste durchweht, sind in demselben Werk die philosophisch-litterarischen Studien der Gräfin Villefort 2), und die ihrem Gemahl in den Mund gelegte Entstehungsgeschichte des Pyrenäengebirges 3).

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Weniger schwerwiegend und zahlreich wie in,,The Mysteries of Udolpho" sind derartige Verstösse in dem in modernerer Zeit spielenden Roman,,The Romance of the Forest", dem überhaupt in vielen Beziehungen der Vorzug vor dem anderen Werke gebührt. So sind z. B. im älteren Roman die Erklärungen der Geheimnisse und unheimlichen Begebenheiten weit wahrscheinlicher und befriedigender wie im jüngeren, wobei allerdings nicht ausser Acht gelassen werden darf, dass Ereignissen, wie denen in der Abtei, viel leichter Rechnung zu tragen ist, als den gewaltigen, ganz anders gearteten Wundern von Udolpho und ChateauLe-Blanc. Ausserdem leiden aber The Mysteries of Udolpho" noch an den verschiedensten Übelständen, als deren hauptsächlichste hier genannt sein mögen, Häufungen der Naturschilderungen und Grauenscenen, stellenweise Breite, loser Zusammenhang der einzelnen Teile, insbesondere der Partieen von Udolpho und Chateau-Le-Blanc und Mangel an einem einheitlichen Plan. Personen kommen und gehen, ohne dass wir über ihren weiteren Verbleib genügend unterrichtet werden. Ein drastisches Beispiel hierfür ist die Gestalt des schon mehrfach erwähnten Montoni, der, nachdem er im ersten Teil eine so wichtige Rolle gespielt hat, im zweiten ganz verschwindet und nur noch beiläufig einer kurzen, unzureichenden Bemerkung

1) Kap. 44.

2) Kap. 36.

3) Kap. 50.

gewürdigt wird. Montonis Schicksal teilt ausser seinen Gefährten auch sein Schloss Udolpho, das im zweiten Teil vor dem nicht minder geheimnisvollen Chateau-Le-Blanc völlig bei Seite tritt.

Andrerseits steht freilich auch ,,The Romance of the Forest" nicht ganz einwandsfrei da. Von dem Augenblicke an, wo wir mit Adelines Flucht und La Mottes Gefangennahme Wald und Abtei für immer verlassen, um in das Treiben der Aussenwelt zurückversetzt zu werden, ist der romantische Zauber des Werkes unwiederbringlich dahin, und selbst das so grosse Schönheiten aufweisende Gemälde von der Familie La Luc vermag nicht diesen Verlust vollständig aufzuwiegen.

The Italian oder wie der vollständige Titel des Werkes lautet:,,The Italian, or The Confessional of the Black Penitents. A Romance in three volumes by Ann Radcliffe, Author of the Mysteries of Udolpho, etc. etc. erschien zuerst im Jahre 1797 bei Messrs. T. Cadell jun. and W. Davies in London, denen die Verfasserin das Verlagsrecht für die unerhörte Summe von £800 überlassen hatte. Wie,,The Romance of the Forest" und ,,The Mysteries of Udolpho" erfreute sich auch,,The Italian" vom Tage seiner Veröffentlichung ab einer ausserordentlichen Beliebtheit. Beweis hierfür ist ausser einer zweiten Auflage, die noch in demselben Jahre veranstaltet werden musste, vor allem die Thatsache, dass bereits am 15. August 1797 eine Dramatisierung des Werkes (,,The Italian Monk" by John Boaden) über die Bühne des Haymarket Theatre ging. In fremde Sprachen ist der Roman zu verschiedenen Malen übertragen worden. An deutschen Übersetzungen liegen vor die von D. M. Liebeskind (Die Italienerin, oder der Beichtstuhl der schwarzen Büssenden. 3 Bde. Königsberg, Nicolovius 1797 f.)1), und die in Leipzig und Prag erschienene:,,Ellena, die Italienerin, oder die Warnungen in den Ruinen von Paluzzi. 1801 f."). Ins Französische übertrugen den Roman Abbé Morellet (1797) und späterhin Mary Gay-Allart. (Eléonore de Rosalba, ou le Confessional des Pénitens Noirs. 7 vols. Paris. An VIII.)

1) Obdtsch. allg. Lit.-Ztg. 1798. 2. 1245 f.

2) Erl. L.-Z. 1797. 2. 1884 f.

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Im Anschluss an diese einleitenden Bemerkungen lasse man uns gleich noch einige Worte über den Titel des Werkes hinzufügen. Was da zuerst die Wiedergabe von ,The Italian" durch,,Die Italienerin" bezw. Ellena, Ellena di Rosalba u. s. w. betrifft, so möchten wir dieselbe hier als völlig unpassend zurückweisen, denn Ellena, die übrigens zu Untertitel und Motto des Buches in gar keiner Beziehung steht, ist weder die Hauptperson des Romans, noch übt sie irgendwelchen Einfluss auf die Entwicklung desselben aus. Ganz anders, wenn wir im Gegensatz zu den verschiedenen Übersetzern,,The Italian" auf Schedoni beziehen und demgemäss mit,,Der Italiener" verdeutschen 1). Titel, Untertitel und Motto des Werkes, alles befindet sich dann mit einem Schlage in schönster Übereinstimmung; denn nicht bloss hängen Leben und Schicksal Schedonis aufs engste zusammen mit dem im Untertitel namhaft gemachten Beichtstuhl, sondern er ist auch in der That die furchtbare, dämonische Persönlichkeit, von der es im Motto so bezeichnend heisst:

He, wrapt in clouds of mystery and silence,
Broods o'er his passions, bodies them in deeds,
And sends them forth on wings of Fate to others:
Like the invisible will, that guides us,

Unheard, unknown, unsearchable!" 2).

Ehe wir nun auf die Besprechung des Romanes selbst eingehen, erübrigt es noch in einigen Sätzen die ihm beigegebene Einleitung zu behandeln. Der Inhalt derselben ist in grossen Zügen der folgende:

1) Vergl. Wülker, Gesch. der engl. Litt., S. 427.

2) Vergl. Talfourd's, Memoir. S. 130: He is always the chief figure when he is present; and, where we do not see him, his spirit yet seems to influence all around us.

Möbius, The Gothic Romance.

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Bei einem Besuche, den im Jahre 1764 mehrere reisende Engländer der wegen ihres Baustiles sehenswürdigen Kirche Santa Maria del Pianto zu Neapel abstatteten, wurde von ihnen ein verdächtig aussehender Mensch bemerkt, der ihrer Begegnung scheu auswich und schliesslich in einem seitwärts gelegenen Beichtstuhle verschwand. Auf Befragen, wer der unheimliche Fremde sei, teilte man ihnen mit, dass er ein Mörder wäre, der in dem Heiligtum Schutz vor seinen Verfolgern gefunden habe.,,Is this possible!" said the Englishman, turning to his Italian friend. ,,Why, my friend", observed the Italian,,,assassinations are so frequent, that, if we were to shew no mercy to such unfortunate persons, our cities would be half depopulated". "But observe yonder confessional", added the Italian,,,that beyond the pillars on the left of the aisle, below a painted window. Have you discovered it? The colours of the glass throw, instead of light, a shade over that part of the church, which, perhaps, prevents your distinguishing what I mean!" The Englishman looked whither his friend pointed, and observed a confessional of oak, or some very dark wood, adjoining the wall, and remarked also, that it was the same, which the assassin had just entered. It consisted of three compartments, covered with a black canopy. In the central division was the chair of the confessor, elevated by several steps above the pavement of the church; and on either hand was a small closet, or box, with steps leading up to a grated partition, at which the penitent might kneel, and, concealed from observation, pour into the ear of the confessor, the consciousness of crimes that lay heavy on his heart. You observe it?" said the Italian. „I do", replied the Englishman;,,it is the same, which the assassin has passed into; and I think it one of the most gloomy spots I ever beheld; the view of it is enough to strike a criminal with

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