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bei Verbrechern und Irrsinnigen unter specieller Berücksichtigung des Buches von Dr. Frigerio: „L'oreille externe, étude d'anthropologie criminelle" Paris 1888.

Gradenigo (21) schreibt die Verschiedenheiten der Meinungen der Autoren über das, was man als normale oder abnorme Ohrmuschel zu bezeichnen habe, auf Rechnung des Mangels fixer Kriterien und stellte auf Grund von 25 000 normalen Menschen bestimmte Kriterien für die Classification fest, die er speciell bei der Prüfung von Geisteskranken und Delinquenten verwendete. Vf. zählt die hauptsächlichsten Anomalien auf, die am häufigsten in der Praxis vorkommen. (Wünschenswerth wäre eine Angabe des offenbar grosse Erfahrungen besitzenden Vf.'s bezüglich seiner Beobachtungen über die heute in die Interessensphäre gerückte angeborene Ohrläppchenspalte. Ref.) Als Resultate der Untersuchung zahlreicher Irren und Delinquenten ergiebt sich, dass bei letzteren Personen Anomalien der Ohrmuschel viel häufiger sind, als bei normalen Individuen. Bei geisteskranken Männern sind die spitzwinkelig auf die Wangen fortgesetzten Läppchen fast doppelt so häufig, wie bei normalen; dasselbe gilt von den Ohrmuscheln mit vorragendem Anthelix. Aehnliches gilt von den geisteskranken Frauen, bei denen im Uebrigen, wie bei den Männern, seltene und auffallende Missbildungen der Ohrmuschel relativ häufig sind. Auch bei den Cretins werden häufige Anomalien beobachtet, deren Zahl jedoch nicht zur Aufstellung eines Procentsatzes genügt. Die Abnormitäten sind gewöhnlich bilateral; einseitige Anomalien kommen häufiger an der rechten Seite vor, bei Männern sowohl wie bei Weibern, mit Ausnahme der abstehenden Ohren, welche bei Männern viel häufiger linksseitig sind.

Boulland (22) giebt eine Beschreibung seiner Methode, die Gestaltungen der Ohrmuschel zum Zwecke der Classification oder kurzen Beschreibung für forensische Zwecke graphisch mit Zeichen oder Zahlen auszudrücken.

v. Swiecicki (23) reiht den bisher beschriebenen 4 Fällen von congenitaler Spalte des Ohrläppchens einen weiteren an unter Beifügung von Abbildungen des äusseren Ohres von Mutter und Kind; das rechte Ohrläppchen des letzteren war durch die Spalte in eine hintere kleinere und eine vordere grössere Hälfte (beide ohne Knorpel) geschieden. Die Spalte entsprach der Lage nach einer Stelle des rechten Lobulus der Mutter, welche vor 22 Jahren gewaltsam eingerissen wurde. Ob eine Vererbung oder Hemmungsbildung durch Bestehenbleiben eines Theiles des Sulcus intertragicus vorliegt, kann nicht entschieden werden.

His (24) bemerkt mit Bezug auf die voranstehende Arbeit, dass ein Persistiren des Sulcus intertragicus, d. h. eines Theiles der ersten Kiemenfurche nicht die einzige Möglichkeit der Erklärung abgebe, dass vielmehr die Spalte ausschliesslich dem Hyoidbogen angehören und auf

die Furche zwischen denjenigen Höckern der ursprünglichen Anlage zurückgeführt werden könne, welche bei His als Tubercula 5 und 6 bezeichnet sind. Dass dies hier wirklich der Fall ist, beweist die bei dem mütterlichen Ohr auffallend stark entwickelte Furche, welche vor dem das Tuberculum retrolobulare mit dem Antitragus verbindenden, sehr stark ausgeprägten Wulst gelegen ist. Dieselbe beginnt sogar aussen mit einer kleinen Einkerbung. Bei dem kindlichen Ohr ist sonach nur der vor der Spalte gelegene Theil als Ohrläppchen zu deuten und die Spalte ist kein Rest des Sulcus intertragicus. „Nicht die künstlich erworbene, sondern die natürliche Eigenthümlichkeit des mütterlichen Ohres kehrt in übertriebener Ausbildung am Ohre des Kindes wieder."

[Spence (25) vergleicht in einer kurzen, jedoch durch viele Abbildungen illustrirten Mittheilung die Structurverhältnisse des äusseren und mittleren Ohres bei Katze und Mensch. Folgende Ergebnisse sind zu verzeichnen. Bei der Katze fehlt Helix und Antihelix. Der äussere Gehörgang der Katze ist zum grössten Theile knorpelig (beim Menschen knöchern). Die Membrana tympani ist bei der Katze relativ dünner als beim Menschen. Das Tympanum der Katze besteht aus zwei Räumen, beim Menschen nur aus einem. Die Gehörknöchelchen der Katze sind verhältnissmässig schlanker. Der Tensor tympani ist bei der Katze sphärisch (spherical), beim Menschen jedoch lang und schlank. Bei Katze, Luchs, Leopard und Hyaena wird die Chorda tympani durch einen besonderen Fortsatz an die Membrana tympani gestützt. Die Wand der Eustachischen Tube besteht bei der Katze fast in ihrer ganzen Längenausdehnung aus Knorpel, welcher jedoch nur in geringerer Ausdehnung den Tubenumfang umgiebt. Die feineren Structurverhältnisse des äusseren und mittleren Ohres sind bei Katze und Mensch einander sehr ähnlich. Mehnert.]

Schwalbe (26) stimmt bezüglich der Ursachen der Taubheit des Auerhahns während des letzten Abschnitts seines Balzliedes v. Graff bei, indem er den Verschluss des Gehörganges durch den Processus auricularis des Unterkiefers beim Oeffnen des Schnabels als ein untergeordnetes Moment ansieht; denn abgesehen davon, dass am lebenden Thiere nur eine geringe Verengerung des Gehörganges durch genannten Fortsatz herbeigeführt wird, ist, wie Messungen ergeben, der Fortsatz beim Hahn relativ gar nicht stärker entwickelt, als bei der Auerhenne and beweisen ferner Versuche, „,,dass bei anderen Vögeln (Häher, Elster, Fasan), bei denen man eine Taubheit während des Balzgesanges nicht anzunehmen und zu erklären braucht, der äussere Gehörgang beim Oeffnen des Schnabels ungleich mehr verengt werden kann, als beim Auerhahn". Die Ursache der Taubheit liegt vielmehr in der sogenannten Schwellfalte" an der hinteren Wand des äusseren Gehörganges. Den

genannten Namen verdient diese Falte, in welcher die früheren Autoren erectiles Gewebe annahmen, jedoch keineswegs, denn ein solches Gewebe fehlt vollständig in der Falte. Durch die früheren Injectionen wurden vielmehr stets die Lücken eines sehr lockeren spaltenreichen Bindegewebes angefüllt, welches die basale Fläche des Wulstes an der hinteren Gehörgangswand befestigt, und hierdurch wurde der diesem Gewebe aufsitzende Wulst, für welchen Vf. den Namen „,Gehörgangswulst" einführt, bis zum Verschluss des Gehörganges in die Höhe gehoben. Ob während des Lebens ein ähnlicher, die zeitweilige Taubheit des Auerhahnes bedingender Mechanismus statthat, bleibt fraglich, doch ist es nach allem, was wir über die Pneumaticität des Unterhautbindegewebes mancher Vögel (z. B. des Pelikans) wissen, wohl denkbar, dass das lockere Gewebe unter dem Wulst durch momentanen Lufteintritt aufgebläht und der Gehörgangswulst wie ein Kissen gegen die gegenüberliegende Wand des Ganges angepresst wird. Während, wie eben gesagt, cavernoses Gewebe in dem Gehörgangswulst vollständig vermisst wird, weist Vf. als charakteristische Eigenthümlichkeit des Wulstes das Vorhandensein von echten epithelialen Drüsen nach, deren Mündungen auf der freien Fläche des Wulstes schon mit unbewaffnetem Auge gesehen werden können, und zwar speciell auf der breiteren äusseren und sanfter geneigten Fläche. Man findet zweierlei Drüsenformen, die jedoch nicht scharf zu trennen sind und die gleiche Function haben, nämlich schlauchförmige und sackförmige Drüsen. Beide sind schief gegen die Oberfläche und mit ihren blinden Enden gegen das Trommelfell gerichtet. Erstere sind nicht rein tubulös, vielmehr trägt ihre Wand viele Ausbuchtungen, welche mit secundären Alveolen besetzt sind. Auch für die zweite Drüsenform sind die alveolären Ausbuchtungen charakteristisch. Einfacher erscheinen dieselben Drüsen in dem Gehörgangswulst beim Haushuhn, Puter und Fasan. Bei Gallus domesticus zerfällt der Wulst durch eine quere Einkerbung in zwei Abtheilungen, von denen jede aus 6-7 Querwülsten besteht. Diese entsprechen ebensovielen flaschenförmigen, mit kleinen Ausbuchtungen besetzten, ein fetthaltiges Secret liefernden Drüsen. Neben dem Fett finden sich im Secret eigenthümliche hyaline Kügelchen und zahlreiche Zellen aus den Drüsen, die durch mitotische Theilungen in der Randschicht der Drüsen wieder ersetzt werden. In unmittelbarer Umgebung der Drüsen erkennt man eine mehr oder weniger starke Infiltration mit lymphoiden Zellen. Bei der Taube und der Gans beschreibt Vf. ähnliche Wulstbildungen, die jedoch nur durch Fett bedingt sind, während anderen Vögeln der Wulst überhaupt fehlt. Neben der in den heutigen Lehrbüchern als einzige Hautdrüse der Vögel aufgeführten Bürzeldrüse muss also in Zukunft noch das Vorkommen von Drüsen im Gehōrgangswulst bei einer Anzahl von Vögeln in Betracht gezogen werden.

Chatin (27) fügt den bisher bekannten Fällen von vascularisirten Epithelien einen weiteren hinzu. Nach Injection von Berliner Blau fand er in den Ampullen des Kiebitz das Epithel von einem Capillarnetz mit unregelmässigen Maschen durchsetzt.

Killian (28) stellt das Vorhandensein von drei Ohrmuskeln bei dem Krokodil fest, indem er als Material Crocodilus niloticus, Cr. acutus, Alligator mississipeus und Embryonen von Cr. biporcatus benutzte. Der Levator auriculae wirkt von unten, hat seinen Angriffspunkt an der derbfaserigen Stützmembran der Ohrklappe und zwar etwas nach innen von der Achse und entspringt am Perioste des Squamosum dicht bei der Nahtverbindung mit dem Quadratum. Der Depressor auriculae liegt nach innen vom Levator und etwas höher als dieser. Dieser sehr dünne, membranartige Muskel entspringt von einem Fortsatz des Occipitale laterale und verläuft in einem stumpfen, unten offenen Winkel zur Ohrklappe. Durchtrennt man den letztgenannten Muskel, so trifft man den dritten, der jedoch besser von innen her nach Entfernung des Labyrinthes und sämmtlicher Knochen und Weichtheile bis zum Trommelfell freigelegt wird. Er besteht aus drei Portionen, dient zur Regelung der Spannungszustände des Trommelfelles und ist in ähnlicher, stattlicher Entwicklung bei keinem anderen Wirbelthier vorhanden. Hiermit mag das ausgezeichnete Gehör des Krokodils in Zusammenhang stehen. Der Muskel ist identisch mit dem von Huxley kurz beschriebenen Musc. stapedius. Bei dem Embryo inserirt der Muskel an den Stapedialknorpeln und spannt indirect das Trommelfell. Physiologisch ist er also Tensor tympani, die Entwicklung und Innervation rechtfertigt jedoch den Huxley'schen Namen.

Nach demselben (29) stammt der M. stapedius von einem dem hinteren Biventerbauch entsprechenden Kaumuskel ab, der sich bei Amphibien, Reptilien und vielen Säugern hinter dem Kaugelenk ansetzt und den Mund öffnet. Bei den Haien hebt dieser Muskel den Zungenbeinbogen und fungirt, indem er den Kiemenraum erweitert, als Athemmuskel (Levator hyomandibularis). Der Beweis der genannten Abstammung stützt sich auf die Vergleichung der vom Facialis versorgten Muskeln. Ein deutlicher Stapedius erscheint zuerst bei den Saurierembryonen, während er den erwachsenen Sauriern fehlt. Auch die äusseren Ohrmuskeln sind von der Zungenbeinmuskulatur abzuleiten. Zunächst stammen sie allerdings, wie Ruge nachwies, vom Platysma ab. Der den Vögeln, Reptilien, Amphibien und Fischen fehlende M. tensor tympani hat sich vom M. pterygoideus internus abgespalten.

XI.

Physische Anthropologie.

Referent: Prof. Dr. Emil Schmidt.

I. Bericht über das Jahr 1889.

a) Zeitschriften, Handbücher, Methodik, allgemeine physische Anthropologie.

1) A. A., Zur Erblichkeit erworbener Eigenschaften. Naturwiss. Wochenschrift. Bd. IV. 1889. Nr. 39.

2) Alsberg, M., Anthropologie mit Berücksichtigung der Urgeschichte des Menschen. Stuttgart. 1888. 8°. VI. u. 470 Stn. mit colorirter und schwarzer Tafel und 154 Abbildungen.

3) The American Anthropologist. Published under the auspices of the Anthropological society of Washington. vol. II. Washington. D. C. Judd & Detweiler, Printers. 1889.

4) Ammon, Otto, Ueber Körpermessungen. Correspondenzbl. d. deutsch. Gesellsch. f. Anthr., Ethnol. u. Urgeschichte. 1889. S. 54-55.

5) Anderson, R. J., Measurements of ribs. With 2 Plates. Internat. Monatsschr. f. Anatomie. Bd. VI. 1889. Heft 2. S. 41-65.

6) Derselbe, Eight true ribs in Man. Anatom. Anzeiger. Jahrg. IV. 1889. Heft 3. S. 95-96.

7) Anderson, William, and Makins, George, Experiments in cranio-cerebral Topography. The Journal of Anatomy and Physiology. Vol. XXIII. 1889. p. 455 ff. 8) Arbuthnot, Lane W., The result produced upon the muscles, bones and ligaments by the habitual exercise of excessive Strain. British medical journal. No. 1457. 1 Dec. 1888. S. 1205-1207.

9) Archiv für Anthropologie. Zeitschrift für Naturgeschichte und Urgeschichte des Menschen, begründet von A. Echer und L. Lindenschmit. Organ der deutschen Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte. Unter Mitwirkung von A. Bastian in Berlin, O. Fraas in Stuttgart, F. von Hellwald in Tölz, W. His in Leipzig, H. v. Hölder in Stuttgart, L. Rütimeyer in Basel, H. Schaaffhausen in Bonn, C. Semper in Würzburg, R. Virchow in Berlin, C. Vogt in Genf, A. Voss in Berlin und H. Welcker in Halle, herausgegeben und redigirt von L. Lindenschmit in Mainz und J. Ranke in München. Achtzehnter Band. Mit in den Text eingedruckten Abbildungen und 6 lithographischen Tafeln. Braunschweig, Friedr. Vieweg & Sohn. 1889. 10) Archivio per l'antropologia e la etnologia. Organo della società italiana di antropologia, etnologia e psicologia comparata pubblicato dal Dott. Paolo Mantegazza, professore ordinario di antropologia nel r. Istituto superiore in Firenze. Diciottesimo volume. Firenze, Tipografia dell' arte della stampa, via Pandolfini 14. 1888/1889.

11) Duke of Argyll, Acquired Characters and congenital Variation. Nature, London. Vol. 41. No. 1052. p. 173-174; 1057. p. 294-295; 1060. p. 366-368. 12) Badikow, P., Ein seltener Fall von Mumification einer Leiche. Wjestnik gigieny. Jahrg. 1889. Nr. 9. (Russisch.)

13) Bär, Alfred Nathan, Ueber das Verhalten des Orbita-Index bei den verschiedenen Refractionszuständen vom 10.-19. Lebensjahr. (Aus der Augenklinik von Dr. Leopold Weiss.) München, Buchdr. von J. B. Grassl. 1889. 8°. 40 Stn. Inaug.-Dissert.

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