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Welchen wesentlichen Unterschied der Tracht zeigt nun die in Figur 2 dargestellte Blüte 1)! Wir sehen da nicht nur sechs Staubblätter, deren Ausbildung von mir als Züchter angestrebt war, sondern es treten auch an Stelle der drei, normaler Weise aufgerichteten, bartlosen Hüllblätter des inneren Kreises, drei solche auf, welche vollkommen jenen des äußeren Kreises der normalen Blüte gleichen. Mit andern Worten beide Hüllkreise bestehen aus gleichen, mit Bart versehenen Blättern. Auf die Deutung dieser Umgestaltung des Blütenbaues werde ich später eingehen, vorerst will ich Einiges aus der Geschichte dieser Züchtung mitteilen.

Im Jahre 1880 gelang es von drei Blüten, des durch die eingangs erwähnten Rückschlagserscheinungen ausgezeichneten Stockes von Iris pallida zu Graz, drei reife Kapseln zu ziehen. Eine dieser Kapseln lieferte die Samen zu jener Vererbungs-Kultur I. Generation, von welcher in II. Generation unsere, in Fig. 2 wiedergegebene Blüte stammt. Diese Kapsel wurde aus einer Blüte gezogen, in welcher ein Glied des inneren Staubblattkreises, als mehr oder weniger verkümmertes Staubblatt, vorhanden war. Zur Bestäubung wurde ebenfalls eine Blüte mit Rückschlagserscheinungen des gleichen Stockes, benützt. Wie viele Glieder des inneren Staubblattkreises diese ,,Vaterblüte" besaß und welche Ausbildung die Glieder aufwiesen, darüber habe ich keine Aufzeichnungen. Betont muss aber werden, dass an jenem Stammstocke in Graz, während einer sechsjährigen Beobachtungsperiode, in der durchschnittlich im Jahre 150 Blüten gezählt wurden, nur einmal eine Blüte auftrat, welche die Petalen mit Bart versehen, kurz in Gestalt der Sepalen, gezeigt hatte.

Während des Winters 1880/81 wurden 12 Samen jener Kapsel ausgesäet; im Sommer 1881 kamen einige Samen, andere erst 1882, zur Keimung. Die Pflanzen wurden in einer Scheibe vereinigt und gelangten erst 1883 zum Blühen. Der Rückschlag ergab sich als vererbt, d. h. auch an diesen Pflanzen wurden Blüten mit Gliedern des innern Staubblattkreises entwickelt; beispielsweise führe ich an, dass 1884 20%, 1885 14,30/o, 1886 48,8%, 1887 55%, 1888 32% der Blüten Rückschlagserscheinungen aufwiesen. Die Glieder erschienen in verschiedenster Ausbildung, mehrfach auch als vollständig normale Staubblätter. Auch waren bald alle drei, bald nur zwei oder nur eines vorhanden. So hatten z. B. 1887 36 Prozent der rückschlagweisenden Blüten nur ein Glied, 30 Prozent zwei Glieder und 34 Prozent drei Glieder (den vollen Wirtel) des inneren Staubblattkreises entwickelt. Gegenüber der Mutterblüte eine beträchtliche Steigerung der Rückschlagserscheinung, da in derselben nur ein Glied vertreten war.

1) Selbe ist nach einem Aquarellbilde reproduziert, für dessen Ausführung ich Baronesse Lilli von Gagern zu besonderem Danke verpflichtet bin.

Im Jahre 1885, wo die relativ noch schwachen Pflanzen der Kultur 49 Blüten, und davon nur 7 mit Rückschlagserscheinungen lieferten, wurde von einer dieser Blüten eine Frucht erzogen für eine VererbungsKultur in II. Generation. Die Mutterblüte enthielt (so wie in dem genannten Jahre alle übrigen Blüten der Scheibe, welche Rückschlag aufwiesen) nur ein Glied des inneren Staubblattkreises; der Rückschlag war also in mäßiger Stärke ausgeprägt. Als „Vaterblüte" (zur Bestäubung) wurde eine des Stammstockes benützt, welche Rückschlagserscheinungen aufwies; über den Grad derselben besitze ich keine Aufzeichnung.

Aus der erwähnten, 1885 gezogenen Kapsel wurden nun fünfzehn Samen im Winter 1885/86 ausgesäet, und aus ihnen jene VererbungsKultur II. Generation gezogen, in der Blüten, von der Tracht der in Fig. 2 dargestellten, nun in großer Zahl gebildet werden. Allein nicht in den ersten Jahren gleich traten diese Blüten auf. Zur näheren Beleuchtung der Erscheinung will ich Einiges über diese Kultur, aus den Jahren 1888-1895, mitteilen.

1888 gelangten in der Scheibe die ersten Blüten zur Entfaltung. Es waren nur 5 Blüten, drei davon wiesen Rükschlag auf, indem in. jeder je ein Glied des inneren Staubblattkreises entwickelt war. Von einer Umgestaltung der Petalen noch keine Spur.

1889 erfolgte meine Uebersiedelung nach Innsbruck, und da der Transport meiner Kulturen dahin kurz vor der Blütezeit erfolgte, wurden dabei die Pflanzen so geschädigt, dass die Blüten dieses Jahres nicht zur Ausbildung gelangten.

1890. Die Schädigung der Pflanzen durch den Transport im Vorjahre ist noch bemerkbar. Neun Blüten, davon 4 mit Rückschlagserscheinungen, entfalten sich. Diese zeigen sich gesteigert (1 Blüte hatte 3, eine zweite 2, zwei je 1 Glied des inneren Staubblattkreises entwickelt), rücksichtlich der Hüllblätter aber waren noch alle Blüten normal.

1891. 42 Blüten, davon 28 mit Rückschlagserscheinungen; 10 Blüten mit 1 Glied, je 9 Blüten mit 2 und 3 Gliedern des inneren Staubblattkreises. In einzelnen Blüten zeigte ein oder das andere Blatt des inneren Hüllkreises, in einem Falle alle drei, Bartbildung. Diese war entweder nur am Grunde des Blattes vorhanden und schwächlich, oder sie näherte sich in der Stärke der Ausbildung jener der äußeren Hüllblätter.

1892. 20 Blüten, 11 mit Rückschlag. 6 Blüten mit 3 Gliedern, 4 mit 2, eine mit 1 Glied. Vier der Blüten mit sechs Staubblättern haben alle Hüllblätter mit Bartbesatz versehen. Bei einigen sind alle Hüllblätter des inneren Kreises zurückgeschlagen, ganz so wie die äußern, bei andern ist eines oder das andere noch mehr oder minder aufgerichtet, und erinnert so an die Stellung der bartlosen Hüllblätter

normaler Blüten. In diesen Fällen ist die Ausbildung des Bartes etwas geringer als an den Hüllblättern des äußeren Kreises.

1893. 155 Blüten, davon 78 mit Rückschlagserscheinungen, 50,3 Prozent. 20 Blüten enthielten alle drei Glieder, 22 zwei, 36 ein Glied des inneren Staubblattkreises. An 35 Blüten (22,5 Prozent) trat die Bartbildung an Blättern des innern Hüllkreises auf, und zwar bald an allen Petalen (17 Blüten), bald an zweien (10 Bl.), bald nur an einem (8 Bl.).

1894. Die Kultur ergibt 242 Blüten. In Folge Rückschlages gebildete Glieder des inneren Staubblattkreises enthalten 158 Blüten (65,3 Prozent) 1). Bartbildung an den Petalen zeigten 83 Blüten (34,3 Prozent) und zwar 62 Blüten (25,6 Prozent) an allen dreien. An 42 Blüten (17 Prozent) war der Bart aller Blätter der beiden Hüllkreise vollständig gleich stark entwickelt. Diese Blüten entsprachen vollständig der in Fig. 2 dargestellten.

Im Jahre 1895 gelangten 486 Blüten zur Entfaltung, davon waren 366 (69,5 Prozent) im Besitze von deutlich ausgebildeten Gliedern des innern Staubblattkreises; und zwar besaßen: 185 Blüten drei Glieder, 81 zwei Glieder, 100 je ein Glied. 200 Blüten (41,1 Prozent) zeigten Bartbildung an den Petalen, und zwar in 57 Blüten nur an einem Blatte, in 30 Blüten an zwei Blättern, in 113 Blüten (23,2 Prozent) an drei; unter letzteren hatten 56 an allen sechs Hüllblättern einen gleichen, vollständig entwickelten Bartbesatz.

Was bedeutet nun dieses, wie man sieht an einem nicht unbeträchtlichen Prozentsatz der Blüten vorkommende Auftreten eines Bartes an den Petalen? Die Erscheinung war mir anfangs befremdlich, ich hatte sie nicht erwartet; angestrebt war ja nur die Vererbung des inneren Staubblattkreises. Auch kam, wie schon Eingangs erwähnt, ein mit Bart versehenes Petalum nur einmal an einer Blüte des Stammstockes zu Graz vor, ohne dass diese Blüte jedoch zu den Vererbungs-Kulturen herangezogen worden wäre. Auch an den Blüten der Vererbungs - Kultur I. Generation war, wenigstens bis zu dem Zeitpunkte, wo die Samen für die Vererbungs-Kultur gewonnen wurden, nie Bartbildung an den Petalen beobachtet 2). Dies erklärt wohl,

1) Der Prozentsatz der Rückschlag weisenden Blüten ist eigentlich noch größer, weil ich inzwischen festgestellt habe, dass oft nur rudimentäre Andeutungen der Glieder des inneren Staubblattkreises vorhanden sind. Bei Mitberücksichtigung dieser Fälle, würden auf die Blüten mit Rückschlagserscheinungen, im Jahre 1894, 89,6 Prozent aller Blüten entfallen.

2) In späteren Jahren traten in der Kultur I. Generation vereinzelt Blüten auf, in welchen ein oder das andere Petalum mit vollständig entwickeltem oder rudimentärem Bartbesatz versehen war. So produzierte diese Kultur 1895 453 Blüten, und 8 davon zeigten an je einem Petalum Bartbesatz in wechselnder Stärke. Wenn also auch sehr gering, im Verhältnis zur Vererbungs-Kultur

dass das plötzliche Auftreten so vieler Blüten von neuer Tracht in der Vererbungs-Kultur II ursprünglich einigermaßen befremden musste.

Bei genauerer Ueberlegung und Zusammenfassung der mir bekannten Thatsachen entschied ich mich aber leicht zu der Auffassung: in der beschriebenen und in Abbildung (Fig. 2) vorliegenden Iris-Blüte nur eine noch weitergeführte Rückschlagsform zu erblicken, als es die Iris-Blüten mit ausgebildeten Gliedern des inneren Staminalkreises sind. Indem zur Zucht Blüten erwählt wurden, welche in letzterer Hinsicht durch Rückschlag ausgezeichnet waren, wurden Keime erzielt, in denen urväterliche Tendenzen in dem Maße gehäuft waren, dass sie an den Nachkommen nicht nur in der gesteigerten Vererbung des innern Staubblattkreises zu Tage traten, sondern, dass auch ein weiteres Merkmal der Vorfahren an ihnen ersichtlich wurde, nämlich die Bartbildung an den Petalen. Mit andern Worten, die gewöhnlichen Blüten einer Iris pallida (germanica, florentina etc.), wo der äußere Hüllkreis allein durch Bartbildung ausgezeichnet ist, sind nicht nur von einer Stammform herzuleiten, die sechs Staubblätter besaß, sondern deren Blütenhülle ursprünglich aus lauter gleichartigen und zwar bebärteten Blättern bestand. Erst später kam durch Anpassung eine verschiedene Ausgestaltung der Blätter beider Kreise stande.

Für diese Auffassung sprechen folgende Momente:

1) Haben wir noch derzeit eine Iris-Art, deren sämtliche Hüllblätter normaler Weise einen Bart besitzen. Es ist die der Sub-Sektion Hexapogon1) angehörige Iris falcifolia Bunge 2).

II. Generation, so ist doch die Tendenz, zur Bartbildung an den Petalen, schon in der Vererbungs-Kultur I. Generation vorhanden.

1) Nach G. Baker, A Synopsis of the known species of Iris. Gardener's Chronicle, 1876 (Referat im botan. Jahresb.).

2) Eine zweite Iris spec., 1. Kaempferi Hect., welche ich kennen lernte, ist zwar von I. falcifolia jedenfalls wesentlich verschieden, aber doch in Parallele mit ihr zu stellen, insofern als auch bei ihr sämtliche Hüllblätter gleichgestaltet und nach außen umgebogen sind, und sie, jenen Iride en gegenüber, welche eine morphologisch verschiedene Ausgestaltung beider Hüllkreise. durchgeführt haben, gewissermaßen noch einen älteren Typus repräsentiert. Die Ausgestaltung des Bartes an den Hüllblättern dient zur besseren Ausschmückung der Blüte, und als „Saftmal", als Wegweiser zu den Nektarien für die Insekten. Bei Iris Kaempferi Siebold (bezogen von Thom. Ware), finden sich nun an allen Hüllblättern, dort wo sonst die Bärte entwickelt zu werden pflegen, zitrongelbe Flecken, welche sich von dem dunkelroten Farbenton des übrigen Blattes scharf abheben, und offenbar nur eine, die Bartbildung vertretende, demselben Zwecke dienende Bildung sind,

2) Ist eine rudimentäre Bartbildung, bestehend aus einzelnen wenigen jener Haare, welche bei den gebärteten Iris-Arten den reichen, bürstenartigen Besatz bilden, auch an den inneren Hüllblättern noch sehr häufig zu finden. Es ist offenbar der überkommene Rest, der bei der allmählichen Rückbildung noch nicht vollständig ausgemerzte Ahnencharakter, der uns hier entgegentritt.

Auf die Frage, warum die Umgestaltung der ursprünglich einheitlich ausgebildeten Blütenhülle in zwei gestaltlich verschiedene Kreise zweckmäßig war, fällt es nicht schwer, eine wahrscheinlich das Richtige treffende Antwort zu geben. Wie später noch genauer auszuführen sein wird, waren in meiner Vererbungs-Kultur II, Blüten von der Art der abgebildeten, durch einen Teil der Blütezeit hindurch vorherrschend. Der eigenartige Charakter derselben trat da so recht hervor. Diese Blüten sind jedenfalls nicht weniger schön und lockend für die Insektenwelt, als die normalen Iris-Blüten. Doch als zweckmäßig eingerichtet erwiesen sie sich nicht; das trat klar hervor, als einige Regentage gekommen waren. Die sämtlich zurückgebogenen Hüllblätter lassen dem Regen freien Zutritt, und zwischen der Basis der Hüllblätter und der Geschlechtsblätter dringt das Wasser in die Höhlung der Perizonröhre ein. Er erreicht so die im Grunde derselben vorhandenen, Nektar absondernden Partien und erfüllt die becherartig sich erweiternde Röhre nach oben, bis zur Stelle, wo die einzelnen Blätter der Blütenhülle auseinandertreten. Diese Wassermenge ist nicht so unbedeutend. Zumal wenn an einem Sprosse fünf bis sechs Blüten gleichzeitig entfaltet waren, konnte man dies an dem Ueberneigen derartig durch Wasser belasteter Inflorescenzen klar erkennen. Von Bedeutung ist aber jedenfalls, dass dieses Wasser auch den Weg zu den Honigdrüsen findet, und so den ausgeschiedenen Nektar fortschwemmt. Verglich man eine normale Iris-Blüte, so lag es klar vor Augen, welch trefflichen Schutz gegen eine solche Gefahr, die drei aufgerichteten Petalen bieten, wie ausgezeichnet sie das Wasser außen ableiten und so das Auswaschen der Nektarien verhindern. Ansehnlichkeit besitzt die Blüte der Iris (wir denken dabei stets an den Typus, dem pallida, germanica, florentina etc. angehören), wie sie heute normaler Weise sich repräsentiert, noch genug; an zweckdienlicher Organisation scheint sie aber ihren Ahnen gegenüber nur gewonnen zu haben1).

1) Man könnte nun fragen, wie sich der ältere Typus, der in Iris falcifolia und I. Kaempferi vorzuliegen scheint, unter solchen Verhältnissen zu erhalten vermochte. Da ist nur daran zu erinnern, wie die Anpassung in den einzelnen Zweigen einer Gattung, zu gleichen Zwecken ganz andere Wege zur Lösung einer und derselben Aufgabe betritt.

Iris falcifolia kenne ich nicht aus eigener Anschauung. Bei I. Kaempferi erinnere ich mich aber gesehen zu haben, dass die Hüllblätter oben äußerst

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