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die neue Familie Bifaxariadae aufgestellt haben. Der hochinteressante Cephalodiscus, den der Challenger heimbrachte und den man ursprünglich zu den Bryozoen gestellt hatte, ist der Bateson'schen Klasse Hemichordata einverleibt und aus der Bryozoenklasse entfernt worden.

Dieser in der Magelaës-Straße in einer Tiefe von 448 Metern lebende Cephalodiscus ist ein 2 mm langes Tier, welches an seinem Vorderende sechs Paar wiederholt fiederartig verzweigter Tentakeln trägt. Von dem Hinterende geht ein Fortsatz ab, an dessen Ende junge Individuen durch Knospung entstehen. Viele solche Tiere stecken in einer gemeinsamen gelatinösen Masse, stehen mit einander aber nicht in direktem, organischen Zusammenhange.

Cephalodiscus ist nicht nur mit der Rhabdopleura, sondern auch, wie im Report dargelegt wird, mit Balanoglossus verwandt: alle inneren Organe des Cephalodiscus stimmen mit den inneren Organen des Balanoglossus überein, so dass trotz der äußeren Verschiedenheit die innere Verwandtschaft zwischen beiden kaum bezweifelt werden kann. Möglich, dass er auch zu Phoronis Beziehungen hat. In den noch unreifen Cephalodiscus-Knospen sind die drei Regionen des Balanoglossus: Rüssel, Kragen und Leib, deutlich erkennbar. Die diesen Abschnitten entsprechenden Abteilungen der Leibeshöhle sind auch im ausgebildeten Tiere vorhanden. Sie bestehen, wie beim Balanoglossus, aus einer unpaaren Rüsselhöhle und paarigen Höhlen in den folgenden Abschnitten. Der After liegt nahe dem Munde dorsal. Die Rüsselhöhle kommuniziert durch ein Paar Rüsselporen, welche das Nervensystem durchbrechen, mit der Aussenwelt. Die Kragenhöhlen besitzen ein Paar Kragenporen. Das Nervenzentrum liegt dorsal in der Kragenregion. Im Russelstiele findet sich eine Art Chorda.

Sehr reich ist die Challenger-Sammlung an Tunicaten. Die freischwimmenden Formen (Salpidae, Doliolidae, Pyrosomidae) waren

als sehr häufige und auffallende Tiere der Oberfläche größtenteils schon früher gesammelt und beschrieben worden, so dass der Challenger nur wenige neue Formen erbeutete. Von diesen sind das über 1 Meter lange Pyrosoma spinosum und vor allem die zwei Arten des neueu Genus Octacnemus, welche abyssale Verwandte der pelagischen Salpidae zu sein scheinen, die interessantesten.

Auch die Sammlung von zusammengesetzten Ascidien bot, da das größtenteils Seichtwasser-Formen sind, wenig besonders Interessantes. Wohl hat Herdmann in seinem Report zahlreiche neue Arten beschrieben, diese gehören aber fast durchweg altbekannten Gattungen an.

Die wenigen Tiefseeformen zeigen keine besonders bemerkenswerten Eigentümlichkeiten. Am interessantesten dürfte das Pharyngodictyon mirabile sein, in welchem die Kiemensäcke eine ebensolche, vereinfachte Form aufweisen, wie bei Culeolus unter den einfachen Ascidien.

Wichtigere Resultate ergab das Studium der einfachen Ascidien. Besonders interessant sind die in der Tiefe lebenden, der Boltenia verwandten, gestielten Cynthiodae. Sie werden in den beiden Gattungen Culeolus und Fungulus untergebracht. Es sind im ganzen 8 Arten. Bei denselben hat der Kiemensack einen ausserordentlich einfachen Bau. Einige Culeolus-Arten besitzen hohle, dünnwandige Papillen an der äusseren Oberfläche, deren Lumen mit den Blutgefäßen in Verbindung steht. Das sind offenbar accessorische Atmungsorgane und dürften wohl dem Mangel an Sauerstoff in jenen Tiefen ihre Entstehung verdanken. Eine ausserordentlich große vertikale Verbreitung weist das Genus Styela auf. Zu demselben gehören Arten, welche zwischen den Gezeitengrenzen am Strande vorkommen und auch solche, die im tiefen und tiefsten Wasser leben. Styela bythia ist aus einer Tiefe von 4754 Metern heraufgeholt worden. Für zwei riesenhafte, gestiele Molgulidae und für mehrere Ascididae wurden 4 neue Genera aufgestellt. Für einige, die Clavellinidae mit den Ascididae verbindende Formen wurde das neue Genus Ecteinascidia errichtet. Auf Grund der Ergebnisse des Studiums der letzteren vereinigt Herdman die Ascidiae sociales mit den Ascidiae simplices. Obwohl ziemlich allgemein verbreitet so sind doch die einfachen Ascidien in der gemässigten sudlichen Zone am weitaus häufigsten. Ich möchte hiezu bemerken, dass die Zahl der Ascidien der Arten sowohl als der Individuen den Australischen Küsten eine wahrhaft erstaunliche ist.

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Die Hauptergebnisse seiner Untersuchung der Challenger-Tunicaten stellt Herdmann in folgenden Sätzen zusammen: 1. Es wurden 184 neue Arten beschrieben. 2. Die Tunicaten sind als degenerirte Abkömmlinge der Protochordaten anzusehen. 3. Die Stammform der festsitzenden Ascidien war eine Clavellinide. 4. Pyrosoma stammt von festsitzenden, zusammengesetzten Ascidien ab. 5. Die Ascidiae compositae sind eine polyphyletische Gruppe.

Ein sehr großes Interesse bieten die Fische dar, denn dem Challenger verdanken wir die erste genaue Kunde von abyssalen Fischen. Obwohl schon Risso gewisse Fische als Angehörige der Tiefseefauna bezeichnet, und Lowe nachgewiesen hatte, dass mehrere Arten in der Jugend an der Oberfläche, später in der Tiefe leben, so war doch eigentlich nichts über die Fischfauna grosser Tiefen bekannt als der Challenger seine Forschungsfahrt antrat.

Der Challenger erbeutete 610 Fische, welche von Günther beschrieben und deren Leuchtorgane von mir histologisch untersucht wurden.

Die eigentlichen Tiefseefische sind nicht Repräsentanten alter Gruppen, sondern den Verhältnissen der Tiefsee angepasste Abkömmlinge rezenter Seichtwasserformen. Die gegenwärtig lebenden Repräsentanten alter Formen sind durch die neu Auftretenden nicht in die Tiefe hinab gedrängt worden, sondern hinein in süße Ge

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wässer (Ceratodus). Was die Ergebnisse meiner Untersuchung der Leuchtorgane der Tiefseefische des Challenger betrifft, so habe ich in dieser Zeitschrift bereits ausführlich darüber berichtet und erlaube mir hier auf jene Mitteilung zu verweisen.

Auch einige Schildkrötenembryonen wurden vom Challenger erbeutet und auf Grund dieses Materials und einiger später gesammelter Exemplare veröffentlichte Parker einen eingehenden Bericht über die Entwicklung des Schildkrötenschädels.

Dank Murray's Sammeleifer hat der Challenger eine beträchtliche Anzahl von Vogelbälgen mit heimgebracht. Unter diesen fanden sich mehrere neue Arten. Dem Berichte über die Vögel sind 30 kolorierte Tafeln beigegeben. Besonders reichhaltig sind die Reports von Forbes über die Tubinares und von Watson über die Spheniscidae.

Auch über Wale und Robben ist einiges berichtet worden. Das Skelet eines jungen Mesoplodon layardi, das Gehirn des Walrosses und der Elephanten-Robbe, und anderes wurde beschrieben.

Ebenso finden wir Angaben über Landsäugetiere und besonders interessante, von Moseley aufgezeichnete Notizen über die Anthropologie der Bewohner einiger der vom Challenger berührten Inseln.

So ist denn dieses Werk ein ebenso vielseitiges wie reichhaltiges Denkmal ernster wissenschaftlicher Arbeit und immerdar wird es der wichtigste Markstein der Entwicklung unserer Kenntnis von dem Meere sein.

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Versuch einer morphologischen Erklärung des Tetrarhynchen

rüssels.

(Mit 3 schematischen Abbildungen.)

Von Dr. Theodor Pintner in Wien

Die Familie der Tetrarhynchiden verdankt ihre scharfe systematische Abgrenzung von allen nahe verwandten Gruppen bekanntlich Organen, die trotz ihrer hohen Ausbildung und der vollkommensten Anpassung an ihren Zweck weder bei den Bandwürmern selbst, noch bei sonst einer Gruppe der Platt- oder gar Rundwürmer in Vorstufen oder Resten vorhanden zu sein schienen. Denn die vier Rüssel der Tetrarhynchen können doch ernstlich ebenso wenig mit dem Rostellum der Taenien, als mit dem Rüssel der Turbellarien oder Nemertinen, oder gar von Acanthocephalen, lauter unpaaren, median gelegenen Organen, verglichen werden, und so spotteten sie also einer morphologischen Erklärung und phylogenetischen Zurückführung bisher hartnäckig. Angesichts dieser Sachlage mag eine Betrachtung erlaubt sein, die von thatsächlichen Verhältnissen im Bau des Bandwurmkopfes ausgeht und vielleicht einen Weg in der angedeuteten Richtung anzu

bahnen geeignet ist, zumal sie durch einige ganz überraschende Thatsachen gestützt zu werden scheint.

Erinnert man sich der verschiedenen Formen der Haftscheiben oder Bothridien, so findet man, dass einfache und zusammengesetzte unterschieden werden könnten. Einfache Bothridien, ohne jede sekundäre Sauggrubenbildung und ohne jeden ihnen selbst aufsitzenden Hakenapparat, somit ohne Hilfsapparate der Befestigung, finden wir bei den Tetrarhynchen und Echinobothrien, also in Fällen, in denen andere mächtig ausgebildete Organe, wie die Rüssel im ersteren Falle, im letzteren die gewaltigen Hakengruppen des Kopfes, die Fixierung des Tieres übernehmen. Wir finden die Haftscheiben hier in der Vierzahl, oder in der aus dieser hervorgegangenen 1) Zweizahl. Wo vier solcher einfacher Haftscheiben vorhanden sind, z. B. bei Tetrarhynchus tetrabothrium Ben. erinnern sie natürlich am meisten an die Saugnäpfe der Taenien. Indessen ist festzuhalten, dass gerade die Haftscheiben der meisten Tetrarhynchen und der Echinobothrien gegen die Hauptmasse des Kopfparenchyms nicht nur nicht abgeschlossene, selb ständig differenzierte Gebilde sind, wie die Saugnäpfe, sondern nicht einmal irgend wie abgegrenzt erscheinen. Sie liegen äußerlich am Kopfe im Gegensatze zu der meist mehr oder weniger tief in das Parenchym des Kopfes eingesenkten Lage der Taeniadennäpfe, sie sind viel freier beweglich als diese, sie können ihre Form, ihre äußeren Umrisse viel mehr verändern. Die Bothridien sind hervorstehende Flügel des Kopfes selbst, die Saugnäpfe Gruben im Kopfe, wird man im Allgemeinen sagen können. Ferner sind die Haftscheiben ungefähr, wenn auch sicher nicht ausnahmslos, im Verhältnis zu dem von ihnen unmittelbar umstellten Stücke des Kopfes von größerem Umfange als die Saugnäpfe, mit dem entsprechenden Abschnitte ihres Scolex verglichen. Alle diese Punkte zusammengenommen bilden ja eben den Unterschied zwischen den Begriffen „Haftscheibe" oder „Bothridie" und „Saugnapf“, wobei freilich in erster Linie an die Saugnäpfe der gewöhnlichen und bekannteren Taenien der Säugetiere gedacht ist.

Betrachtet man hingegen die Haftscheiben der Tetrabothrien, so wird man fast ausnahmslos eine, wenn auch bisweilen unscheinbare, weitere Differenzierung eines Teiles der Haftscheibe finden, die dieselbe als zusammengesetzt zu bezeichnen gestattet. Es gibt da einmal Hakenapparate. Diese interessieren uns hier nicht weiter. Dann aber sekundär auf der Haftscheibe zur Entwicklung gekommene Sauggruben. Solche finden wir auf den Haftscheiben der Tetrabothrien bekanntlich in verschiedener Zahl, in verschiedener Stellung und von verschiedenem Bau. Histologisch und jedenfalls auch genetisch ab

1) Oder umgekehrt? denn über den Gang in der phylogenetischen Entwicklung dieser, sowie fast aller übrigen Organe der Bandwürmer ist ja bis jetzt kaum eine Hypothese aufgestellt worden.

weichende Sauggruben finden sich ja sogar auf einer und derselben Haftscheibe vereinigt, wie bei den Calliobothrien und Orygmatobothrien, wo die apikalen Sauggruben sehr wesentlich im Bau von den hinter ihnen gelegenen abweichen. Bei eben diesen Formen, und ebenso bei den Echeneibothrien, sehen wir zugleich auch, dass in diesem Prozesse der Haftgrubenbildung auf der Haftscheibe von vorne nach hinten eine Wiederholung aufzutreten vermag. Die größte Neigung zur Sauggrubenbildung hat offenbar das Vorderende; ist aber hier bereits eine Sauggrube vorhanden, so kann diese Neigung hinter derselben neuerlich sich geltend machen und zur Bildung ähnlicher oder modifizierter Fixationsapparate führen.

Die Ausbildung dieser sekundären Sauggruben der Haftscheibenfläche ist eine sehr verschiedene. Wir sehen von solchen, welche einfach durch eine Cristabildung der Haut und wenig veränderten Muskelverlauf von der allgemeinen Haftscheibenfläche abgegrenzt erscheinen, angefangen alle Stufen bis zu hochdifferenzierten, mit Einsenkung tiefer Hautgruben, spezieller Umgestaltung der mächtigen Muskulatur, völliger Abgrenzung gegen die Gewebsteile der übrigen Haftscheibe, Starrheit der äußeren Umrisse; kurz wir sehen aus der einfachen Sauggrube einen vollkommenen Saugnapf auf der Haftscheibe entstehen. Es ist dies ja ganz derselbe Gang, den die Sauggrube und die Haftscheibe selbst am Scolex in ihrer phylogenetischen Entwicklung genommen haben dürften. Wie sich durch Einbuchtungen der Haut und anfänglich geringe Umgestaltungen der zugehörigen Muskulatur aus der allgemeinen Körperoberfläche erst leichte Befestigungsmittel gebildet haben mochten, ähnlich denen, die wir z. B. bei Amphilina und Triaenophorus noch heute finden, so hat sich auf der Haftscheibenfläche dieser Prozess wiederholt und verschiedene Stufen der Ausbildung erlangt. Das Streben aber, von der großen Fläche der gesamten Haftscheibe einen kleineren Bezirk besonders abzugrenzen und saugnapfähnlich umzubilden, ist nichts anderes, als eine Folge des allgemeinen Gesetzes der Kräfteersparnis: denn die Muskelkraft, die eine kleine Fläche stempelartig zurückzieht, um unter ihr ein Vacuum zu erzeugen, ist, bei derselben Wirkung, offenbar kleiner, als diejenige, die für die größere Fläche erforderlich wäre.

Diese Betrachtungen drängen uns zunächst die Frage auf: Sind die Saugnäpfe der Taenien den Bothridien der Tetrabothrien in toto homolog oder etwa dem saugnapfähnlich differenzierten vordersten Abschnitte derselben? Wenn diese Frage bisher nicht aufgeworfen wurde, so hatte dies seinen Grund darin, dass man wohl allgemein die erstere Anschauung für die selbstverständliche hielt. Auch gibt es thatsächlich bei gewissen seltener untersuchten und weniger allgemein bekannten Taenien Saugnäpfe, die durchaus an eine Tetrabothriumhaftscheibe in ihrer Gesamtheit erinnern. Für die bekannteren Taenien

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