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an der

von Owen, Bütschli, Galton, M. Nussbaum, J. Sachs u. a. angebahnte Theorie von der Kontinuität des Keimplasma die Erlösung von einem auf unserem Erkenntnisvermögen lastenden Alp" (II, 61). Da aber die Frage auch heute noch nicht als ganz sicher im negativen Sinne entschieden betrachtet werden kann (I, 140), so wäre es wohl Zeit, wenn endlich in einem unserer grossen, reich dotierten Institute durch genügend variierte und genügend lang fortgesetzte Versuche diese fundamentale Frage der Vererbung erworbener Eigenschaften einer unantastbaren Entscheidung zugeführt würde.“ (I, 456).

Auf einzelne bisher wenig gewürdigte, oder im zweiten Abdruck neu eingefügte kausale Ableitungen im I. Baude mag hier nur im Vorbeigehen hingewiesen werden. Es gehören dazu die Angaben über die Funktion der Zwischenwirbelscheiben und die Struktur des Perimysiums (I, 182 Anm.), die Herzstruktur (I, 184 A. und 369 A.), die funktionelle Metastruktur z. B. des Bindegewebes (I, 187 A.), die Gewöhnung an Schädlichkeiten (Immunität) durch innere Umzüchtung (I, 235), die relative Dicke der Sehnen (I, 270), die qualitative Anpassung der Kapillarwandung jedes Organs (Leber, Muskeln, Gehirn etc.) an den spezifischen Verbrauch desselben (I, 314), die Entstehung der Gelenkformen (1, 354 und 734), die Selbstdifferenzierung und abhängige Differenzierung bei Anlage der Gefässe (I, 83), die Erklärung der Schwalbe'schen Regel vom Muskelnerveneintritt (I, 366) u. a.

Die Abhandlungen des II. Bandes beschäftigen sich mit spezifischen Problemen der embryonalen Entwicklung. Es sind die Probleme, deren Erörterung augenblicklich die ganze zoobiologische Welt bewegt. Da sie zum großen Teil in dieser Zeitschrift von Roux u. a., von mir an anderer Stelle (Referate über Regeneration in den Ergebnissen der Anatomie etc. von Merkel und Bonnet, 1891 1894) besprochen wurden, so mag es hier genügen, wenn ich eine kurze Angabe über Roux's Experimente und Untersuchungen nach der von ihm selber (I, Einleitung, VIII) gegebenen Uebersicht liefere.

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Nach einer klassischen Untersuchung über das Wesen der entwicklungs-mechanischen Aufgaben (Nr. 13) und Erörterungen über die zu ihrer Lösung nötigen Methoden (Nr. 13, 14, 15) wurde folgendes von Roux geprüft bezw. ermittelt:

A. Bezüglich der Entwicklung des ganzen Eies:

1. ob äußere

gestaltende" Einwirkungen zur Entwicklung des befruchteten tierischen Eies nötig sind (Nr. 19);

2. ob die „normale" individuelle Entwicklung von ihrem Beginn an ein bestimmt geordnetes System von Richtungen ist (Nr. 16);

3. wann zuerst die Hauptrichtungen des Embryo im Ei bestimmt werden (Nr. 20);

4. wodurch dies geschieht (Nr. 20 und 21);

5. welches die Bedeutung der normalen Furchung des Eies in Bezug auf qualitative Materialscheidung ist (Nr. 20 und 22);

6. wo an der Blastula des Froscheies das Material des Zentralnervensystems gelagert ist, und unter welchen Materialumlagerungen sich die Gastrulation vollzieht (Nr. 20 und 23);

7. welche Wirkung bestimmt lokalisierte Defekte am Ei auf die Bildung des Embryo hervorbringen (Nr. 18 und 22);

8. welcher der Ort der gestaltenden Kräfte einzelner bestimmter Gebilde ist: ob sie dem gestalteten Gebilde bez. Teile selber innewohnen (Selbstdifferenzierung), oder ob sie außerhalb desselben liegen (abhängige Differenzierung), insbesondere, ob die zur Gestaltung einer seitlichen oder vorderen Hälfte des Embryo nötigen Kräfte im ganzen Ei, oder in der ihrer Lage nach entsprechenden einen der beiden ersten Furchungszellen sich befinden (Nr. 18, 22 und 26);

9. ob freier Elektrizität im Ei ein Anteil an der gestaltenden Entwicklung desselben zukommt (Nr. 18);

10. ob Deformation des in Zellen geteilten Eies einen wesentlich die Differenzierung alterierenden Einfluss ausübt (Nr. 28, 29); 11. dass es nötig ist, für die Entwicklung des Individuums zwei wesentlich verschiedene Entwicklungsarten, eine normale s. typische und eine atypische s. regulatorische (regeneratorische) Entwicklung zu unterscheiden (Nr. 26, 27, 28, 31);

12. dass die von Roux entdeckte Postgeneration der ursprünglich nicht gebildeten Körperhälfte durch differenzierende Wirkungen von Zelle zu Zelle stattfindet, welche zunächst von den Zellen der primär entwickelten Embryohälfte ausgehen (Nr. 22): B. Von dem Verhalten der einzelnen Zellen des Eies wurde geprüft: 13. welche Wirkung eine der Furchungszelle passiv gegebene Gestalt auf die Richtung der nächsten Teilung hat (Nr. 20, 29, 31); 14. ob die Richtung des elektrischen Stromes einen Einfluss auf die Richtung der Befruchtung und der ersten Eiteilung auszuüben vermag (Nr. 25);

15. ob den Furchungszellen ein Vermögen der Selbstordnung zukommt. Solches Vermögen wurde erkannt als stattfindend

a) unter noch von einander entfernten Zellen (Cytotropismus) (Nr. 25);

b) unter sich berührenden Zellen (Nr. 32);

16. welche gestaltenden Wechselwirkungen zwischen Zellleib und Zellkern stattfinden (Nr. 20, 21, 29, 30, 31 und 33); 17. weiterhin wurde neben anderem, hier nicht Erwähntem, z. B. zu ermitteln gesucht, auf welcher nächsten Ursache die von Roux beobachtete Spezialpolarisation der einzelnen Zellen der lebenskräftigen Morula und Blastula gegenüber der, dem Verhalten eines noch ungeteilten Eies gleichenden, Generalpolarisation der geschwächten Morula und Blastula beruht (Nr. 25). Eine gedrängte Zusammenstellung der von ihm ermittelten gestaltenden Wirkungsweisen" (Naturgesetze) und Regeln gibt Roux am Schlusse jedes Bandes; außerdem ist schnelle Orientierung im ganzen Werke durch ein Autoren- und Sachregister ermöglicht.

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Von besonderem Interesse wird für alle Biologen, speziell für die Freunde und Gegner der Roux'schen Anschauungen das „Nachwort“ zum II. Bande sein (II, 996 ff.), in welchem er seine theoretischen Auffassungen über die gegenwärtig im Kampfe der Meinungen stehenden, in den Arbeiten des II. Bandes behandelten Probleme so kurz als möglich zusammenhängend darstellt. Die Gegner von W. Roux pflegen in jedem Jahre wenigstens einmal zu versichern, dass seine Lehre von der Entwick

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lung von Halbembryonen, von der Postgeneration, von der Mosaik-Entwicklung, von der Spezifikation der Furchungszellen, von der typischen und der regulatorischen Entwicklung u. s. w. ein „Missgriff", oder dass seiner Theorie durch neue Versuche ihr letzter Boden entzogen" sei. Wer aber dieses „Nachwort" eingehend und unbefangen studiert, wird sich überzeugen, dass diese Theorie sich trotz aller Insulte von seiten der Gegner zu einem festgefügten Bau entwickelt, also ein ausgezeichnetes Postgenerationsvermögen bekundet hat.

Der denkende Biologe findet aber in diesem Nachwort noch manches andere, was ihn im höchsten Maße fesseln wird. Bekanntlich erhebt seit einiger Zeit wieder der „Vitalismus" das Haupt in mannigfaltiger Verbrämung. Die Spekulationen seiner Vertreter, speziell die teleologische Anschauung der Jung-Vitalisten werden von Roux ebenso zurückgewiesen, wie die zu einfach physikalisch-chemische Auffassung der Lebensvorgänge. Ihn hat die Analyse der organischen Gestaltungsvorgänge zu einem mehr Erkenntnis verheißenden Resultate geführt. Er erblickt „das höchste Rätsel der organischen Gestaltung in dem zwar überaus schwierigen, aber doch nur speziellen Probleme der „morphologischen Assimilation", in dem bisher von niemandem in seiner hohen Bedeutung erkannten Problem, wie Gestaltetes sich im Stoffwechsel durch Assimilation erhalten, d. h. sich in gleicher Weise selbst produzieren kann“ (II, 1021). Und das nächstgrößte Rätsel der organischen Gestaltung ist ihm die Bildung "typisch gestalteter Produkte bei ,atypischem Ausgangstück", also die regenerative, s. regulatorische Entwicklung (II, 1022).

Ganz zum Schluss äußert sich Roux auch noch über den speziellen Anteil der Epigenese und der Evolution an der Ontogenese im Sinne der neuen, von ihm gegebenen und jetzt allgemein gebrauchten. Definitionen. Roux hat von Anfang an den Anteil beider gestaltenden Prinzipien an der Entwicklung zu erforschen für nötig erklärt, die Wirkungsweise beider charakterisiert und Beispiele für den Anteil jedes derselben beigebracht. Dass er hierdurch auch auf diesem Gebiet reformatorisch gewirkt hat, lässt sich leicht in den neueren theoretischen Schriften der Zoobiologie erkennen.

Das Werk von W. Roux enthält die Ergebnisse einer 17 jährigen angestrengten, aber auch außergewöhnlich fruchtbringenden Thätigkeit. Mit seltenem Scharfsinn, genialem Experiment und eiserner Konsequenz fasste er die Arbeit seines Lebens an und gab mit ihr der biologischen Forschung einen neuen Aufschwung und eine neue Richtung.

Dorpat, Dezember 1895.

Dietrich Barfurth. [35]

Wilhelm Leche, Zur Entwicklungsgeschichte des Zahnsystems der Säugetiere, zugleich ein Beitrag zur Stammesgeschichte dieser Tiergruppe.

Erster Teil: Ontogenie mit 19 Tafeln und 20 Textfiguren. Stuttgart, Verlag von E. Nägele, 1895.

Das Gebiss, welches für die zoologische Systematik schon in deren Anfängen eine reiche Verwertung fand, spielte auf dem Gebiete der

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Paläontologie der Säugetiere immer die erste Rolle. Der Anstoß zum Aufbaue einer Odontographie ging von den Paläontologen aus, welchen die vergleichenden Anatomen sich erst später an die Seite stellten. Owen suchte weitere Gesichtspunkte zu gewinnen, indem er die Säugetiere in Monophyodonten und Diphyodonten einteilte, welche Einteilung mit der älteren Gruppierung in Homodonten und Heterodonten nach dem früheren Stande der Erkenntniss zusammenfiel. Trotz mancher Errungenschaften und der wertvollen Bereicherungen, welche durch die unter neuen Gesichtspunkten ausgeführten Arbeiten von Hensel, Tomes, Rütimeyer, Flower, W. Kowalewsky u. a. zu stande kamen, gelang es geringem Maße das Gebiss von einem vergleichend anatomischen Gesichtskreise aus zu durchforschen und von dieser Seite Fortschritte anzubahnen. Die Morphologie hat auf anderen Gebieten mehr gefördert als auf dem der Odontologie. Eine unendliche Summe von Beschreibungen und von unkritisch aufgestellten Verallgemeinerungen hat die Odontographie allmählich in eine Art von Misskredit gebracht.

nur in

Erst in den letzten Jahren hat sich hierin ein Umschwung vollzogen. Durch Anwendung allgemeinerer Gesichtspunkte und strengerer Vergleichsmethode sowie durch die Untersuchungen Waldeyers', Kölliker's und Kollmann's ist das Interesse wieder auf das Zahnsystem gelenkt worden. Die Untersuchungen von Ryder, Cope, Winge, Thomas, Schlosser, Osborn, Röse und Kükenthal leisteten dem neu erwachenden Interesse Vorschub.

Das Gebiss ist ein sehr wenig konservatives Organsystem; es neigt zur Bildung von Konvergenzerscheinungen mannigfaltigster Art hin, da es selbst den leisesten äußeren Impulsen nachgibt. Nichtsdestoweniger ist das Zahnsystem für die Feststellung der Genealogie der Säugetiere nicht zu entbehren. Die Bewältigung und Erkenntniss des Zahnsystems wird deshalb für die moderne Zoologie notwendig. Wir besitzen z. B. von den historisch ältesten, d. h. den mesozoischen Säugetieren keine anderen morphologisch brauchbaren Reste als das Gebiss. Dasselbe gilt auch in Bezug auf viele tertiäre Formen. Das Gebiss liefert uns außerdem die Handhabe für die Erschließung des historischen Vorganges bei der Säugetierentwicklung, weil es das einzige Organsystem der Wirbeltiere ist, an dem die Ontogenese, wie sie sich im Milchgebisse manifestiert, mit der historischen Phylogenese direkt verglichen werden kann. Wir sind im stande, das Milchgebiss der einzelnen Formen mit fossilen Befunden zu vergleichen, also individuell frühere Entwicklungsstufen auf historisch frühere Formzustände beziehen zu können. Dies gewinnt an Wert, da die Untersuchung des individuell früheren Milchgebisses auch bei historisch früheren Entwicklungsstufen oft zugänglich ist. So hat man bei einzelnen Säugetierkiefern der Juraperiode einen Zahnwechsel nachweisen können. Die Bedeutung des Zahnsystems für die Genealogie der Säugetierwelt ist demgemäß unbestreitbar und eminent. Bei richtiger Wertschätzung der Verhältnisse gewinnen wir in dem Gebiss einen Prüfstein für die Tragweite des biogenetischen Satzes.

Während bisher unsere Kenntnis von der Ontogenie des Gebisses auf die Untersuchung weniger und meist unabhängig von einander untersuchter Tierformen sich stützte, so war W. Leche bestrebt, eine Uebersicht über die Entwicklungsmodi durch zusammenhängende Unter

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suchungen einer größeren Formenreihe zu gewinnen. Leche
sich die Aufgabe, das Unwesentliche auszuschalten und eine Basis zu
schaffen, auf welcher erfolgreich weiter gearbeitet werden könnte.

Dem vorliegenden, ersten Bande soll ein zweiter Band folgen. Die Vorarbeiten hierzu sind teilweise abgeschlossen. Es wird für den zweiten Band in Aussicht gestellt, das fertige Milchgebiss und dessen Verhalten zum Ersatzgebiss bei möglichst vielen lebenden und ausgestorbenen Repräsentanten einzelner geeigneter Säugetierordnungen darzulegen, wobei die ontogenetischen Befunde Berücksichtigung finden werden. Die erkannten Zustände werden Einsicht in die Umgestaltungsgesetze des Zahnsystems weiterer Formenkreise gestatten. Die gewonnenen Resultate werden unter kritischer Berücksichtigung der Gesamtorganisation genealogisch ihre Verwertung finden.

Die im vorliegenden ersten Teile niedergelegten Untersuchungen sind an Schnittserien von folgenden Tierarten gewonnen:

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Diese zahlreiche und gut gewählte Formengruppe, genau untersucht, ist geeignet, eine Uebersicht über die wichtigeren Modifikationen der Entwicklung des Säugetiergebisses gewinnen zu lassen. Nagetiere und Huftiere sind von Leche's Untersuchungen ausgeschlossen. Für Halbaffen werden spätere Nachträge in Aussicht gestellt.

Meistens sind mehrere Stadien, bis 11, der angegebenen Formen unter-
sucht worden.
Schnittserien mehrerer Stadien von Siredon pisciformis,
Anguis fragilis, Lacerta vivipara und Iguana tuberculata wurden durch
Leche zur Vergleichung herangezogen.

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