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sehen, dass bei Phocaena eine Verschmelzung von ursprünglich vollständig getrennten Zahnanlagen vorliegt (Kükenthal). Hierdurch ist die Möglichkeit einer Verwachsung verschiedener Dentitionen unter günstigen Bedingungen dargethan.

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Die Thatsachen der Paläontologie und vergleichenden Anatomie sprechen entschiedener gegen die Verschmelzungshypothese". Eine progressive Entwicklung des Zahnsystems ist innerhalb der Säugetierklasse ontogenetisch und paläontologisch nachweisbar. Allmähliche Vermehrung und Vergrößerung der Kronenspitze erfolgt bei den geologisch ältesten Säugetieren (Dromotherium, Microconodon, Spalacotherium). Die Molaren der Multituberculata älterer Formen haben mehr Spitzen als diejenigen der späteren. Der Zuwachs der Krone geschieht bei den ersten Huftieren durch neu auftretende Höcker. Die historische Entwicklung des Elephantengebisses an demjenigen des Mastodon (Uebergang der Joche in Lamellen, Vermehrung letzterer etc.) ist ebenfalls mit der Verschmelzungstheorie unvereinbar.

Die Leistungen der Ontogenie im Dienste der Morphologie des Zahnsystemes leisten den hochgespannten Hoffnungen, welche man an ontogenetischen Forschungen knüpfte, keinen Vorschub. Gehegte Erwartungen, aus der Ontogenese Aufschluss über die Entstehung des Säugetiergebisses aus dem der niederen Wirbeltiere zu erhalten, blieben bisher unerfüllt. Zudem führen ontogenetische Befunde, allein für morphologische Schlüsse verwandt, zu argen Irrungen. Erst wenn die ontogenetischen Thatsachen in Beziehung zum vergl. anatomischen und paläontologischen Material gebracht, wenn die Aussagen beider Instanzen kritisch gegen einander abgewogen worden sind, erst dann gelangen wir zu Erkenntnissen, welcher sich genealogisch verwerten lassen, indem sie uns eine Vorstellung von wirklich geschichtlichen Vorgängen geben.

Amsterdam, Dez. 1895.

G. Ruge. [34]

Au point

A. Rodet, De la variabilité dans les microbes. de vue morphologique et physiologique. Application à la pathologie générale et à l'hygiène. Paris, J. B. Baillière et fils, 1894, Q. 294 S.

Je

Die Bakteriologie hat in wenigen Jahren eine außerordentliche Zahl von Thatsachen zur wissenschaftlichen Erkenntniss gebracht, aber sie zeigt sich als sehr junge, unfertige Wissenschaft darin, dass es noch nicht gelungen ist, in einem einheitlichen System diese Thatsachen einzuordneu. In der allerersten Zeit wurde mehrfach der Versuch gemacht, eine Syste matik der Bakterien aufzustellen. Diese Versuche, auf allzuwenig Material gegründet, wurden bald durch neue Beobachtungen überholt. mehr die letzteren sich häufen, desto schwerer scheint ihre Ordnung zu werden; inzwischen hat dieser unfertige Zustand dazu geführt, die Nomenklatur der Bakterien sehr unsicher zu machen und zu vielen Missverständnissen Anlass zu geben. Bei dieser Lage ist ein Versuch, die bisherigen Erfahrungen unter einem bestimmten Gesichtspunkt zu ordnen und die thatsächliche Bedeutung einiger vielgebrauchter Schlagwörter festzulegen, sehr nützlich.

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Dieser Arbeit hat sich Rodet in dem oben genannten Buche über die Variabilität der Bakterien" unterzogen.

In einem historischen Rückblick erläutert Rodet, warum er gerade dieses Thema gewählt. Pasteur, als er die Bakteriologie als Wissenschaft begründete, und später Koch, legten von ihrem Standpunkt aus das größte Gewicht auf die Funktion der Bakterien, die sie zunächst für konstant ansahen. Die Botaniker Nägeli, Cohn und Zopf legten der Morphologie größere Bedeutung bei, die überall sonst in den biologischen Wissenschaften die Grundlage unserer Erkenntnis bildet. Aber während Nägeli vollständige Inkonstanz der Formen behauptete, begründete Cohn seine Einteilung der Bakterien auf die Konstanz der einzelnen Formen, und Zopf gab das Bestehen verschiedener Species zu, suchte ihre Charakteristik aber in der Verbindung mehrerer Entwicklungsformen, die dieselbe Art nach einander annehmen sollte.

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Die neuere Forschung hat unter dem Vortritt Pasteur's nachgewiesen, dass auch die Funktionen sicher nicht im strengen Sinn des Wortes konstant seien. Aller dieser Beobachtungen und Behauptungen von Variabilität und Polymorphismus hat sich nun einerseits die Spekulation bemächtigt, um sie als Beispiele für die Umbildung der Arten" zur Stütze der Darwin'schen Theorie zu verwenden, andrerseits stand Koch mit seinen Schülern diesen Beobachtungen lange Zeit sehr skeptisch gegenüber und es sind infolge des starren Artbegriffes dieser Schule eine Menge neuer Arten beschrieben worden, deren Trennung von andern in der Praxis sich nicht durchführen lässt.

Deshalb glaubt Rodet zunächst untersuchen zu sollen, in welchen Grenzen thatsächlich Variieren der Form und der Funktion nachzuweisen sei, um daraus dann weiter abzuleiten, welche Kennzeichen als die konstantesten sich am besten zur Charakteristik der Arten eignen müssen. Dementsprechend teilt er seine Untersuchungen in 2 Hauptabschnitte, einen analytischen" und einen synthetischen". In dem ersteren, weit umfangreicheren, wird in 5 Kapiteln das Material zusammengetragen, geordnet und kritisch beleuchtet. Die Kapitel handeln von den Variationen der Gestalt, der physikalischen Eigenschaften der Kulturen, der chemischen Funktionen, der biologischen Charaktere und der pathogenen Eigenschaften der Arten. Diese Einteilung ist durch die verschiedene Fülle des Materials geboten und R. weist selbst ihre Schwächen auf. Er stellt einerseits das erste Kapitel allen anderen gegenüber und weist darauf hin, wie die "physikalischen Eigenschaften", das heißt das Aussehen der Kulturen, fast ausschließlich bedingt sei von Faktoren, die den beiden nächsten Kapiteln angehören, nämlich den chemischen Funktionen, wie Farbstoffund Fermentbildung, und den biologischen Charakteren, die verschieden üppiges und rasches Wachsen und dadurch Variation der Kolonieformen bedingen. Etwas zu isoliert scheinen dem Referenten dagegen die Variationen der Pathogenität behandelt zu werden, indem dieselbe als Produktion von Giften aufgefasst und in Paralelle zu den chemischen Funktionen gesetzt wird, die Variation der „biologischen Charaktere" aber, die entscheidend dafür werden kann, ob eine Bakterienart sich in einem Tierkörper stärker oder schwächer vermehrt, nicht scharf beleuchtet wird. Dabei beschränkt der Verfasser in diesem Kapitel seine Untersuchung nicht auf die Krankheiten, welche schon mit mehr oder minder großer Wahr

scheinlichkeit auf bestimmte Bakterienarten zurückgeführt worden sind und bei denen sich experimentell entscheiden ließe, ob wirklich eine Variation in den aktiven Eigenschaften der Bakterien vorliege, sondern zieht auch Variola und Vaccine, die anderen akuten Exantheme und die Hundswut in den Kreis der Betrachtung hinein, Krankheiten, bei denen wir nur nach Analogie bakterielle Erreger annehmen dürfen. Es ist aber hervorzuheben, dass R. nicht etwa auf dem schwanken Grund solcher Hypothesen neue Theorien aufbaut, sondern sie nur, um die Zahl der Beispiele von ,, spontanen Variationen" von Viris zu mehren, in Paralelle setzt zu der experimentellen Abschwächung und Verstärkung der Virulenz der Milzbrand- und Diphtherieerreger. Er hebt überall hervor, wie weit es sich um Thatsachen und wie weit um Hypothesen handelt, aber während er aus den ersteren seine Schlüsse zieht, liebt er es zu zeigen, dass auch die klinischen Erfahrungen, welche wir bisher nur nach Analogie zu der Bakteriologie in Beziehung setzen, sich seinen Auschauungen fügen.

Auf das erste Kapitel, in welchem sich R. mit den Variationen der Form beschäftigt, will ich näher eingehen, weil es von besonderem Interesse ist, und um daran die Untersuchungsmethode des Verf., der seinen Stoff von verschiedenen Seiten sehr gründlich betrachtet, zu zeigen. Er führt zunächst eine Anzahl von nicht zu bezweifelnden Beispielen an, beginnend mit den verschiedenartigen Wachstumsformen des Bacillus anthracis im Tierkörper und auf künstlichen Nährböden, den Bedingungen, unter welchen Sporenbildung bei ihm eintritt und ausbleibt, und ähnlichem. Bei nicht so allgemein bekannten Thatsachen gibt er die Namen der Autoren an, aber ohne genauere Litteraturnachweise. Er findet, dass alle hierher gehörenden Thatsachen in drei Gruppen sich ordnen lassen. Die erste sind die Abänderungen der Form, welche in genauer Abhängigkeit von der Natur des Nährbodens oder von den Bedingungen, z. B. der Temperatur, stehen, unter denen die Art gezüchtet wird, und sofort wieder verschwinden, sobald man auf einen anderen Nährboden abimpft oder unter anderen Bedingungen züchtet. R. schlägt vor, hierfür speziell den Ausdruck Pleomorphismus anzuwenden. Er weiß wohl, dass derselbe ursprünglich gesetzmäßigen Generationswechsel bezeichnen sollte. Da aber ein solcher bei Bakterien nicht nachzuweisen, mit Pleomorphismus bei Bakterien aber inzwischen alles mögliche andere bezeichnet worden sei, hält er sich für berechtigt, diese neue beschränkende Definition einzuführen.

In anderen Fällen lässt sich durch langdauerndes Züchten einer Bakterienart auf einem bestimmten Nährboden, oder durch langdauernde oder auch nur sehr heftige Einwirkung physikalischer Bedingungen (Temperatur, Belichtung) derselben eine Abänderung ihres Habitus aufprägen, die vererbbar ist. Dann kann man von derselben Stammkolonie durch verschiedenartige Behandlung zwei Rassen züchten, die nun auf denselben Nährboden geimpft und unter ganz den gleichen Bedingungen gehalten, Unterschiede der Gestalt zeigen. Aber diese Abänderungen sind, soweit unsere bisherigen Erfahrungen reichen, nicht konstant; nach einigen Generationen tritt, zuerst bei einzelnen Individuen, Rückschlag ein; werden die beiden Rassen daun fortdauernd unter gleichen Bedingungen gehalten, so werden sie auch bald einander wieder vollständig gleich. Diese Fälle einer vererbbaren Abänderung der Formen will R. künftig allein als Variation" im engeren Sinne bezeichnet wissen. Zur dritten Gruppe

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stellt R. jene Fälle, in denen man in einer Reinkultur einer Bakterienart verschiedene Formen nebeneinander findet. Dies ist besonders häufig bei jenen Arten, die man ebendeswegen als Proteus benannt hat. Aber R. hebt mit Recht hervor, dass man versucht sein könnte, dieser Eigenschaft wegen auch andere Arten, besonders Bacterium coli, der Gattung Proteus zuzuteilen. Man könnte nun diese Fälle mit Hilfe einer Hypothese in eine der obigen Rubriken zwängen, indem man annähme, entweder, dass in dem Impfmaterial, obgleich es einer anscheinend einförmigen Kultur entnommen war, sich Individuen mit verschiedenen Vererbungsqualitäten befanden, deren Nachkommen sich nebeneinander, aber verschieden entwickeln, oder aber dass eine Eigenschaft des Nährbodens oder physikalische Umstände auf die Bakterien abändernd einwirken, aber in verschiedenem Grade auf die einzelnen Individuen. Eine dritte Annahme wäre, dass es sich hier um verschiedene Entwicklungsstadien der Bakterien handle. R. hält es für besser, unter Verzicht auf jede Hypothese alle hierhergehörigen Erscheinungen mit einem besonderen Ausdruck zu bezeichnen, wofür er „Pluriformität“ vorschlägt.

R. sucht sodann einen Ueberblick über die Tragweite und Bedeutung aller erwähnten Abänderungen zu gewinnen. Er findet, dass man, im Gebiet des Pleomorphismus, dieselbe Art in sehr verschiedener Gestalt erhalten kann. Aber dann seien die von der Norm sehr abweichenden Formen immer bedingt durch Einflüsse, die den Bakterien unzweifelhaft schädlich seien, denn in noch höheren Graden verhindern sie ihr Wachstum und töten sie endlich. Hierher gehören Zusatz von Desinfizientien oder Säuren zu den Nährböden, abnorme erhöhte Temperatur, Belichtung, und um einen selteneren Faktor anzuführen, komprimierter Sauerstoff. Die Abänderung trage hier also deutlich pathologischen Charakter. Wendet man sich zur zweiten Gruppe, R.'s Variation, so sind die Formabänderungen sehr viel geringer. Sie beschränken sich bei Bacillen auf Längendifferenzen der Individuen oder auf die Sporenbildung, bei Kokken auf Bildung von größeren oder kleineren Verbänden. Die Ursachen sind aber hier von derselben Kategorie, wie die oben angeführten, solche die wir als den Bakterien schädlich bezeichnen müssen. Endlich möchte Rodet auch für das, was er als Pluriformität bezeichnet, die Wirkung schädigender Einflüsse annehmen.

Rodet's Induktionsschluss, dass deshalb alle Abweichungen von dem häufigsten, als normal betrachteten Typus einer Bakterienart als pathologische Degenerationen anzusehen wären, weil sie verursacht werden durch Bedingungen, die bei stärkerer Wirkung die Art töten, lässt sich wohl entkräften durch die Deduktion, dass das a priori gar nicht anders sein könne. Denn einer Art in kurzer Zeit einen anderen Charakter aufzuprägen kanu uns doch nur mit solchen Mitteln gelingen, die auf den Lebensprozess derselben einen durchgreifenden Einfluss haben; und solche Mittel müssen notwendig bei stärkerer Wirkung denselben zum Stillstand bringen.

In ähnlicher Weise gruppiert R. nun auch in den anderen Kapiteln den Stoff. Ihm dort im genaueren zu folgen würde zu weit führen. Von einem speziellen Streitfall wird es interessant sein, R.'s Ansichten anzuführen. Er selber hat mit G. Roux zusammen die Hypothese aufgestellt, dass Typhusbacillus und Colibakterium nur zwei verschiedene Formen einer Art seien. Nun erklärt er diese Hypothese hier als sowohl unwiderleg

lich wie unbeweisbar. Unwiderleglich, weil, soviel Unterschiede in morphologischer wie funktioneller Hinsicht zwischen Bact. coli und Typhusbacillen gefunden seien, sich auch immer Abarten von Bact. coli hätten züchten lassen, die sich gleich den authentischen Typhusbacillen verhielten. Weil auch die Pathogenität des Bact. coli für Tiere in so weiten Grenzen variiere, dass sie die des Typhusbacillus ebensowohl übertreffen als unter ihr bleiben könne und in den Erscheinungen der Wirkung beider Arten kein Unterschied bestehe. Für unbeweisbar aber, weil die Umwandlung von Bact. coli in Typhusbacillen nach seiner Hypothese unter gewissen noch unbekannten Bedingungen im menschlichen Körper vor sich gehen solle und deshalb dem Experiment entrückt sei.

Als roter Faden zieht sich durch diese Kapitel, die von den funktionellen Eigentümlichkeiten der Bakterienarten handeln, das Bestreben, die wirklich vorhandenen Grenzen der Variabilität unparteiisch festzustellen, sie aber danach aus einer möglichst einfachen Hypothese zu erklären. Als solche schwebt R. augenscheinlich folgende Annahme vor. Alle Bakterienarten besitzen eine größere oder kleinere Anzahl für sie charakteristischer Funktionen, wie Farbstoffbildung, Bildung verschiedenartiger Fermente und von Giften: letzteres ihre pathogenen Eigenschaften. Alle diese Eigenschaften können dem Grade nach variieren, so weit, dass sie häufig ganz zu verschwinden scheinen. Gewöhnlich variieren sie alle zusammen in demselben Sinne, was R. dann als Erhöhung oder Verminderung der Lebensvorgänge der Art auffasst. Eine einzelne dieser Funktionen könne sich aber auch als besonders empfindlich gegen bestimmte äußere Einwirkungen erweisen und durch ihre Elimination, während die anderen erhalten blieben und nun diejenigen, welche früher vielleicht zurückstanden, deutlich hervortreten, könne sich anscheinend der biologische Charakter der Art ganz ändern. Diese Auffassung hat für R. augenscheinlich deshalb solchen Reiz, weil sie weiterhin gestatten würde, den Verlust irgend welcher, uns charakteristisch und wichtig erscheinender Funktionen als Zeichen von Krankheit (häufig erblicher Krankheit) der betreffenden Bakterien anzusehen. Hält man dieselbe zusammen mit R.'s Anschauung, dass die auffallenderen Forma bänderungen Krankheitssymptome seien, so könnte man alle wichtigeren Abänderungen einer Bakterienart als Krankheit bezeichnen und den Typus einer gesunden Art" als ziemlich unveränderlich beschreiben.

Rodet selber aber weiß wohl, dass sich doch nicht alle experimentell bewiesenen Thatsachen, besonders nicht die in dem Kapitel über die krankheitserregenden Eigenschaften der Bakterien, diesen Hypothesen fügen und hütet sich deshalb, dieselben als die seinen zu proklamieren, so schwer es ihm wird, eine Gruppe von Thatsachen unter der Rubrik Anpassung zu belassen, denn Anpassung (adaptation) ist eine Bezeichnung, aber keine Erklärung".

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Wenden wir uns nun zu dem zweiten ..synthetischen" Teil des Buches, in dem R. den Stoff in vier Kapiteln noch einmal durcharbeitet. Zuerst rekapituliert er die Resultate der Untersuchung. Dann wendet er sich zur Bedeutung der Species in der Bakteriologie. Nirgends hat er „unbegrenzte Variabilität der Arten gefunden. Die Ansichten Naegeli's entbehren jeder Begründung. Aber auch die Auffassung Cohn's von der Unveränderlichkeit der Bakterienarten kann nicht vollständig bestehen

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