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geht. Er wird vielleicht auch den Eindruck bekommen, dass er im ersten Falle seine Epidermis bald abgenützt, sich die Finger wund gerieben hätte, während er im zweiten Falle wohl stundenlang ungestraft walken könnte. Es wirken die Haare eben als Walzen, und wir machen das im Kleinen, was die Technik seit Jahrtausenden im Großen macht.

Dass das angewachsene Haar nicht schließlich durch das Walzen um seine Achse abgedreht wird, hat seinen Grund in der Verwendung derselben ausschließlich an solchen Körperstellen, wo die Hautverschiebungen nicht nach einer Richtung geschehen, sondern stets ein Hinund Zurückgehen stattfindet.

Obwohl es kaum nötig erscheinen mag, habe ich (schon vor vielen Jahren) die in Rede stehende Bedeutung der Haare experimentell geprüft. Zwei mit krausem Haare bewachsene Hautstücke (aus der Symphysengegend) wurden auf kleine Brettchen genagelt. Eines war am Tische fixiert und trug die behaarte Fläche nach oben. Das andere habe ich in umgekehrter Stellung auf das erste gelegt, so dass die beiden Haarflächen sich berührten, und durch ein Gewicht beschwert. An ihm zog durch Faden und Rolle ein zweites Gewicht im Sinne einer horizontalen Verschiebung. Es wurden nun unter verschiedener Beschwerung die Gewichte gesucht, bei welchen die beiden behaarten Flächen eben aneinander zu gleiten begannen. Dann habe ich denselben Versuch mit nackten Hautstellen ausgeführt. Oder es wurden zwei auf ihr Gleitvermögen schon geprüfte nackte Hautstücke neuerdings geprüft, nachdem abgeschnittene Haare als Zwischenlage eingeschaltet worden waren. Wie zu erwarten, reichte immer ein schwächerer Zug hin, die Hautstücke gleiten zu machen, wenn Haare zwischen ihnen waren, als im Falle ihrer Nacktheit.

Ja ich stehe nach dem Dargelegten nicht an, auch die Haare der Symphysengegend zu jenen zu rechnen, die sich durch ihre Bedeutung als Walzen erhalten haben. Nur ist ihre Aufgabe nicht, zwei Hautstellen desselben Körpers aneinander gleiten zu lassen, sondern zwei Hautstellen verschiedener Körper bei der sexuellen Vereinigung.

III. Das Haar als Temperaturregulator.

Diese augenscheinlich für zahlreiche Tiere wichtigste Funktion des Haares ist beim Menschen auf einen kleinen Rest zusammengeschrumpft. Als Pelz wirkt hier wohl nur mehr das Kopfhaar. Dass dem so ist, wird kaum bezweifelt werden können. Denn einerseits wird das Tragen von Perrücken oder von Kappen seitens haarloser Leute doch nicht wohl immer auf unberechtigte Aengstlichkeit zurückzuführen sein, andererseits sehen wir die Kopfbedeckungen gerade in den heißen Ländern aus viel dichteren Stoffen und weit massiger geformt als bei uns, so dass auch nach dieser Seite das natürliche

Kopfhaar nicht immer auszureichen, vielmehr der Orientale aus guten Gründen den Turban zu tragen scheint.

Dass überhaupt Todesfälle an Sonnenstich, und, wie kaum zu bezweifeln ist, auch als Folgen zu starker Abkühlung des Kopfes vorkommen, beweist einen Einfluss der Behaarung des Kopfes auf die Resultate des Kampfes ums Dasein.

Der auf dem Geschmacke beruhende Enthaarungsprozess des Menschen wird wohl den Pelz, der das Schädeldach und das darunter liegende Gehirn vor Gefahren schützt, deshalb geschont haben, weil wahrscheinlich bei keinem anderen Organe ein auch nur Minuten oder Stunden währendes abnormes Fallen oder Steigen der Temperatur von so schweren Folgen begleitet ist.

Was zunächst das bekannte schlechte Wärmeleitungsvermögen des Pelzes betrifft, so beruht es erstens auf dem überaus schlechten Leitungsvermögen der Haare selbst. Nach den Messungen von Tyndall1) steht das Fischbein und die Hornsubstanz, letztere gemessen am Rhinoceros- und am Rinderhorn, am Ende der nach ihrem Wärmeleitungsvermögen in eine Reihe geordneten Substanzen. Nur Steinkohle, Wachs, Guttapercha und einige in bestimmter Richtung von der Wärme durchströmte Holzarten übertreffen sie noch.

Wenn man ein Vögelchen mit seinen dünnen Beinen stundenlang im Schnee waten sicht, und bedenkt, dass unter der dünnen Hornschichte Blut von normaler Temperatur kreisen und die Gewebe ernähren muss, so ersieht man, ein wie schlechter Leiter die Epidermoidalgebilde sein müssen.

Zweitens wirkt der Pelz als schlechter Wärmeleiter durch die in zahlreichen und engen Spalträumen zwischen der selbst fein verteilten Hornsubstanz eingelagerte Luft. Die Wärme ist eine Bewegungsform, und wir wissen, dass solche an der Trennungsfläche zweier verschiedener Medien in ihrem Fortschreiten alteriert werden. Es kommt hier aber weiter in Betracht, dass auch die vorbeistreichende Luft zwischen den Haaren einen umso größeren Widerstand finden, also umsoweniger abkühlend wirken wird, je enger jene Spalträume sind. Bei einem gegebenen Haarkleide wird dieser Widerstand gegen Luftströmungen umso größer sein, je gleichmäßiger die Haare im Raume verteilt stehen.

In dieser Beziehung mag hier erwähnt sein, dass ich unlängst bei der Untersuchung von Tierfellen die Elektrizität als die ordnende Kraft in dem Gewirre von Haaren erkannte 2). Diese nehmen, wie jeder weiß, sehr leicht elektrische Ladungen an. Sie stehen eben als äußerstes Glied der Spannungsreihe aller bisher auf Reibungselektrizität

1) Die Wärme. Deutsch herausgeg. von Helmholtz und Wiedemann. Braunschweig 1871, S. 271.

2) Ueber die elektrischen Eigenschaften der Haare nnd Federn. Pflüger's Archiv für die gesamte Physiologie, Bd 61 u. 63.

untersuchter Körper. Nun ist bekannt, dass viele Pelze aus zwei Arten von Haaren bestehen, den steiferen, an der Oberfläche sichtbaren, und den viel zahlreicheren und kürzeren flaumartigen Haaren, die man erst zu sehen bekommt, wenn man die ersteren zurückbläst, oder, wie die Kürschner vielfach thun, ausreisst (gerupfte Pelze). Es stehen nun diese beiden Haargattungen in einem derartigen elektrischen Gegensatze, dass, wenn man sie aneinander reibt, die steifen Haare mit positiver, die Flaumhaare mit negativer Elektrizität geladen werden. Dieses Reiben geschieht aber bei jeder Bewegung des Tieres und die Ladungen können ganz enorme Spannungen annehmen. Die Folge davon muss sein, dass die gleichnamig geladenen Flaumhaare sich sämtlich wie die Streifen eines Goldblattelektroskopes abstoßen, also in der vorteilhaftesten und gleichmäßigsten Weise im Raume verteilt werden. Dasselbe gilt von den steiferen Deckhaaren. Da nun überdies letztere von den ersteren wegen der ungleichnamigen Ladung angezogen werden, so wird weiterhin bewirkt, dass der Flaum durch den Zug nach oben stets locker erhalten, die steifen Haare aber durch den Zug nach unten zu einer dichten, dem Flaume anliegenden Decke herabgezogen werden.

Es ließe sich noch manche Feinheit in der Rolle anführen, welche die Natur der Elektrizität am Pelze zugewiesen hat, mehr noch von derjenigen, welche die Ladungen im Gefieder der Vögel spielen, doch ist hier nicht der Ort, darauf näher einzugehen.

Aber nicht nur mit der Aufnahme und Abgabe der geleiteten Wärme stehen die Kopfhaare in Beziehung, auch gegen die strahlende Wärme bieten sie Schutz, und in dieser Hinsicht werden sie zu den Zeiten, welche noch keine künstlichen Kopfbedeckungen gekannt haben, wohl kaum von geringerer Wichtigkeit gewesen sein, als in ersterer. Die Rolle, die sie als Schutzmittel gegen Strahlung spielen, ist auch heute noch eine ganz bedeutende.

Es handelt sich um die Bestrahlung durch die Sonne. Die auf den Kopf fallenden Wärmestrahlen treffen bei gut behaartem Kopfe nirgends die Haut; ihre lebendige Kraft wird zunächst zur Erwärmung der Haare verwendet. Indem deren Temperatur steigt, nimmt ihre Ausstrahlung zu, und diese muss bei der großen Oberfläche, welche die sämtlichen Haare zusammengenommen haben, eine außerordentlich bedeutende sein. Ist doch die Ausstrahlung proportional der Oberfläche.

Es lohnt sich eine approximative Berechnung dieses Verhaltens des Kopfhaares auszuführen. Nehmen wir die behaarte Schädeldecke als eine Halbkugel von 11 cm Radius an, so beträgt ihre gekrümmte Fläche 760 cm2. Nach einer vorgenommenen Zählung kommen bei einem mäßig dicht behaarten Kopfe ca. 300 Haare auf den Quadratzentimeter. Nehmen wir weiter die Länge eines Haares mit 8 cm und seine Dicke mit 0.06 mm an.

Es beträgt dann die Oberfläche eines Haares 15 mm2 und die Summe der Oberflächen sämtlicher Haare 34200 cm2 = 34 m2. Es wird also die lebendige Kraft der Sonnenstrahlung, welche eine senkrecht gegen dieselbe gestellte ebene Fläche von 380 cm2 (die Basis der gedachten Halbkugel des Schädels) trifft, in leitende Wärme verwandelt, welche selbst wieder ausgestrahlt wird von einer 34200 cm2 messenden Fläche, so dass man sagen kann, die Verhältnisse für die Ausstrahlung sind circa hundertmal so günstig wie an einer auch mit Hornsubstanz überzogenen ebenen haarlosen Fläche, von der Basis de; Schädels, oder 45 mal so günstig wie beim nackten Kopfe.

Dabei ist freilich noch zu erwägen, dass ein Teil der von den Haaren ausgehenden Wärmestrahlen nicht in den freien Raum zurückkehrt, sondern auf andere Haare, eventuell sogar auf die Haut auffällt; es wird dieser Bruchteil kein so kleiner sein, dass man ihn vernachlässigen kann, er ist aber auch nicht so groß, dass dadurch die Bedeutung der Haare als Schutzorgane gegen Strahlung zweifelhaft werden könnte.

Bemerkt sei noch, dass das an die Null grenzende Wärmeleitungsvermögen der Haare das Eindringen der durch Strahlung in ihnen entstandenen Wärme in die Haut hintanhält.

Um eine Anschauung darüber zu gewinnen, in welchem Maße die hier besprochenen Umstände die Durchwärmung der Kopfhaut bei Strahlung beeinflussen, machte ich folgenden einfachen Versuch. Die mäßig stark mit blonden, wenige Zentimeter langen Haaren bewachsene Kopfschwarte einer Leiche wurde über eine halbkugelige Glasschale gezogen, so dass sie auf derselben wie auf dem Schädeldache auflag. Dann wurde die rechte Hälfte derselben rasiert, die mit dem Bauche nach oben gekehrte Schale ziemlich dicht, d. i. mit Hilfe von Watte, in den Falz eines Brettchens befestigt, so dass die Schale mit dem Brettchen einen Hohlraum abschloss, in welchem von unten her das Gefäß eines Thermometers hineinragte. Eine in gleicher Höhe aufgestellte Bogenlichtlampe bestrahlte aus einer bestimmten Entfernung entweder bloß die behaarte oder bloß die nackte Seite der Kopfschwarte, eine gegebene Zeit lang, nach welcher die Temperatursteigerung im Innern des künstlichen Schädelraumes abgelesen wurde. Indem ich in regelmäßigen Zeitintervallen von 20 Minuten das Präparat um 180 Grade drehte und so abwechselnd durch je 15 Minuten die behaarte oder die nackte Seite bestrahlen ließ, erhielt ich die in nachstehender Tabelle verzeichneten Werte. Sie, und noch augenfälliger die nach den mitgeteilten Zahlen konstruierte Kurve, zeigt einen sehr .bedeutenden Einfluss der Behaarung auf die Durchwärmung der Haut. Man sieht am Anfange der Kurve, dass die Bestrahlung der nackten Kopfhälfte die Temperatur im Inneren bedeutend rascher ansteigen lässt, als die Bestrahlung der behaarten Hälfte. Im weiteren Ver

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laufe bewirkt die Strahlung im ersten Falle immer noch bedeutende Steigerungen, im letzteren aber findet sogar Abkühlung statt.

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10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 110 120 130 140 150 160 170 180 190 200 Minuten

Die Entstehung des Sonnenstiches müssen wir uns bei unbedecktem und gut behaartem Kopfe also folgendermaßen vorstellen. Es trifft zwar kein Strahl die Haut selbst, auch wird von den durchwärmten Haaren kaum eine nennenswerte Wärmemenge der Haut direkt zugeleitet, wohl aber erwärmt jener oben genannte Bruchteil der von den Haaren ausgehenden und nicht in den freien Raum zurückkehrenden Wärmestrahlen die zwischen den Haaren liegende, und, wie wir sahen, ziemlich schwer bewegliche Luft. Durch diese werden die Haut und die

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