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Hypothese ausgesprochen worden. Wir dürfen also die äußere Körnerschicht als eine sekundäre Keimschicht betrachten, die zur Bestimmung hat für den Aufbau der Kleinhirnrinde neues Material zu liefern.

22. April 1896.

M. Standfuss (Zürich), Handbuch der paläarktischen Großschmetterlinge für Forscher und Sammler.

Zweite gänzlich umgearbeitete und durch Studien zur Descendenztheorie erweiterte Auflage des Handbuches für Sammler der europäischen Großschmetterlinge. Jena. Gustav Fischer. 1896.

In dem neuen schönen und des Inhaltes würdigen Gewande erkennt man es fast nicht mehr, das kleine Handbuch, das der treffliche Lepidopterologe Standfuss 1891 im Selbstverlage herausgegeben hat und das rasch vergriffen wurde. Die erste Auflage war hauptsächlich für Sammler bestimmt. Der Verfasser konnte über die ausgedehntesten Erfahrungen zweier Forschergenerationen verfügen, denn das Tagebuch seines ehrwürdigen Vaters, dessen Sammeleifer, feine Beobachtungsgabe und Forschergeduld sich auf den Sohn vererbt und mit der Neigung und Fähigkeit zu allgemein wissenschaftlicher Verwertung des Beobachteten oder durch das Experiment Gewonnenen gepaart haben, reicht bis in das Jahr 1840 zurück und der Sohn selbst steht auch schon auf dem Boden einer zwanzigjährigen lepidopterologischen Praxis.

Die neue Auflage wendet sich nun aber nicht nur an das Heer der Sammler, sondern ebensosehr an die wissenschaftlichen Zoologen, oder sagen wir besser an die Vertreter der allgemeinen Zoologie. Es vereinigt in sich zwei Dinge sagt der Verfasser: „lepidopterologische Praxis" und ,, wissenschaftlich-zoologische Spekulationen", mit denen sich zur Zeit im allgemeinen durchaus nicht die gleichen Leute befassen.

Ueber den praktischen Teil des Buches, der sich in der neuen Auflage ebenfalls nicht unwesentlich bereichert hat, soll hier nicht ausführlicher berichtet werden. Er behandelt das Sammeln und die Zucht der Schmetterlinge und gibt Ratschläge für die Präparation, für die Einrichtung der Sammlung, für Tausch und Kauf u. s. W. Dabei wird der Schmetterling in allen Stadien seiner Metamorphose, als Ei, Raupe, Puppe und Falter, gleichmäßig berücksichtigt. Ueberall verrät sich die reiche Erfahrung, so dass auch die gewiegtesten Lepidopterologen erklären konnten, dass sie Vieles für sie Neue erfahren hätten. Eine Menge feiner Beobachtungen auch von allgemeiner Bedeutung sind eingestreut und manche wichtige Fragen der Insektenbiologie werden im Vorbeigehen gestreift, so dass man merkt, dass hinter dem Gesagten sich noch manches wichtige Ungesagte verbirgt. Erfrischend ist die überall zu Tage tretende Tendenz des Verfassers, seinen Lieblingen als Lebewesen inmitten der belebten und unbelebten Natur nahezutreten, sie als Glieder des großen, lebendigen, unendlich verwickelten und doch geordneten Haushaltes der Natur zu erfassen. Der Lepidopterologe soll nicht bloß auf der Stufe eines Brief

markensammlers stehen bleiben.

So finden wir z. B. in dem Abschnitte, welcher von dem Sammeln mit Schirm und Klopftuch handelt, neue interessante Beobachtungen über die Farben anpassung von Raupen: „Es kann sich treffen, dass wir im Laufe weniger Stunden die Raupe von Eupithecia absinthiata Cl. in sechs

ganz verschiedenen Färbungen antreffen: nämlich zitronengelb etwa in den leuchtenden Aehren der Goldrute (Solidago virgaurea L.); grün an nicht oder noch nicht blühenden Individuen der gleichen Pflanze; rosa auf den Knöpfen der Grasnelke (Statice armeria L.) oder an Centaureen; weiß an den Dolden der Pimpinella saxifraga L.; braun in den Blütenbüschen des Beifuss (Artemisia vulgaris L.); ja sogar schön himmelblau auf den kleinen Kugeln des Teufelsabbiss (Succisa pratensis Mönch.)". „Dieser Proteus vermag sein Kleid sogar total umzufärben, wenn noch klein genug, mehrmals umzufärben, falls man ihn in der Sonne auf Blumen von verschiedener Farbe (etwa Astern weiter erzieht (Ergänzung von Beobachtungen und Experimenten von Schröder und Poulton).

Von Interesse sind auch die S. 18 mitgeteilten Erfahrungen über das Verschwinden von lokalen Arten oder Rassen von Arten in ihren Verbreitungsbezirken. Wirklich lokale Arten oder Rassen von Arten, die fast durchweg zu dem für die Sammlungen gesuchten Materiale gehören, sind erfahrungsgemäß an ihren Fundorten in Menge vorhanden. Ohne ein sehr zahlreiches Vorhandensein, kann sich bei den vielen Feinden und Gefahren, welche die Existenz jedes Geschöpfes bedrohen, eine auf sehr beschräuktem Areal vorkommende Form längere Zeiträume hindurch nicht halten.

Im folgenden wollen wir nun über die wichtigsten neuen Beobachtungen, Experimente und Spekulationen referieren, von denen der „Die Zucht der Schmetterlinge" überschriebene zweite Abschnitt des Standfuss'schen Werkes handelt.

Paarung.

Es existiert eine Beziehung zwischen der Dauer des Raupenlebens und der Dauer des Falterlebens. Das eine Extrem bilden die Psychiden, das andere die Rhopaloceren. Bei den ersteren dauert die Entwicklung vom Ei bis zum Falter zwei (bei Ps. standfussii H. S. sogar drei) Jahre. Der Falter aber lebt nur wenige Stunden, ja sogar Minuten, nur zum Zwecke der Fortpflanzung. „Psyche apiformis Rossi, die Standfuss bei Rom in größerer Anzahl aus der Puppe erzog, paarte sich in sechs männlichen Stücken sofort nach dem Auswachsen der Flügel nacheinander mit je zwei weiblichen Individuen. Noch während des Kopulationsaktes mit dem zweiten Weibchen starben die Männchen ab, deren gesamte Lebensdauer vom Momente des Ausschlüpfens bis zum Tode nur zwischen 32 und 58 Minuten betrug“.

Die Tagschmetterlinge hingegen haben ein kurzes Raupenleben, dafür ein längeres Falterleben (bei Vanessa-Arten bis auf 10 Monate), vielmehr noch als irgend einer Gruppe der Heteroceren fällt den Faltern dieser Abteilung die Rolle der Blütenbestäubung zu. Damit hängt zusammen die erst nach längerer Flugzeit erfolgende Paarung und wohl auch die wunderbare Farbenpracht der Rhopaloceren.

Folgen interessante Beobachtungen über die Paarung der Schmetterlinge in der Gefangenschaft und im Freien. Die größere oder geringere Farbenpracht spielt bei der Auswahl der Weibchen zum Zwecke der Paarung ganz gewiss keine Rolle. Die Männchen ziehen die frischer entwickelten Weibchen den ältern vor. Verschmähte Weibchen erwiesen sich als arm an Eiern. Der von den Weibchen ausströmende Duft scheint allein bestimmend zu wirken. Im ersteren Falle ging derselbe bei den

verschmähten älteren Weibchen bereits verloren, im zweiten Falle gelangte er nicht recht zur Entwicklung.

Vererbung der Pébrine.

Stand fuss bestätigt aus eigener Erfahrung, dass die „Pébrine", jene perniciöseste und ansteckendste aller Raupenseuchen, welche von der Raupe auf Puppe und Falter übergeht, vom Weibchen auf die Nachkommen übertragen wird, dagegen nicht vom Männchen. „Weibchen, die aus einer teilweise verseuchten Zucht stammen, seien sie auch noch so schön und kräftig, sind für Verwendung zur Weiterzucht stets bedenklich, Männchen aus verseuchter Zucht können ohne Bedenken verwendet werden".

Kreuzungsversuche.

Stand fuss gibt zunächst eine ausführliche Zusammenstellung der bekannten Hybriden, indem er das reiche Material kritisch sichtet. Bis zum Falter scheinen ihm bis jetzt 24 aus verschiedenen Kreuzungen stammende Bastardformen erzogen worden zu sein. Die Bastardfalter sind im allgemeinen Zwischenformen zwischen den zeugenden Arten, aber nicht Mittelformen. Wie beim Pferd und Esel (vic. Maulesel, Maultier) ist der Bastard zwischen A♂ und B nicht dasselbe Geschöpf wie der Bastard zwischen A

und B ♂.

Von den 24 verschiedenen Hybridenzuchten lieferten

5 nur Männchen,

5 nur Weibchen (sämtliche ohne entwicklungsfähige Eier),

7 Männchen und Weibchen, die letzteren seltener, sämtlich steril. Bei diesen wäre also an eine Fortpflanzung der Bastarde unter sich nicht zu denken.

3 Hybriden liefern Männchen und Weibchen in normaler Verhältniszahl. Nur ganz vereinzelte Weibchen legen, und zwar anormale Eier. 2 Hybriden liefern Männchen und anscheinend entwickelte Weibchen, die aber nach Standfuss' Vermutungen auch nicht fruchtbar sein dürften. Nur das Weibchen von Saturnia hybr. standfussi, eine ganz eigentümliche Bastardform, über die wir weiter unten referieren, legte anscheinend normale Eier ab „und da die Männchen wohl sicher fortpflanzungsfähig sind, so wäre es wohl möglich, dass dieser Hybride eine in sich fortpflanzungsfähige Form darstellt.

Resultat: Bis jetzt ist die Fortpflanzungsfähigkeit keines einzigen Hybridenweibchens durch Zucht oder Experiment bei den Schmetterlingen festgestellt.

Es folgt nun eine eingehende Besprechung einiger speziellen Fälle von Hybridation und von Hybridationsversuchen, die der Verf. an 3 Arten der Nachtpfauenaugen, Saturnia pavonia L., spini Schiff. und pyri Schiff. mit unübertrefflicher Geschicklichkeit und Ausdauer ausgeführt hat.

1. Saturnia hybr. bornemanni Stdfs. aus der Kopulation von Falter

2. Saturnia hybr. hybrida O. wohl sicher von

3. Saturnia hybr. a) var. daubii Stdfs.

pavonia
spini q

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Falter b) var. emiliae Stdfs.

Die Weibchen aller dieser Hybriden, die auf den verschiedenen Stadien ihrer Metamorphose genau beschrieben, und mit den Stammarten verglichen

werden, waren alle unreif. Hingegen ergab die mikroskopische Untersuchung des Männchens von hybr. var. emiliae eine normale Beschaffenheit der Hoden und reife Spermatozoen.

Gestützt auf diese Befunde unternahm Standfuss folgende ebenso schwierigen wie merkwürdigen Hybridationsversuche.

Er suchte Paarungen herbeizuführen

1. zwischen dem Männchen von hybr. var. emiliae und dem Weibchen derselben Form;

2. zwischen dem Männchen dieses Bastards und dem Weibchen der Stammart pavonia.

3. zwischen dem Männchen dieses Bastards und dem Weibchen der Stammart pyri.

Die Paarung gelang in allen 3 Kombinationen. Doch blieb die erste Kombination, wie zu erwarten, unfruchtbar, während bei der zweiten und dritten Kombination Nachkommen erzielt wurden, also Hybriden der zweiten Generation aus einem hybriden Vater und der Mutter aus einer der beiden Stammarten.

Durch diese Erfolge ermuntert, setzte Stand fuss seine Versuche fort und brachte zur Paarung

4. Männchen von Sat. hybr. bornemanni (siehe oben) mit den Weibchen desselben Bastardes. Erfolg: in einem Fall 16 Eier, die sich nicht weiter entwickelten.

1) 5. Männchen des genannten Bastardes mit Weibchen von Saturnia pavonia. Resultat: Nachkommenschaft.

1) 6. Männchen desselben Bastardes mit Weibchen von Saturnia spini. Resultat: Nachkommenschaft.

1) 7. Männchen dieser Bastarde mit Saturnia pyri Weibchen. Resultat: entwicklungsfähige Eier, aus denen 92% Raupen ausschlüpften. Diese stammen also von drei distinkten Saturnia - Arten ab, haben zur Mutter Sat. pyri, zum Großvater väterlicherseits Sat. pavonia und zur Großmutter väterlicherseits Sat. spini.

Bei der Kombination 5. Aufzucht der Raupen bis zum 4. Kleid. Dann Tod durch Infektionskrankheiten.

Bei der Kombination 2. Aufzucht bis zum Falter (Sat. hybr. standfussi Wsktt.) ein einziges Weibchen und mehrere Männchen. Die Männchen dieses Bastards hält Standfuss für sicher fortpflanzungsfähig. Das Weibchen legte beim Töten freiwillig 4 Eier und der Leib enthielt unzweifelhaft noch mehr, höchstens 20, ungefähr den 10 Teil des normalen Eierschatzes von Sat. pavonia oder pyri. Es besteht also die Möglichkeit, dass dieser abgeleitete Bastard in sich fortpflanzungsfähig ist.

Bei der Kombination 3. Aufzucht bis zum Falter (6 Exemplare, davon 3 Männchen, 2 Weibchen und 1 Zwitter).

Ueberall schildert der Verf. genau die Raupenstadien, die Puppe und den Falter.

Es hat sich bei der Rückkreuzung von Bastardmännchen mit den Weibchen der Ursprungsarten die eigentümliche Thatsache herausgestellt,

1) Auch die Zucht der Kombinationen 5, 6 und 7 ist seither bis zum Falter und zwar männlicher wie weiblicher Falter von Standfuss glücklich durchgeführt worden.

dass ein ziemlich hoher Prozentsatz der Nachkommenschaft den äußeren Charakteren nach zwitterige Merkmale aufweist. Wie weit sich der Hermaphroditismus auch auf die inneren Organe erstreckt, muss noch genauer untersucht werden.

Auf

Bevor nun Standfuss dazu übergeht, allgemeine Schlüsse aus seinen Beobachtungen über die Hybridation der 3 Saturnia-Arten zu ziehen, sucht er in einlässlicher Weise die Frage nach dem relativen, phylogenetischen Alter der 3 Arten spini, pavonia und pyri zu beantworten, wobei er alle in Betracht kommenden Faktoren sorgfältig abwägt. Insbesondere stellt er eine eingehende Vergleichung der verschiedenen Entwicklungsphasen der drei Arten an und diskutiert beim erwachsenen Falter die sich aus der Färbung, aus dem Dimorphismus, der Flugzeit, der geographischen Verbreitung für die Beurteilung des phylogenetischen Alters in Betracht kommenden Faktoren, die freilich nur bis zu einem gewissen Grade Auskunft erteilen. Bei einer Vergleichung der Raupen- und Puppenstadien aber vermag Stand fuss nachzuweisen, dass Sat. spini, pavonia und pyri in mehrfacher Beziehung 3 verschiedene Grade des Geschütztseins gewissen feindlichen Faktoren der Außenwelt gegenüber darstellen. dieser Stufenleiter nimmt spini stets die niedrigste und pyri stets die höchste Stufe ein. Bei der so außerordentlich engen Verwandtschaft und der großen Aehnlichkeit der biologischen Verhältnisse der 3 Arten sind wir darum zu der Annahme gezwungen: dass spini die phylogenetisch älteste, pavonia eine jüngere, pyri phylogenetisch die jüngste Form ist". In dem nun folgenden Abschnitte „Allgemeines über die Hybridation und die Hybriden" finden sich interessante Beobachtungen und Ansichten über den Duft der Männchen und Weibchen, und über die Bedingungen, unter welchen in der freien Natur Paarung von Individuen verschiedener Arten vorkommt. Standfuss ist u. a. zu der Annahme genötigt, dass ,,der Duft, welcher von den weiblichen Individuen zum Anlocken der männlichen ausgeströmt wird, selbst bei recht nahe stehenden Arten ein specifisch verschiedener sein muss". Ja es müsse „dieser Duft auch in einer bisweilen nachweisbaren Divergenz bei den Weibchen verschiedener Lokalrassen von ein und derselben Art bereits begriffen sein, wie Versuche mit Callimorpha var. persona Hb. klar zeigten. Die Männchen von Callim. dominula L. fanden sich bei zahlreich ausgesetzten, frisch entwickelten Weibchen der var. persona Hb. äußerst spärlich ein, während sie in Menge an die gleichzeitig und nicht weit davon ausgesetzten, ebenfalls frisch entwickelten Weibchen von dominula anflogen".

Eine genaue Vergleichung der Hybriden mit ihren Eltern ergibt die beiden Gesetze. 1. In der Nachkommenschaft. aus hybrider Paarung vermag die phylogenetisch ältere Art ihre physiog nomischen, biologischen und physiologischen Eigenschaften besser zu bewahren, als die phylogenetisch jüngere Art". Ihre Eigenschaften haben sich durch die längeren Reihen von Generationen hindurch stärker befestigt.

2. Bei reciproker hybrider Paarung vermag das männliche Geschlecht als zeugendes in der sich ergebenden Nachkommenschaft das Gepräge der Art in höherem Grade zu wahren als das zeugende weibliche Geschlecht der gleichen Art".

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