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kommen der violetten Färbung nicht oder kaum während der Ozeanreise mit ihrer vollen Belichtung, wo das Tier Nutzen davon haben könnte, sondern erst nachher, wenn die Larve am Ufer anlandet und damit einen neuen Wachstumsimpuls erhält'), wobei unter der veränderten vielfarbigen Umgebung aus dem Violett gewiss kein Vorteil mehr entsteht! Die langdauernde hochgradige Insolation hat nur die Stimmung erweckt, bei neuem Wachstumsantrieb das Violett auszuscheiden, als Farbe von höchster Brechbarkeit.

Vergleichen wir hiermit die Janthiniden, deren ganzes Leben sich oberflächlich im freien Meere abspielt, die an der Küste sogleich zu Grunde gehen. Eine kleinere Gattung, die Recluzia, hat einen beschränkteren Bezirk in den östlichen Meeren, ihr ist die Lebensweise noch nicht so lange aufgeprägt, daher sieht ihre Schale gelb aus, und das Floß hat einen gelblichen Ton. Die echten Janthinen sind circumäquatorial mit durchweg violetter Schale, das Floß ist selten gelblich, meist farblos oder blasslila. Eine reflektorische Anpassung an die Umgebung kann nicht durch das Auge vermittelt werden, da die Tiere blind sind.

Hier ist das Violett, da das Tier ganz und gar unter stärkster Besonnung lebt, auf dem Gipfel seiner Steigerung angekommen. Wie verhält sich da das Sekret der Hypobranchialdrtise? Es ist nicht hellgelb, sondern tief indigblau und zeigt nur hie und da noch eine Spur eines lebhaft blaugrünen Tones, und das alles gleich beim Abscheiden. Und nun noch zwei Thatsachen ebenfalls von beschalten Weichtieren, welche geeignet sind, den behaupteten Zusammenhang zwischen Licht und Wärme zu erhärten und zu zeigen, dass das, was beide

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Cypraea exanthema und verwandte.

Wie man sieht, lauter echte Tropenformen.

1) Die violette Umfärbung bezieht sich auf Macgillivrayia, bezw. Dolium. Andre Gattungen und Arten haben den lebhaften Ton zum Teil voraus als pelagische Larven, aber zumeist nur als zarten Hauch. Die energische Ausbildung kommt erst später, bei dem Wachstum an der Küste. Dass dasselbe hier sehr viel schneller vor sich geht, als während der pelagischen Wanderung, folgt aus der gleichen Größe derselben Larvenform in weit von einander entlegenen Meeresteilen, wohin sie nur langsam verschlagen sein können. Ja in den meisten Fällen scheint die pelagische Larve, nachdem sie eine bestimmte Größe erreicht hat, völlig stabil zu bleiben, bis sie durch Zufall an die Küste kommt.

zusammen in höchster Steigerung zu wirken vermögen, auch durch die Wärme allein oder doch vorwiegend durch sie erreicht werden kann. Zu den ältesten Molluskenformen, die sich zugleich seit den ersten versteinerungsführenden Schichten fast unverändert erhalten haben, gehören die Scaphopoden, bezw. Dentalien oder Elephantenzähne. Ihr Aufenthalt im Schlamm, aus dem sie höchstens nächtlich hervorkommen, bewahrt sie wohl vor der Verpflichtung vieler Neuerwerbungen, er zeigt aber zugleich, dass das Licht auf ihre Ausfärbung nur wenig Einfluss gehabt haben kann; höchstens könnte die erste Tönung, während der wenigen Wochen, an denen nach unseren Erfahrungen die Larve frei schwärmt, gewonnen werden. Diese Elephantenzähne nun haben in der kalten Zone sowie bei allen Tiefseeformen weiße, bezw. farblose Kalkschalen. Die Küstenformen werden lachsfarben, zeigen also Rot und Gelb etwa von den Breiten des Mittelmeeres an rings um die Erde; Grün tritt an mehreren Stellen auf, wo die Tiere dominieren, sie sind streng tropisch, Westindien nämlich und die Philippinen und Sundainseln und der Indic; Blau kommt meines Wissens nur einmal vor, in einem der wärmsten Meere, in der Sulu-See 1).

Die andere Thatsache geht damit parallel, sie besagt, dass wirklich blaue Bänder an Landschneckenschalen nur auf heißem Tropenboden vorkommen, in Westindien und Südostasien.

Beschalte Weichtiere sind aber insofern besonders geeignet, auf Einflüsse der anorganischen Natur, wie Licht und Wärme, zu reagieren, da sie mit ihren organischen Mitgeschöpfen vorwiegend nur insofern sich zu beschäftigen haben, als sie ihre Nahrung daraus ziehen. Schutz und Waffen bilden sie nicht besonders aus, weil sie auf alle Widrigkeiten einfach mit dem Rückzug ins Haus antworten. Die ganze Summe der Anpassung, welche die meisten anderen Tiere in dieser Richtung zu leisten haben, fällt weg, daher die Wirkungen der anorganischen Kräfte nur um so klarer hervortreten.

als

Dem Einwurf, dass ja die Schalenfarbstoffe namentlich bei versteckt lebenden Tieren keine physiologische Bedeutung haben und daher nicht in Rechnung gezogen werden dürfen, kann man, wie mir scheint, leicht begegnen. Die Sache liegt beinahe umgekehrt. Organe, wie die Schilddrüse, haben dem Verständnis die meisten Schwierigkeiten entgegengesetzt, und doch gewinnt es immer mehr den Anschein, ob sie für den normalen Stand unserer Gesundheit von allerhöchstem Werte wären. So genau wir den Kräfteverbrauch des Organismus im Allgemeinen zu beurteilen wissen, so stehen wir im Einzelnen doch erst am Anfange der Erkenntnis. Es ist, als wollte man den Haushalt einer menschlichen Familie nach dem Werte der Nahrungsmittel bemessen, die notwendig sind, um die einzelnen Mitglieder im physio

1) Vergl. Bronn, Klassen und Ordnung des Tierreichs. Simroth, Weichtiere S. 449: „Das Spektrum folgt einfach der zunehmenden Wärme“.

logischen Gleichgewicht zu erhalten, und nach den Anforderungen der Wohnung und Kleidung zum Schutze gegen Unbilden und Wechsel der Witterung. Ich brauche nicht auszuführen, dass die Rechnung kaum im einfachsten Falle mit dem wirklichen Budget stimmen würde. Bedürfnisse und Umsatz sind eben ungleich verwickelter. Und doch muss die Nationalökonomie nach einfachen Grundlagen sich umsehen. So erzeugen Licht und Wärme, ohne dass der Anteil der beiden Faktoren in jedem Falle, vielleicht nur ganz selten, bereits zu bemessen wäre, in der Organismenwelt zunächst eine Farbenwirkung, welche sich aufs engste an die einfachen Regenbogenfarben in der Reihenfolge des Spektrums anlehnt, so dass nach einander die Farben mit den längsten Wellen bis zu denen mit den kürzesten durchlaufen werden. In den meisten Fällen reichen die Pigmente nur vom Rot bis zum Grün, und die stärker brechbare Seite wird nach dem Prinzip der Komplementärfarben ergänzt. Nur bei der dauerndsten und stärksten Einwirkung der beiden Faktoren kommt auch die blaue und violette Seite unter der Form von Pigmenten zum Vorschein. Höchst auffällig bleibt die so häufig auftretende Beziehung zwischen den Komplementärfarben. Auf der niedrigsten Stufe einzelliger Wesen haben wir das Grün des Chlorophylls mit dem roten Augenfleck. Ob eine ähnliche Farbenzusammenstellung bei so manchen Käfern, Malachius z. B., bei Papageien u. a. auf ähnlich einfache Gesetze zurückzuführen ist, muss bei der hohen Organisation dieser Geschöpfe vorläufig dahingestellt bleiben. Zufällig ist es schwerlich, dass solche unserem Auge so wohlthätige Zusammenstellung auch in der Natur oft vorkommt. Gelb und Blau, bezw. Violett, findet sich nicht nur bei den pelagischen Tieren, die vorhin erwähnt wurden, sondern gelegentlich auch bei Jugendformen. Manche Schwammlarven so gut wie die Jungen unserer gemeinen Wegschnecke haben ein violettes Vorderende und im Uebrigen einen blassgelben Leib. Freilich nur in der Jugend. Man gewinnt den Eindruck, als ob die einfach klare, man möchte sagen, geniale Anlage nachher durch die vielseitigen Anforderungen des Lebens wieder unterdrückt oder eingeschränkt würde.

Ein ausgezeichnetes Beispiel für die Reihenfolge der Farbstoffe in ihrem Auftreten lieferte jüngst die Untersuchung der unter dem Namen des wandelnden Blattes bekannten Phasmidengattung Phyllium. Die Untersuchung der erwachsenen ergab, dass der grüne Farbstoff der Haut Chlorophyll war; die Entwicklung zeigte, dass die Jungen zuerst rot aus dem Ei kriechen, dann gelb und zuletzt erst grün werden 1).

Am kompliziertesten sind jedenfalls die Fälle, wo blinde Tiere, und zwar hochstehende, deren Vorfahren vermutlich Augen hatten, auf

1) Requerel, Henry et Ch. Brongniart, La matière verte chez les Phyllies, Orthoptères de la famille des Phasmides. In: Compt. rend. Ac. Sc. Paris 1894, CXVIII, p. 1299–1303.

Licht und Farben reagieren, wie der Regenwurm oder die Muscheln, bei denen neuerdings photometrische Fähigkeiten in weiter Verbreitung nachgewiesen sind. Wie soll man es erklären, wenn die Raupen desselben Tagfalters zur Zeit der Verwandlung zwischen grünen Blättern grtine, auf dunklem Grunde schwärzliche Puppen liefern? Eine Anpassung, wie bei farbenwechselnden Tieren mit bestimmt vorgebildeten Pigmenten ist wohl ausgeschlossen. Hier liegen neuerworbene Fähigkeiten vor, aber sie waren wohl nur möglich auf Grund einer gegebenen Claviatur, welche auf äußere Lichtreize mit der Erzeugung entsprechender Pigmente antwortet.

Wie sollen wir schließlich die Entwicklung der einfachen Pigmente in der Reihenfolge des Spektrums deuten? Mir scheinen zwei Möglichkeiten vorzuliegen. Die eine habe ich früher kurz ausgesprochen; sie nimmt an, dass in alter geologischer Zeit eine viel dichtere, wasserreichere Atmosphäre zuerst nur die roten Farben des Sonnenlichtes durchließ und dann die übrigen, und dass die Färbung der Organismen damit gleichen Schritt hielt. Die Gründe will ich nicht wiederholen. Die andere Annahme würde auf eine immer feinere Anschmiegung des Protoplasmas an die verschiedenen Lichtwellen bei vollem Sonnenlichte hinauslaufen, so zwar, dass das Protoplasma zunächst mit der Bildung des gröbsten Farbstoffs auf die gröbsten, längsten Wellen reagierte und zu immer feineren fortschritte, wobei man sich denken könnte, dass die Molekülgröße dieser Farbstoffe zur Länge der Lichtwellen in irgendwelchem direkten Verhältnis stünde. Es scheint mir unmöglich, die Wagschale auf die eine oder andere Seite senken zu wollen.

Ich bin zu Ende mit meiner tastenden Skizze. Vieles, was am Wege lag, musste ich unberücksichtigt lassen, um die Richtung nicht zu verlieren.

Sie möchten mir wohl vorwerfen, dass ich Sie auf ein zu unsicheres Gebiet geführt habe. Aber stehen wir an irgend einer Stelle, wo wir dem Rätsel des Lebens im Einzelnen näher treten wollen, auf festerem Boden? beim Muskel? beim Nerven? bei den Absonderungen?

Immer sind es zwei Wege, welche die Forschung fördern müssen, das einzelne Experiment, die einzelne morphologische Analyse auf der einen, die verknüpfende Spekulation auf der anderen Seite. Beide Methoden müssen sich gegenseitig ergänzen und befruchten.

In dieser Stunde aber schien mir es angezeigt, Ihnen nicht die Ergebnisse irgendwelcher Spezialuntersuchung vorzulegen, sondern ein Programm. Das aber konnte kein anderes sein, als das Ziel, welches instinktiv bei allen seinen Detailarbeiten in der Brust jedes Naturforschers schlummert, der Nachweis der Einheit der gesamten anorganischen und organischen Natur.

Nachtrag.

Nachträglich bin ich, zum Teil durch kollegiale Freundlichkeit, auf einige einschlägige neueste Arbeiten aufmerksam geworden, welche ich nicht übergehen zu dürfen glaube. Die im Vorstehenden vertretene Auffassung erleidet dadurch keine wesentliche Modifikation, erhält vielmehr, wie mir scheint, noch mehr theoretischen Halt.

Koenig's Behauptung von der Blaublindheit der Fovea centralis ist auf mehrfachen Widerstand gestoßen 1), am energischsten von Seiten Hering's. von Kries macht selbst auf die Schwierigkeit aufmerksam, die Empfindung des Blau auf die Zersetzung von Sehgelb zurückzuführen, das erst aus dem Purpur entsteht; denn auch das völlig ausgeruhte Auge, das also derartig erzeugtes Sehgelb noch nicht enthalten kann, nimmt unmittelbar Blau wahr. Da aber beide Forscher gegen die Bedeutung der Sehstoffe, Sehrot und Sehgelb, im Allgemeinen nicht polemisieren, so wird auch die Begründung der Farbentheorie, insofern sie sich aus der Physiologie der Säuger herleitet, nicht weiter erschüttert.

Wesentlichen Succurs erhält sie dagegen durch Wiener's Abhandlung über Farbenphotographie durch Körperfarben 2). Wiener stellt den Satz auf: „Es ist grundsätzlich möglich, dass farbige Beleuchtung in geeigneten Stoffen gleichfarbige Körperfarben erzeugt“, d. h. solche, die nicht durch Interferenz, sondern durch Absorption bedingt werden. Das ist aber, auf die Organismenwelt übertragen, nichts anderes, als was ich angenommen habe. Nur habe ich einen viel allgemeineren und weitergehenden Zusammenhang zwischen Licht und ursprünglichem Protoplasma schlechthin wahrscheinlich zu machen gesucht als der Physiker, welcher die Anwendung auf die Biologie vorwiegend auf Poulton's Versuche an Lepidopteren, d. h. auf eine bereits sehr komplizierte Reihe von Erscheinungen und speziellen Anpassungen stützt.

Schließlich möchte ich noch für die Annahme, welche die Organismenwelt in Anlehnung an die Spektralfarben in ihrer natürlichen Folge entstehen und sich färben lässt, eine Thatsache ins Feld führen, den Mangel nämlich von Schwarz bei den Einzelligen. So viel ich weiß, kommt die Steigerung irgendwelchen Pigments bis zu Schwarz (-denn im Allgemeinen scheint dieses bei genügender Verdünnung durchweg

1) Hering, Ewald, Ueber angebliche Blaublindheit der Fovea centralis. Pflüger's Archiv, LIX, 1895, S. 403 - 414.

J. von Kries, Ueber die Funktion der Netzhautstäbchen. Zeitschrift f. Psychologie, IX, 1895, S. 81-125; besonders IV, S. 108.

2) Wiener, Otto, Farbenphotographie durch Körperfarben und mechanische Farbenanpassung in der Natur. Wiedemann's Annalen der Physik, LV, 1895, S. 225-281.

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