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stehen, und dass sich an diesen Aesten keine andern Köpfchen befinden, ferner, dass die beiden Köpfchen mit je einer röhrigen Randblüte zusammen auf einem Aste, und die übrigen drei, die mehr abnorme Randblüten haben, zusammen auf einem andern Aste stehen, endlich, dass die beiden Köpfchen mit fast lauter röhrigen Randblüten dicht benachbart sind. Trotz der Anarchie zeigt sich also hier doch ein gemeinsames Variieren benachbarter Teile, wie es ja auf Grund unserer Anschauungen von vornherein anzunehmen ist und auch sonst vorkommt. Hier sei nur noch des oben erwähnten zweiten Falles einer röhrigen Verwachsung der Randblüten gedacht. Bei einem Exemplar von Anthemis tinctoria waren sämtliche Köpfchen abnorm, wenn auch nicht alle Randblüten zu Röhren verwachsen waren. Die Verwachsung ging hier auch weiter als bei Tanacetum corymbosum, denn die Blüten waren meistens ihrer ganzen Länge nach zu Röhren umgebildet 1). Mit Rücksicht auf das Vorhergehende ist es nun besonders interessant, dass die meistens röhrigen Randblüten benachbart Ich lasse hier ein Schema sämtlicher Köpfchen folgen, in welchem die normalen Randblüten durch Striche, die abnormen durch Punkte repräsentiert sind, und jede Horizontalreihe das Schema für ein Köpfchen darstellt.

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Das Schema zeigt außerdem, dass der Präformismus auch hier wieder eine Vorbildung jedes Köpfchens und jeder Blüte annehmen muss, denn die Schemata für die einzelnen Köpfchen können nicht zur Deckung gebracht werden, wie man sie, die eigentlich kreisförmig dargestellt sein sollten, auch gegen einander verschieben mag. Wie

1) Aber nicht etwa auf dem Wege des Rückschlags, wie ich in einer andern Untersuchung zu zeigen gedenke.

2) Bei diesem Köpfchen scheinen etliche Blüten zu fehlen.

sich nun der Präformismus mit der Notwendigkeit abfinden will, eine Vorbildung sämtlicher Köpfchen und Blüten im Keime anzunehmen, ist seine Sache. Es wäre doch wohl nicht billig, von uns Gegnern des Präformismus zu verlangen, für diesen die Kastanien aus dem Feuer zu holen, uns zuzurufen: „Man sage nicht von vornherein: so Etwas kann nicht sein!" Zu beweisen, dass es so sein kann, liegt vielmehr den Herren selbst ob. Uebrigens habe ich längst nachgewiesen, dass der Präformismus schlechterdings unmöglich ist, nicht von vornherein, sondern auf Grund einer Kritik, die bis jetzt bei weitem die eingehendste ist, die über den Präformismus vorliegt, und nach der andere Kritiken eigentlich hätten überflüssig sein sollen (vergl. „Gestaltung und Vererbung", Leipzig 1893).

Ich habe oben gesagt, dass die Blütenköpfchen von Tanacetum corymbosum je nach ihrer Stellung an der Pflanze verschieden stark ernährt werden. Das dem so sei, lässt sich auf Grund der Gliederung der Pflanze von vornherein annehmen. Indessen wird es auch durch Wägungen bestätigt. 34 Stammköpfchen wogen zusammen 10, also durchschnittlich 0,29, 121 hatten ein Gesammtgewicht von 270, also ein Durchschnittsgewicht von 0,22 Gramm. Die Anzahl der Strahlenblüten wächst also mit dem Gewicht der Köpfchen; dieses hängt aber doch wohl von der Ernährung ab.

Bei einer andern Composite, Chrysanthemum leucanthemum L., die aber in der Regel nur ein einziges Blütenköpfchen trägt, ist es ähnlich. Ich zählte die Randblüten an 884 Köpfchen und erhielt dadurch folgende Tabelle, in welcher die obere Reihe die Anzahl der Randblüten, die untere die der Exemplare mit der in der oberen angegebenen Randblütenanzahl angibt:

9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 2. 1. 0. 5. 17. 19. 7. 12. 16. 18. 39. 69. 175. 81. 64. 49. 40. 41.

27. 28. 29. 30. 31. 32. 33. 34. 35. 36. 37. 38. 39. 40.
31. 28. 24. 30. 24. 23. 21. 29. 11. 6. 0. 1. 0. 1.

Dieser Tabelle würde eine Kurve entsprechen, die bei 21 gipfelt und dann stark und ziemlich symmetrisch nach beiden Seiten abfällt. Man könnte aus ihr den Schluss ziehen wollen, dass die Randblutenanzahl bei Chrysanthemum leucanthemum ziemlich gleichmäßig um eine mittlere Zahl nach beiden hin schwankt, dass hier also ungeregelte Variation stattfindet. Dieser Schluss wäre aber ein voreiliger. Denn die Anzahl der Randblüten geht bei Chrysanthemum leucanthemum Hand in Hand mit der Größe der Pflanze und dem Gewicht und Scheibendurchmesser der Köpfchen. 42 Köpfchen, jedes mit über 30 Randblüten, wogen zusammen 20, also durchschnittlich 0,475; 213 mit 21-30 Randblüten zusammen 85, also durchschnittlich 0,399; 87 mit 20 und weniger Randblüten zusammen 20, also durchschnittlich

0,229 Gramm. Aus weit über 200 Exemplaren suchte ich 100 Exemplare, deren Köpfchen zusammen 16 g wogen, und deren Scheibendurchmesser von 12-5 mm hin stetig abnahm, aus und zählte ihre Randblüten. Ich erhielt folgende Tabelle:

9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 2. 1. 0. 4. 12. 12. 4. 4. 3. 3. 6. 11. 22. 10. 0. 1. 2.

26. 27. 28. 29. 30. 31.

0. 0. 1. 1. 0. 1.

Aus jenem Haufen von weit über 200 Exemplaren suchte ich ferner 100 Pflanzen mit möglichst großen Köpfchen aus. Diese wogen zusammen 50 g, und ihr Scheibendurchmesser nahm von 12-21 mm stetig zu. Es ergab sich folgende Randblütentabelle:

18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31. 32. 33. 34. 35. 1. 2. 8. 27. 8. 8. 7. 5. 4. 7. 4. 4. 0. 6. 3. 1. 4. 1. In beiden Tabellen liegt der Gipfel der Kurve zwar bei 21, aber die zweite ist stark unsymmetrisch und geht nur bis zu 18 hinunter, dagegen bis zu 35 hinauf, während die erste bis 9 hinunter und nur bis 31 hinaufgeht.

Bei den ersten 100 Exemplaren hatte das kleinste Köpfchen 75, das größte 250, bei den zweiten das kleinste 244, das größte 460 Scheibenblüten. Die Anzahl der Scheibenblüten variiert also auch mit der Größe der Exemplare. Diese aber wird von ihrem Alter, denn Chrysanthemum leucanthemum ist eine perennierende Pflanze, und von der mehr oder minder guten Ernährung abhängen. Letztere scheint auf manchen Aeckern und Wiesen eine besonders günstige zu sein. 108 aufs Geratewohl gepflückte Exemplare von einem Felde oberhalb Lichtenhain bei Jena ergaben folgende Tabelle:

21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31. 32. 33. 34. 35. 36. 4. 7. 4. 6. 8. 7. 6. 9. 5. 10. 3. 8. 12. 9. 6. 4.

Hier liegt der Gipfel der Kurve bei 33, und die Kurve beginnt da, wo sonst der Gipfel liegt, nämlich bei 21.

Aehnliche Resultate erhielt ich bei einer andern Composite, Anthemis arvensis. Hier ergab schon der bloße Augenschein, dass manche Aecker bei Jena üppigere Exemplare trugen als andere, und dasselbe galt für die darauf befindlichen Futterkräuter und andere Pflanzen, z. B. Adonis. Im allgemeinen sind die strahlenblütenreichen Köpfchen groß, die -armen klein. 100 am 17. und 18. Juni 1895 gesammelte, meistens kleine und junge, d. h. erst eben aufgeblüte Köpfchen, deren Mehrzahl jedoch nur dadurch zusammengekommen war, dass sie wegen der geringen Dicke und Festigkeit ihrer Stengel beim Ordnen der Pflanzen abrissen, ergaben folgende Kurve:

12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21.
2. 13. 11. 21. 18. 10. 8. 7. 5. 5.

Dagegen erhielt ich von 100 ausgesuchten, alten, d. h. im Ver blühen begriffenen Köpfchen, die wohl mehrjährigen Exemplaren angehörten und gleichfalls am 17. und 18. Juni 1895 gesammelt waren, folgende Kurve:

13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22.
5. 5. 6. 8. 7. 14. 16. 24. 14. 1.

Bei der ersten Kurve liegt der Gipfel bei 15, bei der zweiten bei 20.
Hier liegt sie auch bei einer dritten Kurve, die sich aus 100 aus-
gesuchten, aber durchaus nicht so großen und nicht so weit im Ver-
blühen begriffenen Köpfchen, wie es die der zweiten Kurve waren,
ergab. Die Kurve liegt zwischen der ersten und zweiten, aber näher
bei der zweiten, eine Lage, die nach dem Mitgeteilten zu erwarten war:
12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27.
1. 7. 4. 6. 10. 10. 16. 16. 17. 12. 0. 0. 0. 0. 0. 1.
Der Gipfel dieser Kurve liegt, ebenso wie der der zweiten Kurve,
bei 20. Dagegen liegt der Gipfel der Kurve sämtlicher 770 von mir
untersuchter Köpfchen von Arthemis arvensis bei 19:

12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 9. 80. 64. 85. 83. 87. 90. 105. 93. 66. 4. 2. 0. 0. 0. 1. 0. 1. Ich bemerke jedoch, dass ich bei dieser Pflanze keinen Unterschied zwischen den Köpfchen eines Exemplares gemacht habe, was, da die Pflanze oft mehr als ein Köpfchen trägt, eigentlich hätte geschehen sollen. Es hätten sich dann vielleicht ähnliche Resultate ergeben, wie bei Tanacetum corymbosum. Wie dem auch sei, die Abhängigkeit der Randblütenanzahl von der Ernährung der Köpfchen ist so wie so zweifellos.

Meine Untersuchungen über numerische Variation bei Compositen und andern Pflanzen zielten nicht auf das Resultat hin, das im obigen mitgeteilt worden ist. Ich hoffte vielmehr feststellen zu können, dass die Variation in vielen Fällen eine einseitige Richtung hat, und dass die Variationstabellen Kurven ergeben, die an einem Ende gipfeln oder wenigstens stark unsymmetrisch sind, wie solches schon von de Vries. bei etlichen Pflanzen gefunden worden war (Hugo de Vries, Ueber halbe Galton-Kurven als Zeichen diskontinuierlicher Variation. Berichte d. deutsch. bot. Ges., XII, 7, 1894). Diese Hoffnung erfüllte sich auch durch die Untersuchung einiger Ranunculaceen.

Von Hepatica nobilis Schreber (triloba Gilibert) zählte ich die Perigonblätter an 983 Blüten und erhielt folgende Tabelle:

6. 7. 8. 9. 10.

633. 277. 54. 15. 4.

Eine Blüte mit weniger als 6 Perigonblättern fand ich nur einmal, und zwar eine mit deren 5. Hier handelte es sich aber wohl um eine Missbildung, denn die Blüte hatte nur 2 Hüllblätter. Bei Hepatica

nobilis ist die numerische Variation der Perigonblätter also durchaus einseitig. Von Anemone nemorosa L. gilt im Großen und Ganzen dasselbe; unter 205 von mir untersuchten Blüten fanden sich 3 mit 5 Perigonblättern. Die übrigen ergaben folgende Tabelle:

6. 7. 8.

185. 15. 2.

Anemone ranunculoides L. variiert auch nur nach einer Richtung, wie folgende Tabelle der Perigonblätteranzahl bei 129 Blüten zeigt: 5. 6. 7.

116. 10. 3.

Ich teile diese Ergebnisse hier mit, weil sie von großer Wichtigkeit für die Beurteilung numerischer Variationen typischer Organe sind. Solche Variationen haben nämlich nicht in allen Fällen dieselbe Bedeutung.

Bei der Verminderung der Anzahl der Fruchtblätter von Campanula glomerata handelt es sich, wie mir scheint, um einen Prozess stammesgeschichtlicher Umbildung. Die meisten Blüten der meisten Pflanzen haben noch 3 Fruchtblätter. Aber an trockenen und sonnigen Standorten haben viele Blüten vieler Pflanzen nur noch deren 2. Hier wird ein stammesgeschichtlicher Fortschritt durch Anpassung der Pflanzen an Sonnenhitze und Trockenheit herbeigeführt; der bisherige Stabilitätszustand wird verlassen und ein neuer angebahnt.

Um Prozesse stammesgeschichtlicher Umbildung handelt es sich wohl auch bei den genannten Ranunculaceen. Jedoch sind diese Prozesse hier nahezu vollendet, d. h. es sind hier schon die angestrebten Gleichgewichtszustände annähernd erreicht worden. Bei Hepatica nobilis und Anemone nemorosa liegt der Gleichgewichtszustand bei 6, bei A. ranunculoides bei 5 Perigonblättern. Indessen ist die erreichte Stabilität noch keine sehr feste, da noch häufig Blüten mit mehr Perigonblättern vorkommen. Dass solche Blüten für die Vorfahren unserer drei Pflanzenarten charakteristisch waren, ergibt sich aus einer Vergleichung dieser Species mit anderen Arten ihrer Gattungen, anderen Ranunculaceen und anderen Blütenpflanzen als höchst wahrscheinlich. Bei Exemplaren unserer Arten mit mehr als 6, beziehungsweise mehr als 5, Perigonblättern handelt es sich also entweder um einen Rückschlag oder um das, was wir eine stammesgeschichtliche Nachhut nennen können, im Gegensatz zu der stammesgeschichtlichen Vorhut, die durch die Pflanzen mit vielen zweinarbigen Blüten bei Campanula glomerata dargestellt zu werden scheint.

Diese Ergebnisse legen uns die Frage nahe, ob nicht auch unsere Compositen in einem stammesgeschichtlichen Umbildungsprozess begriffen sind, bei dem eine geringere Anzahl von Randblüten angestrebt wird, eine Frage, die um so näher liegt, als es viele Compositen gibt,

XVI.

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