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24 Nummern von je 2-4 Bogen bilden einen Band. Preis des Bandes 20 Mark. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten.

XVI. Band.

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Inhalt: Möbius, Uebersicht der Theorien über die Wasserbewegung in den Pflanzen. Lombroso, Die neuesten anatomischen Entdeckungen zur Anthropologie der Verbrecher. Lebedinsky, Zur Entwicklungsgeschichte der Nemertinen. Ergebnisse einer zoologischen Forschungsreise in den Molukken und in Borneo, im Auftrage der Senckenbergischen naturforschenden Gesellschaft auf Kosten der Rüppelstiftung ausgeführt von Prof. Dr. W. Kükenthal.

Uebersicht der Theorien über die Wasserbewegung in den Pflanzen.

Von M. Möbius.

Dass Flüssigkeit von den Pflanzen aus der Erde aufgenommen wird, ist eine so alltägliche Erscheinung, dass zu keiner Zeit Zweifel an ihr entstanden sind. Auch ist es den früheren Naturbeobachtern nicht weiter aufgefallen, dass diese Flüssigkeit entgegen dem Gesetze der Schwere in die Höhe steigt, denn man hatte es ja hier nicht mit toten Körpern, sondern lebenden Wesen zu thun und konnte als Wirkung von deren Lebenskraft Manches betrachten, was einer rein physikalischen Erklärung unzugänglich erschien. Zudem hatte man keine rechte Vorstellung davon, welcher Art die in den Pflanzen aufsteigende Flüssigkeit sei. Während Aristoteles angenommen hatte, dass ein ganz fertig gebildeter Nahrungssaft den Pflanzen von der Erde dargeboten werde, aus dem sie ihre Organe nur zu gestalten hätten, glaubte van Helmont im Anfange des 17. Jahrhunderts beweisen zu können, dass die Pflanze die Fähigkeit besitze, aus reinem Wasser alle ihre Stoffe in sich zu erzeugen. Erst als man die verschiedenen Teile der Pflanze als Organe zu betrachten, sich also von den Funktionen dieser Teile eine Vorstellung zu bilden anfing, konnte von einer Theorie der Wasserbewegung die Rede sein. Diese bildete man sich anfangs nach Analogie des Blutkreislaufes der Tiere. Malpighi, einer der Begründer der Pflanzenanatomie, ist wohl der erste, der von der Leitung und Hebung des von den Wurzeln aufgenommenen Nahrungssaftes (alimentitius

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humor in radicibus percolatus) sich eine bestimmte Vorstellung bildete, die faserigen Elemente des Holzes (fibras seu fistulas ligneas) als Bahn für diese Leitung betrachtete und den Saft durch den Druck der Luft in die Höhe steigen ließ [urgente non solum aëre externo, sed etiam concluso intra tracheas sursum pellitur]1). Da offenbar nach seiner Ansicht der Saft nur Tropfen für Tropfen gehoben wird, so scheint es ihm nicht schwierig zu erklären, dass er bis zu beliebiger Höhe gelangt: mimina quaelibet guttula veluti per funem seu per gradus ad ingens deducitur fastigium 2).

Es musste nun zunächst gezeigt werden, welche große Quantitäten von Wasser in einer Pflanze aufsteigen, damit erkannt würde, welches Problem hier zu lösen sei, nämlich auf welche Weise die verhältnismäßig große Menge Wasser nicht nur in die Höhe steige, sondern auch bis zu einer Höhe von über 100 Metern, nämlich bis zur Spitze der höchsten Bäume, die ja diese Höhe nicht erreichen könnten, wenn nicht das Wasser auch bis in die äußerste Blattspitze gelangte. Es war Stephan Hales, der zuerst nachwies, dass es sich nicht bloß um das von der Pflanze direkt verbrauchte Wasser, also einen alimentitium humorem, sondern auch und vor allen Dingen um den Ersatz des verdunsteten Wassers handelt. Hales maß die von den Wurzeln aufgesogenen und von den Blättern verdunsteten Wassermengen und ihm erschien die Wasserbewegung im Wesentlichen nur als ein Transpirationsstrom, indem er die Bedeutung des Wassers für die Ernährung der Pflanze zu sehr vernachlässigte, wie er ja auch die Blätter nur als transpirierende Organe ansah und das bessere Verständnis Malpighi's, der in ihnen schon Ernährungsorgane erkannt hatte, unbeachtet ließ. Im zweiten Hauptstücke seiner „Statik der Gewächse" 3) unternimmt es der Verf. „die Kraft zu entdecken, die die Erdgewächse anwenden müssen, Feuchtigkeit einzuziehen“. „Dem Pflanzenwerke mangelt es an solchem kräftigem Werkzeuge, dergleichen in Tieren durch ein abwechselndes Ausdehnen und Zusammenziehen, das Blut zwinget, in Puls- und Blutadern fortzulaufen. Daher hat die Natur, sie schadlos zu halten, ihnen andere wirksame Mittel und Bewegungskräfte verliehen, damit sie Saft anziehen, erheben und in Bewegung halten können, weil in diesem Saft ihr Leben bestehet". Diese Kraft ist nun nach ihm dieselbe, welche in quellungsfähigen und porösen Körpern wirksam ist, also die Imbibition und Kapillarität, welche beiden er nicht recht auseinanderhält, die aber allerdings auch ineinander übergehen. Wie also Asche, Schwamm u. dergl. Wasser 1) Dieses und die vorhergehenden Citate nach Anatome Plantarum, Pars altera, p. 87, London 1679.

2) 1. c. pars prior, p. 5, London 1675.

3) Ich citiere nach der deutschen Uebersetzung von Ch. Wolff, Halle 1748. Das Original erschien zuerst 1727.

aufsaugt und weiter leitet, „aus eben diesem Grunde kommt es her, dass die Pflanzen durch ihre kleinen Haarröhrchen die Feuchtigkeit so stark an sich ziehen, wie wir so umständlich in vorhergehenden Erfahrungen gesehen haben". Offenbar denkt sich Hales die faserigen Elemente in Holz und Rinde ähnlich wirkend wie die Fasern eines Dochtes.

Wo die Wasserbewegung eigentlich stattfinde, scheint ihm nicht recht klar zu sein; aus seinen Versuchen mit abgeschnittenen Zweigen schließt er, dass der Saft zwischen Rinde und Holz so gut aufsteige, als in anderen Teilen und es ist ihm höchst wahrscheinlich, dass der Saft auch durch die der Sonne am meisten ausgesetzten Teile steige, darunter dann die Rinde gehöret". Der sogenannte Ringelungsversuch, bei dem an einem in Wasser gesetzten Zweige ein ringförmiges Stück Rinde entfernt wird, dient ihm nicht zum Beweise, dass das Wasser nur durch das Holz steigt und dadurch die Blätter über dem geringelten Stück frisch erhält, sondern daraus, dass diese Blätter zu gleicher Zeit mit denen der nicht geringelten Zweige welken, schließt er, dass kein absteigender Saft an der Ringelungsstelle aufgehalten werde, sonst würden die ersteren Blätter länger frisch bleiben als die letzteren.

Wir übergehen nun, was von folgenden Forschern, wie von Dutrochet, der die Bewegung des im Holze aufsteigenden Wassers transpirierender Pflanzen durch Endosmose von Zelle zu Zelle zu erklären versuchte, von P. de Candolle u. a. für Hypothesen über die Saftsteigung aufgestellt wurden, da von keinem derselben ernsthaft geprüft wurde, ob die angenommenen Kräfte nach den physikalischen Gesetzen ausreichend sind, das Wasser bis in die Spitzen der höchsten Bäume zu heben, noch auch, ob die Verhältnisse in der Struktur und Beschaffenheit der pflanzlichen Gewebe die angenommenen Kräfte wirklich thätig sein lassen können. Wir haben Malpighi und Hales erwähnt, weil sie die Frage überhaupt zuerst zu beantworten versuchten, und wir erwähnen nun sogleich den Physiologen, der zuerst eine Theorie der Wasserbewegung aufstellte, die wenigstens den eben geforderten Bedingungen entsprechen sollte, nämlich Sachs, dessen sogenannte Imbibitionstheorie längere Zeit als die einzig mögliche Lösung der schwierigen Frage erschien. Sie wurde von ihm in seiner Experimental - Physiologie (in Hofmeister's Handbuch, 1865) zuerst ausführlich dargelegt, wo, wie er selbst später sagt, noch manche aus früheren Zeiten überkommene Irrtümer beibehalten, andere aber beseitigt sind. Auf welche Weise und in welchen Publikationen er seine Theorie allmählich ausgestaltet hat, gibt er in der vierten Anmerkung auf S. 225 der zweiten Auflage seiner Vorlesungen über Pflanzenphysiologie an. Sachs behauptet nun, auf zahlreiche Untersuchungen

1) Vergl. hierzu Sachs, Geschichte der Botanik, S. 553 ff.

gestützt, dass die Hohlräume der Holzzellen und Holzgefäße, wenigstens zu der Zeit, da ein rascher Wasserstrom im Holzkörper aufsteigt, überhaupt nicht mit Wasser, sondern mit Luft gefüllt sind, dass also von einer kapillaren Hebung des Wassers in den Pflanzen nicht die Rede sein könne. Es bleibt ihm somit als Weg für das Wasser nur der in den Membranen der Holzelemente übrig und er nimmt an, dass die verholzten Membranen eine eigentümliche Struktur besitzen, und sich dadurch auszeichnen, „dass sie verhältnismäßig nur wenig Wasser in sich aufnehmen, dass dieses wenige Imbibitionswasser jedoch in ihnen auffallend beweglich ist". "Als das Hauptergebnis aller bisherigen Betrachtungen bleibt nun das bestehen, dass es sich bei dem aufsteigenden Wasserstrom um die Bewegung der einzelnen Wassermoleküle handelt, welche zwischen den Molekülen der Holzzellwände enthalten sind. Dabei steht soviel fest, dass diese Bewegung nur dann eintreten kann, wenn am oberen Ende dieses Systems die Holzzellwände einen Teil ihrer Wassermoleküle verlieren. Durch diesen Verlust wird ihr Sättigungszustand mit Wasser gestört, das Gleichgewicht verändert: die wasserärmer gewordenen Partien der Holzzellwände werden das Gleichgewicht herzustellen suchen dadurch, dass sie den nächstbenachbarten Holzzellen Wasser zu entziehen suchen, die ihrerseits aus demselben Grunde es wieder von tieferen Teilen des Holzkörpers in sich aufnehmen, bis sich endlich diese rückgreifende Bewegung von der Laubkrone einer Landpflanze durch den Stamm hinab bis in die jungen Wurzeln fortpflanzt, welche das Wasser aus der Erde aufnehmen". Nach dieser Theorie kann also das Wasser in verholzten Membranen zu einer ganz beliebigen Höhe steigen, weil es gleichgiltig ist, ob ein einzelnes Wassermolekül 10 oder 100 Meter hoch in den Holzwänden enthalten ist". Das Problem, die hebenden Kräfte zu finden, schien gelöst, nachdem die Endosmose und die Kapillarität als unverwendbar für die Lösung erkannt worden waren. Allein wenn auch Sachs auf Grund seiner Beobachtungen und Experimente davon überzeugt war, dass die Hohlräume der Holzfasern und -gefäße nur Luft enthalten, kein Wasser, so schien dies doch vielen Anderen zweifelhaft und mit dem Nachweise des Fehlens oder des Vorhandenseins von Wasser in den Gefäßen und Tracheiden stand und fiel die Imbibitionstheorie.

Dass die Bewegung des Wassers nicht in den Wänden, sondern in den Hohlräumen der Gefäße erfolge, ist zuerst mit Nachdruck gegen Sachs hervorgehoben und beharrlich weiterhin behauptet worden von J. Böhm, der aber das Unglück hatte, lange Zeit kein Gehör bei seinen Fachgenossen zu finden. Wenn er erkannt hatte, dass das Wasser in den Hohlräumen der Gefäße steige, so musste er natürlich auch eine ganz andere Erklärung der Saftsteigung geben und so stellte er seine sogenannte Luftdrucktheorie auf: „Die durch Transpiration

bedingte Wasserbewegung in den safterfüllten Zellen parenchymatischer Gewebe, ebenso wie die in den saftleitenden Hohlräumen des Splintes, ist ein durch Druckdifferenzen in den benachbarten Zellen bedingter Saugungsprozess". Wir können hier nicht näher auf die Böhm 'sche Theorie eingehen und erklären, wie er sich es denkt, dass der Luftdruck das Wasser höher treibt, als 10 Meter, was dem Drucke einer Atmosphäre entspricht. Er scheint anfangs in den Druckdifferenzen eine genügende Erklärung für die Wasserhebung gefunden zu haben, in einer seiner letzten Abhandlungen1) jedoch, in der er die Frage nach den Ursachen der Wasserbewegung in transpirierenden Pflanzen endgiltig beantwortet zu haben glaubt, schließt er mit den Worten: „Die Wasseraufsaugung durch die Wurzeln und das Saftsteigen werden durch Kapillarität, die Wasserversorgung des Blattparenchyms wird durch den Luftdruck bewirkt".

Auch R. Hartig 2) glaubt die Wasserbewegung aus den Druckdifferenzen der im Holze eingeschlossenen Luft und des äußeren Luftdruckes einerseits und aus der Kapillarität andererseits rein mechanisch erklären zu können. Seine Theorie, die sogenannte Gasdrucktheorie, ist aber ziemlich kompliziert, so dass hier auch auf diese nicht näher eingegangen werden kann. Die Imbibitionstheorie hat er einer eingehenden Kritik und Widerlegung unterzogen, denn seine Untersuchungen über die Verteilung des Wassers in dem Holze ergaben im Gegensatze zu denen von Sachs, „dass zu jeder Zeit, sogar während der stärksten Transpiration, die Lumina der Zellen und Gefäße nicht lauter Luft, sondern auch bedeutende Mengen von flüssigem Wasser enthalten“.

Schließlich muss hier noch erwähnt werden, dass es den französischen Forschern Vesque und Capus gelang, an freigelegten Gefäßen die Bewegung des Wassers innerhalb derselben direkt wahrzunehmen, und dass sie dadurch viel dazu beigetragen haben, die Annahme zur Gewissheit zu machen, dass der Transpirationsstrom sich nicht in den Wänden, sondern in den Hohlräumen der Holzelemente bewegt.

Bevor wir weitergehen, scheint es angebracht, zu betonen, dass in den bisherigen und folgenden Theorien die Transpiration zwar immer als die Veranlassung zur Wasserbewegung betrachtet wird, dass es sich aber bei ihnen nur um die das Wasser wirklich hebenden Kräfte handelt. Die Transpiration kann jedoch nicht als hebende Kraft wirken, sondern ist nur die Ursache, welche andere Kräfte in Wirkung treten lässt, gerade so wie die Flamme einer Lampe, d. h. die Verwandlung des Oeles in Dampf und die Zersetzung desselben durch die Wärme nur die Ursache ist, dass neues Oel durch den Docht nachgesogen 1) Berichte der deutschen bot. Gesellschaft, Bd. VII, S. (46), 1889. 2) In Hinsicht auf die Darstellung und Widerlegung der Hartig'schen Theorie sei auf Godlewski's unten zu citierende Arbeit verwiesen.

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