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keit, eine nähere Bestimmung der Species vorzunehmen, nach welcher es sich um Isotoma cinerea (Nic.) Tullberg und Xenylla brevicauda Tullberg handelt 1).

Als ich nach ein paar Tagen die oben erwähnten Eschenbäumchen wiederum besichtigte, war übrigens von den grauen wimmelnden Poduriden-Massen auch nicht ein einziges Individuum mehr vorhanden. Ich hatte also zufällig den richtigen Moment getroffen, wo Fraß und Urheber gleichzeitig zu beobachten waren. Das Auswandern der Flechtenfraß bewirkenden Tiere kann in manchen Fällen deren Auffindung recht erschweren oder auch ganz unmöglich machen.

Es ist längst bekannt, dass Physcia aipolia an der Oberfläche der Thallus Rinde, wie auch an den oberflächlichen Teilen der Schlauchfrüchte und ferner an den Hyphen des Markes feine farblose Körnchen zur Ausscheidung bringt. Am reichlichsten erfolgt die Ausscheidung seitens der Rinde und der Schlauchschicht, welche Teile daher mehr oder minder stark bereift" erscheinen.

Es handelt sich bei diesen Ausscheidungen um zwei Flechtensäuren. Dass die eine derselben Atranorsäure darstellt, wurde von mir bereits früher nachgewiesen 2) und zwar für Materialien, welche mir Herr Dr. F. Arnold freundlichst zukommen ließ und von Baumstämmen bei München (Ahorn und Rosskastanien) stammten. Neuerdings untersuchte ich eine größere Quantität (260 g) der Flechte von Crataegus - Hecken bei Oberwinkel in Gröden und gewann diesen Stoff abermals, im Ganzen 11, g. Daneben wurde noch ein anderer krystallisierender, ebenfalls farbloser Körper erhalten, aber in so geringer Menge, dass ich seine Natur nicht feststellen konnte.

Die Atranorsäure wird, wie bei so vielen anderen Flechten, so auch bei vorliegender Physcia in den oberflächlichen Teilen produziert, diesen die weiße Färbung verleihend, der andere Körper scheint an den Hyphen des Markes zur Ausscheidung zu kommen.

Die Poduriden fressen nun besonders jene Atranorsäure-haltigen Teile, greifen aber auch die Markregion an. Die genannten beiden Stoffe sind mithin nicht im Stande, die Physcia aipolia vor Poduriden-Fraß zu schützen.

2. Gasparrinia elegans (Link).

An Porphyrblöcken bei St. Ulrich in Gröden von mir gesammelte Thalli dieser Flechte zeigten bei näherer Besichtigung an den Becherfrüchtchen sowohl wie an den Thallusteilen selbst zahlreiche auffällige

1) Ich spreche hierdurch beiden Herren für Ihre gütige Bemühung meinen besten Dank aus.

2) Ueber Atranorsäure und ihre Begleitstoffe. Annalen der Chemie, Bd. 288, S. 68 (1895).

Fraßstellen. Aus vielen Früchtchen waren die schön rotgelben Hymenien so vollständig herausgefressen, dass die darunter liegende Algenzone als grüne Schicht frei dalag. Die Thalli erschienen teils durchlöchert, teils ihrer rotgelben Rinde an zahlreichen Stellen beraubt.

Die genauere Betrachtung mit einer starken Lupe ergab die Gegenwart von zahlreichen Individuen einer Milben art. Von anderen Tieren war absolut nichts aufzufinden.

Es drängte sich hiernach die Vermutung auf, dass jene Milbe die Fraßerscheinungen verursacht habe. Zur näheren Prüfung dieser Vermutung stellte ich folgenden Versuch an:

Ein fruktifizierender Thallus der genannten Gasparrinia, welcher von einem ganz anderen Standorte (Dolomitfelsen an der Regensburger Hütte in den Dolomiten) stammte und sich bei genauerer Betrachtung von Milben wie von anderen Tieren vollkommen frei zeigte, auch keine Spur von Fraßstellen aufwies, wurde angefeuchtet in ein Doppelschälchen gelegt und mit einem größeren, stark mit Milben behafteten Exemplar überdeckt. Nach zweitägigem Liegen ergab sich, dass eine ganze Anzahl von Milben auf den erstgenannten Thallus übergegangen war, und bereits an den Apothecien wie an den vegetativen Teilen deutliche Fraßstellen der Tiere vorhanden waren, einige Apothecien sogar ihre Hymenien schon ganz verloren hatten.

Ich brachte nun den Thallus samt den Milben unter das Mikroskop und konnte Folgendes konstatieren: Eine erwachsene Milbe, die sich eben auf der Schlauchschicht eines Apotheciums festgesetzt hatte und von diesem Zeitpunkte an (1/2 Stunden hindurch bei 40 facher Vergrößerung) kontinuierlich beobachtet wurde, fraß innerhalb dieser Zeit ein Loch in die Hymenialschicht, welches in der Länge 0,24 mm, in der Breite 0,16 und in der Tiefe etwa eben so viel maß.

Eine andere, ebenfalls erwachsene Milbe, welche 2 Stunden lang zur kontinuierlichen Beobachtung kam, fraß in dieser Zeit in die Hymenialschicht eines Apotheciums ein Loch von 0,44 mm Länge, 0,24 mm Breite und einer Tiefe, die etwa der Höhe der Schlauchschicht entsprach.

Aus solchen direkten Beobachtungen ergibt sich, dass die genannten Tiere die Hymenien der Flechte thatsächlich angreifen und dabei eine relativ große Gefräßigkeit entwickeln. Bei 4 -6 Stunden ununterbrochener Thätigkeit vermag eine solche Milbe ein GasparriniaHymenium von 1 mm Durchmesser vollständig aufzuzehren, und man begreift, dass eine größere Milbenzahl in wenigen Tagen sämtliche Hymenien eines stattlichen Individuums jener Flechte zum Verschwinden bringen kann.

So lange noch intakte Hy menien vorhanden sind, pflegen die Milben Thallusteile zu verschmähen, offenbar weil jene Organe von mehr weicher und saftiger Beschaffenheit sind.

Sind die Hymenien aber verspeist, so kommen bald auch die vegetativen Teile an die Reihe, einschließlich der Apothecium-Hülle.

Zerdrückt man Milben, die längere Zeit sich an einem Hymenium delektiert haben, in vorsichtiger Weise, so wird der Inhalt des Verdauungstraktus herausbefördert, und man sieht, dass derselbe aus Unmassen von Schlauchsporen, zerbissenen Schläuchen und zum Teil noch intakten Paraphysen der Gasparrinia elegans besteht, untermischt mit zahllosen Häufchen winziger goldgelber Körnchen einer Flechtensäure, die bei Zusatz von Kalilauge mit purpurroter Farbe in Lösung gehen.

Diese Körnchen stellen nichts anderes als Chrysophyscin (Flechtenchrysophansäure im Sinne von Roch leder und Heldt) dar, welches jene charakteristische Reaktion zeigt. Dasselbe kömmt an der Oberfläche der Schlauchschicht wie der Thallusrinde relativ reichlich zur Abscheidung und verleiht der Flechte ihre rotgelbe bis rotbräunliche Färbung.

Seitens der Milben wird dieser Körper in relativ großer Menge mitgefressen und verleiht daher dem Inhalt des Verdauungstraktus die goldgelbe Färbung.

Das Chrysophy scin ist also nicht im Stande, als Schutzmittel gegen den Fraß der obengenannten Milbe zu dienen. Ich sandte dieselbe an Herrn Dr. Kramer in Magdeburg, einen der ausgezeichneten Kenner der Milben, und erhielt von ihm die Nachricht, dass es sich um einen Vertreter der Familie der Oribatiden und zwar um Notaspis pilosa Koch handele, die von A. O. Michael in seinen British Oribatidae, Bd. II, p. 370 und Taf. 29, Fig. 11-16 beschrieben und abgebildet und durch besonders stark und lang entwickelte Rückenborsten ausgezeichnet ist1).

3. Cetraria pinastri (Scopoli).

Auf bei St. Ulrich in Gröden am Grunde von Lärchenstämmen gesammelten Exemplaren obiger Flechte traf ich zahlreiche Individuen einer kleinen schwarzen Oribatiden-artigen Milbe an, welche in die Thalli Löcher frisst und die stark gelben Soredien abweidet 2).

Wie bereits an anderer Stelle gezeigt wurde 3), produziert die Flechte zwei gefärbte krystallisierende Säuren. Die eine derselben, welche Usninsäure darstellt, hat ihren Sitz in der graugrünen Rinde, die andere, meine Pinastrinsäure, wird sowohl im Mark, als auch

1) Herrn Provinzialschulrat Dr. Kramer spreche ich für seine gütigen Bemühungen hierdurch meinen besten Dank aus.

2) Sie ist nicht Notaspis pilosa Koch, schon weil sie nicht die langen und starken Rückenborsten aufwies.

3) Zopf, Beiträge Heft I S. 41-45 u. Heft V S. 68-71; ferner Annalen der Chemie, Bd. 284, S. 107.

an den stark soredialen Rändern des Thallus ausgeschieden und verleiht diesen Teilen intensiv zitronengelbe Färbung.

Da nun jene Milben sowohl Rinde als Mark und Soredien fressen, so werden gleichzeitig auch die genannten Säuren mit verzehrt.

Usninsäure und Pinastrinsäure sind daher nicht im Stande, die Cetraria pinastri vor Milbenfraß zu schützen.

Es ist dies um so bemerkenswerter, als beide Säuren auf gewisse andere Tiere entschieden giftig wirken. Nach R. Kobert') ist die Pinastrinsäure für Frösche sogar eben so giftig, wie die bekannte Vulpinsäure.

4. Parmelia tiliacea (Hoffmann).

Zahlreiche, an alten Bretterzäunen bei Oberwinkel im Grödener Thale aufgenommene Exemplare dieser stattlichen Laubflechte fand ich reichlich besetzt mit einer winzigen Oribatiden-artigen Milbe, welche die Thalli hier und da durchfraß und auf diese Weise Löcherbildungen hervorrief.

Hierbei werden natürlich die in dieser Lichene vorhandenen Flechtensäuren ebenfalls mit verzehrt.

Da sich über die Natur derselben in der Litteratur nichts auffinden ließ, so habe ich eine besondere Untersuchung in dieser Richtung vorgenommen, welche zu dem Resultate führte, dass zwei auch in anderen Lichenen vorkommende Säuren vorhanden sind, von denen die eine Evernsäure, die andere Atranorsäure darstellt.

Man gewinnt sie, indem man die Thalli durch wiederholtes Auskochen mit Aether erschöpft und das Lösungsmittel vollständig abdestilliert. Kocht man nun den Rückstand mit einer geringen Menge von Chloroform aus, so geht nebst kleinen Harzmengen die Atranorsäure in Lösung, während die Evernsäure als in Chloroform sehr schwer löslich zurückbleibt. Nach dem Einengen der Chloroformlösung fällt die Atranorsäure auf Zusatz eines 3-4 fachen Volums gewöhnlichen Alkohols fast rein aus. Durch erneutes Auflösen in heißem Chloroform, Einengen der Lösung und Ausfällen mit Alkohol gereinigt schmolz sie bei 196° und verhielt sich schon hiernach wie auch nach Krystallform und Löslichkeitsverhältnissen als echte Atranorsäure. Völlige Sicherheit bezüglich der Indentität gab der Umstand, dass ich durch 6 Stunden langes Kochen einer Quantität der Krystalle mit viel absolutem Alkohol einen in weißen Nadeln krystallisierenden Körper gewann, der aus Alkohol umkrystallisiert alle Charaktere meiner Hämatommsäure zeigte, namentlich auch deren Schmelzpunkt (112-113°). Aus 35 g der lufttrocknen Flechte wurden 0,16 g Atranorsäure erhalten also etwas über 1/2

1) Ueber Giftstoffe der Flechten. Sitzungsber. d. Dorpater NaturforscherGesellschaft, Jahrg. 1892, S. 165.

Zur Reinigung der Evernsäure benutzte ich Auskochen mit Benzol, in welchem sie fast ganz untöslich ist und darauf folgendes mehrmaliges Umkrystallisieren aus 70 proz. Alkohol. Man erhält hierbei eine schneeweiße Masse feinster Nädelchen, die bei 165° unter Gasentwicklung schmelzen (Hesse gibt den Schmelzpunkt zu 164° an), in heißem Alkohol und Aether sehr reichlich, in heißem Chloroform sehr schwer, in kochendem Benzol nahezu unlöslich sind und sich in Kalilauge mit gelber Farbe lösen. In der alkoholischen Lösung rufen Spuren von Eisenchlorid violette bis purpurne Färbung hervor. Die alkoholische Lösung rötet Lakmuspapier.

Nach allen diesen Eigenschaften muss ich die Säure als die echte Evernsäure im Sinne von Stenhouse 1) und Hesse2) ansprechen.

Sie ist in relativ großer Menge vorhanden, denn aus 35 g der lufttrocknen Flechte erhielt ich 1,03 g mithin etwa 3%. Trotzdem vermag sie das Gefressenwerden der Parmelia tiliacea seitens jener Milbe ebensowenig zu verhindern, wie die zu 12% vorhandene Atranorsäure.

5. Xanthoria parietina (L.).

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Auch unsere gemeine Wandflechte wird von gewissen Oribatidenartigen Milben vielfach gefressen und oft bis zur fast völligen Unkenntlichkeit zerstört. In letzterem Falle pflegen alle Hymenien abgeweidet und die Thallusteile teils oberflächlich abgenagt, teils tief und dicht durchlöchert zu sein.

Die Flechtenstoffe, die hierbei mit verzehrt werden, sind bereits bekannt. Am reichlichsten vorhanden ist das goldgelbe Chrysophyscin (Chrysophansäure von Rochleder und Heldt) das nach Lilienthal) zu fast 1% sich vorfindet 4) und in den oberflächlichen Teilen der Flechte so reichlich zur Abscheidung kömmt, dass diese die bekannte gelbe bis rotgelbe Farbe erhalten.

Nach O. Hesse 5) enthält die Flechte ferner noch das farblose krystallisierende Physcianin und das ebenfalls farblose Physciol.

Es ist also keiner dieser drei Stoffe im Stande, die Milben von ihrem Fraße abzuhalten. Ja man kann leicht konstatieren, dass gerade diejenigen Teile, welche das Chrysophyscin am reichlichsten enthalten, mit ganz besonderer Vorliebe angegriffen werden. Letzterer Stoff hat sich nach R. Kobert's Untersuchungen auch für höhere Tiere als nicht giftig erwiesen.

1) Liebigs Annalen 68, 83-93 und 155, 55-57.

2) Daselbst 117, 297–303.

3) Ein Beitrag zur Chemie des Farbstoffs der gemeinen Wandflechte. Dorpat 1893.

4) Herberger will es sogar zu 4% erhalten haben.

5) Annalen der Chemie, Bd. 284, S. 188.

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