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Von Xanthoria parietina nähren sich nach O. Wilde1) ferner die Raupen folgender Schmetterlinge: Naclia ancilla, Fumea sepium, Setina mesomella (eborina), S. irrorella (irrorea), Lithosia rubricollis, L. quadra, L. aureola, L. lutarella (luteola), L. complana, L. lurideola (plumbella), L. depressa (helveola), L. griseola, Calligena rosea, Aventia flexula (flexularia), Boletobia fuliginaria, Boarmia glabraria, B. lichenaria, Talaeporia pseudobombycella.

Chrysophyscin, Physcianin und Physciol vermögen also die Xanthoria parietina auch gegen diese Tiere nicht zu schützen.

6. Anaptychia speciosa (Wulf).

Auf dieser Laubflechte habe ich bei St. Ulrich in Gröden eine kleine Clausilia-artige Schnecke gefunden, welche die Thallusrinde auf kleine Strecken hinwegnagte.

Schon früher 2) wurde der Nachweis geliefert, dass die Flechte relativ reichlich Atranorsäure erzeugt, was besonders in den oberflächlichen Teilen der Fall ist, die daher ausgesprochen weiß erscheinen. Bei neuerlicher Untersuchung einer größeren Quantität der Flechte vom Plansee, die ich durch die Gefälligkeit des Herrn Dr. F. Arnold erhielt, konnte ich den Gehalt zu etwa 2% bestimmen, so dass Anaptychia speciosa zu den atranorsäure-reicheren Lichenen gehört.

Die Schnecke entledigte sich ihrer Exkremente in Wurstform. Beim Betupfen dieser weißlichen Massen mit verdünnter Kalilauge trat lebhafte Gelbfärbung ein, was darauf hindeutet, dass die Atranorsäure im Verdauungstraktus nicht verändert wird, denn die reine Säure zeigt diese Farbenreaktion ebenfalls.

7. Parmelia saxatilis (L.).

Gefressen wird die Flechte nach Wilde (1. c.) von den Raupen der Bryophila glandifera, Br. perla, Br. algae und Br. ereptricula.

Welche Flechtensäuren die Species enthält, ist noch nicht näher geprüft. Ich habe daher eine Untersuchung in dieser Richtung vorgenommen. Hierbei erhielt ich zwei farblose krystallisierende Körper, von denen die eine meine Stereocaulsäure, die andere Paterno's Atranorsäure darstellt 3).

1) Die Pflanzen und Raupen Deutschlands, Berlin 1860, S. 168. 2) Annalen der Chemie, Bd. 288, S. 68.

3) Zur Gewinnung derselben kocht man die Flechtenmassen mit Aether aus, destilliert von den vereinigten Auszügen das Lösungsmittel fast vollständig ab und lässt auskrystallisieren. Nachdem die Mutterlauge abgesaugt ist, kocht man die Krystallmasse ganz kurze Zeit mit Alkohol aus, wobei die Atranorsäure zurückbleibt, während die Stereocaulsäure in Lösung geht. Nach starkem Einengen dieser Lösung krystallisiert die Stereocaulsäure in feinen zu Rosetten und Polstern vereinigten Nädelchen oder Prismen aus. Durch Umkrystallisieren aus Alkohol gereinigt schmilzt sie bei 193-195° unter Gas

8. Sticta Pulmonaria (L.).

Der Thallus dieser großen laubigen Lichene wird von den Raupen verschiedener Schmetterlinge gefressen und zwar nach O. Wilde der Naclia ancilla, Lithosia rubricollis, Lith. quadra, Boarmia viduaria, Talaeporia pseudobombycella.

Die in der Flechte enthaltene, bereits 1846 von Knop und Schnedermann isolierte Stictinsäure, ein farbloser krystallisierender Körper von ähnlich-bitterem Geschmacke wie die Cetrarsäure, vermag also die genannten Schmetterlingsraupen nicht vom Fraße abzuhalten.

9. Evernia furfuracea (L.).

Beobachtungen, welche ich am Arlberg in Tirol an fichtenbewohnenden Exemplaren machte, zeigten, dass die Thalli von einer sehr kleinen schwärzlichen Oribatiden - artigen Milbe angefressen werden, trotzdem die Flechte außerordentlich reich an Atranorsäure ist. Ich habe den Gehalt zu 3', bestimmt. Unter 35 Atranorsäurebildnern, die ich im Laufe meiner Untersuchungen nachweisen konnte, ist diese Flechte die reichste.

10. Evernia prunastri (L.).

Die Flechte dient nach Wilde (1. c.) den Raupen von Fumea betulina, Lithosia lutarella (luteola), L. complana, Boarmia lichenaria und Mniophila corticaria (cremiaria) zur Nahrung.

Sie enthält Usninsäure, Evernsäure und Everninsäure, wie von Stenhouse und O. Hesse längst festgestellt ist.

11. Cladina silvatica (L.).

Seitens des Herrn Dr. von Schlechtendal in Halle wurde mir mündlich mitgeteilt, dass die Flechte im feuchten Zustande von einer kleinen schwarzen Oribatide ziemlich stark angefressen werden kann. Es sind hier zwei von mir noch nicht näher untersuchte Flechtensäuren vorhanden

12. Cladina rangiferina (L.)

enthält nach Stenhouse') Cladoninsäure (von Hesse als 8-Usninsäure bezeichnet, von Rochleder und Heldt irrtümlich für Usninentwicklung. Mit Essigsäureanhydrid gekocht geht sie in denselben, bei 185 186 schmelzenden weißen Körper über, den ich auf dem gleichen Wege aus der echten Stereocaulsäure erhielt.

Die durch wiederholtes Auflösen in kochenden Chloroform mit der 3-4 fachen Menge Alkohol gereinigte Atranorsäure schmolz bei 195-197° und lieferte durch stundenlanges Kochen mit absolutem Alkohol die bei 114° schmelzende Hämatommsäure, wodurch der Atranorsäure - Charakter völlig sicher gestellt ist.

1) Ueber die näheren Bestandteile einiger Flechten. Annalen der Chemie, Bd. 68, S. 98 und Ueber einige Flechten. Daselbst Bd. 155, S. 58.

säure gehalten), ferner nach Stenhouse und Groves1) Barbatinsäure und endlich nach F. Schwarz2) Evernsäure.

Die Gegenwart dieser 3 Substanzen hindert indessen nicht, dass die Flechte nach Wilde (1. c.) gefressen wird von den Raupen der Lithosia arideola.

13. Usnea barbata (L.).

Wird nach Wilde (1. c.) gefressen von den Raupen folgender Schmetterlinge: Gnophos mucidaria, G. pullata, Acidalia calcarea, A. confinaria und A. submutata.

Durch die Untersuchungen verschiedener Chemiker, wie Knop, Hesse, Salkowski, ist längst sicher gestellt, dass die Flechte Usninsäure enthält. Stenhouse und Groves 3) haben außerdem Barbatinsäure nachgewiesen. Beide Stoffe sind also nicht im Stande, jene Raupen vom Fraße abzuhalten.

14. Ochrolechia pallescens (L.). [Lecanora parella (Ach.]

Diese krustenbildende Lichene enthält ziemlich reichlich Lecanorsäure3) (aus welchem Grunde sie früher nebst Ochrolechia tartarea zur Orseillebereitung benutzt wurde) außerdem aber noch Parellsäure). Trotzdem wird sie nach Wilde (1. c.) von den Raupen der Nudaria mundana, Bryophila ereptricula, B. receptricula und B. raptricula als Nahrung benutzt.

15. Placodium saxicolum (Poll.).

Diese nach meinen Untersuchungen Zeorin und Atranorsäure enthaltende Flechte dient nach Wilde den Raupen von Lithosia lutarella (luteola), Nudaria mundana und Bryophila ereptricula (troglodyta) zur Nahrung.

16. Parmelia caperata (L.).

Wie den Lichenologen wohl bekannt sein dürfte, ist die Flechte durch sehr bitteren Geschmack ausgezeichnet. Durch eine besondere Untersuchung, über die an anderer Stelle berichtet werden soll, habe ich ermittelt, dass derselbe auf der Gegenwart der bisher nur aus Cetraria islandica bekannten Cetrarsäure beruht. Daneben kömmt reichliche Usninsäure vor, welche der Flechte ihre gelbgrüne Farbe verleiht. Trotz der Gegenwart der bitteren Cetrarsäure wird die Flechte, wie ich in den Alpen (auf Porphyr bei St. Ulrich in Gröden) beobachtete, von einer winzigen Milbe stark angefressen. Es ist daher zu

1) Annalen der Chemie, Bd. 68, S. 304.

2) Chemisch-botanische Studien über die in den Flechten vorkommenden Flechtensäuren. Cohn's Beitr. zur Biologie, Bd. III, S 259.

3) Beitrag zur Geschichte der Orcine. Ann. d. Chemie, Bd. 203, S. 302. 4) Schunk E., Ueber die Bestandteile der Lecanora parella. Annalen der Chemie, Bd. 54, S. 257 u. 275.

vermuten, dass jene Säure für dieses Tier nicht den bitteren Geschmack hat, wie für den menschlichen Gaumen.

Die eingangs dieser Mitteilungen gestellte Frage:

Welche Flechtenstoffe werden von gewissen Tieren zugleich. mit den Flechtenteilen verzehrt? mit andern Worten: Welche Flechtenstoffe bilden kein Schutzmittel gegen den Fraß gewisser Tiere?

lässt sich durch vorstehende Ermittelungen mithin wie folgt beantworten: 1. Atranorsäure ist nicht im Stande, die Physcia aipolia vor dem Fraß gewisser Springschwänze (Poduriden), die Parmelia tiliacea, P. saxatilis und Evernia furfuracea vor dem Fraß gewisser Milben (Oribatiden) und Raupen, die Anaptychia speciosa vor dem Fraß einer Schnecke (Clausilia) zu schützen.

2. Usninsäure vermag keinen Schutz zu verleihen der Usnea barbata und der Evernia prunastri gegen den Fraß gewisser Raupen und der Cetraria pinastri sowie der Parmelia caperata gegen den Fraß gewisser Milben.

3. Zeorin schützt Placodium saxicolum nicht gegen den Fraß mehrerer Raupen.

4. Barbatinsäure kann gewisse Raupen nicht vom Fraß der Usnea barbata und der Cladina rangiferina abschrecken.

5. Stictinsäure ist trotz ihrer Bitterkeit kein Hinderungsgrund für das Gefressenwerden der Sticta pulmonaria durch einige Raupen. 6. Stereocaulsäure bietet der Parmelia saxatilis keinen Schutz gegen Milbenfraß wie gegen den Fraß mehrerer Raupen.

7. Parellsäure, in Ochrolechia pallescens (Lecanora parella) vorhanden, schützt diese Flechte nicht gegen Raupenfraß.

8. Pinastrin säure ist nicht im Stande die Cetraria pinastri gegen das Gefressenwerden seitens gewisser Milben zu schützen.

9. Evernsäure, in Evernia prunastri und Cladonia rangiferina in geringer Menge, in Parmelia tiliacea sehr reichlich (zu 3%) vorhanden, hat für diese Flechten nicht den Wert eines Schutzmittels gegen Raupen- resp. Milbenfraß.

10. Everninsäure schützt Evernia prunastri nicht gegen den Angriff seitens gewisser Raupen.

11. Chrysophyscin (Flechten chrysophansäure) bietet der Xanthoria parietina wie der Gasparrinia elegans keine Schutzmittel gegen Milbenfraß.

12. Physcianin und Physciol, in Xanthoria parietina vorkommend, sind kein Hindernis für das Gefressenwerden dieser Flechte durch Milben.

13. Lecanorsäure schreckt gewisse Raupen nicht von dem Fraß der Ochrolechia pallescens ab.

14. Die sehr bittere Cetrarsäure schützt Parmelia caperata nicht gegen den Fraß einer Milbe.

Nach diesen Ergebnissen ist mit Sicherheit zu erwarten, dass sich bei weiter fortgesetzter Untersuchung noch zahlreiche andere Flechtenstoffe als nicht schützend gegen Milben-, Poduriden-, Raupen- und Schneckenfraß erweisen werden.

Jedenfalls bin ich schon jetzt berechtigt zu behaupten, dass die neuerdings mit sehr starker Betonung vorge tragene Ansicht Zukal's1), die Flechtensäuren hätten die biologische Bedeutung eines wirksamen Schutzmittels gegen Tierfraß in solch weiter Fassung gänzlich unzutreffend und darum unhaltbar ist.

Dass sehr kleine Vertreter der Spinnentiere (Arachniden), speziell der Acarinen und insbesondere der Oribatiden, sowie sehr kleine Repräsentanten der Orthopteren, speziell Poduriden, zu den Flechtenfressern zählen, ist den Botanikern, die übrigens ihr Augenmerk immer nur auf Schnecken gerichtet haben, bisher, wie es scheint, unbekannt geblieben, trotzdem die durch jene Tiere bewirkten Fraßerscheinungen gar nicht so selten und vielfach höchst auffällig sind. Auch in der zitierten Arbeit von Zukal finde ich nichts von Milben- und Poduridenfraß erwähnt. Den Zoologen aber scheint die Thatsache längst geläufig zu sein, wie ich aus den Zuschriften der Herren Dr. Kramer und Schött ersehe. Ersterer schrieb mir, „dass man auch noch andere Arten der reichen Oribatidenfamilie beobachten könne, wie sie Flechten abweiden und dabei ihre Zangen zum Abrupfen gebrauchen"; und Letzterer teilte mit, dass außer den beiden von mir auf Physcia aipolia beobachteten Poduriden Isotoma cinerea (Nic.) Tullberg und Xenylla brevicauda Tullb. auch noch andere Vertreter der Familie als Flechtenfresser bekannt seien, so Entomobrya rivalis L., E. corticalis Nic., E. arborea Tullb., E. marginata Tullb. und Anurophorus laricis Nic.

Von Schmetterlingen scheint eine große Anzahl im Raupenzustande sich von Flechten zu nähren. Nach O. Wilde's schon erwähnter Zusammenstellung waren bereits im Jahre 1860 in Deutschland allein 35 Species bekannt, von denen eine zu den Microlepi dopteren gehört (Talaeporia pseudobombycella), 10 zu den Spannern (Acidalia calcaria, confinaria, submutata, Boarmia lichenaria, glabraria, viduaria, Mniophila cineraria, corticaria, Gnophos mucidaria, pullata), 24 zu den Macrolepidopteren (Boletobia fuliginaria, Bryophila glandifera, perla, algae, ereptricula, receptricula, raptricula, Aventia flexula, Calligena rosea, Fumea sepium, betulina, Lithosia aureola, lutarella, complana, griseola, depressa, lurideola, quadra, rubricollis,

1) Morphologische und biolog. Untersuchungen über Flechten II. Sitzungsberichte der Wiener Akademie, 1895.

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