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obachtung im Laufe der folgenden Jahre nicht vorgenommen, weil ich eine Einwanderung jener Ciliaten in die Muskulatur der Tiere nicht für möglich hielt. Erst durch die vor etwa zwei Jahren bei einem Hunde gemachte Wahrnehmung, dass dieses Tier, welches eine zahllose Menge großer Vorticellen nebst Cercomonaden verschluckt hatte, 14 Tage nachher von lethaler Bauchfellentzündung mit heftigem Fieber befallen worden war und dass aus dem Venenblute des crepirten Hundes binnen ein Paar Tagen lebende Vorticellen und Cercomonaden sich züchten ließen, fühlte ich mich gedrängt, das Wesen der Rainey 'schen Schläuche in der hier angedeuteten Weise näher zu prüfen und gleichzeitig die eigenartige Vermehrungsweise der in Rede stehenden Vorticellen durch Züchtungsversuche eingehend zu studieren.

Die in dem vorliegenden Falle zweifellos stattgehabte Infektion des Hundes hatte die tötliche Erkrankung desselben höchstwahrscheinlich dadurch herbeigeführt, dass die durch Einwirkung des Magensaftes größtenteils zur Einkapselung gelangten Vorticellen noch lebensfähig in den Darmkanal des Tieres importiert und von hier nach der im Darminhalte eingetretenen Wiedergeburt und zahllosen Vermehrung ihrer Jugendformen sei es aktiv, oder passiv mittels der Blutzirkulation ausgewandert waren. Ein solcher Vorgang dürfte bei Hunden besonders dadurch leicht ermöglicht werden, dass diese Tiere durch das Fressen von Knochenstücken öfters Erosionen der Darmschleimhaut erleiden.

Gleich nach den ersten im Herbst 1894 mit Rainey'schen Körperchen aus dem Schweinefleisch vorgenommenen Kulturversuchen gelang es mir, wie ich in diesem Centralblatte a. a. O. berichtet, lebende Vorticellen aus den betreffenden Nährflüssigkeiten zu züchten. Seit dieser Zeit habe ich solche Versuche mehr als zwanzigmal und großenteils mit positivem Ergebnis wiederholt.

Aus der Regelmäßigkeit dieser Befunde lässt sich schließen, dass jene Schmarotzer unter begünstigenden Verhältnissen eine Wanderung durch den Tierkörper antreten, welche ihren Abschluss in den Muskeln des Wirtes findet. Ob diese Hypothese zutreffend ist, das kann nur durch Fütterungsversuche am lebenden Tiere festgestellt werden; bei meinen Züchtungsversuchen habe ich mich indessen überzeugt, dass die qu. Vorticellen in dem frisch ausgepressten Muskelsafte des Schweines ganz vorzüglich gedeihen.

Die erste mikroskopische Untersuchung der mit Miescher'schen Schläuchen durchsetzten Muskelfasern habe ich gewöhnlich in der Weise ausgeführt, dass ich haferkorngroße Muskelstückchen mit der Cowper'schen Scheere herausschnitt, mit Präpariernadeln fein zerzupfte und dann mittels eines aus zwei übereinander liegenden Glastafeln bestehenden Schrauben - Kompressoriums platt drückte. Die vorticellenartigen Cysten treten bei diesem Verfahren unter dem Mi

kroskop deutlich zu Tage. Nicht selten erscheinen sie in Gesellschaft von Fettzellen, von denen sie sich jedoch teils durch ihre regelmäßige, oft perlschnurartige Gruppierung, teils durch ihr eigenartiges Verhalten gegen auffallendes Licht unterscheiden. Wenn man durch Drehung des Spiegels nach oben die Beleuchtung des Objektes aufhebt, so erscheinen die Fettzellen weiß gefärbt, die vorticellenartigen Cysten dagegen bleiben dunkel und unkenntlich. Uebrigens sind

diese Kapseln bei durchgehendem Lichte gewöhnlich auch an ihrer Form, ihrem körnigen Inhalt und an dem nicht selten durchschimmernden Nucleus zu erkennen. Sie haben nämlich meist dasselbe Aussehen, wie jene oben beschriebenen und gezeichneten Gebilde, welche von den seit 1/2 Jahren auf Holzstäbchen eingetrockneten Vorticellencysten herrührten. Die Mehrzahl der in den Muskelfasern eingekapselten Protozoën ist gewöhnlich schon mazeriert, oder zerfallen und ihr Nucleus nicht mehr sichtbar. Ein solcher Zerfall der Cysten scheint besonders dann einzutreten, wenn die Einwanderung der Vorticellen in das Muskelgewebe schon vor längerer Zeit erfolgt ist. Ob späterhin eine Verkalkung der Fremdkörper in dem Muskelfleische des Wirtes eintritt, ist mir nicht näher bekannt.

Bis zum Wiederaufleben der entwicklungsfähig gebliebenen Cysten vergehen gewöhnlich einige Tage, zuweilen sogar 2 bis 3 Wochen und darüber; wahrscheinlich ist dies von der Dauer der seit der Einwanderung verflossenen Zeit abhängig. Als Vorboten der vollständig ausgewachsenen Muttertierchen sieht man gewöhnlich ruhende, den lebenden Vorticellen ähnlich gebildete Larven, in der Regel auch lebende Cercomonaden und Uvellen kürzere oder längere Zeit hindurch vorangehen, Bei bereits beginnender Fäulnis der Muskelfasern scheinen die darin eingeschlossenen Vorticellen rascher wieder aufzuleben, wie in noch frischem Muskelfleisch.

Was das Aussehen der Rainey'schen Schläuche in der Muskulatur des Schweines betrifft, so kann man diese Gebilde, wie dies Leuckart und Virchow a. a. O. mitteilen, mit bloßem Auge als feine grauweiße Striche erkennen. Nach meinen Beobachtungen sind diese Strichelchen hier und da mit stecknadelkopfgroßen hyaloiden Körnchen besetzt.

Am zahlreichsten habe ich die Schlauchbildungen bisher in den Zwerchfellpfeilern, den Kiefer- Kehlkopf-Zwischenrippen - Lenden und Bauchmuskeln gefunden. Einmal traf ich auch zahllose Gruppen von solchen encystierten Protozoën im Herzmuskel, in welchem bekanntlich öfters Finnen, dagegen niemals Trichinen zur Beobachtung kommen. Dass Miescher'sche Schläuche im Herzen auch bei anderen Tieren, besonders beim Schaf, häufig gefunden werden, habe ich schon oben auf Grund der Untersuchungen v. Hesslings erwähnt.

Schließlich muss ich noch darauf aufmerksam machen, dass bei den Kulturversuchen mit encystierten Vorticellen oder anderen Protozoën behufs ihrer Regeneration die Anwendung von Anilinfarben, um sie besser kenntlich zu machen, möglichst vermieden werden muss. Die Entwicklungsfähigkeit der Cysten wird dadurch leicht aufgehoben, oder es entstehen verschiedenartige Degenerationsformen, in denen die charakteristischen Merkmale der betreffenden Art vollständig verschwinden.

Am besten untersucht man die in Rede stehenden Vorticellen auf dem Objektglase ohne Deckglas, um den Einkapselungsvorgang besser beobachten zu können; im hängenden Tropfen tritt die sarcineartige Vereinigung der Kapseln nicht deutlich genug zu Tage. Um die rasche Bewegung der Ciliaten möglichst einzuschränken, empfiehlt es sich, ihrer Nährflüssigkeit nach Dr. Römer's Angabe eine verdünnte Lösung von Gelatine zuzusetzen.

Will man ihren inneren Bau näher kennen lernen, so ist die Anwendung starker Verdünnungen von Essig, Jodtinktur, oder Malachitgrün, durch welche sie sofort getötet werden, wogegen der Nucleus, das kontraktile Organ, die Nahrungskörnchen etc. alsbald sichtbar hervortreten, vorzugsweise zu empfehlen. Uebrigens darf die freie Entwicklung der Cysten bei ihrer Züchtung in Nährflüssigkeiten nicht durch Benutzung irgend welcher Reagentien gestört werden.

Nachtrag.

Im Anschluss an vorstehende Abhandlung habe ich auf Grund neuerer Beobachtungen noch folgende Mitteilungen zu machen, welche zur Beleuchtung der verschiedenartigen pathogenen Wirkung der in Rede stehenden stiellosen Vorticellen einen nicht unwesentlichen Beitrag zu liefern geeignet erscheinen.

Dass diese Protozoen bei Verletzungen der äußeren Haut leicht in das Unterhaut-Bindegewebe eindringen und besondere KrankheitsErscheinungen hervorrufen können, das habe ich bei meinen Kulturversuchen mit Vorticellen zweimal an mir selbst in recht empfindlicher Weise wahrgenommen. Im Sommer 1892 hatte ich mir durch unvorsichtiges Aufkratzen eines Ekzembläschens im Nacken, welches nachweislich Vorticellenkeime enthielt, eine Bindegewebsgeschwulst zugezogen, die sich rasch unter Fieber-Erscheinungen entwickelte und in Form und Größe eines Gänseeies vom Nacken bis zur Schulterhöhe sich erstreckte. Diese Geschwulst widerstand hartnäckig den dagegen angewandten resorbierenden Mitteln und noch jetzt ist eine Schwellung des Bindegewebes mäßigen Grades an der linken Schulter wahrnehmbar. Vor etwa drei Jahren hatte ich in ähnlicher Weise eine blutende Zerstörung eines Ekzembläschens an der rechten Wange beim Rasieren hervorgerufen und dadurch eine lokale Degeneration der Haut

daselbst veranlasst, welche allmählich an Umfang zunahm und schließlich den Charakter eines karzinomatösen Geschwürs (Ulcus rodens) annahm. Durch mehrmals wiederholte Aetzung mit Sublimat-Collodium

1:8, die ich der ärztlicherseits empfohlenen Exzision mit dem Messer vorzog, wurde dieser Epithelialkrebs nach Verlauf von einigen Wochen geheilt.

Aus diesen beiden Autoinfektionen, welche höchstwahrscheinlich durch die in den Ekzembläschen nachgewiesenen Vorticellenkeime herbeigeführt waren, ließ sich schließen, dass diese Protozöen vorzugsweise im tierischen Bindegewebe schmarotzen und dass sie daselbst durch ihre das organische Eiweiß zersetzende Wirkung je nach der individuellen Beschaffenheit der tierischen Säfte, oder je nach der bei ihnen zur Zeit in verschiedenem Grade sich äußernden Lebensenergie etc. verschiedenartige Krankheitsprozesse hervorrufen können.

Diese Vermutung scheint nach den ziemlich übereinstimmenden Ergebnissen mehrfacher im vorigen Jahre vom Monat April bis Juni, sowie im Monat Juni ds. J. von mir vorgenommenen Kulturversuche mit sarkomatösen und scirrhösen Neubildungen, sowie mit Schutzpockenlymphe1), welche von einem geimpften Kalbe nach 4 Tagen nebst dem mit der Vaccine infiltrierten Bindegewebe der äußeren Haut entnommen war, als eine auf Wahrheit beruhende Hypothese sich zu

erweisen.

Von jedem einzelnen der bisher mir überwiesenen 5 UntersuchungsObjekte wurden der Kontrole wegen je zwei Kulturen in dünner Fleischextrakt-Lösung angefertigt. Die nähere Beobachtung der darin sich entwickelnden Mikroorganismen ergab folgendes überraschende Resultat:

In jeder Kulturflüssigkeit erschienen nach 1-2 Tagen - ähnlich wie bei der künstlichen Züchtung meiner stiellosen Vorticellen, bezw. der in den Miescher'schen Schläuchen enthaltenen Körperchen Myriaden von kleinsten, kokkenartigen weißlich glänzenden Körperchen und nach 3-6 Tagen teils noch eingekapselte, teils lebende mit zwei Geißelfäden ausgestattete Cercomonaden, welche sich demnächst in zahlloser Menge besonders nach vorhergangener Uvellenbildung vermehrten. [In einem weichen Krebsknoten des Peritoneums kamen schon nach 24 Stunden lebende Cercomonaden zum Vorschein.] Ihre Form

1) Herr Dr. Rosenblath, Oberarzt beim hiesigen Landkrankenhause, hatte mir auf Wunsch im Monat April und Mai vor. J. Teilstücke von drei verschiedenartigen sarkomatösen Neubildungen (Osteoid-, Drüsen- und HautSarkom) und im Monat Juni ds. J. Partikel von einem primären Leberkrebs mit zahllosen weichen und harten Krebsknoten im Peritoneum zur näheren Untersuchung übersendet. Die Schutzpockenlymphe erhielt ich durch gütige Vermittlung des Direktors hiesiger Impfanstalt, Herrn Geh. Sanitätsrats Dr. Giessler. Beiden Herren sage ich für die liebenswürdige Erfüllung meines Wunsches hiermit verbindlichen Dank,

war bald länglich, schmal und kommaförmig gekrümmt, bald etwas größer und oval. Außerdem fanden sich in der Mehrzahl der Kulturen an verschiedenen Tagen größere meist ovale, seltner rundliche Zellgebilde mit doppelter Kontur, die wie Vorticellencysten aussahen. Die Mehrzahl derselben war jedoch amorph, teilweise zerfließend und schwarzgrau gefärbt; nur wenige zeigten ein gut konserviertes körniges Aussehen. Eine Wiederbelebung dieser Cysten ist mir bis jetzt niemals gelungen. Ganz dasselbe Resultat beobachtete ich übrigens mehrmals bei Züchtung der in den Miescher'schen Schläuchen befindlichen Körperchen, wenn dieselben - [wahrscheinlich nach langem Verweilen in den Muskelfasern] getötet waren.

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Da die mit pathologischen Produkten von mir vorgenommenen Versuche zur Zeit noch nicht abgeschlossen sind, da namentlich Impfversuche an Tieren, wie sie neuerdings Herr Dr. Jürgens in Berlin bei den Untersuchungen von sarkomatösen und scirrhösen Geschwülsten mit Erfolg an Kaninchen vorgenommen hat '), noch fehlen, so sind vorstehende Mitteilungen nur als vorläufige anzusehen. [61]

Deutscher Verein für öffentliche Gesundheitspflege. Tagesordnung der 21, Versammlung in Kiel vom 10.-13. September 1896.

Donnerstag, den 10. September. 9. Uhr Vormittags: Erste Sitzung in der Aula der Kaiserlichen Marine-Akademie (Düsternbrooker Weg). Eröffnung der Versammlung. Rechenschaftsbericht und geschäftliche Mitteilungen. I. Grundwasserversorgung mit besonderer Berücksichtigung der Enteisenung. Referenten: Bauraut A. Thiem (Leipzig), Prof. Dr Bernhard Fischer (Kiel). II. Einrichtung von Heimstätten für Wöchnerinnen. Referent: Dr. H. B. Brennecke (Magdeburg). 4 Uhr Nachmittags: Besichtigung der Kaiserlichen Werft in Gaarden. 7 Uhr Abends: Festessen mit Damen im Restaurant der „Ausstellung der Provinz Schleswig-Holstein".

Freitag, den 11. September. 9 Uhr Vormittags: Zweite Sitzung. III. Bekämpfung der Diphtherie. Referent: Professor Dr. Carl Fraenkel (Halle). IV. Die Mitwirkung der Aerzte bei Handhabung der Gewerbehygiene. Referent: Medizinalrat Dr. Gottlieb Merkel (Nürnberg). 3 Uhr Nachmittags: Gemeinschaftliche Wagenfahrt nach dem städtischen Wasserwerk und der Enteisenungsanlage am Schulensee.

Sonnabend, den 12. September. 9 Uhr Vormittags: Dritte Sitzung. V. Die gesundheitlichen Verhältnisse in der Handelsmarine und auf den modernen Dampfschiffen. Referenten: Geh. Regierungsrat Prof. Busley (Kiel). Hafenarzt Dr. Nocht (Hamburg). Nachmittags 4, Uhr: Zusammenkunft in Bellevue. Von hier Fahrt mittels Dampfboots nach dem Kaiser- Wilhelm-Kanal bis zur Levensauer Hochbrücke, dann Fahrt in See auf einem grofsen Postdampfschiff der Linie Kiel-Korsör.

Sonntag, den 13. September. Ausflug in die Holsteiner Schweiz.
Frankfurt a. M., im Juli 1896.
Der ständige Sekretär:
Geh. San.-Rat Dr. Spiess.

1) cf. Berliner klin. Wochenschrift, 1895, Nr. 15, 21, 26, 34, 1896, Nr. 22. Verlag von Eduard Besold (Arthur Georgi) in Leipzig. Druck der kgl. bayer. Hof- und Univ. - Buchdruckerei von Junge & Sohn in Erlangen.

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