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24 Nummern von je 2-4 Bogen bilden einen Band. Preis des Bandes 20 Mark. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten.

XVI. Band.

1. September 1896.

Nr. 17.

Inhalt: Haacke, Entwicklungsmechanische Studien. - Haacke, Berichtigung zu dem Referat von R." über Kükenthal, Ergebnisse einer zoologischen Forschungsreise in den Molukken und in Borneo“. Helm, Seltene Brutvögel im Königreich Sachsen. E. Strasburger, F. Noll, H. Schenk und A. F. W. Schimper, 68. Versammlung deutscher Natur

Lehrbuch der Botanik für Hochschulen.
forscher und Aerzte in Frankfurt a. M.

Entwicklungsmechanische Studien.

Von Wilhelm Haacke.

II. Ueber eine Serie bemerkenswerter Fälle von Topound Alloplasie.

Zugleich ein Beitrag zur näheren Kenntnis von Anemone nemorosa.
(Mit 11 Textfiguren.)

Unter dem Terminus Topoplasie, dem ich durch die folgende Mitteilung wissenschaftliches Bürgerrecht verschaffen möchte, verstehe ich die Abhängigkeit der Organprägung, das heißt der Differenzierung sowohl der äußern Form als auch def histologischen (mit Einschluss der chemischen) Beschaffenheit eines Organes, von dessen topographischer Lage in dem sich entwickelnden Organismus. Um der Thatsache der Topoplasie einen prägnanten Ausdruck zu geben, hat man wohl auch gesagt, dass die Organdifferenzierung eine Funktion des Ortes sei.

Besteht Topoplasie thatsächlich, so spricht sie zu Gunsten der Annahme epigenetischer Entwicklung und bereitet zugleich der einer echten Präformation der Organe im Keime, d. h. der Theorie, wonach dieser in bestimmte organbildende Bezirke im Sinne der Weismann'schen Determinantenlehre eingeteilt ist, Schwierigkeiten, über welche die Präformationslehre zum Teil nur durch einen höchst künstlichen, verwickelten und dementsprechend unwahrscheinlichen Hypothesenbau, zum Teil aber überhaupt nicht hinwegkommen kann.

Die entwicklungsmechanischen Untersuchungen der letzten Jahre haben mehrfach Thatsachen ans Licht geführt, die man nicht gut anders deuten kann, als in epigenetischem Sinne, Thatsachen, welche

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jedenfalls die Existenz von Topoplasie darthun. Dahin rechne ich z. B. die bekannten Untersuchungen von Driesch, Wilson, O. Hertwig und anderen. Indessen wird es den Anhängern der Präformationslehre noch verhältnismäßig leicht, allerhand Worte zur Deutung dieser Thatsachen im Sinne ihrer Theorie vorzubringen. In verlagerten Furchungszellen von Fröschen und Seeigeln z. B., sowie in isolierten Blastomeren des Amphioxus lassen sich nämlich mit nicht allzugroßen Schwierigkeiten noch immer „Reservedeterminanten" annehmen, durch die man das nach Störung der Eifurchung zur Wiederherstellung der Norm Nötige besorgen lassen kann. Man kann sagen, die „allmächtige" natürliche Zuchtwahl habe hier dafür gesorgt, dass für verloren gegangene Furchungskugeln Ersatz geschaffen werde, und dass an unrechten Ort geratene Blastomeren durch ein Arsenal von „Reservedeterminanten" befähigt wären, dennoch das dem Orte entsprechende normale Organ zu produzieren. Auch manche Umwandlungen von Organen, z. B. etliche bei Pflanzen leicht zu beobachtende, wie die Vergrünung von anders gefärbten Blütenblättern, kann man durch die Annahme erklären, es seien in den Zellen, aus denen sich die Blütenblätter bilden, gelegentlich noch Determinanten der grünen Blätter, aus welchen sie stammesgeschichtlich entstanden seien, enthalten und gelangten dann und wann zur Entwicklung. Derartige „Erklärungen" zu liefern, wird der Präformationslehre in vielen Fällen nicht allzuschwer werden. Diese Theorie würde aber am Ende ihres Witzes sein, wenn es z. B. gelänge, das Keimmaterial von grünen Blättern, die stammesgeschichtlich nicht aus andersfarbigen Blütenblättern hervorgegangen sein können, in die embryonale Anlage der Blüte zu versetzen, und wenn dieses Material infolge dessen nicht die üblichen grünen Blätter, die es in normaler Lage hervorbringt, sondern an deren Stelle anders gefärbte und geformte Blütenblätter produzieren würde. In solchem Falle könnte man weder von Rückschlag sprechen, noch behaupten, dass die „natürliche Zuchtwahl" dabei im Spiele gewesen sei, sondern man würde sich wohl oder übel genötigt sehen, die Annahme der Präformation im Sinne der Weismann'schen Determinantenlehre aufzugeben, um fernerhin höchstens noch einer Präformationstheorie in der milden Form der de Vries'schen Hypothese von der intrazellularen Pangenesis zu huldigen. Denn in dem angenommenen Falle würde es sich um ein Vorkommnis von Topoplasie handeln, zu dessen theoretischer Deutung die Annahme eines guten Teiles von Epigenesis notwendig wäre.

Man wird diese Erörterungen vielleicht für überflüssig halten, weil ein Versuch wie der angenommene unausführbar sei, und weil man ihn im Falle seiner thatsächlichen Ausführbarkeit jedenfalls bisher noch nicht unternommen habe und deshalb das Resultat nicht wissen könne. Allein, was dem Laboratoriumsgelehrten unausführbar dünken

mag, braucht der Natur nicht unmöglich zu sein, und ich bin in der Lage, eine ganze Reihe von einschlägigen Fällen, die allerdings nur eine und dieselbe Organismenart betreffen, mitteilen zu können, von Vorkommnissen, in welchen die Natur thatsächlich das oben beschriebene Experiment ausgeführt hat, und zwar mit dem Erfolge, dass dadurch das Bestehen von Topoplasie in eklatanter Weise bewiesen wird.

Die von mir beobachteten Fälle betreffen eine allbekannte Frühlingsblume, das Hainwindröschen oder die Weiße Osterblume (Anemone nemorosa). Diese Pflanze ist bekanntlich u. a. durch eine Anzahl in der Regel weißer, seltener violettroter und äußerst selten hellbläulicher Perigonblätter ausgezeichnet. Von ihren Perigonblättern nach Form und Färbung sehr verschieden sind die Hüllblätter von Anemone nemorosa, die grün und im Gegensatz zu den viel kleineren langelliptischgestreckten und ganzrandigen Perigonblättern, fünffingerig und am Rande eingeschnitten - gesägt sind. Die Anzahl der Hüllblätter beträgt in der Regel 3, seltener 2 oder 4, während gewöhnlich 6, seltener 7, noch weniger oft 8, nur in Ausnahmefällen 5, und, wenigstens nach meiner Beobachtung, niemals 9 oder mehr Perigonblätter vorhanden sind.

Die Stellung der Perigon- und Hüllblätter an den typischen Exemplaren von Anemone nemorosa, das heißt denjenigen Stücken der Art, welche 6 Perigon- und 3 Hüllblätter haben, ist die folgende: Auf die Region der Staubgefäße folgt wurzelwärts zunächst ein Kreis von 3 Perigonblättern, deren Spitzen den Ecken eines gleichseitigen Dreiecks entsprechen. Diesem Perigonblattkreis folgt ein zweiter, der mit dem ersten alterniert. Darauf folgt in weitem Abstand von der Blüte ein Kreis von 3 Hüllblättern, der mit dem untern Perigonblattkreis alterniert.

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Ein Schema einer von unten gesehenen Blüte von Anemone nemorosa ist in Figur 1 dargestellt. Die Blätter des unteren, d. h. des dem Hüllblattkreis am nächsten stehenden und mit diesem alternierenden Perigonblattkreises, sind durch II, die des oberen durch III bezeichnet. In unserer Figur sind die Schemata für die oberen Perigonblätter teilweise punktiert, weil diese Blätter ja durch die untern Perigonblätter teilweise verdeckt werden, wenn man die Blüte von unten ansieht. Die Hüllblätter sind in der Figur nicht angegeben.

Neben den Pflanzen mit 6 Perigonblättern, bei denen diese die beschriebene Anordnung haben, kommen, wenn auch verhältnismäßig selten, Pflanzen mit ebenfalls 6, aber anders angeordneten Perigonblättern vor. Diese haben bei den betreffenden Exemplaren die Anordnung, deren Schema in Figur 2 dargestellt ist. Anstatt aus zwei Kreisen von Perigonblättern bestehen sie aus deren drei. Auf die Region der Staubgefäße folgt hier ein Kreis von nur zwei Perigonblättern, die wir in der Figur mit III bezeichnet haben, und die so gestellt sind, dass ihre Spitzen in zwei der drei Ecken eines gleichseitigen Dreiecks zu liegen kommen. Verglichen mit den normalen Blüten mit 6 Perigonblättern fehlt also den uns gegenwärtig beschäf tigenden im oberen Perigonblattkreis ein Blatt; indessen sind die beiden. vorhandenen Blätter so gestellt, als ob dieses Blatt nicht fehlte. Der folgende Perigonblattkreis entspricht demjenigen, der in den normalen Blüten der untere ist; seine Blätter sind mit II bezeichnet und alternieren mit denen des oberen Perigonblattkreises, indem sie sich so dabei verhalten, als ob dieser vollständig wäre. Auf diesen von oben an gerechneten zweiten Perigonblattkreis folgt nun in unseren Blüten noch ein dritter, der allerdings nur aus einem einzigen Blatte besteht. Dieses einzige Blatt, in unserer Figur mit I bezeichnet, steht in allen von mir beobachteten Fällen, deren Anzahl 33 beträgt, genau unterhalb der Stelle, wo in normalen Blüten das bei den abnormen Blüten mit 6 Perigonblättern fehlende Blatt des obersten Perigonblattkreises steht.

In keinem der zahlreichen von mir beobachteten Fälle, in welchen Pflanzen mit 6 Perigonblättern die in Figur 1 dargestellte Perigonblattanordnung zeigten, betrug die Anzahl der Hüllblätter weniger als drei. Dagegen waren in jedem der von mir beobachteten 33 Fälle, in welchen. die Perigonblätter so angeordnet waren, wie Figur 2 es darstellt, nur zwei Hüllblätter vorhanden. Dadurch wird die Deutung nahe gelegt, dass das Bildungsmaterial des einen der normalen Hüllblätter aus der seinigen in die Region der Perigonblätter versetzt und infolge dessen nicht zu einem Hüll-, sondern zu einem Perigonblatt geworden, dass aber dafür auf korrelativem Wege eines der normalen Perigonblätter, und zwar dasjenige, das gerade über dem der Blüte abnormer Weise hinzugefügten stehen sollte, nicht zur Ausbildung gelangt war. Präformationstheoretiker könnten zwar annehmen wollen, dass die „Determinantengruppe" des letzteren verlagert sei. Aber dieser Annahme steht die Thatsache entgegen, dass ich drei Exemplare beobachtet habe, bei denen zu den beiden aus je drei Blättern bestehenden, miteinander alternierenden normalen Perigonblattkreisen zwar noch ein dritter nur aus einem Blatt bestehender unterster gekommen, aber der oberste vollständig geblieben war, und deren überzähliges Perigonblatt aus dem Bildungsmaterial eines Hüllblattes entstanden sein musste,

weil auch diese drei Exemplare nur zwei Hüllblätter hatten. Bei diesen drei Exemplaren konnte also von etwaiger Verlagerung der Determinantengruppe eines Perigonblattes keine Rede sein; dagegen lag es auf der Hand, dass das Material des einen Hüllblattes in diesen Fällen in die Region der Perigonblätter versetzt und hier zu einem Perigonanstatt zu einem Hüllblatt geworden war. Dass dem so war, ging zur Evidenz aus der Anordnung der 7 Perigonblätter bei den betreffenden drei Exemplaren hervor, die eine andere war, als bei den Exemplaren mit 7 Perigonblättern, welche drei Hüllblätter haben. Bei diesen folgt nämlich auf die beiden typischen aus je drei Blättern bestehenden Perigonblattkreise noch ein oberster, der in normalen Blüten mit 6 Perigonblättern nicht vorhanden ist und aus einem einzigen Perigonblatt besteht. Dagegen besteht die siebenblättrige Blüte der Exemplare mit nur zwei Hüllblättern aus einem unteren Perigonblattkreise, dem nur ein einziges Blatt angehört, und aus zwei oberen miteinander alternierenden von je drei Perigonblättern. Und in diesen Blüten steht über dem überzähligen Blatt ein Blatt des obersten Kreises, während die Perigonblätter in siebenblättrigen Blüten von Exemplaren mit drei Hüllblättern so angeordnet sind, dass das oberste Perigonblatt nicht gerade über eines der übrigen 6 zu liegen kommt.

In einem Falle habe ich bei einem Exemplare mit zwei Hüllblättern sogar 8 Perigonblätter gefunden. Die Blüte dieses Exemplares zeigte, verglichen mit achtblättrigen Blüten von Exemplaren mit drei Hüllblättern, die folgende, nach dem vorhergehenden zu erwartende, Anordnung: Der unterste Perigonblattkreis bestand aus einem einzigem Blatte; der darauf folgende aus dreien; der nächste abermals aus dreien, die mit den vorhergehenden drei alternierten; und der oberste aus einem Blatte. Es waren also hier vier Kreise von Perigonblättern vorhanden, während in achtblättrigen Blüten von Exemplaren mit drei Hüllblättern nur deren drei stehen, nämlich ein unterster von drei, ein darauf folgender von wiederum drei, und ein oberster von zwei Perigonblättern.

Mein Exemplar mit 8 Perigon- und nur 2 Hüllblättern, und die von mir beobachteten Stücke mit 7 Perigon- und 2 Hüllblättern sprechen nach allem obigen nicht gerade zu Gunsten der von der Präformationstheorie zu machenden Annahme, dass die Determinantengruppe eines Perigonblattes an einen verkehrten Ort geraten sei. Wir müssen vielmehr annehmen, dass das Fehlen des einen Hüllblattes, das Vorhandensein eines aus nur einem Perigonblatte bestehenden untersten Perigonblattkreises, und das Fehlen eines Perigonblattes in dem obersten Perigonblattkreise der Exemplare mit zwei Hüll- und sechs Perigonblättern auf korrelativer Umbildung des Keimes dieser Exemplare beruhen, dass das Fehlschlagen des einen Perigonblattes aber nicht in allen Fällen eintritt, wo das Bildungsmaterial eines Hüllblattes in die

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