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Zahlreiche Magen- und Darminhaltsuntersuchungen, die man bei jungen und erwachsenen Fischen vorgenommen hat, lassen hieran keinen Zweifel mehr aufkommen. Namentlich müssen die kleinen Kruster (Copepoden, Daphniden, Bosminen und Lynceiden) als ein sehr wichtiger Bestandteil des natürlichen Fischfutters angesehen werden, wogegen die übrigen Mitglieder der Mikrofauna nebst den Algen von weit geringerer Bedeutung in dieser Hinsicht sind.

Allerdings gilt das eben Ausgesprochene lediglich nur für die Jungfische und die erwachsenen Vertreter derjenigen Gattungen, welche man als Kleintierfresser" 1) bezeichnet, während Hechte, Barsche, Zander u. s. w. einer kräftigeren Kost bedürfen und zu Fischräubern werden, sobald sie das zartere Jugendstadium hinter sich haben. Da nun aber diese Cannibalen sich gerade vorwiegend von solchen Fischen ernähren, deren Lieblingsnahrung die kleinen Kruster bilden, so besitzen diese letzteren offenbar, obgleich nur indirekt, auch eine große Bedeutung für das Gedeihen jener zahlreichen räuberischen Species, die ihrem Gebahren und ihrer ganzen Lebensweise nach vollkommen unabhängig von jener Kleinfauna zu sein scheinen.

Schon vor vielen Jahren hat man erkannt, dass gewisse Salmoniden, die Coregonen, sich fast ausschließlich von Daphnien und Copepoden ernähren. Nur im Winter, wo die Anzahl der Entomostraken stark zurückgeht, nehmen diese Fische auch mit Insekten und kleinen Wasserschnecken fürlieb. Professor Franz Leydig in Tübingen war der Erste, der auf Grund von Mageninhaltsbefunden diese Thatsache feststellte 2). Von andern Forschern ist dieselbe später in ausgedehntem Maße bewahrheitet worden. So z. B. von Dr. G. Asper für die Coregonen der Schweizerseen 3). Im Magen frisch gefangener Maränen (Coregonus albula) aus dem Gr. Plöner See, die ich im November 1894 untersucht habe, fand ich ebenfalls nur Bosminen, denen einige Cyclopiden beigemischt waren, als Nahrungsobjekte vor.

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Merkwürdiger Weise sind solche Analysen der Verdauungsmasse von Fischen noch niemals in systematischer Weise durchgeführt worden, obgleich der Wunsch nach derartigen Aufschlüssen schon vielfach in den Fischereizeitschriften zur Kundgebung gelangt ist. Dies mag mit daran liegen, dass solche Untersuchungen mit Erfolg nur dann ausgeführt werden können, wenn der betreffende Mikroskopiker eine ausreichende Orientierung über die niedere Fauna und Flora der Seebecken besitzt Kenntnisse also, die auch bei fachwissenschaftlich gebildeten Zoologen nicht immer zu finden sind. Freilich fehlte es bisher auch oft an Gelegenheit zur regelmäßigen Herbeischaffung von geeignetem Material, d. h. von frisch erbeuteten Fischen in verschiedenen Altersstufen. Seit der Errichtung von biologischen Süßwasserstationen ist jedoch auch dieses Hindernis in Wegfall gekommen, und so werden wir wohl in nächster Zeit verschiedentlich Aus

1) Josef Susta, Die Ernährung des Karpfens und seiner Teichgenossen, 1888, S. 203.

2) Vergl. F. Leydig, Naturgeschichte der Daphniden, 1860, S. 153 u. 245. 3) Schweizer Spezialkatalog der Internationalen Fischereiausstellung zu Berlin, 1880.

kunft über die Ernährungsweise der wirtschaftlich-wichtigsten Fischspecies erhalten.

In Böhmen, dem klassischen Lande der Karpfenzucht, ist schon längst ein guter Anfang nach dieser Richtung hin gemacht worden. Dort haben Josef Susta1) und Prof. Anton Fritsch) sehr eingehende Beobachtungen über die Nahrung des Karpfens angestellt und den augenfälligen Beweis dafür erbracht, dass dieser beliebte Speisefisch sich mit Vorliebe nur von kleinen Crustaceen, Insektenlarven und Schnecken ernährt, keineswegs aber von „modernden Pflanzenresten", wie früher allgemein angenommen wurde. Dr. J. Kafka3), der sich neuerdings auch mit diesem Thema befasst hat, konnte die Untersuchungsergebnisse seiner beiden Landsleute, wonach der Karpfen ausgesprochenermaßen ein Tierfresser ist, durchweg bestätigen, so dass dies als völlig gesichert angesehen werden darf.

Dasselbe gilt von verschiedenen anderen Mitgliedern der CyprinidenFamilie, wie ich selbst zu ermitteln in der Lage gewesen bin. Im Magen und Darm von Plötzen (Leuciscus rutilus) hingegen fand ich der Hauptmasse nach immer nur grüne Pflanzenteile in zerkleinertem Zustande vor, namentlich aber auch Algen (Cladophora). Durch solche Ausnahmen wird jedoch die Regel, dass die Entomostraken einen ganz hervorragenden Anteil an der Fischernährung haben, keineswegs umgestoßen, sondern vielmehr befestigt und wir kommen angesichts der durchgängigen Erfahrung, dass sehr viele Fische und besonders alle jungen Fische kleinen Kruster als ihr natürliches Futter angewiesen sind, zu einer Erwägung, welche nicht bloß in wissenschaftlicher, sondern auch in praktischer Hinsicht von großem Belang ist.

auf die

Jene Tierchen zerfallen nämlich in zwei sehr verschiedene Gruppen, wovon die eine die sogenannten Uferformen umfasst, die sämtlich ein nur geringes Schweb- und Schwimmvermögen besitzen, wesswegen sie gern am Boden oder auf den Wasserpflanzen Erholungspausen machen. Im Gegensatz dazu besteht die andere Gruppe aus lauter vortrefflichen Schwimmern, die in zahlreichen Arten über das ganze Areal der Seen verbreitet sind, so dass sie überall im freien Wasser sowohl wie in unmittelbarster Ufernähe in bedeutender Menge aufgefischt werden können. Diese zweite Gruppe steht als diejenige der pelagischen (oder limnetischen) Kruster der andern gegenüber, in welcher besonders Lyncëiden (Linsenkrebse) und Daphniden in stattlicher Artenzahl vertreten sind. Die Quantität der pelagischen Crustaceenfauna übertrifft namentlich in den größeren Seebecken die der littoralen bei weitem. Bei kleinen Teichen mit viel Pflanzenwuchs verhält es sich umgekehrt; da sind die littoralen Crustaceen vorherrschend und es gibt nur wenig oder gar keine limnetischen Species in derartigen Gewässern. Selbstverständlich sind dann auch die kleintierfressenden Fische (und die junge Brut überhaupt) bei ihrer Ernährung lediglich auf die Uferformen angewiesen.

Es ist nun offenbar von Wichtigkeit, zu wissen, wie die Fische sich in dem Falle verhalten, wo ihnen beide Gruppen von Crustaceen, die

1) J. Susta 1. c. S. 57-90.

2) A. Fritsch, Kurze Anleitung znr Karpfenzucht, 1892, S. 5 u. 6.

3) J. Kafka, Untersuchungen über die Fauna der Gewässer Böhmens 1892, S. 101 u. ff.

pelagische sowohl wie die littorale, in unbeschränkter Anzahl zur Verfügung stehen. Werden sie da die eine Gruppe zu Gunsten der andern bevorzugen oder wird sich ihre Ernährung so gestalten, dass beide Gruppen gleich viel zu derselben beitragen?

Eine Entscheidung dieser Frage hat darum ein besonderes Interesse, weil gegenwärtig bei manchen Fischereisachverständigen die Meinung Platz gegriffen hat, die Ernährung der jungen Wildfische werde zum weitaus größten Teile aus der Uferfauna bestritten und die limnetische Krusterwelt (resp. des Plankton) komme hauptsächlich nur für die Ernährung der Renken und Stinte in Betracht1).

Ich bin in jüngster Zeit bestrebt gewesen, thatsächliches Material zur Klarstellung der vorliegenden Frage zu sammeln und habe zu diesem Zwecke eine große Anzahl junger Fische aus dem Gr. Plöner See genau bezüglich ihres Magen- und Darminhalts untersucht. Dabei ergaben sich folgende Befunde, die ich übersichtlich zusammenstelle.

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Ukelei (3 St.) (Alb. lucidus) 8-9 cm Hyalodaphnia, Lepto

3. Oktober Stichling (6 Stück)

dora, Bosmina coregoni, Eurytemora. |(Gast. pungitius) 3-4 cm Cyclops oithonoides (viele).

Sämtliche 30 Stück Fische sind in geringer Entfernung vom Ufer gefangen und sofort nach ihrer Abtötung seciert worden. Aus obiger Tabelle geht aufs Deutlichste hervor, dass alle diese jungen Fische sich zum überwiegenden Teile von Crustaceen ernähren, welche der limnetischen Fauna

1) Vergl. hierüber den Jahresbericht der Müggelsee - Station in der Zeitschrift für Fischerei, 1895, Nr. 1/2, S. 65 u. s. w.

angehören, d. h. von Hyalodaphnien, Eurytemora, Bosmina coregoni, Leptodora hyalina 1) und dem pelagischen Cyclops oithonoides. Aus der Uferfauna scheinen nur die Mückenlarven (Chironomus sp.) und die Flohkrebse (Gammarus) als Zuspeise gewählt zu werden, da es wohl kaum lohnt, die zwischen den Armleuchtergewächsen versteckten Linsenkrebse hervorzuholen, wenn die Planktonkruster sich so zahlreich zum einfachen Wegschnappen darbieten. Anders freilich steht die Sache, wenn wir uns in eine pflanzenreiche Bucht des Plöner Sees (z. B. in das Helloch) begeben und dort Fische fangen. Da spiegelt sich die abweichende Beschaffenheit der Lokalität sofort im Mageninhalt der betreffenden Stichlinge, Barsche und Ukeleie wieder, insofern dieselben dann neben den limnetischen Daphniden und Copepoden auch die in ihrer Umgebung zahlreich vorkömmlichen Linsenkrebse (Chydorus-, Alona- und Acroperus- Arten) in größerer Menge verzehren. Die Mehrzahl der Fische scheint somit beim Aufsuchen der Nahrung keinen größeren Arbeitsaufwand zu machen, als unumgänglich notwendig ist. Sie stürzen sich demgemäß immer auf diejenigen Species von Krustern, welche am bequemsten zu erlangen sind 2). Sonst scheint ihnen Alles, was "Krebs" heißt als Nahrungsgegenstand willkommen zu sein.

In neuester Zeit ist mehrfach bezweifelt worden 3), dass die Gruppe der pelagischen Crustaceen in einschneidender Weise für die Ernährung der Wildfische (und deren Brut) in Betracht komme. Zur Begründung dieses Zweifels hat man angeführt, dass die jungen Fischchen sich ja stets mit Vorliebe am Schaarbord (d. h. im nächsten Bereich des Ufers) aufhielten, ohne sich an die freie Fläche des Wassers zu begeben. Dieser Beweisführung liegt die ganz irrige Voraussetzung zu Grunde, dass die limnetischen Kruster in ein bestimmt abgegrenztes Areal der Seefläche gebannt seien, über welches sie uferwärts nicht hinauskommen können. Dieser Irrtum wird leider noch sehr allgemein geteilt, obgleich er durch speziell darauf gerichtete Untersuchungen am Gr. Plöner See längst widerlegt ist). Ich habe aufs Bestimmteste nachgewiesen, dass die planktonischen Krebstiere (und das Süßwasser-Plankton überhaupt) keineswegs bloß die Mittelzone der Seen, sondern auch deren peripherische Teile, resp. den Ufersaum, bevölkern. Eine Einschränkung erfährt dieser Satz nur hinsichtlich einiger Species, welche die Gewohnheit haben, gelegentlich in größere Tiefen hinabzugehen, wie z. B. Bythotrephes und Leptodora.

1) Kürzlich hat Dr. A. Seligo (Königsberg) die Wahrnehmung gemacht, dass Leptodora auch massenhaft von den Stinten im Frischen Haff verzehrt wird. Vergl. darüber die Berichte des Fischereivereins der Provinz Ostpreußen, Nr. 3, 1895.

2) Hierdurch wird es vielleicht auch erklärlich, dass die beständig in größeren Tiefen lebenden Coregonen sich in ihrer Ernährung gänzlich der pelagischen Krusterfauna angepasst haben, weil bei der Abwesenheit einer animalischen Tiefenbevölkerung in unseren Seen nur jene kleinen Krebstiere das Nährmaterial darstellen, welches bis in die untersten Wasserschichten hinab verbreitet ist. 3) So z. B. von Prof. J. Frenzel im Jahresbericht der Müggelsee-Station, 1895, S. 75.

4) Vergl. Forschungsberichte aus der Biologischen Station zu Plön, Teil I, 1893, S. 30 u. ff.

Doch ist letztere auch mehrfach schon dicht an der Wasserkante aufgefischt worden 1).

Die Krustergruppe des Ufers hingegen wird durch den Mangel an ausdauernder Schwimmfähigkeit vom Besuch der mehr zentral gelegenen Seeteile abgehalten, weil sich unterhalb derselben gewöhnlich größere Tiefen befinden, in welche die kleinen Abenteurer rettungslos hinabsinken müssten, sobald ihre schwache Ruderkraft erlahmt, und dies würde bei Alona-, Camptocercus- und Pleuroxus-Arten sehr bald eintreten. Eine merkwürdige Ausnahme hiervon macht jedoch Chydorus sphaericus, der seinem ganzen Habitus nach zu den Littoralformen der Krusterfauna gehört, trotzdem aber in einigen Seen auch pelagisch-lebend angetroffen wird. Dies ist von mir in westpreußischen Wasserbecken beobachtet worden (1886); Apstein hat es später (1892) für den Dobersdorfer See festgestellt und ganz neuerdings hat Jacob Reighard 2) die nämliche Wahrnehmung in einem nordamerikanischen See gemacht.

Für die Uferkruster liegt also (ebensowohl wie für die Insektenlarven und schlammbewohnenden Würmer) ein bestimmter Grund vor, nämlich das Unvermögen, frei im Wasser zu schweben und ausdauernd zu schwimmen, wodurch sie verhindert werden, dieselbe allgemeine Verbreitung in den Seen zu gewinnen, wie die virtuosen Schweber und Schwimmer des Planktons. W. Weltner) hat dieser Erklärung gegenüber einen Einwand in Gestalt folgender Frage erhoben: „Wenn die Schwebfähigkeit der einzige Faktor wäre, warum haben denn nicht auch die typischen Uferbewohner diese Eigenschaft erworben"? Dabei weist Weltner auf die Blutegel und Insektenlarven hin. Auf einen derartigen Vorhalt habe ich einfach zu entgeguen, dass ich die Schwebfähigkeit und Pelagicität einer Species als faktisch vorliegende Resultate der Naturzüchtung betrachte und keineswegs als Ziele, denen die Blutegel und Käferlarven nachzustreben hätten. Ich verwende demgemäß das, was als ein anerkanntes Faktum zu betrachten ist, zur Erklärung eines anderen Faktums und schreibe das Verbleiben gewisser Kruster in der Uferregion ihrem notorischen Mangel an Schwebfähigkeit zu. In derselben Weise erkläre ich mir auch aus der Konstruktion einer Lokomotive, dass dieselbe nur auf einem Schienenstrange laufen kann, wogegen ein guter Landauer, der mit kräftigen Pferden bespannt ist, über Berg und Thal dahin kutschiert. Niemals würde es daher gerechtfertigt sein, den Maschinenbauer darüber zu interpellieren, weshalb er sich bei Anfertigung von Lokomotiven nicht lieber den Landauertypus zum Muster nehme. Genau dieselbe Argumentation passt auch auf den Weltner'schen Einwand, der sich bis zu der mir völlig unverständlichen Bemerkung zuspitzt: „Zu welchem Zwecke sollte wohl ein blutegelartiges Wesen im freien Wasser schweben"! Hierauf kann ich nur erwidern, dass ich gleichfalls nicht zu begreifen vermöchte,

1) C. Apstein fand sie z. B. zahlreich im Molfssee (bei Kiel) nur 1 m weit vom Lande. Vergl. Festschrift für A. Weismann, 1894.

2) Vergl. biological Examination of Lake St. Clair, 1895. Dort heißt es S. 38: Chydorus sphaericus O. F. M. is pelagic in considerable numbers in Lake St. Clair".

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3) Vergl. die Weltner'sche Recension des 2. Teils meiner Forschungsberichte" in der Zeitschrift für Fischerei, Heft 5, 1894.

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