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Oberarmes aus. Und weiter einer unversehrten Taube wurde ein Luftstrom gegen die Nasenlöcher geblasen: das Tier blähte sich auf, die Atembewegungen wurden kaum wahrnehmbar, und ohne irgendwelche Aeußerung von Missbehagen lebte die Taube ruhig weiter. Man kann also mit Recht annehmen, dass die Luftsäcke Luftbehälter für den Flug sind; sie setzen den fliegenden Vogel in den Stand, sein Atembedürfnis reichlich zu befriedrigen, ohne besondere Atembewegungen anszuführen". Hesse [97].

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Studien über sexuellen Dimorphismus, Variation und verwandte Erscheinungen.

I. Der sexuelle Dimorphismus bei Schmetterlingen und Ursachen desselben.

Abdruck

Von Prof. Dr. J. Kennel. Jurjeff (Dorpat), C. Mathiesen 1896. aus den Schriften, herausgegeben von der Naturforschenden Gesellschaft bei dor Universität Jurjeff (Dorpat), IX, 1896.

Die Versuche, den sexuellen Dimorphismns als eine Folge der geschlechtlichen Auslese seitens der Weibchen darzustellen, sind unbefriedigend ausgefallen, vor allem so weit es sich um niedere Tiergruppen handelt, von deren Sinnesleben wir überhaupt noch außer stande sind, uns eine klare Vorstellung zu machen. Kennel ist durch seine Studien zu der Ueberzeugung gekommen, dass bei Schmetterlingen die sexuelle Zuchtwahl entweder gar keine oder, wenn überhaupt, dann nur eine sehr untergeordnete Rolle spielt. Er versucht daher die Lösung des Problems von einer ganz anderen Seite her und weiß seine von den bisherigen Annahmen abweichenden Ansichten durch eine Reihe beweiskräftiger Beispiele erfolgreich zu stützen. Der seine Abhandlung zu Grunde liegende Gedankengang ist in den Hauptzügen der folgende 1).

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Normaler Weise sind Männchen und Weibchen in äußeren Charakteren, die nicht direkt mit dem Fortpflanzungsgeschäft in Beziehung stehen, einander gleich. Sexueller Homomorphismus.

Bei Variationen im Ganzen, bei Um- und Ausbildung von einzelnen Teilen gehen meistens beide Geschlechter parallel, sei es, dass die Abänderungen durch Ursachen bewirkt werden, die auf beide Geschlechter in gleicher Weise und Richtung wirken, sei es durch erbliche Uebertragung der anfangs nur in einem Geschlecht aufgetretenen Umformungen.

Die Abweichungen von den bisherigen Eigenschaften können sowohl allmählich gesteigert werden, als auch in größerem Umfang plötzlich auftreten, sprung weise Variation.

Die Variationen sind nicht planlos, sondern treten je nach den Charakteren der Species in einzelnen Richtungen, nicht immer in einer einzigen, aber auch nicht in sehr zahlreichen, auf und verfolgen dieselben. Dadurch entstehen Varietäten und neue Arten.

Die Abänderungen in einer bestimmten Richtung können mitunter hochgradig gesteigert werden, selbst über das durch die Nützlichkeit und Gebrauchsfähigkeit begrenzte Maß hinaus: „Entwicklungstendenz““.

Wenn nämlich der Organismus eine lange Reihe von Generationen hindurch zur Weiterbildung eines Organes in bestimmter Weise in An1) Die in Anführungszeichen eingeschlossenen Sätze sind der zusammenfassenden Uebersicht am Schlusse der Abhandlung entnommen.

spruch genommen worden ist, so ruht die erblich übertragene Bildungstendenz nicht, sobald dieses Organ seine nützlichste Ausbildung erlangt hat, sondern wirkt weiter, steigert gelegentlich, wenn nicht die Auslese hindernd eingreift, die Entwicklung des Organs in Maßlose und bringt Monströses, selbst Schädliches hervor, wie man an den enormen Eckzähnen von Smilodon, dem Geweih des Riesenhirsches und anderem ersehen kann, denn nach der Ansicht namhafter Paläontologen sind diese Tierformen infolge der übermäßigen einseitigen Ausbildung der betreffenden Organe ausgestorben.

,,Nutzlose Organe degenerieren nicht infolge von Nichtgebrauch, sondern nur infolge von stärkerer Ausbildung, Umbildung oder Neubildung anderer Organe, durch die ihre Substanz in Anspruch genommen wird“.

Wie der Verfasser mit Recht hervorhebt, enthält der Satz „Nutzlose Organe degenerieren infolge von Nichtgebrauch" gar keine Erklärung, sondern bringt nur die Thatsache, dass diejenigen Organe, welche durch Degeneration rudimentär werden, in der Regel solche sind, die keine oder nur geringfügige Funktion hatten, in nicht völlig zutreffender Form zum Ausdruck. Denn die Ursache des Rudimentärwerdens ist nicht in dem Umstand zu suchen, dass die betreffenden Organe nicht gebraucht werden, sondern darin, dass diesen Organen infolge des Kampfes der Teile im Organismus durch andere die zu ihrer Ausbildung nötigen Nährstoffe entzogen werden. So sehen wir z. B. wie bei der Umbildung der Extremitäten der Huftiere die Reduktion der seitlichen und die mächtige Erstarkung der Mittelzehe ganz parallel geht. Da die Zehen von vornherein in der ganzen Wirbeltierreihe ungleiche Länge besaßen, so wurden bei den Tieren, die sich aus Sohlengängern zu Zehengängern entwickelten, die mittleren, längeren durch die Last des Körpers mehr in Anspruch genommen und dabei wurden die zu ihrer kräftigeren Ausbildung notwendigen Stoffe den weniger wertvollen Nachbargebilden entzogen.

Wir finden öfter, dass sich nicht nur nutzlose, sondern selbst schon rndimentär gewordene Organe mit großer Hartnäckigkeit vererben. Solche Organe müssen auch immerfort weiter vererbt werden, so lange nicht eine Veranlassung zu ihrer völligen Rückbildung vorhanden ist. Diese Veranlassung wird gegeben durch eine neue Periode progressiver Veränderung anderer Organe. Nur dann kann eine mehr unmittelbare Beeinflussung eines nutzlosen Organes, auch ohne dass andere Teile davon Nutzen ziehen, vorkommen, wenn dasselbe an und für sich stark variabel und für seinen Besitzer direkt schädlich ist, denn in diesem Falle tritt die natürliche Auslese der am wenigsten benachteiligten Individuen in Kraft.

Was nun die Entstehung des sexuellen Dimorphismus betrifft, so fasst Kennel seine Theorie in die folgenden Sätze zusammen:

„Es können Umstände eintreten, WO zu Gunsten der Erhaltung normaler Fortpflanzungsfähigkeit oder einer Steigerung derselben äußere Organe regressiv oder degenerativ umgebildet werden. Das wird der Natur der Sache nach gewöhnlich das weibliche Geschlecht treffen, da für dessen Fortpflanzungsthätigkeit sowohl größere Substanzmengen als auch komplizierte Stoffarten nötig sind. Dadurch entsteht individuell bedingter“ Sexualdimorphismus.

Dieser braucht zunächst nicht vererbt zu werden, da er immer von Fall zu Fall, jedesmal nur im nämlichen [weiblichen] Geschlecht aus den

gleichen Ursachen auftritt, kann aber trotzdem die abgeänderten Individuen Weibchen zur herrschenden und zuletzt alleinigen Form des Geschlechts machen.

Endlich wird die Abänderung habituell und von den Ursachen unabhängig, und durch Erbschaft auf die Nachkommen auch des anderen [mänulichen Geschlechts übertragbar.

Betrifft es Aenderungen, welche bei Vererbung auf das andere männliche Geschlecht dessen Begattungethätigkeit nicht hindern, so kann dieses durch erbliche Uebertragung dieselben Abänderungen übernehmen und es tritt wieder sekundär Aehnlichkeit und Gleichheit der Geschlechter ein.

Sind die Abänderungen aber der Art, dass das andere Geschlecht das männliche durch den erblich übertragenen Besitz in der Begattungsthätigkeit gehindert wird, so werden die betroffenen Individuen immer von der Begattung ausgeschlossen und ausgemerzt, und bei den übrigbleibenden werden die ursprünglichen Eigenschaften befestigt.

Bei habituell gewordenem sexuellem Dimorphismus verlieren aber die Geschlechter allmählich oder ziemlich schnell die Fähigkeit, ihre sekundären Sexualmerkmale miteinander zu mischen, da die Ausbildung der Fortpflanzungsorgane einerseits die Eigentümlichkeiten des betreffenden Geschlechts zur notwendigen Folge hat, andererseits die Entwicklung der erblich übertragenen Eigenschaften der entgegengesetzten hindert".

Die Fortpflanzung, führt der Verfasser im einzelnen näher aus, ist eine so wichtige Funktion des Organismus, dass dieselbe auch unter großen Hindernissen, häufig unter sichtlichem Darben anderer Organe und unter Hintansetzung anderer Thätigkeiten zur Ausführung kommt. Nun verbraucht aber das Weibchen für die Ausbildung der Eier und bei lebendig gebärenden Tieren außerdem noch für die Ernährung des Embryos bedeutend mehr Stoff, als das Männchen zur Ausbildung der Samenkörper. Infolge dessen wird der weibliche Organismus viel eher in die Lage versetzt, Ersparnisse an der Ausstattung anderer Organe zu machen, als der männliche, der im stande ist, Luxusausgaben für Körpergebilde zu bestreiten, die zur Erhaltung der Art nicht mehr nötig sind, deren Fortbestehen aber den Tieren auch keinen weiteren Nachteil bringt. So verursacht z. B. der Wechsel des Geweihes bei den Hirschen einen nicht unerheblichen Aufwand von Körpersäften, die sonst anderen Organen zu gute kommen würden. Infolge dessen haben denn auch mit Ausnahme des Rentieres, bei welchem das Geweih zum Aufsuchen der Nahrung unter dem Schnee auch für das weibliche Tier von Wichtigkeit ist, alle übrigen Cervinen im weiblichen Geschlecht diesen Kopfschmuck abgelegt. Dass der weibliche Organismus aber trotzdem noch die Fähigkeit besitzt, ein Geweih zu erzeugen, beweist das gelegentliche Auftreten eines solchen bei steril gewordenen Rehgaisen.

Bei den Schmetterlingen lassen sich eine Reihe eigentümlicher, sonst unerklärlicher Erscheinungen in einfacher Weise darauf zurückführen, dass zu gunsten der Entwicklung des Eierstockes Ersparnisse an anderen Organen gemacht werden und gemacht worden sind. Unter den im weiblichen Geschlecht mit rudimentären Flügeln versehenen Arten sind die Flügelscheiden der weiblichen Puppen von Acentropus und Orgyia nicht unbeträchtlich größer als die ausgebildeten Flügel, was dadurch seine Erklärung findet, dass hier gleichzeitig mit der Ausbildung der Eier noch

eine Reduktion der Flügel eintritt. Schmetterlingsweibchen mit verkümmerten Flügeln haben gewöhnlich auch verkümmerte oder schwach entwickelte Saugrüssel. Die Antennen vieler Schmetterlingsweibchen sind bedeutend kleiner wie die der Männchen und man kann schon an der Puppe die Unterschiede wahrnehmen. Bei Aglia tau aber, wo die Weibchen auch viel kleinere Fühler besitzen wie die Männchen, ist die Fühlerscheide noch ebenso groß wie die des Männchens; der Rückbildungsprozess scheint also hier noch im Gang zu sein. In den angeführten Fällen braucht eine direkte Vererbung der Verkümmerung von vornherein gar nicht angenommen zu werden, sondern nur eine Vererbung der Tendenz, von Generation zu Generation immer mehr Eier aus dem in der Genitalanlage vorhandenen Vorrat von Geschlechtszellen zur Entwicklung zu bringen, dann ergibt sich die Verkümmerung der verschiedenen anderen Organe als Folge dieser einen Ursache von selbst. Eine Reduktion anderer Organe zu gunsten des Eierstockes erfolgt aber natürlich nur da, wo bei hoch getriebener Tendenz zur Fruchtbarkeit Mangel an Bildungsmaterial eintritt. Das männliche Geschlecht wird zunächst von diesen Vorgängen gar nicht beeinflusst, denn wenn ihm auch eine höhere Fruchtbarkeit vererbt wird, so nimmt diese doch bei ihm verhältnismäßig so wenig Substanz in Anspruch, dass es inbezug auf seine übrigen somatischen Eigenschaften so gut wie unverändert bleibt. Ist aber die Verkümmerung der Flügel z. B. bei den Weibchen erst habituell geworden, sodass sie gelegentlich auch auf die männlichen Nachkommen übertragen wird, dann tritt bei diesen die natürliche Auslese in Thätigkeit, um eine fortschreitende Vererbung dieser nachteiligen Eigenschaft zu verhindern. Es werden naturgemäß fast stets nur die geflügelten Männchen zur Begattung gelangen, während die anderen als für ihre besonderen Zwecke mangelhaft organische Individuen stetig ausgemerzt werden. So bildet sich dann ein konstitutioneller Geschlechts - Dimorphismus heraus.

Die Stoff-Ersparnis im weiblichen Geschlecht hat ferner gewisse Unterschiede in der Beschuppung der Flügel hervorgerufen. Bei vielen Bombyciden sind infolge viel spärlicherer Beschuppung die Flügel der Weibchen bedeutend durchscheinender als die der Männchen. Auch noch eine weitere Erscheinung findet durch dieselbe Ursache ihre Erklärung. Die Männchen der Rhopaloceren zeichnen sich durch den Besitz besonderer Schuppen, der sogenannten Männchenschuppen aus, die den Weibchen mangeln. Dieser Dimorphismus ist nach Kennel in folgender Weise entstanden. Ursprünglich waren jedenfalls beide Geschlechter gleichmäßig beschuppt und auch die Weibchen besaßen außer den Grund- und Deckschuppen auch noch die Männchen- oder Schindelschuppen. Als die Weibchen aller Schmetterlinge aus Gründen der Stoffersparnis allmählich. eine dünnere Beschuppung erhielten, blieben zunächst die Schindelschuppen aus, während sie bei den Männchen sich erhielten. Hier waren sie anfangs gleichmäßig verteilt, wie jetzt noch bei den Pieriden und Lycaeniden, bei anderen aber sind sie im Laufe der Zeit auf dem größeren Teil der Flügelfläche verschwunden, stehen dafür jetzt an bestimmten Stellen dicht gedrängt neben einander und haben sich in eigenartiger Weise weiter gebildet und umgewandelt wie z. B. zu den Federbuschschuppen gewisser Argynnis - Arten. Sie bilden hier besondere Organe, die wahrscheinlich Duft-Apparate darstellen. Es sind also die Männchen

schuppen nicht erst durch sexuelle Zuchtwahl bei den Männchen entstanden sondern sie haben sich hier aus einer ursprünglich auch den Weibchen zukommenden gleichmäßigen Beschuppung erhalten und bei gewissen Arten in eigenartiger Weise später weiter aus- und umgebildet. Bei anderen Arten wiederum sind diese Gebilde jetzt auch im männlichen Geschlecht infolge erblicher Uebertragung der bei den Weibchen aufgetretenen Rückbildung ganz geschwunden.

Ebenso kommt Kennel auch inbezug auf die Färbung zu der Ueberzeugung, dass das buntere Kleid der Männchen nicht durch sexuelle Zucht. wahl entstanden sein kann, ebenso wenig wie infolge der natürlichen Auslese als schützende Warnfarbe. Vielmehr haben die Männchen auch hierin die ursprünglichen Arteigenschaften bewahrt und die Weibchen stellen die abgeänderte Form dar. Ebenso wie die bunten Spongien und Cölenteraten, bei denen, wie der Verfasser des näheren ausführt, sexuelle Zuchtwahl überhaupt nicht in Frage kommt, erhalten die bunten Schmetterlinge ihre spezifischen Farben, weil der Chemismus ihres Körpers aus ihrer Nahrung heraus ihnen die bestimmten, bei ihnen auftretenden Farbstoffe aufnötigt. Da also die Ablagerung des Pigmentes vom Stoffwechsel des Tieres abhängig ist, so ist die Möglichkeit der Variation in der Färbung bei jeder Tierart eine beschränkte, und die Farbenänderungen können sich durchaus nicht nach beliebiger Richtung hin bethätigen, auch wenn dies unter Umständen von noch so großem Vorteil wäre. Anpassen konnten sich nur solche Schmetterlingsarten, die gerade in der Richtung einer Anpassungsfärbung variierten, die anderen sind teils zu grunde gegangen, teils haben sie sich trotz der auffälligen Färbung bis auf die Jetztzeit erhalten. Der Grund, warum sich bei den Schmetterlingen so vielfach grelle Farbe erhalten haben, liegt darin, dass diese Tiere jedenfalls ein höheres geologisches Alter haben als ihre jetzigen Hauptfeinde, die Vögel und Fledermäuse, und wahrscheinlich drohten ihnen auch von seiten fliegender Reptilien keine ernstlichen Gefahren. Sobald also das gefährliche Larvenstadium, in welchem sich die Raupen durch zahlreiche Anpassungen den Verfolgungen entziehen mussten, überwunden war, fiel die Einwirkung der natürlichen Auslese auf die Färbung fort. Erst später, mit dem Auftreten größerer Feinde, wurden Variationen nach schutzbringender Seite von Vorteil und nun begann auch hier die vielfache protektive Anpassung durch die Auslese der günstiger situierten. Bei manchen Arten sind es vorderhand nur die Weibchen, die schützende Färbung angenommen haben.

Ausschlaggebend für die Frage, in welchem Geschlechte uns die Stammform noch am deutlichsten vor Augen tritt, sind Schmetterlingsarten wie Psyche. Hier hat beim Weibchen eine rückschreitende Umbildung stattgefunden bis zu dem Grade, dass es seinen äußeren Merkmalen nach auf dem Larvenstadium verharrt, ja sogar durch den Verlust der Beine und der Mundwerkzeuge noch unter die Raupe zurücksinkt. Die Raupe ist aber ein durch Anpassung abgeändertes Entwicklungsstadium und repräsentiert nicht die Stammform, denn die Schmetterlinge stammen von geflügelten Insekten ab. Dass das weibliche Geschlecht bei den Schmetterlingen das leichter abändernde, die Form der männlichen aber die ursprünglichere und stabilere ist, zeigen auch die Arten mit dimorphen Weibchen. Bei diesen ist in der Regel die eine Form der Weibchen dem Männchen

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