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Reihe physiologischer Experimente angestellt, wodurch es bei Sinnberaubung der Versuchsobjekte geglückt ist, eine solche Kreisbewegung zu erzwingen. Diese Bewegung ist gewiss als eine physiologische Zirkularbewegung anzusehen und als nächste Ursache nehmen wir eine funktionelle Asymmetrie bei dem Tiere an. Indessen muss es hier präcisiert werden, dass diese Zirkularbewegung nicht mit der aus der Physiologie bei Hirnläsion bekannten Manègebewegung zu verwechseln ist. Eine Reihe von Prof. Dr. G. A. Guldberg vorgenommener morphologischer Untersuchungen machen es nämlich höchst wahrscheinlich, dass der eigentliche Grund dieser sinnlosen" kreisförmigen Bewegung in dem asymmetrischem Bau der Lokomotionsorgane zu suchen ist, worüber man in der folgenden Nummer dieser Zeitschrift eine kurze Mitteilung finden wird.

Diese Zirkularbewegung tritt auch beim Leben der Tiere in der freien Natur auf, sobald die Sinneseindrücke nicht steuernd einwirken können.

Eine Reihe kreisförmiger Bewegungen nämlich, die, soweit sie bekannt waren, als unerklärliche Rätsel dastanden, müssen als Resultate der physiologischen Einwirkung der Zirkularbewegung auf die durch unvollkommene Hirnwirksamkeit und fehlschlagende Sinne geleitete Bewegung in der Natur angesehen werden. Die hierdurch hervorgebrachten Bewegungsformen, die mehr oder weniger regelmäßige Kreise werden, die teilweise wohlbekannte Phänomene bei höheren Tieren und bei Menschen sind, habe ich vorläufig biologische Kreise oder Kreiswanderungen benannt.

Trotzdem, dass hier Grund ist anzunehmen, dass ähnliche Phänomene aus dem Leben der Insekten auf dieselbe Weise wie bei den Vertebraten erklärt werden können oder müssen, kann ich doch auf Grund fehlender physiologischer Experimente dieses Verhältnis hier nur andeuten. Bei den höheren Tieren, besonders bei den Vögeln und Säugetieren dahingegen sind die beobachteten Phänomene so zahlreich und die physiologischen Experimente so weit vorgeschritten, dass ich mich hier als berechtigt ansehe, die Theorie über die Wirklichkeit und Bedeutung der Zirkularbewegung aufzustellen.

Durch Befragen von Tauchern, die jetzt elektrische Lampen auf dem Meeresgrund anwenden und von Leuchtturm-Wärtern an der norwegischen Küste habe ich Mitteilungen darüber erhalten, dass dort immer eine Reihe von Phänomenen beobachtet wurden, die man auf dieselbe Art zurückführen kann, nämlich kreisförmige Schwimmturen bei Fischen im Lichte der elektrischen Lampen und ähnliche Flugkreise bei den Vögeln, vor dem Leuchtturme (nicht um diesen herum); diese lassen sich am leichtesten und natürlichsten als „biologische Kreise" erklären, die dadurch entstehen, dass das Tier vom Lichte geblendet wird, von welchem es durch Schwimmen oder Flug hinwegzu

kommen sucht; da es aber keinen neuen Richtungsweiser finden kann, indem der leitende Sinn geblendet ist, so geht die Bewegung in die physiologische Zirkularrichtung über und sie kehren zum Lichte zurück. Die beständige Wiederholung dieser Turen, bis die Vögel oft ermattet bei dem Leuchtturme niederfallen, sowie der anscheinend verstörte Gemütszustand der Tiere, unter ihren Flug- und Schwimmturen, sprechen nach unserer Meinung auch für eine solche Erklärung dieses Phänomens. Weiter kann aufgezählt werden die von den skandinavischen Bauernjägern gekannte Kreisbewegung bei dem von ihnen nachgestelltem Geflügel, Birk- und Auerwild, bei welchen der früher genannte Lokalinstinkt aufzutreten scheint, sowie ein ähnlicher Instinkt bei den Raubtieren während der Verfolgung des Wildes zu herrschen scheint. Aber die besten, illustrierenden Beweise für diese biologischen Kreise, findet man bei den Säugetieren, die öfter mit dem Menschen in Berührung kommen, entweder als Haustiere oder als jagdbares Wild. Der Vortragende legte hier zur Erläuterung eine Reihe graphischer Karten vor, die ihm von den am meistem hervorragenden Jägern des Landes (Norwegen) eingesandt waren; diese Karten zeigen, dass die von jagenden Hunden gehetzten, vierfüßigen Tiere (Hase und Fuchs) immer und immer die Kurve eines biologischen Kreises in ihrem Laufe unter der Jagd zeigen. Besonders gilt dies von den Hasen, bei dem die Kreise oder „Turen", wie die norwegischen Jäger dieselben nennen, oft deutlich, von dem einen bis zu dem anderen Ende, verfolgt werden können, indem nur Wege, Landstraßen, die eigene Fährte des Tieres, Defiléen und unübersteigliche Naturhindernisse oder plötzliche Unterbrechungen durch Zusammentreffen mit dem Jäger oder Hunde, Veränderungen oder Aufhören der biologischen Kreiswanderung bewirkten.

Aus diesen Karten über die Kreiswanderung ist auch zu ersehen, wie dasselbe Individuum immer den biologischen Kreis nach derselben Seite hin beschreibt, wodurch es sich zeigt, dass das Individuum in seiner Bewegung zur Rechten oder zur Linken gebunden ist.

In Bezug auf den Menschen kann das Phänomen als so wohl bekannt angesehen werden, dass man nur die in der Litteratur und unter den Leuten bekannten Berichte zu nennen braucht, um den Verständnis der Sache vollständige Realität zu geben. Man hat auch eine Reihe von Mitteilungen über Rudern im Kreise bei Nebel auf dem Meere und in beiden Fällen, sowohl bei Wanderungen wie beim Rudern im Kreise, wirkte das Phänomen so störend auf den Zustand der Sinne, dass das Individuum teils sogar dem Kompas nicht traute, teils sogar wie es der Fall bei abergläubischen Menschen war sich in der Hand einer höheren Macht zu befinden glaubte. Hierfür gibt es ja Beweise genug in Sagen und Erzählungen aus dem Leben des Volkes.

Die Wirkungen der Zirkularbewegung machen sich auch bei militärischen Märschen bei einer größeren Frontlinie geltend, indem der Führer nur durch genaues Visieren und beständiges Festhalten des Zieles unter dem Marsche im Stande war die Marschrichtung beizubehalten.

Der Vortragende ging dann dazu über zu zeigen, welche Bedeutung diese eigentümliche Form der tierischen Bewegung für die Geschöpfe hat, die sie besitzen. Er fand in der Thatsache, dass alle Tiere stark an bestimmte Naturverhältnisse gebunden und ziemlich hilflos sind, wenn sie bestimmte Grenzen überschreiten oder wenn sie die Verbindung mit Eltern oder ihrem Heim verlieren, besonders in der ersten Zeit ihres Daseins, ehe sie gelernt haben ihre Sinne und Fähigkeiten zu gebrauchen, einen entschiedenen Beweis dafür, dass diese kreisförmige Bewegung, die mit unwiederstehlicher Gewalt ein jedes Wesen, das davon beherrscht wird, nach dem Orte zurückzieht, der die Bedingungen für die Erhaltung des Lebens und für ihr Gedeihen besitzt, auch von fundamentaler Bedeutung für den Lebensunterhalt und Entwicklung der betreffenden Individuen sein muss. So zeigt sich diese Bewegungsform als allgemein verbreitet, sie gehört unter die generellen Gesetze.

Fantasie und Aberglaube haben begierig diese Mystik des Naturlebens ergriffen und daraus eine übernatürliche Macht geschaffen. Dieses näher auseinanderzusetzen liegt außerhalb des Ramens der vorliegenden Arbeit; indessen kann doch darauf anfmerksam gemacht werden, dass die norwegischen Landleute im Allgemeinen diese Wanderung im Kreise „at träde paa Vildstraa", auf verirrende Spur zukommen, zu nennen pflegen, also sich zu verirren, in Wirklichkeit aber ist die Meinung der Natur, wenn man sich so ausdrücken darf, gerade das Entgegengesetzte. Im Reiche der Natur liegt darin die Vorsorge, dass das Lebende sich niemals verirren sollte, sondern immer den Ort wieder finden kann, der die Bedingungen für den Lebensunterhalt und die weitere Entwicklung besitzt, die Lokalitäten und Umgebungen, die Schutz und Nahrung geben, ehe noch der Abkömmling gelernt hat, seine Sinne und Fähigkeiten zu gebrauchen, den Heimatsort, nach welchen alle Tiere so oft unter dem Kampf fürs Dasein zurückkehren müssen, es sei das Euter der Kuh, die wärmenden Flügel und die leitende Erfahrung der Henne oder der von Mutter-Instinkt auserwählte Pflanzenwirt. In den Berichten darüber, wie leicht die Abkömmlinge ausgesetzt sind zu Grunde zu gehen, wenn sie durch Menschenhand von dieser Verbindung mit Heim und Eltern getrennt werden, kann man auch die Wirkung des Gesetzes sehen, indem dies unter solchen Umständen ebenso zerstörend wirkt, wie sie rettend unter den natürlichen Verhältnissen ist. Dies ist eben nur der Revers desselben Wertes.

Als etwas bedeutungsvolles darf man auch die Wirkung dieser Zirkularbewegung in dem psychischen Leben der Tiere sehen, indem sie immer unter den unzähligen Fehlschritten, zu welchen ungeübte Sinne und unerfahrenes Hirn verleiten können, das Tier nach dem rechten Orte und unter die richtigen Verhältnisse zurückführt. Meine Auffassung dieses Verhältnisses kann ich dahin präzisieren, dass die Erziehungskunst der Natur unverständlich sein würde ohne das Gesetz der Kreisbewegung.

Ferner muss auch darauf aufmerksam gemacht werden, wie dasselbe Gesetz dem Lokalinstinkt in der höheren Tierwelt zu Grunde zu liegen scheint, nämlich dem schon früher erwähnten Drange nach dem Orte, wo das Tier sein Gefolge verlor, zurückzukehren und in Verbindung damit auch der Fähigkeit seine Kameraden mit Leichtigkeit wieder zu finden.

Wie weit die Bedeutung und Breite dieses Instinkts reicht, kann man freilich noch nicht ob jemals weiss ich nicht sagen; es darf aber angenommen werden, dass die angegebenen Grundformen der Bewegung und der darauf gebaute Instinkt, in naher Verbindung mit dem „Gesetze der Heimatsliebe" oder dem Lokalinstinkt stehen, auf welchen die großen jährlichen Tierwanderungen zu beziehen sind. Und wenn ich mir erlauben darf, einen Blick hinaus über den Rahmen dieser Arbeit zu werfen, indem ich voraussetze, dass das Gesetz der physiologischen Zirkularbewegung von der wissenschaftlichen Welt anerkannt werde, muss ich zuerst auf den Umstand hinweisen, dass die Zirkularbewegung ein sehr brauchbares Mittel bei den Untersuchungen der funktionellen Breite und Bedeutung der Sinne bei den verschiedenen Tieren und Tiergruppen werden wird.

Ferner muss auch unter Hinweisung auf die Beobachtungen bei niederen Tieren die Aufmerksamkeit auf die Wahrscheinlichkeit hingelenkt werden, dass die physiologische Zirkularbewegung bei den niedrigsten Tierklassen vielleicht die einzige Bewegungsform des Organismus neben der mechanischen Einwirkung und der physiologischen Reaktion ist. Im Falle einer solchen Phänomenalität darf die physiologische Zirkularbewegung, wenn ihre Realität und Umfang hinreichend untersucht und gekannt sein wird, sich vielleicht als von größerer biologischer Bedeutung erweisen und ein weiteres Arbeitsfeld eröffnen, als wir jetzt ahnen. In jedem Falle dürfte es sich zeigen, dass man schon jetzt mit einigem Recht die erwähnte Zirkularbewegung als eine Grundbewegung der Tiere ansehen kann, die man immer mit in Betrachtung nehmen muss beim Studium der Entwicklungsphasen des tierischen Lebens, gleichviel ob es die Biologie der einzelnen Arten oder der psychischen Genealogie einer größeren Tiergruppe gilt. [109]

C. Binz, Der Aether gegen den Schmerz.

Ein fünfzigjähriges Jubiläum. 16. XI u. 96 Seiten. Stuttgart, Deutsche Verlagsanstalt, 1896.

Es ist ein interessantes Stück Wissenschaftsgeschichte, das uns Herr Prof. Binz in diesem flüssig geschriebenen, aber durchweg auf Quellenstudien beruhenden, schönen Büchlein bietet. Im Eingang erinnert er daran, dass die Menschheit eines ihrer schönsten Gedenkfeste im Herbste dieses Jahres zu feiern hat. Am 17. und 18. Oktober wurden es fünfzig Jahre, seit man große wundärztliche Operationen vollkommen schmerzlos auszuführen gelernt hat. Anfangs benützte man zur Schmerzlosmachung der Leidenden den Schwefeläther, bis dieser allmählich durch das leichter und bequemer zur Anwendung zu bringende Chloroform verdrängt wurde. Es hat sich jedoch in der letzten Zeit eine Reaktion zu Gunsten des Aethers geltend gemacht, weil es sich herausgestellt hat, dass dieses das bei weitem gefahrlosere ist. Nach Ermittelungen, die im Jahre 1890 begonnen wurden und jetzt noch andauern, ist in den Jahren 1890 bis 1894 je ein Todesfall auf 2647 Chloroform- und auf 13,160 Aethernarkosen vorgekommen. Auch die übrigen seither aufgetauchten Betäubungsmittel zu chirurgischen Zwecken werden besprochen; insbesondere werden die Mitteilungen aus der Geschichte des Stickoxyduls die Leser gewiss ebenso interessieren wie die über die Einwände, welche gegen die Anwendung der Narkotika überhaupt gemacht worden sind. P. [112]

Dr. A. Mayer, Lehrbuch der Agrikulturchemie.

IV. Aufl. Verlag von C. Winter, Heidelberg, 1895.

II. Teil: Die Bodenkunde in 10 Vorlesungen.

Die I. Abteilung des II. Teiles ist der Bodenkunde gewidmet. In klarer zumeist auch formschöner Weise wandelt Verf. den Inhalt der Bodenkunde ab. Fünf Vorlesungen sind der Entstehung der Ackererde gewidmet, die zwei folgenden handeln von der chemischen, die drei übrigen von der physikalischen Beschaffenheit des Bodens

Auch diese Vorlesungen werden jedem, der sich für die Bodenkunde interessiert, ein ebenso nützlicher als angenehmer Berather sein. R. K. [106]

Berichtigungen.

In dem Aufsatz „Anthropologische Arbeiten in Russland" Nr. 18 und 19 sind einzelne Druckfehler stehen geblieben, die wir nachträglich hier verbessern. S. 673 Z. 8 v. o. statt: Norm der Geburt lies: Norm der Geburtshelfer (soll heißen: der von den Geburtshelfern angenommenen Norm).

S. 703 Z. 4 v. o. statt: Längskopf-Bogen lies: Längs-Kopfbogen. S. 707 Z. 8 v. u. ist unter die Worte Prozent-Verhältnis zu setzen: zur Körpergröße zur Armlänge.

S. 708 Z. 2 v. u. statt: nicht russischen Litteratur lies: meist russischen L.

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Verlag von Eduard Besold (Arthur Georgi) in Leipzig. Druck der kgl. bayer. Hof- und Univ.- Buchdruckerei von Junge & Sohn in Erlangen.

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