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24 Nummern von je 2-4 Bogen bilden einen Band. Preis des Bandes 20 Mark. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten.

XVI. Band.

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Inhalt: Keller, Fortschritte auf dem Gebiete der Pflanzenphysiologie und -biologie (3. Stück). Schlater, Einige Gedanken über die Vererbung (4. Stück). Zacharias, Monatsmittel der Plankton - Volumina. Guldberg, Ueber die morphologische und funktionelle Asymmetrie der Gliedmaßen beim Menschen und bei den höheren Vertebraten. Arthus, Natur der Enzyme.

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Hatschek u. Cori, Elementarkurs der Zootomie in fünfzehn Vorlesungen.
Rawitz, Leitfaden für histologische Untersuchungen.

Fortschritte auf dem Gebiete der Pflanzenphysiologie und

-biologie.

Von Dr. Robert Keller.

(Drittes Stück.)

Die physiologische Bedeutung der bunten Farben der Laubblätter hat Stahl1) zum Gegenstand einer einlässlichen Studie gemacht.

Für die vom reinen grün abweichenden Färbungen, die im entwickelten Zustande der Blätter in unserer heimischen Flora nicht gerade häufig auftreten, bei einer Reihe exotischer Pflanzen, wir erinnern nur an die bunten Blätter der Begonien eine häufige und höchst charakteristische Erscheinung ist, hat man wesentlich zwei Erklärungen gegegeben. Die andere, rote oder helle Färbung der Vegetationsorgane stehe im Dienst der Stoffwanderung oder Transpiration, glaubten die einen, während andere in ihr ein Schutzmittel gegen die Angriffe pflanzenfressender Tiere, welche durch die eigentümlichen Färbungen abgeschreckt würden, sahen. Experimentelle Untersuchungen über das Verhalten von Tieren gegenüber roten Pflanzen ließen in der Färbung keine Schreck- oder Warnfarbe erkennen. Gleich große Stücke der fleischigen Wurzeln von einer roten und weißen Varietät von Beta vulgaris legte Verf. einigen omnivoren Schnecken vor. Helix hortensis und Arion hortensis verschonten die roten Stücke, während die weißen

1) E. Stahl, Ueber bunte Laubblätter. in: Annales du Jardin botanique de Buitenzorg, Vol. XIII, 2, p. 137–216.

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reichlich benagt waren. Dasselbe Versuchsergebnis wurde aber auch erzielt, als der Versuch bei Lichtabschluss ausgeführt wurde. Der Unterschied im Verhalten der Tiere beruht also nicht auf der verschiedenen Färbung, sondern auf stofflichen Unterschieden, die sich dem Geschmackssinn der Tiere bemerkbar machen und über die Wahl der Nahrung entscheiden. Versuche mit Nagern und Wiederkäuern zeigten, dass die rein grünen Blätter anderen gegenüber bevorzugt wurden. Waren die Tiere hungrig, so konnte gewöhnlich ein Unterschied nicht wahrgenommen werden. Dass dabei nicht der Geschmack die Wahl bestimmte, sondern nur die Farbe, deutet folgender Versuch an. Von gleich großen Maisblattstücken, deren eines blank, das andere mit einigen bereits trocken gewordenen Karminflecken betupft war, fraßen in 30 Versuchen die Versuchstiere (Schafe) 29 Mal zuerst das grüne, ein einziges Mal zuerst das rotfleckige Stück weg. Die Abneigung der Tiere gegen die roten Flecken ist wohl ein Ausdruck der von vielen Tieren bekannten Scheu vor blutroten Gegenständen. Da aber diese Bevorzugung des Grün gegenüber roter oder rotgefleckter Blätter nur eintrat, wenn die Tiere nicht hungrig waren, kann von einer einigermaßen wirksamen Schutzwirkung der roten Färbung nicht die Rede sein.

Die Buntscheckigkeit gewisser Araceenblattstiele führt oft zu einer mehr oder weniger frappanten Schlangenähnlichkeit derselben, so dass ein Arum des Himalaya geradezu als „Cobra- Pflanze" von den Eingeborenen bezeichnet wird. Versuche des Verf. mit einer Antilope des zoologischen Gartens von Batavia ließen unzweideutig die Schreckwirkung der Schlangenzeichnung erkennen, während Ziegen gegenüber die Schreckwirkung dann sich nicht mehr geltend machte, wenn sie etwas Hunger hatten und an den Anblick der schlangenähnlichen Blattstiele etwas gewöhnt waren.

So hält Stahl dafür, dass die Bedeutung dieser Buntscheckigkeit gleich der Buntheit der Blattspreiten nach einer anderen Richtung gesucht werden muss.

Den roten Farbstoff der Vegetationsorgane bezeichnet der Verf. als Erythrophyll oder Blattrot. Nach Engelmann wirkt dieser Farbstoff absorbierend auf Licht ein, so dass bei manchen gleichmäßig dunkelroten Blättern mehr als ein Drittel, ja mehr als die Hälfte des sonst ins Blattinnere eindringenden Lichtes zurückgehalten wird. Die rotblätterigen Varietäten, z. B. der Buche, des Haselstrauches etc. gedeihen aber thatsächlich so gut wie die grünen. Sie sind also in ihrem Assimilationsvermögen nicht wesentlich geschwächt. Also werden durch den roten Farbstoff nur solche Strahlen absorbiert werden, die für den Assimilationsprozess die kleinste Bedeutung haben. Rot, Blau und Violett, die vom Blattgrün am stärksten absorbierten Lichtarten, werden in der That durch das Blattrot am Besten durchgelassen.

Die positive Leistung des Blattrotes wurde bisher in zwei Richtungen gesucht. Nach der Ansicht der einen soll das Erythrophyll einem Lichtschirm gleich gegen den zerstörenden Einfluss der Sonnenstrahlung schützen. Da nun aber gerade diejenigen Strahlen, die vom Chlorophyll absorbiert werden und in ihm wirksam sind, durchgelassen werden, ist die schützende Wirkung nicht wahrscheinlich.

Nach der Ansicht anderer steht das Blattrot im Dienste der Wärmeabsorption. Die im roten Zellsaft zurückgehaltenen Sonnenstrahlen bewirken eine für die Pflanze vorteilhafte Erwärmung. Dass der rote Farbstoff diese Wirkung hat, wurde experimentell schon von Kny dargethan. Wurde in zwei gleichgroße Wassermengen eine gleiche Zahl Blätter grüner und tief roter Varietäten der gleichen Pflanzenart gebracht, dann konnte nach verhältnismäßig kurzer Besonnung eine gesteigerte Wärmezunahme in den Gefäßen mit den roten Blättern festgestellt werden. Auf thermoelektrischem Wege konstatierte Stahl, dass die roten Stellen der Blätter sich rascher und stärker erwärmen

als die grünen. Bei gleichlanger Bestrahlung mit der Gasflamme betrug nach einiger Zeit die Differenz zu Gunsten der roten Blätter bis 1,9°.

Die hellen Stellen von grau- und silberfleckigen Blättern ließen eine geringere Erwärmung erkennen als die grünen, wenn die Zustrahlung nur kurze Zeit dauerte. Die Differenz zu Gunsten der grünen Stellen betrug bis 1,2°. Nach raschem Ansteigen ging aber die Differenz wieder langsam zurück.

Die ungleiche Wärmeabsorption der verschiedenen Blattbezirke bunter Blätter demonstrierte Stahl in sehr einfacher Weise mittels leicht schmelzbarer Substanzen, wie Cacaobutter, der er zur Erhöhung des Schmelzpunktes etwas Bienenwachs zugefügt hatte. In flüssigem Zustand wird das Gemenge in möglichst gleichdicker Schicht der Blattunterseite aufgestrichen. Ist der Ueberzng erstarrt, so genügt es, das Blatt kurze Zeit normal zur Oberseite von der Sonne bescheinen zu lassen, um an dem verschieden raschen Erweichen gewisser Bezirke, den anderen gegenüber, die ungleiche Erwärmung derselben zu erkennen. Auch auf diesem Weg lässt sich darthun, dass die Regionen mit rotem Farbstoff sich stärker erwärmen als die grünen, dass ferner die weißen Bezirke silberscheckiger Blätter langsamer sich erwärmen als die grünen. Zugleich lässt sich zeigen, dass die hellen Blattstellen sich langsamer abkühlen als die dunkelgrünen oder die roten.

In dem wärmeabsorbierenden Blattrot besitzt die Pflanze ein Mittel, die Stoff- und Kraftwechselprozesse zu beschleunigen. Häufig findet sich der rote Farbstoff gerade in jungen Blättern oder in Organen, in denen die Stoffwanderungen in reichlichem Maße sich abspielen. Dieses Vorkommen ist unter dem Gesichtspunkte der wärmeabsorbierenden also die Erwärmung steigernden Wirkung des Blattrotes wohl ver

ständlich. Wenn die Versuche nur relativ schwache Temperaturerhöhungen erkennen lassen, so ist zu bedenken, dass die Temperatur ganzer Gewebekomplexe, in denen nicht nur Luft, sondern auch farblose Zellen enthalten sind, gemessen wurde. Man ist wohl berechtigt anzunehmen, dass die bei kräftiger Insolation eintretende Erwärmung der von roten Gewebeschichten umgebenen Leitungsbahnen der Stengel, Blattstiele und Blattnerven um mehrere Grade stärker ausfällt als dort, wo das Erythrophyll fehlt. Unter diesen Gesichtspunkten sind wohl auch Kerner's Kulturergebnisse von Thalpflanzen in bedeutenden Höhen verständlich. Er beobachtete z. B., dass in einer Höhe von 2193 m Satureja hortensis sich üppig entwickelte, während Linum usitatissimum so kümmerlich gedieh, dass es noch vor der Entwicklung der Blüten abstarb. Da erstere Pflanze in den Oberhautzellen roten Farbstoff produzierte, hielt Kerner dafür, dass der Lein in Folge des Fehlens des Blattrotes sich gegen das intensive Hochalpenlicht nicht zu schützen vermöge. Nach der vorausgehenden Darlegung Stahl's ist das ungleiche Verhalten der beiden Versuchspflanzen wohl so zu erklären, dass Linum usitatissimum und andere sich nicht rötende Pflanzen deshalb im Alpenklima nicht kräftig gedeihen, weil in den kühlen Nächten die Blätter wegen starker Abkühlung ihrer Assimilate sich nur ungentigend zu entledigen vermögen. Kulturversuche Stahl's in einer Höhe von 1800 m ergaben in der That, dass in klaren Nächten, in denen der Nullpunkt nahe erreicht wurde, die Blätter von Linum morgens noch voller Stärke waren, während Satureja-Pflänzchen völlig stärkefrei waren, auch wenn sie Tags zuvor intensives Sonnenlicht empfangen hatten. Diese dauernde Stärkebelastung der Blätter beeinträchtigt einerseits die Bildung neuer organischer Substanz und lässt es anderseits wegen der trägen Stoffwanderung den neu anzulegenden Teilen an den nötigen Baustoffen fehlen.

Unter dem Gesichtspunkte der Temperaturerhöhung der Blattrot führenden Organe ist sein Vorkommen in anemophilen Blüten wohl verständlich. Intensive Rotfärbung kommt bekanntlich vielen unserer windblütigen Dicotyledonen zu. Wir erinnern an Populus tremula, Corylus avellana, Alnus glutinosa etc. Das Licht fördert das Wachstum der Pollenschläuche nicht wesentlich; es muss sich vielmehr unter dem Einfluss der Erwärmung vollziehen. Wird nun die Narbe ihres Blattrotes wegen stärker erwärmt, so wird dadurch das Wachstum der Pollenschläuche begünstigt. Die Gefahr wird verringert, dass der an der Narbe haftende Pollen noch vor Einsenkung des Schlauches durch Regen oder Thau beschädigt werde.

Das Erythrophyll als wärmeabsorbierendes Medium wirkt aber nicht nur auf die Erscheinungen der Stoffwanderung fördernd ein. Die Thatsache, dass die intensive Rotfärbung der Blätter gerade bei vielen Tropenpflanzen vorkommt, weist a priori darauf hin. Die Rotfärbung

erscheint hier nicht selten mit Hellfleckigkeit kombiniert und oft tritt ein prächtiger Sammetglanz hinzu. Sehr beachtenswert ist, dass die Arten mit extremer Ausbildung dieser Eigenschaft ihrer Blätter ihre Heimat an den feuchtesten Standorten der feuchtwarmen Erdstriche haben. An unserer einheimischen Flora beobachten wir, dass durch schattige Standorte die Bildung der grauen Flecken, z. B. bei Hepatica triloba begünstigt wird. Hell- und dunkelgesprenkelte Exemplare von Ficaria ranunculoides finden sich ebenfalls namentlich an feuchten Stellen u. s. f. Dieser Zusammenhang zwischen feuchtschattigem Standort und der Ausbildung bunter Blattspreiten deutet darauf hin, dass wir in der Buntheit der Blattspreiten Einrichtungen zur Hebung der Transpiration zu suchen haben.

Was nun zunächst die roten und rotgefleckten Blattspreiten betrifft, so wird durch den Farbstoff die bestmögliche Ausnutzung des Lichtes für die Transpiration erzielt. Dadurch, dass die Strahlenabsorption im Chlorophyll und Erythrophyll zu einander nahezu vollständig komplementär sind, ist es gegeben, dass die beiden in demselben Blatt, ja nebeneinander, in derselben Zelle, auftretenden Farbstoffe sich gegenseitig in der Ausnutzung der Strahlen kaum beeinträchtigen. Einerseits werden die bei der Kohlensäurezersetzung besonders thätigen Strahlen durch die saure Erythrophylllösung nicht geschwächt und anderseits können die bereits vom Chlorophyll ausgenutzten Strahlen noch der Pflanze zu Gute kommen durch ihre thermische Wirkung, die hier speziell im Dienste der Transpiration steht. Der experimentelle Nachweis hat in erster Linie zur Voraussetzung, dass die Versuchsobjekte nicht im direkten Sonnenlicht und in trockener Luft geprüft werden. Unter Berücksichtigung dieser besonderen Versuchsbedingungen ließ sich durch Wägung an grün- und rotblätterigen Buchen und Hasel nachweisen, dass die rotblätterigen Exemplare relativ stärker transpirierten als die grünen. Der rote Farbstoff kann in den verschiedensten Gewebeelementen der Blätter auftreten, nur in den ausgewachsenen Schließzellen ist er nie nachgewiesen worden. In diesem Fehlen liegt gerade eine indirekte Bestätigung der Ansicht, dass dem Erythrophyll der Laubblätter die Bedeutung eines Mittels zur Steigerung der Transpiration zukomme. Seine Gegenwart in den Schließzellen würde die Verdunstungsgröße des Blattes herabsetzen. Der Turgor bewirkt die Erweiterung der Spaltöffnung. Verlieren die Schließzelleu mehr Wasser, als sie den angrenzenden Zellen entnehmen, dann wird ihr Turgor herabgesetzt, die Spaltöffnung verengert sich, das Entweichen des Wasserdampfes aus den Blattinnern wird erschwert und zugleich der Assimilationsgaswechsel verlangsamt. Befände sich in den Schließzellen ebenfalls Wärme absorbierendes und in Folge dessen die Wasserdampfabgabe steigerndes Erythrophyll, dann würde die Turgorverminderung der

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