Imagens das páginas
PDF
ePub

gewaltsam und ruckweise gesprengt werden können. Der dicke, massige jugendliche Stengel könnte die Scheidenblätter leichter sprengen, als der schlank gewordene ältere und die frappante Thatsache, dass nicht im Anfang, wo das Wachstum des Stengels schwach ist, die Stöße hervortreten, sondern später, wo die Wachstumsgeschwindigkeit größer ist, fände damit ihre Aufklärung.

(4. Stück folgt.)

Einige Gedanken über die Vererbung.
Von Gustav Schlater.
(Viertes Stück.)
VIII.

[107]

Oben überzeugten wir uns davon, dass die hervorragendsten wissenschaftlichen Geister sich als scharfe Gegner A. Weismanns erklärten und bald in größerem, bald in geringerem Maße einen Einfluss verschiedener äußeren Bedingungen auf die erbliche Uebertragung anerkannten. Anders kann es auch nicht sein. Wie ist anders die Phylogenie zu begreifen? Wie ist das primum movens der Entwickelung der organischen Formen zu fassen? Mit einem Worte, wir können unter keiner Bedingung ohne die Annahme auskommen, dass die durch verschiedenartige äußere Einflüsse in den Geweben und Organen herbeigeführten Aenderungen auf die Geschlechtszellen übertragen werden können, und durch die letzteren auf die folgenden Generationen. Wir sind sogar berechtigt zu behaupten, dass dies der ursprünglichste Hauptfaktor der organischen Entwickelung ist. Andererseits eröffnet sich uns ein Weg, welcher uns eine wenn auch nur geringe Hoffnung giebt, den Mechanismus der erblichen Uebertragung zu ergründen. Wir vertraten die Anschauung, dass im Mechanismus der Vererbung eine Uebertragung von Generation zu Generation durch Vermittelung der Geschlechtszellen (Eizelle + Spermatozelle) eines ganzen komplizierten Systems von beweglichem stabilen Gleichgewicht zu erblicken ist, eines ganzen Mikrokosmos, wenn man sich so ausdrücken darf, eine Analogie durchführend zwischen diesem Mikrokosmos und dem unendlich großen Weltensystem, mit seinen Sonnen, Planeten, Trabanten u. s. w., einem System, welches ja auch in einer ewigen beweglichen Form stabilen Gleichgewichts verharrt.

Jetzt gelangen wir zur Frage, wie man sich die erbliche Uebertragung von somatischen Aenderungen vorstellen soll, mit anderen Worten, wie die Uebertragung der durch die äußeren Bedingungenin den Geweben und Organen hervorgerufenen Veränderungen auf die Geschlechtszelle zu erklären ist. Und vollkommen Recht hat der junge Gelehrte B. Birukoff („Zur Frage über die Vererbung funktioneller Aenderungen, St. Petersburg 1895"), welcher sagt: „Und so ist die Reihe an die Beantwortung der Frage gekommen, auf welche

Weise überhaupt eine Veränderung im Baue auf die Geschlechtszelle einwirkt".

Es ist merkwürdig und ungemein schwer verständlich, dass fast keiner der Biologen, welche in größerem oder geringerem Masse die erbliche Uebertragung von funktionellen Aenderungen anerkennen, es versucht hat, irgend welche Antwort auf die eben gestellte Frage zu geben. Manche Biologen halten die Uebertragung von funktionellen Aenderungen einfach aus dem Grunde für unmöglich, weil es sehr schwer ist, sich diese Uebertragung auf die Geschlechtszellen vorzustellen. Allein es ist höchst charakteristisch und merkwürdig – aus Angst vor der Schwierigkeit und vermeintlichen Unlösbarkeit dieser Frage, bewusst die Augen zu schließen vor der Gesamtheit der uns umgebenden biologischen Erscheinungen wie des individuellen Lebens, so auch des Lebens der Art, welche mit vollster Ueberzeugung die große Bedeutung dieses Prinzips im unendlichen allgemeinen Prozess der organischen Entwickelung bekunden. Ich werde nicht von A. Weismann und seiner Schule sprechen, welcher die Kühnheit hatte anzunehmen, dass der Organismus auf die Geschlechtszellen gar keinen Einfluss hat, dass diese vollkommen unabhängig vom Körper seien. Dieser Gedanke war für A. Weismann unumgänglich nötig, um jede Möglichkeit einer erblichen Uebertragung erworbener Eigenschaften zurückzuweisen. Aber schon in seinem Werke „Das Keimplasma ..." war Weismann durch die Beweisführung seiner zahlreichen Kritiker gezwungen, einen Kompromiss einzugehen und einen wenn auch geringen Einfluss der äußeren Bedingungen auf das Keimplasma, mit anderen Worten in gewissem Umfange die erbliche Uebertragung erworbener Eigenschaften anzuerkennen. In einer seiner letzten Broschüren: ,,Aeußere Einflüsse als Entwickelungsreize 1894" macht A. Weismann die neue Annahme, dass die „Natürliche Zuchtwahl", dieser, seiner Ansicht nach einzige Faktor der organischen Entwicklung, alle Möglichkeiten und alle Zufälligkeiten, alle Kombinationen äußerer Bedingungen, dessen langdauerndem Einflusse der Organismus ausgesetzt werden kann, schon vorhergesehen hat. Im Keimplasma" der Geschlechtszelle sind sozusagen Ersatz-Iden vorhanden, von welchen ein Jedes einem bestimmten Komplex äusserer Bedingungen angepasst ist. Die äußeren Bedingungen spielen auf diese Art nur die Rolle von Reizen, welche die Entwickelung anregen, von „Entwickelungsreizen“, welche die schlafenden Ersatziden wachrufen, welche schon alle Eigenschaften des an bestimmte Bedingungen angepassten Organismus, in fertigem, aber noch schlummerndem Zustande enthalten. Dabei schlummern diese Ersatz-Iden so lange, bis die betreffenden Bedingungen eintreten und sie wecken. Folglich sind die äußeren Bedingungen nur als gewisse Reize aufzufassen. Dieser Gedanke für sich ist vollkommen richtig, und ich glaube kaum, dass irgend ein Biologe sich die

[ocr errors]
[ocr errors]

Rolle der äusseren Bedingungen anders wird vorstellen können, allein der Kardinalunterschied zwischen der Anschauung A. Weismans und der Anhänger der Epigenese besteht darin, dass diese letzteren, durch die als „Entwickelungszweige" dienenden und auf die Vererbungssubstanz der Geschlechtszelle einwirkenden äusseren Bedingungen in der Vererbungssubstanz neue, lebendige Kräfte entstehen und thätig sein lassen, welche in ihr gewisse neue Metamorphosen, Umlagerungen und Veränderungen hervorrufen, die nachher konstant werden und der Summe der gegebenen äußeren Bedingungen entsprechen. Hier haben wir folglich eine Schöpfung vor uns, dort nur einen Uebergang aus einem todten Zustande ins Leben. Indem er den äusseren Einwirkungen die Bedeutung vo. Entwicklungsreizen zuschreibt, macht A. Weismann nicht den geringsten Versuch, einen tieferen Einblick in diese Frage zu gewinnen und den Mechanismus ihrer Uebertragung und Einwirkung auf die Geschlechtszellen zu klären. Eine Erklärung drängt sich aber jetzt auf, besonders wenn wir die große Entwickelung unserer Kenntnisse vom peripheren Nervensystem in den letzten Jahren berücksichtigen. Allein auf diese Frage werden wir noch zurückkommen; jetzt seien nur noch ein Paar Worte der fast einzig möglichen Annahme gewidmet, welche der geniale Charles Darwin in seiner Theorie der Pangenesis betreffs dieser Frage that und welche gegenwärtig eine mächtige Stütze in einer ganzen Reihe wissenschaftlicher Angaben findet. Die Pangenesistheorie ist, kann man sagen, fast die einzige von den die Bedeutung der äußeren Bedingung anerkennenden Vererbungstheorien, welche uns eine Erklärung für das Factum der Uebertragung von somatischen Veränderungen auf die Geschlechtszellen giebt. Wie bekannt, unternehmen die „Gemmulen" dieses Gelehrten, d. h. die substanziellen Träger von Vererbungseigenschaften jeder, auch der allerkleinsten Teilchen des Organismus, während der Intogenese eine Wanderung von der Peripherie zum Centrum; sie wandern alle zu einem Ziele und kommen alle in der Geschlechtszelle zusammen, in welcher sie, zusammen mit der in der Geschlechtszelle schon enthaltenen Vererbungssubstanz, das Vererbungssubtrat der folgendenden Generationen, bilden. Folglich nahm schon Darwin, wie fast alle späteren Biologen, an, dass eine jede, sogar die geringfügigste Eigenschaft des fertigen Organismus ein besonderes spezifisches Teilchen der in der Geschlechtszelle enthaltenen Vererbungssubstanz als Substrat haben muss: Jede Eigenschaft des Organismus muss an ein besonderes, nur dieser Eigenschaft eigenes Substanzteilchen gebunden sein. Allein, die Pangenesis Darwins lässt die Frage vom Mechanismus der Vererbung ihrem Wesen nach unberücksichtigt. Wie verhalten sich aber unsere heutigen Begriffe und unser heutiges Wissen zu den Vorstellungen der Pangenesis? Zu der Zeit, wo sie von Darwin entwickelt wurden, war es eine sehr kühne

Hypothese, welcher unüberwindliche Hindernisse entgegentraten. Heute aber weisen uns die letzten Worte der Wissenschaft auf eine ganze Reihe von Thatsachen, welche eine solche Annahme in vieler Hinsicht möglich machen, obschon auch jetzt noch viele Schwierigkeiten dabei sind. Bei diesen Thatsachen, welche ohne Zweifel den Stolz der zukünftigen Biologie ausmachen werden, werde ich nicht verweilen, denn sie sind in meiner Broschüre: „Die neue Richtung der Zellenmorphologie und ihre Bedeutung für die Biologie, 1895" (Russisch) zusammengefasst. Ich weise nur darauf hin, dass erstens die heutige, neue, sich Bahn brechende Auffassung der Zelle, als „ein komplizierter Organismus", dieselbe mit einer Masse, ihrem Volumen nach sehr unbedeutenden biologischen Einheiten: Granulen, Mikrosomen und definctiv letzten Struktureinheiten der lebendigen Substanz bevölkert; dass es sich zweitens erweist, dass alle Zellen fast aller Gewebe organisch unter einander verbunden sind mit Hilfe protopla stischer Auswüchse, oder, richtiger gesagt, Auswüchse des Zellenleibes, so ein ununterbrochenes Ganze darstellend, welches die Erscheinungen der Koordination und Kooperation unserem Verständnisse näher rückt, und dass wir endlich schon eine ganze Masse unbestreitbarer Beweise für eine Emigration und Wanderung verschiedener Strukturelemente der Zelle in großem Maßstabe haben. Diese Thatsachen machen den Standpunkt Darwins, wie mir scheint, vollkommen begreiflich und möglich, ihm einen wissenschaftlichen Stempel aufdrückend. Jedoch das ist so nur in dem Falle, wenn wir unsere Aufmerksamkeit nur der einen Erscheinung der Emigration zuwenden, die Frage über den Vererbungsmechanismus aber beiseite lassen. Wir haben uns aber überzeugt, dass es vollkommen unmöglich sei, präformierte Substanzteilchen aller Eigenschaften, aller Gewebe und Organe anzuerkennen, und deshalb ist auch die Erklärung der Uebertragung von somatischen Aenderungen auf die Geschlechtszelle in der Form, wie es die Theorie der Pangenesis verlangt, von unserem Standpunkte aus unmöglich. Wo sollen wir aber in diesem Falle die Lösung dieser höchst wichtigen Frage suchen? Wenn wir, womit die meisten Biologen einverstanden sein werden, die äußeren Bedingungen und Einwirkungen mit A. Weismann als Entwickelungsreize auffassen, so drängt sich die Erklärung, wie gesagt, von selbst auf. Diese Erklärung entspringt aus unseren Vorstellungen von der Funktion des Nervensystems. Ich stelle mir die Sache so vor, dass diese oder jene, durch Einwirkung gewisser Reize in Form des Komplexes veränderter äusserer Bedingungen in irgend einem Gewebe oder Organe hervorgerufenen funktionellen Veränderungen eine gewisse Einwirkung auf das ganze komplizierte System peripherer Nervenendigungen ausüben, welche in dem betreffenden Gewebe oder Organe sich verzweigen.

Die dadurch in den betreffenden Nervenendigungen hervorgerufenen Impulse von einem bestimmten Charakter, welche sozusagen längs den Nervenwegen telegraphiert werden, zuerst centripetal, sodann centrifugal, erreichen so die Organe, welche die Gechlechtszellen ausbilden, d. h. die die Vererbungseigenschaften bergenden Elemente. Hier, in der Vererbungssubstanz, an dem ganzen komplizierten System beweglichen Gleichgewichts, als welches wir übereingekommen sind die Vererbungssubstanz anzusehen, rufen diese Impulse in diesem System bestimmte Aenderungen hervor, welche analog sind den kosmischen Aenderungen oder Perturbationen, welche im Sonnensystem unter dem Einflusse eines neu erschienenen Planeten, oder eines vorbeigezogenen Kometen hervorgerufen werden. Diese, den somatischen Aenderungen an der Peripherie entsprechenden Perturbationen im komplizierten Mikrokosmos der Vererbungssubstanz, hervorgerufen durch die beständig sich bildenden und einwirkenden Impulse, treten in den organischen Bestand des ganzen Systems. Das gestörte Gleichgewicht des beweglichen Systems ist wieder hergestellt, sozusagen auf immer einige Abweichungen der Bewegungsformen in denselben fixierend. Dieses, in gewissem unbedeutendem Grade veränderte, aber dabei seinen Charakter beibehaltende Gleichgewichts system wird in und mit der Geschlechtszelle auf die folgende Generation übertragen').

Ich entwickele hier keine neue Theorie, ich schreibe nicht einmal meinem Gedanken eine Originalität zu. Ich spreche nur in einer bestimmten Form das aus, was anzuerkennen bis jezt die verbreitete Anschauung der Biologen hinderte, dass eine jede der unzähligen Eigenschaften des Metazoon an ein bestimmtes, spezifisches Theilchen der Vererbungssubstanz gebunden und in ihm lokalisiert sein muss. Mein Gedanke, obschon bis jetzt noch von Keinem klar ausgesprochen, ist der einzig mögliche. Eine erhebliche Stütze und Begründung erfährt er von seiten nnserer in den letzten Jahren stark entwickelten Kenntnisse vom Baue und von der Topographie des peripheren Nervensystems. Dank den klassischen Untersuchungsmethoden von Golgi und Ehrlich und deren zahlreichen Abänderungen, welche einen mächtigen Aufschwung diesem Teil der Histologie geben, begannen wir komplizierte Systeme

1) Ich halte es nicht für überflüssig, darauf aufmerksam zu machen, dass dies natürlich nicht der einzige Weg der Uebertragung somaticher Aenderungen auf die Geschlechtszelle sein kann; das bezieht sich nur auf bestimmte Gruppen von somatischen Abänderungen. Eine große Bedeutung in dieser Hinsicht muss z. B. dem Blute zugeschrieben werden. Wahrscheinlich kommen auch noch andere Momente in Betracht.

« AnteriorContinuar »