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peripherer Nervenverzweigungen in jenen Geweben und Organen aufzufinden, welche wir vordem entweder für vollkommen ohne Nerven, oder sehr spärlich mit Nerven versehen hielten. Es erweist sich, dass fast eine jede Zelle, sei es Drüsenzelle, Epithelzelle oder andere, ihren Nervenzweig besitzt. Und vollkommen gerechtfertigt ist, meiner Meinung nach, der Gedanke, dass die sich in der Zelle vollziehenden Lebensprozesse sich unbedingt in dem Nerven system auf diese oder jene Art abspiegeln müssen, indem sie in dem die Zellen umgebenden, vielleicht sogar mit ihr organisch verbundenen Nervenapparaten bestimmte Impulse hervorrufen, welche weiterhin centripetal geleitet werden. Was für Perturbationen, was für Abänderungen diese ununterbrochen und gleichmäßig entstehenden Impulse im dynamischen System der Vererbungssubstanz bedingen, bleibt vorläufig unserem forschenden Geiste völlig verschlossen. Die Mechanik der lebendigen Substanz ist vorläufig unseren Untersuchungsmethoden fast völlig unzugänglich. Auch hier bleibt uns nur übrig, nochmals zu gestehen, daß die Biomechanik ihres Schöpfers, ihres Newton, harrt.

IX.

Mit dieser flüchtigen Skizze einer der wichtigsten Fragen der Biologie hatte ich die Absicht, den Forschergeist auf einen bestimmten Weg zu lenken, welcher sich vor dem objektiven und vorurteilsfreiem Auge des zeitgenössischen Biologen eröffnet. Es bleibt mir nur übrig, diesen Weg zu charakterisieren und zusammenfassend auf die Hauptannahmen hinzuweisen, aus denen er entspringt.

Die ganze umfangreiche Litteratur über die Entwickelung und über die Vererbung, sowie die Gesammtheit unseres heutigen Wissens vom Leben überhaupt, zwingen uns anzunehmen:

1. Die allerwichtigsten Grundfaktoren der organischen Entwickelung sind die äußeren Bedingungen. Da jedoch in der Geschlechtszelle die aktive Vererbungssubstanz enthalten ist, welche die Arteigenschaften überträgt, so müssen die durch die äußeren Einwirkungen in den Geweben und Organen bewirkten Aenderungen auf diese oder jene Art in der Vererbungssubstanz der Geschlechtszelle fixiert werden.

2. Daraus folgt schon, dass die funktionellen Aenderungen unbedingt vererblich sind, dass folglich die somatischen Zellen auf die Geschlechtszellen einwirken

müssen.

Von der Vererbungssubstanz und vom Mechanismus der Vererbung redend, müssen wir von folgenden Annahmen ausgehen:

1. Als Träger der Vererbung von Arteigenschaften müssen wir eine in ihrem chemischen und morphologischen Baue

sehr komplizierte Substanz anerkennen, welche, aller Wahrscheinlichkeit nach, im sogen. Chromatin des Kernes der Geschlechtszelle enthalten ist.

2. Von den neuesten Anschauungen über die Zelle ausgehend, als von einem komplizierten Organismus, welcher seine Organe besitzt und aus elementaren morphologischen Einheiten besteht; sodann die Theorie der „Cystoblasten" und einige Angaben der experimentellen Histologie berücksichtigend, müssen wir einige von den „Chromatin- Cytoblasten" des Kernes als Organe der Vererbung ansehen. Indem wir uns weiterhin, den Bau der „Cyto blasten" betreffend, auf den Standpunkt stellen, auf welchen ich in meiner vorjährigen Broschüre hinwies und welchen ich in dieser meiner Skizze zur Geltung zu bringen suchte; und indem wir dabei von der mechanischen oder dynamischen Theorie ausgehen, - können wir den Mechanismus der erblichen Uebertragung, die Spezialisation während der ontogenetischen Entwickelung und den Prozess der Phylogenese in folgender allgemeiner Formel zum Ausdruck bringen:

3. Die Vererbungssubstanz stellt eine Summe bestimmter Wirbelbewegungen dar, ein widerstandsfähiges und kompliziertes System von beweglichem stabilem Gleichgewicht streng bestimmter Formen moleculärer Bewegung. Im Bereiche dieses Systems entsteht nun während der Entwickelung, unter dem Einflusse bestimmter auf den Organismus einwirkender Bedingungen, wie äußerer so auch innerer, eine Reihe neuer Umlagerungen, welche in einen harmonischen Zusammenhang mit dem ganzen System treten und diese oder jene Vererbungseigenschaften zum Ausdruck bringen, oder richtiger, einen Anstoß zur Entwickelung der lebendigen Substanz in einer bestimmten, streng funktionellen Richtung geben. Diese molekulären Umlagerungen entstehen nur bei gegebenen streng bestimmten Bedingungen, im Einklange mit den Grundprinzipien der physikalischen Natur. Folglich muss das widerstandsfähige, komplizierte System von Wirbeln, welches die Vererbungssubstanz im „Cytoblast" im Kerne der Geschlechtszelle darstellt, analog einem widerstandsfähigen chemischen System, eine Reihe von Veränderungen erfahren, allein immer nur in einer streng bestimmten Reihenfolge, was als grober Mechanismus der Kundgabe von Vererbungseigenschaften in dem sich entwickelnden Organismus vom Moment der Befruchtung aufzufassen ist.

XVI.

51

Diese Formel erklärt uns erstens den Mechanismus der erblichen Uebertragung von Arteigenschaften, welcher sich in der allmählichen und folgerechten funktionellen Spezialisation kund thut, d. h. sie macht uns jene aufeinanderfolgenden Veränderungen verständlich, welche die Vererbungssubstanz im Verlaufe der ontogenetischen Entwickelung, in centrifugaler Richtung, d. h. von der Geschlechtszelle bis zu den somatischen Endzellen, erfährt. Zweitens giebt uns diese Formel eine Möglichkeit, den Mechanismus jener ungemein langsam wachsenden und konstant werdenden phylogenetischen Veränderungen zu verstehen, welchen das dynamische Vererbungssystem während des ganzen Lebens des Organismus ausgesetzt ist und welche in centripetaler Richtung verlaufen, d. h. von den Endpunkten der somatischen Differenzierung bis zu der, das dynamische Vererbungssystem in seinem unverändertem Zustande enthaltenden Geschlehtszelle des fertigen Organismus hinab.

5. Eine sehr große Bedeutung für den Mechanismus dieser centripetalen Einwirkung, d. h. für die Vererbung erworbener Eigenschaften, sind wir gezwungen dem Nervensystem einzuräumen, welche Annahme in den großen Fortschritten auf dem Gebiete der Histologie des peripheren Nervensystems ihre Stütze findet.

X.

Diese Annahmen sind eine logische Folgerung der ganzen Summe unserer Kenntnisse auf dem weiten Gebiete der biologischen Forschungen. Dabei will ich es nicht verhehlen, dass einige dieser Folgerungen in der heutigen Wissenschaft neu sind. Jedoch habe ich nicht die Absicht mit irgend einer neuen Theorie hervorzutreten. Obschon diese Annahmen noch von keinem in dieser Weise formuliert worden sind, leben sie, ich bin dessen überzeugt, in einer latenten, bis zum Bewusstsein noch nicht gelangten Form, in vielen zeitgenössischen Forscherhirnen. Auf einen rein mechanischen Weg der Erklärung biologischer Grunderscheinungen hinweisend, bin ich fest überzeugt, dass dieser Weg, sogar wenn er einige Abweichungen machen wird, in seiner Hauptrichtung weitergeführt, der einzig mögliche und wissenschaftliche ist. Damit haben wir Biologen aber eine Grenze erreicht, welche wir nicht allein überschreiten können. Wir können zwar auf die Notwendigkeit einer mechanischen Erklärung von Lebenserscheinungen hinweisen; wir können sogar in Grundstrichen ein allgemeines Schema des dynamischen Systems entwerfen, dessen Resultat die Lebenserscheinungen sind, aber die Einzelheiten dieses ganzen komplizierten Systems zu ergründen und alle Teile seines vielgestalteten

Mechanismus kennen zu lernen, sind wir außer Stande, ohne Hilfe der Physik und der Chemie. Hier gewinnen wir, mehr denn je, die vollste Ueberzeugung, wie innig alle einzelnen Zweige der einzigen, unfassbaren Wissenschaft von der Natur miteinander verbunden sind. Der Biologe muss dem Chemiker und dem Physiker seine Hand reichen, im Namen der Gleichheit und Bruderschaft, um mit vereinten frischen Kräften nach einem gemeinsamen erwünschten Ziele zu streben: nach der Erkenntnis des Lebens.

St. Petersburg. Mai 1896.

Monatsmittel der Plankton - Volumina.

Von Dr. Otto Zacharias in Plön.

[79]

Quantitative Plankton-Untersuchungen, welche das ganze Jahr hindurch in bestimmten zeitlichen Abständen am Gr. Plöner See ausgeführt wurden, haben gezeigt, dass die Volumina einer und derselben Wassersäule nicht stetig zu- und abnehmen, sondern dass sie schon während der Dauer eines einzigen Monats beträchtlichen Schwankungen unterworfen sind. Dagegen ließen die Monatsmittel aus den Messungen ein fast ganz kontinuierliches Ansteigen der Planktonmenge bis zum August, und von da an einen ebenso stetigen Rückgang derselben bis zum März erkennen.

Die nachstehende kleine Tabelle gibt Ausweis über den mittleren Planktongehalt einer Wassersäule von 40 m Höhe und 1 qm Querschnitt in den aufeinanderfolgenden Monaten des Jahres:

[blocks in formation]

In obiger Zusammenstellung tritt nur der Monat Mai mit einer abnorm großen Volumenziffer (173 ccm) hervor; das scheint aber für den Gr. Plöner See die Regel zu sein und es erklärt sich diese Thatsache aus der außerordentlichen Vermehrung einer Bacillariaceen-Art, welche im Frühjahr im Plöner Plankton dominiert. Auch schon in

früheren Jahren scheint der nämliche Monat große Volumina gezeitigt zu haben.

C. Apstein, der 1892 und 1893 quantitative Studien am Plöner See betrieb, registriert z. B. für Anfang Mai des erstgenannten Jahres das ansehnliche Volumen von 197 ccm, und für Ende Mai 1621), woraus sich ein Monatsmittel von 179,5 ccm ergibt. Das in unserer Tabelle verzeichnete Quantum bleibt somit noch um 6,5 ccm hinter dem von 1892 zurück. Im Uebrigen liefern aber meine neueren Messungen einen Beleg dafür, dass die monatliche Durchschnittsproduktion an Plankton von März bis August immer zunimmt, um von da an in ähnlichem Verhältnis wieder herabzugehen. Für Anfang und Ende Juli 1892 teilt Apstein die Zahlen 152 und 424 mit. Das Mittel hieraus ist 288 (gegen 306 für 1895). Für Anfang und Ende November 1892 lauten die Volumenangaben Apstein's 91 und 114, was im Mittel von 102,5 ergibt (gegen 99,7 für voriges Jahr). Außerdem liegen noch für Anfang und Ende des April 1893 Volumenmessungen desselben Autors vor, welche 61 und 38 ccm bezüglich dieses Monats konstatieren. Dadurch bestimmt sich das Mittel zu 49,5 im Vergleich zu 43,0 in 1895. Diese Zahlen sind in ihrer Gegenüberstellung so überzeugend, dass man auf Grund derselben die These aufzustellen wagen darf: In den verschiedenen aufeinanderfolgenden Jahren stimmt die durchschnittliche Planktonproduktion eines Sees in den korrespondierenden Monaten, was deren Quantität anbelangt, fast vollständig überein. Die Abweichungen betragen jedenfalls nur wenige Prozente, wie durch folgenden Vergleich erwiesen wird:

[blocks in formation]

Wenn man hierbei in Erwägung zieht, dass die Fänge, welche diesen Ermittelungen zu Grunde liegen, durch zwei völlig von einander unabhängige Beobachter und in drei verschiedenen Jahren gemacht worden sind, so muss der hohe Grad von Uebereinstimmung, den sie darbieten, überraschen. Die hervortretenden Differenzen, die überhaupt unbeträchtlich sind, wären vielleicht noch geringer, wenn den Apstein'schen Mittelzahlen nicht bloß 2, sondern 3 Volumenmessungen zu Grunde lägen, wie dies bei den von mir berechneten Monatsmitteln der Fall ist. Zunächst aber reichen die einander gegenübergestellten 1) Vergl. C. Apstein, Vergleich der Planktonproduktion in verschiedenen holstein. Seen. Festschrift für A. Weismann, 1894.

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