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höheren Insekten insofern noch unvollkommen entwickelt, als sie nicht in der allgemein typischen Sechszahl, sondern nur erst in Vierzahl ausgebildet sind. Zu ihrer Seite stehen noch im neunten Segmente die bereits erwähnten Styli.

Erst bei den flügeltragenden Insekten treten die Gonapophysen in ihrer charakteristischen Weise auf. Durch ein weiteres Paar von Hautwucherungen (laterale Gonapophysen) werden im 9. Segmente nämlich die Styli ersetzt und verschwinden, wie sich bei der Entwicklung von Periplaneta und Decticus noch direkt beobachten lässt. Da dieser Ersatz nur bei den Legeapparaten weiblicher Insekten sich vollzieht, so erklärt sich die bekannte Erscheinung, dass männliche Orthopteren meist noch dauernd im Besitze von Styli bleiben, mithin von primitiven Charakteren, die dem Weibchen eben in Folge der Ausbildung ihrer komplizierten Legeröhre schon frühzeitiger verloren gingen.

Zieht man einen Schluss aus den hier mitgeteilten, übrigens ausnahmslos bereits bekannten Thatsachen, so ergibt sich eine nahezu vollständige Uebereinstimmung zwischen den Ergebnissen der vergleichenden Anatomie (Morphologie) und den oben genannten ontogenetischen Befunden. Wenn letztere zeigen, dass im Laufe der Entwicklung gegenwärtig die Geschlechtsanhänge niemals aus Beinanlagen hervorgehen, so lehrt eine Betrachtung der ausgebildeten niederen Tracheaten, dass ebenfalls kein Anzeichen auf eine frühere Abstammung der Gonapophysen von Abdominalbeinen hindeutet.

Diese wohl eigentlich ziemlich nahe liegenden Erwägungen sind von Verhoeff nicht berücksichtigt worden. Er sucht vielmehr die Gonapophysen von „ehemaligen Lokomotionsanhängen" abzuleiten und glaubt das Vorhandensein eines doppelten Gonapophysenpaares mit einer später eingetretenen Zweiästigkeit der betreffenden hypothetischen Abdominalbeine erklären zu können. Im Hinblick auf die geschilderten Verhältnisse bei Machilis deutet er nämlich bei höheren Insekten die lateralen Gonapophysen des neunten Segmentes als die Hüftstücke oder coxae, die medialen als die Summe der übrigen Extremitätenglieder eines Beines und meint, man hätte sich nur vorzustellen, dass im Laufe der Zeit die coxen sich deckplattenartig vorstülpten und die übrigen Extremitätenglieder, die sich mehr und mehr im Dienste der Fortpflanzung ummodelten, schützend be deckten". Damit würde also aus einem einzelnen Bein ein Paar

von Gonapophysen geworden sein!

Das Gewagte dieser Hypothese liegt wohl auf der Hand, und ich glaube eine eingehende Kritik mir denn auch hier ersparen zu können. Bemerken muss ich jedoch, dass der von Verhoeff ausgesprochene Gedanke (Ableitung der Gonapophysen von Thysanurenbeinen) auch

nicht ganz neu ist, sondern im wesentlichen bereits von Grassi1) erwogen wurde allerdings um als unhaltbar wieder fallen gelassen

zu werden.

Das Urteil des italienischen Forschers, dem wir die erschöpfendsten Untersuchungen über die gerade für Beurteilung der vorliegenden Frage sehr wichtigen Thysanuren zu verdanken haben, lasse ich hier wörtlich folgen: „Tenendo presenti appena le gonapofisi delle Lepismide e di Machilis, è facile lasciarsi indurre a considerarle come arte trasformati e a farle derivare da esagerata biforcazione delle zampe che esistevano una volta all' addome degli insetti. Ciò non viene però confortato nè da Campodea, nè da Japyx. Aggiungasi che nel loro sviluppo queste gonapofisi non hanno alcun rapporto colle pseudozampe, le quali si possono trovare anche sui segmenti ottavo e nono (es. Nicoletia)".

An anderer Stelle sagt er: „Anche lo studio dei maschi dei tisanuri ci fa escludere la possibilità di omologhizzare le appendici sessuali esterne colle zampe“.

In diese fehlerhafte Deutung, auf die also schon vor Jahren von Grassi aufmerksam gemacht und gewarnt wurde, ist jetzt Verhoeff verfallen. In allzu einseitiger Verwertung der Verhältnisse bei Machilis und unter Missachtung der neueren entwicklungsgeschichtlichen Ergebnisse gelangt der genannte Autor zur Aufstellung seiner Theorie.

Grassi hat auf Grund ausgedehnter Forschungen die Styli der Insekten direkt als „pseudozampe" bezeichnet, und ich glaube, dass man ihm hierin im wesentlichen auch beipflichten kann. Wenngleich spätere Untersuchungen an den entwicklungsgeschichtlich bisher ungenügend studierten apterygogenen Insekten noch weitere Aufschlüsse über die Styli geben müssen, so habe ich gleichfalls die Ansicht stets vertreten, dass auf Grund unserer bisherigen Erfahrungen die Styli als Ueberreste ehemals am Abdomen vorhanden gewesener Extremitäten zu deuten sind. Der verdienstvolle französische Forscher Peytoureau 2) hat sich auf einen ganz ähnlichen Standpunkt gestellt.

Die Ontogenie lehrt, dass der Stylus bei den Insekten aus einer Extremitätenanlage hervorgeht, und zwar geschieht dies bei den Orthopteren schon während des Embryonallebens, bei Lepisma saccharina, bei Thermobia erst nach dem Ausschlüpfen aus dem Ei. In allen bisher untersuchten Fällen hat sich ergeben, dass die Beziehung zwischen dem Stylus und der Gliedmaßenanlage eine derartige ist, dass der

1) Grassi B., I progenitori dei Miriapodi e degli Insetti. R. Acad. Linc., 1888.

2) Peytoureau A., Contribution à l'étude de la Morphologie de l'armure génitale des Insectes. Paris 1895.

erstere eine unmittelbare Verlängerung oder einen Auswuchs der Extremitätenanlage darstellt. In rein anatomischer Hinsicht hat man dementsprechend den Stylus nur als eine Hautausstülpung zu betrachten. Indessen fällt dieser Umstand für die morphologische Betrachtungsweise deswegen nicht sehr ins Gewicht, weil auch die Geißeln an den Antennen vieler Insekten, weil auch die am Hinterleibsende sitzenden Cerci im wesentlichen nur Hautausstülpungen repräsentieren, ohne dass man doch an der Extremitätennatur der letzteren Anhänge noch zu zweifeln pflegt. Man kann somit den als Extremitäten anerkannten Cerci die Styli als homodynam (nicht homolog, wie Verhoeff mit Recht hervorhebt) betrachten.

Selbstverständlich wird man gut thun, die Styli nun nicht ohne weiteres als typische Extremitäten gelten zu lassen, man kann sie aber, wie ich es seiner Zeit schon that, als Ueberbleibsel oder Rudimente von solchen auffassen, was von Grassi mit der Bezeichnung pseudozampe ebenfalls ausgedrückt wurde.

In die Rubrik derartiger Abdominalanhänge gehören ferner, wie ich kürzlich1) nachweisen konnte, die Tracheenkiemen der Larven von Ephemera und Sialis, welche ontogenetisch sich gleichfalls auf Extremitätenanlagen zurückführen lassen.

Alle die hier genannten Abdominalanhänge stimmen jedenfalls in der Hinsicht überein, dass sie die früher bei den Vorfahren vorhanden gewesenen, jetzt aber verloren gegangenen, Extremitäten ver

treten.

Wie seiner Zeit einmal die Rückbildung der Abdominalextremitäten bei den Insekten vor sich gegangen, entzieht sich naturgemäß unserer Kenntnis. Es ist aber wohl anzunehmen, dass die Abdominalextremitäten nicht mit einem Male verschwanden, sondern dass sie anfangs durch einfache Hypodermiserhebungen ersetzt wurden, die an ihre Stelle traten, dass in manchen Fällen vielleicht die rudimentären Extremitätenstummel sich selbst direkt in solche Hypodermisfortsätze umgestalteten.

Da die abdominalen Hypodermisfortsätze natürlich aber auch noch geeignet waren, dem Tiere einen Vorteil zu verschaffen, so passten sie sich wieder speziellen Funktionen an und haben sich heutzutage noch bei einigen Formen, allerdings nur bei niederen Insekten, als Styli, als Atmungsorgane etc. erhalten.

Wenn ich die Styli in diesem Sinne als Ueberreste oder Rudimente ehemaliger abdominaler Extremitäten gedeutet habe und auch jetzt noch an dieser Deutung festhalte, so geschieht dies also besonders im Hinblick auf die bisherigen ontogenetischen Resultate und zugleich in

1) Heymons R., Ueber die Fortpflanzung und Entwicklungsgeschichte der Ephemera vulgata L. Sitzungsber. d. Ges. Nat. Fr. Berlin, 1896.

Berücksichtigung auf ihr allgemein verbreitetes Vorkommen gerade bei den niedersten Insektenrepräsentanten.

Die Schwierigkeit, die Verhoeff im Anschluss an Haase1) darin erblickt und welche es gerade war, die in erster Linie ihn zu seinen irrtümlichen Folgerungen verleitete, dass nämlich gewisse griffelartige Anhänge auch an Thoraxbeinen von Machilis vorkommen und wieder sekundäre Anhänge der letzteren darstellen, vermag ich als solche nicht anzuerkennen. Es ist leicht einzusehen, dass den Styli entsprechend gestaltete Hypodermisfortsätze gelegentlich sehr wohl an anderen Körperstellen zur Entwicklung gelangen können.

Aus dem Gesagten geht zur Genüge hervor, dass sich eine absolut scharfe Grenze zwischen Hypodermisfortsatz und Extremität überhaupt niemals wird ziehen lassen. Es ist dies eine Thatsache, die nicht überraschen darf. Sobald unsere Kenntnisse eine gewisse Erweiterung erlangt haben, pflegt es sich ja in der Wissenschaft sehr häufig zu zeigen, dass die Grenzen, die unseren durch Worte formulierten Begriffen zu Grunde liegen, zu eng sind. Die Natur bindet sich nicht an menschliche Einteilungen. So sehen wir denn auch am Insektenkörper beinahe alle Uebergänge von wohl entwickelten Extremitäten, wie den Thoraxbeinen, zu minder entwickelten (Antennen, Sialis-Kiemen, Cerci) bis zu solchen hin, die eigentlich nur noch den Wert von Hautausstülpungen (Styli, Tracheenkiemen von Ephemera) besitzen.

Diese Anhänge lassen sich aber gleichwohl in letzter Instanz voraussichtlich alle auf eine einheitliche Ausgangs- und Grundform, nämlich auf die früher an sämtlichen Körpersegmenten und somit auch am Abdomen vorhanden gewesenen Extremitäten zurückführen. Hierdurch treten die Gliedmaßenderivate in einen, im Laufe der Zeit sich freilich immer mehr und mehr verwischenden, Gegensatz zu anderen phyletisch jüngeren hypodermalen Anhängen und Auswüchsen des Insektenabdomens.

Dass die Cerci, die Styli u. s. w. noch letzte Wahrzeichen ehemaliger am Hinterleibe vorhandener Gangbeine und somit Anklänge an frühere myriopodenähnliche Stammformen sind, darf, wie ich hoffe, nach unseren gegenwärtigen Kenntnissen wohl ziemlich als gesichert gelten. Dies Resultat ließ sich freilich erst nach langwierigen anatomischen und ontogenetischen Untersuchungen erlangen, über die man sich nicht hinwegsetzen darf. Denn nur unter gleichzeitiger Berück

1) Die Differenz zwischen Haase und Grassi, ob die Styli Hautwucherungen oder Rudimentärbeine seien, erklärt sich damit, dass ersterer die Sachlage vorzugsweise vom anatomischen, letzterer vom vergleichenden und phylogenetischen Standpunkte betrachtete. In gewissem Sinne haben beide Recht: Die Styli sind Hautfortsätze, die an die Stelle der eigentlichen Extremitäten getreten sind. Nicht zutreffend ist es aber, wenn Haase erklärt, dass die Styli der Insekten den Beinen nicht einmal homostich wären,

sichtigung beider Gebiete werden wir unser Ziel erreichen können, welches nicht in einer einseitigen Beschreibung der Morphologie ausgebildeter Insekten, sondern in einem richtigen Verständnis für ihren Körperbau und ihr ganzes Wesen besteht. Berlin im September 1896.

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Anwendung von Mikrophotographie zur Anfertigung genauer Abbildungen.

Von Joseph Eismond.

(Aus dem zootomischen Institut der Universität Warschau.)

Anfertigung einer Handzeichnung, die sowohl feinere Details, als auch das Gesamtbild und den Charakter selbst eines histologischen Präparats wiedergeben könnte, bietet bekanntlich viele Schwierigkeiten dar, insbesondere in den Fällen, wo einer im Zeichnen wenig Uebung hat. Unter diesen Umständen nimmt Anwendung von Mikrophotographie in neuester Zeit immer mehr an allgemeiner Verbreitung zu, umsomehr, als es sich noch um etwas anderes handelt. Eine durch Lichtdruck reproduzierte photographische Aufnahme ist immer ein Dokument, indessen sieht man öfters verschiedenen morphologischen Arbeiten Abbidungen beigelegt, welche sehr wenig an betreffende Präparate erinnern.

Photographische Aufnahmen ihrerseits sind leider nicht in allen Fällen zu benutzen. Währenddem Präparate, deren Strukturbilder selbst ganz klar hervortreten, indem man dabei hauptsächlich das Gesamtbild naturgetreu kopiert haben will, direkt mit aller Bequemlichkeit nach photographischen Aufnahmen abgebildet werden können, treten dagegen ernste Schwierigkeiten in den Weg, wenn man in derselben Weise auch feinere Strukturverhältnisse irgend eines kompliziert gebauten Gewebes oder Organs (z. B. der Milz) ganz klar wiedergeben will. Die Vorteile der Photographie werden noch geringfügiger, falls man die feinere Struktur der Zelle selber so maschinenweise unserem Verständnis näher zu bringen sich bemüht. Wenn wir aber ein Präparat haben, wo verschiedene Strukturelemente lediglich durch mehrfach kombinierte Färbung präzisiert worden sind, so gibt uns dafür die Photographie gar keinen Gewinn. Mit Rücksicht auf solche Uebelstände sind häufig verschiedene Autoren gezwungen, ihren Arbeiten neben photographischen Reproduktionen die üblichen halbschematischen Handzeichnungen beizulegen. Es ist also klar, dass die Handzeichung zur Zeit noch nicht zu ersetzen ist.

Ich möchte hier ein Paar Worte über ein Verfahren mitteilen, welches meines Erachtens einen sehr guten Dienst leisten kann und, wenn ich mich nicht irre, bisher noch zu keiner Anwendung kam. Auf

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