Imagens das páginas
PDF
ePub

Gott machte sie!

Gott ist, wo die Blum' ist!

Mit heilgem Schauer

Fühl ich das Wehn,

Hier ist das Rauschen der Lüfte!

Er hieß sie wehen und rauschen,
Der Ewige!

Wo sie wehen, und rauschen,
Ist der Ewige!

Freu dich deines Todes, o Leib!

Wo du verwesen wirst,

Wird der Ewige seyn!

Freu dich deines Todes, o Leib !
In den Tiefen der Schöpfung,
In den Höhen der Schöpfung,
Werden deine Trümmern verwehn!
Auch dort, Berwester, Verstäubter,
Wird er seyn der Ewige!

Die Höhen werden sich bücken!
Die Tiefen sich bücken!

Wenn der Allgegenwärtige nun
Wieder aus Staube

Unsterbliche schaft!

Halleluja dem Schaffenden! Dem Tödtenden Halleluja! Halleluja dem Schaffenden!

In diesem stürmischen Feuer ist das ganze Stücke geschrieben. — Aber was sagen Sie zu der Versart; wenn ich es anders eine Versart nennen darf? Denn eigentlich ist es weiter nichts als eine künstliche Prosa, in alle kleinen Theile ihrer Perioden aufgelöset, deren jeden man als einen einzeln Vers eines besondern Sylbenmaasses betrachten kann. Sollte es wohl nicht rathsam seyn, zur musikalischen Composition bestimmte Gedichte in diesem prosaischen Sylbenmaasse abzufassen? Sie wiffen ja, wie wenig es dem Musikus überhaupt hilft, daß der Dichter ein wohlklingendes Metrum gewählet, und alle Schwierigkeiten desselben forgfältig und glücklich überwunden hat. Oft ist es ihm so gar

hinderlich, und er muß, um zu seinem Zwecke zu gelangen, die Harmonie wieder zerstören, die dem Dichter so unfägliche Mühe gemacht hat. Da also der prosaische Wohlklang entweder von dem musikalischen verschlungen wird, oder wohl gar durch die Collision leidet, und Wohlklang zu seyn aufhöret; wäre es nicht besser, daß der Dichter überhaupt für den Musikus in gar keinem Sylbenmaasse schriebe, und eine Arbeit gänzlich unterliesse, die ihm dieser doch niemals danket? - Ja ich wollte noch weiter gehen, und diese freye Versart so gar für das Drama empfehlen. Wir haben angefangen, Trauerspiele in Prosa zu schreiben, und es sind viel Leser sehr unzufrieden damit gewesen, daß man auch diese Gattung der eigentlichen Poesie dadurch entreiffen zu wollen scheinet. Diese würden sich vielleicht mit einem solchen Duasi-Metro befriedigen lassen; besonders wenn man ihnen sagte, daß z. E. die Verse des Plautus nicht viel gebundener wären. Der Scribent selbst behielte dabey in der That alle Freyheit, die ihm in der Profe zustatten kömmt, und würde bloß Anlaß finden, seine Perioden desto symmetrischer und wohlklingender zu machen. Wie viel Vortheile auch der Schauspieler daraus ziehen könnte, will ich igt gar nicht erwähnen; wenn sich nehmlich der Dichter bey der Abtheilung dieser freyen Zeilen nach den Regeln der Declamation richtete, und jede Zeile so lang oder kurz machte, als jener jedesmal viel oder wenig Worte in einem Athem zusammen aussprechen müßte. 2c.

Das einzige Stück des nordischen Aufsehers, welches in die Critik einschlägt, ist das sechs und zwanzigste, und handelt von den Mitteln, durch die man den poetischen Stil über den prosaischen erheben könne und müsse. Es ist sehr wohl geschries ben, und enthält vortrefliche Anmerkungen. Gleich Anfangs merket der Verfasser an, daß keine Nation weder in der Profe noch in der Poesie vortreflich geworden ist, die ihre poetische Sprache nicht sehr merklich von der prosaischen unterschieden hätte. Er beweiset dieses mit dem Exempel der Griechen Römer, Italiäner und Engländer. Von den Franzosen aber sagt er: „Die Franzosen, welche die Prose der Gesellschaften, und ,, was derselben nahe kömmt, mit der meisten Feinheit und vielleicht am ,,besten in Europa schreiben, haben ihre poetische Sprache unter allen

"

[ocr errors]

,,am wenigsten von der prosaischen unterschieden. Einige von ihren ,,Genies haben selbst über diese Fesseln geklagt, die sich die Nation von „ihren Grammaticis und von ihren Petitsmaiters hat anlegen lassen. „Unterdeß würde man sich sehr irren, wenn man glaubte, daß ihre ,,Poesie gar nicht von ihrer Prose unterschieden wäre. Sie ist dieses ,,bisweilen sehr; und wenn sie es nicht ist: so haben wir wenigstens ,, das Vergnügen, da, wo wir bey ihnen den poetischen Ausdruck ver,,missen, schöne Prose zu finden: ein Vergnügen, das uns diejenigen ,, unter den Deutschen selten machen, welche an die wesentliche Verschie„denheit der poetischen und der prosaischen Sprache so wenig zu den,,fen scheinen." Er kömmt hierauf auf die Mittel selbst, wodurch diese Verschiedenheit erhalten wird. Das erste ist die sorgfältige Wahl der Wörter. Der Dichter muß überall die edelsten und nachdrücklichsten Wörter wählen. Unter die legtern zehlet er auch diejenigen, die mit Geschmack zusammen gesegt sind. „Es ist, sagt er, der Natur unserer Sprache gemäß, sie zu brauchen. „Wir sagen so gar im gemeinen Leben: Ein gottesvergeßner Mensch. ,,Warum sollten wir also den Griechen hierinn nicht nachahmen, da uns „unsere Vorfahren schon lange die Erlaubniß dazu gegeben haben?“ Das zweyte Mittel bestehet in der veränderten Ordnung der Wörter; und die Regel der zu verändernden Wortfügung ist diese: Wir müssen die Gegenstände, die in einer Vorstellung am meisten rühren, zu erst zeigen. Aber nicht allein die Wahl „guter Wörter, fährt der Verfasser fort, und die geänderte Verbin,,dung derselben unterscheiden den poetischen Perioden von dem prosai„schen. Es sind noch verschiedene von denen anscheinenden Kleinigkei,,ten zu beobachten, durch welche Virgil vorzüglich geworden ist, was er ist. Ich nehme an, daß die Wörter des Perioden und die Drd,,nung derselben, der Handlung, die der Periode ausdrücken soll, ge‚mäß find. Aber gleichwohl gefällt er noch nicht genug. Hier ist eine Redensart, wo nur ein Wort seyn sollte. Und nichts tödtet die Handlung mehr, als gewisse Begriffe in Redeñsarten ausdehnen. Es ,, kann auch bisweilen das Gegentheil seyn. Hier sollte eine glückliche Redensart stehen. Der Gedanke erfordert diese Ausbildung. Dört ,,find die Partikeln langweilig, welche die Glieder des Perioden fast ,,unmerklich verbinden sollten. Sie sinds unter andern, wenn sie zu ,,viel Sylben haben. Ein: dem ungeachtet könnte die schönste Stelle

"

[ocr errors]

"

"

"

"

„verderbeu. Sie sinds ferner, wenn sie da gesezt werden, wo sie, ,, ohne daß die Deutlichkeit oder der Nachdruck darunter litte, wegblei„ben könnten. Das doch, mit dem man wünscht, gehört vornehmlich „hierher. In einer andern Stelle stand die Interjection nicht, wo sie ,, stehen sollte. Das Ach fieng den Perioden an; und es hätte glück,,licher vor den Wörtern gestanden, welche die Leidenschaften am mei,,sten ausdrücken. Ein andermal hat der Verfasser nicht gewußt, von „welcher Kürze, und von welcher Stärke das Participium gewesen seyu ,,würde. Darauf hat er es wieder gesezt, wo es nicht hingehörte.“

Schliessen Sie aus dieser Stelle, wie viel feine Anmerkungen und Regeln der Verfasser in einen kleinen Raum zu concentriren gewußt hat. Ich möchte gern allen unsern Dichtern empfehlen, dieses Stück mehr als einmal zu lesen; es mit allem Fleisse zu studiren. Es würde jeder alsdenn wohl von selbst finden, wenn und wie diese oder jene allgemeine Regel des Verfassers eine Ausnahme leiden könne und müsse. Die sorgfältige Wahl der edelsten Wörter, z. E. leidet alsdenn einen grossen Abfall, wenn der Dichter nicht in seiner eignen Person spricht. In dem Drama besonders, wo jede Person, so wie ihre eigene Denkungsart, also auch ihre eigne Art zu sprechen haben muß. Die edelsten Worte sind eben deswegen, weil sie die edelsten sind, fast niemals zugleich diejenigen, die uns in der Geschwindigkeit, und besonders im Affecte, zu erst beyfallen. Sie verrathen die vor Hergegangene Ueberlegung, verwandeln die Helden in Declama tores, und stören dadurch die Jllusion. Es ist daher sogar ein grosses Kunststück eines tragischen Dichters, wenn er, besonders die erhabensten Gedanken, in die gemeinsten Worte kleidet, und im Affecte nicht das edelste, sondern das nachdrücklichste Wort, wenn es auch schon einen etwas niedrigen Nebenbegriff mit sich führen sollte, ergreiffen läßt. Von diesem Kunststücke werden aber freylich diejenigen nichts wissen wollen, die nur an einem correcten Racine Geschmack finden, und so unglücklich sind, feis nen Shakespear zu kennen.

SE

VIII. Den 23 August. 1759.

Zwen und funfzigster Brief.

[ocr errors]

Ich kann Ihnen nicht Unrecht geben, wenn Sie behaupten, daß es um das Feld der Geschichte in dem ganzen Umfange der deutschen Litteratur, noch am schlechtesten aussehe. Angebauet zwar ist es genug; aber wie? Auch mit ihrer Ursache, warum wir so wenige, oder auch wohl gar keinen vortrefflichen Geschichtschreiber aufzuweisen haben, mag es vielleicht seine Richtigkeit haben. Unsere schönen Geister sind selten Gelehrte, und unsere Gelehrte selten schöne Geister. Jene wollen gar nicht lesen, gar nicht nachschlagen, gar nicht sammlen; kurz, gar nicht arbeiten: und diese wollen nichts, als das. Jenen mangelt es am Stoffe, und diesen an der Geschicklichkeit ihrem Stoffe eine Gestalt zu ertheilen.

Unterdessen ist es im Ganzen recht gut, daß jene sich gar nicht damit abgeben, und diese sich in ihrem wohlgemeinten Fleisse nicht stören lassen. Denn so haben jene am Ende doch nichts verdorben, und diese haben wenigstens nügliche Magazine angelegt, und für unsere künftige Livios und Tacitos Kalk gelöscht und Steine gebrochen.

Doch nein, laffen Sie uns nicht ungerecht seyn; verschiedene von diesen haben weit mehr gethan. Es ist eine Kleinigkeit, was einem Bünau, einem Mascau zu vollkommenen Geschichtschreibern fehlen würde, wenn sie sich nicht in zu dunkele Zeiten gewagt hätten. Wem kann hier, wo die Quellen oft gar fehlen, oft so verderbt und unrein sind, daß man sich aus ihnen zu schöpfen scheuen muß; hier, wo man erst hundert Widersprüche zu heben und hundert Dunkelheiten aufzuklären hat, che man sich nur des kahlen, trockenen Factums vergewissern kann; hier, wo man mehr eine Geschichte der streitigen Meinungen und Erzehlungen von dieser oder jener Begebenheit, als die Begebenheit selbst vortragen zu können, hoffen darf: wem kann hier auch die größte Kunst zu erzehlen, zu schildern, zu beurtheilen, wohl viel helfen? Er müßte sich denn kein Gewissen machen, uns seine Vermuthungen für Wahrheiten zu verkaufen, und die Lücken der Zeugnisse aus seiner Erfindung zu Lessings Werke VI.

10

« AnteriorContinuar »