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er aber blos diese seine Empfindungen auszudrücken suchte, und den Reichthum von deutlichen Gedanken und Vorstellungen, der die Empfindungen bey ihm veranlaßt hatte, durch den er sich in das andächtige Feuer gesezt hatte, verschwieg und uns nicht mittheilen wollte: so ist es unmöglich, daß sich seine Leser zu eben den Empfindungen, die er dabey gehabt hat, erheben können. Er hat also, wie man im Sprüchworte zu sagen pflegt, die Leiter nach sich gezogen, und uns dadurch Lieder geliefert, die von Seiten seiner, so voller Empfindung sind, daß ein unvorbereiteter Leser oft gar nichts dabey empfindet. Der Hamburgische Anzeiger sagt, es sey ihm dieses mein Urtheil eben so vorgekommen,,,als ob jemand von Lessings schönen Fabeln ,,urtheilen wollte, sie wären so wigig, daß sie oft ganz aber,,wißig darüber würden. Der Herr versuche nunmehr, ob er in seine Instanz eben den richtigen Sinn legen kann, der in meinem Urtheile liegt. Desto schlimmer aber für Lessingen, wenn seine Fabeln nichts als witzig sind!

Hundert und zwölfter Brief.

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Herr Basedow und nun werde ich seiner zum letztenmale gedenken, wirft auf allen Seiten mit Lieblosigkeiten, mit Verleumdungen um sich; und der Hamburgische Anzeiger sagt, daß ein sehr niedriger Bewegungsgrund mich aufgebracht habe, den Aufseher als ein höchst schlechtes Werk herunter zu segen. Beyde Herren muß ein verborgenes Geschwür jucken, das sie mit aller Gewalt aufgestochen wissen wollen. Ihr Wille geschehe also. Ich wünsche, daß die Operation wohl bekommen möge.

Erinnern Sie sich wohl des erdichteten Briefes, den der nordische Aufseher in seinem sieben und dreyßigsten Stücke mittheilet? Vielleicht haben Sie ihn überschlagen. Ich meine folgenden. Mein Herr!

,,Hoffentlich werden Sie sich doch, bey dem Schlusse des ersten ,,Theils ihrer Blätter, in Kupfer stechen lassen. Ich habe Sie zwar noch „nicht gesehen, so oft ich sie auch auf unsern Spaziergängen aufgesucht ,,habe, und ich habe ein scharfes Gesicht. Gewiß Sie entziehen sich „dem Publico allzusehr. Dennoch getraue ich mir, Sie vollkommen

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,,ju treffen. Das verspreche ich: Ihr Portrait soll keinem in der ,, Bibliothek der schönen Wissenschaften etwas nachgeben. Ein altes saures Gesicht mit Runzeln, wie Gellert und ein anderer Dichter; ,,tiefsinnig; schief; auch ein wenig műrrisch; denn im Schatten bin ,,ich stark. Nicht wahr? Ich warte nur auf Ihre Erlaubnis, mein „Herr, um den Grabstichel in die Hand zu nehmen; die Platte ist ,,schon fertig. Ich mache auch Inscriptionen in Prosa und Versen, , wenn Sie sie haben wollen. Ihr Verleger ist, wie ich höre, so eigen, ,,daß er Ihr Bild dem Werke, ohne Ihr Wissen nicht vorsezen will. „Aber der wunderliche Mann! Er soll nicht dabey zu kurz kommen; ,,das Buch wird gewiß desto bessern Abgang haben. Nur muß er ,,meine Mühe nicht umsonst verlangen.

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„Das will ich Ihnen noch im Vertrauen stecken: Ich kenne eine ,, etwas betagte reiche Wittwe, welche alle Augenblicke bereit ist, sich ,,in Sie zu verlieben, wenn Sie so aussehen, wie ich Sie zeichnen. ,,will. Die Frau sieht nicht übel aus. Sie sind doch noch Witt,,wer? Ich bin

Mein Herr

Ihr unterthänigster Diener
Philipp Rauk.
Kupferstecher.

Ich frage einen jeden, dem es bekannt ist, daß der Kupferftecher, der ein Paar Portraits vor der Bibliothek der schönen Wissenschaften gemacht hat, wirklich Bauke heißt, ob diesem Briefe das geringste zu einem förmlichen Pasquille fehlt? Ich wußte nicht, ob ich meinen Augen trauen sollte, als ich sahe, daß sich ein Mann, wie der Nordische Aufseher, der von nichts als Religion und Redlichkeit schwagt, der es seiner Würde für unanständig erklärt hatte, sich mit der Satyre abzugeben, daß sich so ein Mann so schändlich vergangen hatte. Gesezt der Künstler spräche zu ihm: „Mein Herr, der sie so ,, eigenmächtig nicht Tadel, sondern Schande austheilen, darf ,, ich wohl wissen, wie ich zu diesem Brandmahle komme? Es ,, ist wahr, ich habe eines von den bewußten Portraits gestochen; ,, aber nicht aus freyem Willen, sondern weil es mir aufgetra,,gen ward, weil mir die Arbeit bezahlt ward, und ich von ,, dieser Beschäftigung lebe. Ich habe mein Bestes gethan. ,,Allein man hat mir ein so schlechtes Gemählde geliefert, daß

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„ich nichts besseres daraus habe machen können. Ich sage Jh,,nen, daß alle die Fehler, die sie in meinem Stiche tadeln, ,, in dem Gemählde gewesen sind; und daß ein Kupferstecher keinen Fehler des Gemähldes nach Gutdünken verbessern kann, ,, ohne in Gefahr zu seyn, die Aehnlichkeit auf einmal zu verz ,, nichten. Was weis ich, ob Herr Gellert ein Adonis ist, ,, oder ein saures Gesicht mit Runzeln hat? Was weis ich, ob ,, der andere Dichter (den ich nicht einmal gestochen habe) schief ,,und mürrisch aussieht? Wir Kupferstecher stechen die Leute, ,, wie wir sie gemahlt finden. Und als Kupferstecher, sollte ich ,,meinen, hätte ich doch immer noch einen Stichel gezeigt, der ,, fester und kühner ist, und mehr verspricht, als daß er eine so ,,öffentliche Beschimpfung verdient hätte. Doch dem sey wie ,, ihm wolle. Wenn ich auch schon der allerelendeste Kupfer,,stecher, wäre, warum gehen Sie aus den Schranken des kriti ,,schen Tadels? Warum muß ich noch etwas schlimmeres als ,, der elendeste Kupferstecher, warum muß ich ihr Kuppler feyn? „Muß ich ihr Kappler seyn, weil ihre Freunde das Unglück ,,durch mich gehabt haben, nicht so schön und artig in der Welt ,,zu erscheinen, als sie sich in ihren Spiegeln erblicken? Dieses einzige frage ich Sie: muß ich darum ihr Ruppler seyn? —Wenn, sage ich, der Künstler zu dem Aufseher so spräche; was könnte der fromme, redliche, großmüthige Mann antworten?

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Herr Basedow möchte gar zu gern meinen Namen wissen. Gut; er soll ihn erfahren, sobald einer von ihnen, entweder Herr Cramer, oder Herr Klopstock, oder Er selbst, das Herz hat, sich zu diesem Pasquille zu bekennen.

Siebenter Theil.

XII. Den 18. September. 1760.

Hundert und sieben und zwanzigster Brief.

டு.

Sie kennen doch den Aesopischen Zahnschreyer, Hermann Arel, den die Schweizerischen Kunstrichter vor einigen Jahren. mit so vieler zujauchzenden Bewunderung austrommelten? Er unterschied sich von andern Zahnschreyern besonders dadurch, daß

er sehr wenig redte. Wenn er aber seinen Mund aufthat, so geschah es allezeit mit einer Fabel. Der schnackische Mann war in der Schweiß überall willkommen; er durfte ungebeten bey den Tafeln und Gastmählern vornehmer und geringer Personen erscheinen; man hielt dafür, daß seine Zeche durch die Fabeln, die er unter die Gespräche mischte, überflüßig bezahlt sey. Unter andern wußte er sehr viel von Gauchlingen zu erzehlen; wie die Gauchlinger über ihre böse Bach rathschlagen; wie die Gauchlinger nicht Spighosen anstatt Pluderhosen tragen wollen; wie die Gauchlinger 2c. Alle diese Gauchlingiana haben seine Freunde zu Papiere gebracht, und sie in den Freymuthigen Nachrichten, in den Critischen Briefen, in der Vorrede zu M. v. K. Teuen Sabeln, zum ersten, zweyten, dritten, und der Himmel gebe, legten male drucken lassen.

Das alles wissen Sie. Aber wissen Sie auch, daß. Hermann Arel noch lebt? Daß er nunmehr auf seine eigene Hand ein Autor geworden ist? Daß er einen kläglichen Beweis gegeben, wie wirksam das Gift seiner Schmeichler auf seinen gefunden Verstand gewesen seyn müsse? Diese bösen Leute hatten ihn und den Aesopus so oft zusammen genennt, bis er sich wicflid für einen amenten Paticus (ὃς έφασκε την Αισωπου poxy Exεiv *) gehalten. Nun fiel Leßingen vor kurzem ein, an dieser Seelenwanderung zu zweifeln, und verschiedenes wider die Axelische Fabeltheorie einzuwenden. Wer hieß ihm das? Er hätte die Schweizer besser kennen sollen. Er hätte wissen sollen, daß sie den geringsten Widerspruch mit der plumpsten Schmähschrift zu rächen gewohnt sind. Hermann Axel spricht zwar wenig; aber er kann desto mehr schreiben. Er wird eine Sündfluth von Fabeln wider ihn ausschütten. Er wird mit Stoppen und Kråuterbündeln um sich werfen. Er wird — — alles thun, was er wirklich in folgendem Buche gethan hat Leßingische unåsopische Sabeln: enthaltend die sinnreichen Einfälle und weisen Sprüche der Thiere. Tebft damit einschlagender Untersuchung der Abhandlung Herrn Leßings

von der Kunst Fabeln zu verfertigen. "

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Dieses Buch, welches um die Helfte stärker ist als die Leßingischen Fabeln selbst, hat so viel sonderbare Seiten, daß ich kaum weis, von welcher ich es Ihnen am ersten bekannt machen soll. So viel läßt sich gleich aus dem Titel abnehmen, daß es aus Fabeln und Abhandlungen bestehet. Jene sollen spöttische Parodieen auf Leßings Fabeln seyn; und in diesen soll die Leßingische Theorie von der Fabel mit Gründen bestritten werden. Hermann Arel dünkt sich in Schimpf und Ernst maitre paffé; er will nicht bloß die Lacher auf seiner Seite haben, sondern auch die denkenden Köpfe; er fängt mit Fragengesichtern an, und höret mit Runzeln auf. Aber woher weis ich es, werden Sie fragen, daß Hermann Axel der Verfasser von diesen Leßingischen unäsopischen Fabeln ist? Woher? Er hat sich selbst dazu bekannt, indem er verschiedene von den Fabeln, die ihm in den Critischen Briefen beygelegt werden, hier wieder aufwärmt, hier zum viertenmale drucken läßt. Mit was für Recht könnte er das thun, wenn nicht diese sowohl als jene feine wären; wenn er nicht beyde für Geburten von ihm erkannt wissen wollte?

Lesen Sie nur gleich die erste Fabel, um alle die Beschuldigungen auf einmal zu übersehen, die er seinem witzigen Antagonisten macht. Witzig ist hier ein Schimpfwort, muß ich Ihnen sagen. Denn mit allem würde Leßing vor ihm noch eher Gnade finden, als mit seinem Wige. Den kann er durchaus nicht leiden.

Die neue Fabel-Theorie.

„Ich saß an einem murmelnden Bache auf einem glatten Steine, „und rief die Muse an, die den Aesopus seine Fabeln gelehrt hatte. „Indem kam mit seltsamen Bockssprüngen eine Gestalt wie eines Fau,,nus aus dem nahen Walde hervor; er kam gerade auf mich zu, und

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sagte: Die Muse hört dich nicht, sie ist igo beschäftiget einem „Poeten behzustehen, der den Tod Sauls und Jonathans singt: Ich ,,will statt ihrer dir beh deiner Geburt helfen. Ich bin von dem Ge,,folge der Musen, und diene den Poeten und Mahlern nicht selten ,,beh ihrer Arbeit; fie nennen mich Capriccio, ich bin jener Geist ille ciens animos & pectora verfans,

Spiritus a capreis montanis nomen adeptus.

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