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folgen können, hüllet ihn der Dichter vorher in Nebel ein; nicht weil man anstatt des entrückten Körpers einen Nebel gesehen, sondern weil wir das, was in einem Nebel ist, als nicht sichtbar denken. Daher kehrt er es auch bisweilen um, und läßt, anstatt das Object unsichtbar zu machen, das Subject mit Blindheit geschlagen werden. So verfinstert Neptun die Augen des Achilles, wenn er den Aeneas aus seinen mörderi schen Händen errettet, den er mit einem Rucke mitten aus dem Gewühle auf einmal in das Hintertreffen versegt. h In der That aber sind des Achilles Augen hier eben so wenig verfinstert, als dort die entrückten Helden in Nebel gehüllet; sondern der Dichter setzt das eine und das andere nur bloß hinzu, um die äusserste Schnelligkeit der Entrückung, welche wir das Verschwinden nennen, dadurch sinnlicher zu machen.

Den homerischen Nebel aber haben sich die Mahler nicht bloß in den Fällen zu eigen gemacht, wo ihn Homer selbst gebraucht hat, oder gebraucht haben würde; bey Unsichtbarwerdun gen, bey Verschwindungen: sondern überall, wo der Betrachter etwas in dem Gemählde erkennen soll, was die Personen des Gemähldes entweder alle, oder zum Theil, nicht erkennen. Minerva ward dem Achilles nur allein sichtbar, als sie ihn zu rückhielt, sich mit Thätigkeiten gegen den Agamemnon zu vergehen. Dieses auszudrücken, sagt Caylus, weis ich keinen andern. Rath, als daß man sie von der Seite der übrigen Rathsversammlung in eine Wolke verhülle. Ganz wider den Geist des Dichters. Unsichtbar feyn, ist der natürliche Zustand seiner Götter; es bedarf keiner Blendung, keiner Abschneidung der Lichtstrahlen, daß sie nicht gesehen werden; sondern es bedarf ei

h) Iliad. T. v. 321.

i) Zwar läßt Homer auch Gottheiten sich dann und wann in eine Wolke hüllen, aber nur alsdenn, wenn sie von andern Gottheiten nicht wollen gesehen werden. 3. E. Iliad. E. v. 282. wo Juno und der Schlaf yɛgɑ kσcauerw sich nach dem Jda verfügen, war es der schlauen Göttin höchste Sorge, von der Venus nicht entdeckt zu werden, die ihr, nur unter dem Vorwande einer ganz andern Reise, ihren Gürtel geliehen hatte. In eben dem Buche (v. 344.) muß eine güldene Wolke den wollusttrunkenen Jupiter mit seiner Gemahlin umgeben, um ihren züchtigen Weigerungen abzuhelffen:

ner Erleuchtung, einer Erhöhung des sterblichen Gesichts, wenn fie gesehen werden sollen. Nicht genug also, daß die Wolke ein willkührliches, und kein natürliches Zeichen bey den Mahlern ist; dieses willkührliche Zeichen hat auch nicht einmal die bestimmte Deutlichkeit, die es als ein solches haben könnte; denn sie brau chen es eben sowohl, um das Sichtbare unsichtbar, als um das Unsichtbare sichtbar zu machen.

XIII.

Wenn Homers Werke gänzlich verloren wären, wann wir von seiner Ilias und Odyssee nichts übrig hätten, als eine ähnliche Folge von Gemählden, dergleichen Caylus daraus vorgeschlagen: würden wir wohl aus diesen Gemählden,

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sie sollen ich will

von der Hand des vollkommensten Meisters seyn, nicht sagen, von dem ganzen Dichter, sondern bloß von seinem mahlerischen Talente, uns den Begriff bilden können, den wir igt von ihm haben?

a

Man mache einen Versuch mit dem ersten dem besten Stücke. Es sey das Gemählde der Pest. Was erblicken wir auf der Fläche des Künstlers? Todte Leichname, brennende Scheiterhau fen, Sterbende mit Gestorbenen beschäftiget, den erzürnten Gott auf einer Wolke, seine Pfeile abdrückend. Der größte Reich

Πως κ' ἐοι, ἐιτις νων θεων αιειγενετάων

Εύδοντ' αθρήσειες

Sie furchte sich nicht von den Menschen gesehen zu werden; sondern vfon den Göttern. Und wenn schon Homer den Jupiter einige Zeilen darau fagen läßt:

Ηρη, μήτε θεων τουε δειδιι, μητε
τιν ἀνδρων
Οψεσθαι· τοιον τοι ἐγω νεφος ἀμφικαλυψω

Χρυσεον,

so folgt doch daraus nicht, daß sie erst diese Wolke vor den Augen der Menschen würde verborgen haben: sondern es will nur so viel, daß sie in dieser Wolke eben so unsichtbar den Göttern werden solle, als sie es nur immer den Menschen sey. So auch, wenn Minerva sich den Helm des Pluto auffeget, (Iliad. E. v. 845.) welches mit dem Verhüllen in eine Wolke einerley Wirkung hatte, geschieht es nicht, um von den Trojanern nicht gesehen zu werden, die sie entweder gar nicht, oder unter der Gestalt des Sthenelus erblicken, sondern lediglich, damit sie Mars nicht erkennen möge.

a) Iliad. A. v. 44-53. Tableaux tirés de l'Iliade p. 70.

thum dieses Gemähldes, ist Armuth des Dichters. Denn sollte man den Homer aus diesem Gemählde wieder herstellen: was könnte man ihn sagen lassen? „Hierauf ergrimmte Apollo, und ,,schoß seine Pfeile unter das Heer der Griechen. Viele Grie= ,,chen starben und ihre Leichname wurden verbrannt." Nun lese man den Homer selbst:

Βη δε κατ' ουλύμποιο καρήνων χωομενος της,
Τοξ' ώμοισιν έχων, ἀμφηρεφεα τε φαρέτρην.
Εκλαγξαν δ' αρ' οΐςοι ἐπ' ώμων χωομένοιο,
Αυτου κινηθεντος· ὁ δ ̓ ἦτε νυκτι ἐοικως·
Εζετ' έπειτ' απάνευθε νεων, μετα δ' ον ἑηκε·
Δεινη δε κλαγγη γενετ' ἀργυρεοιο βιοιο.
Ουρηας μεν πρωτον ἐπῳχετο, και κυνας αργους·
Αυταρ έπειτ' αυτοισι βελος έχεπευκες ἐφιεις

-

den

Βαλλ'· άιει δε πυραι νεκυων καιοντο θαμειαι. So weit das Leben über das Gemählde ist, so weit ist der Dichter hier über den Mahler. Ergrimmt, mit Bogen und Köcher, steiget Apollo von den Zinnen des Olympus. Ich sehe ihn nicht allein herabsteigen, ich höre ihn. Mit jedem Tritte erklingen die Pfeile um die Schultern des Zornigen. Er gehet einher, gleich der Nacht. Nun sigt er gegen den Schiffen über, und schnellet fürchterlich erklingt der silberne Bogen ersten Pfeil auf die Maulthiere und Hunde. Sodann faßt er mit dem giftigern Pfeile die Menschen selbst; und überall lodern unaufhörlich Holzstösse mit Leichnamen. Es ist unmöglich die musikalische Mahlerey, welche die Worte des Dichters mit hören lassen, in eine andere Sprache überzutragen. Es ist eben so unmöglich, sie aus dem materiellen Gemählde zu vermuthen, ob sie schon nur der allerkleineste Vorzug ist, den das poetische Gemählde vor selbigera hat. Der Hauptvorzug ist dieser, daß uns der Dichter zu dem, was das materielle Gemählde aus ihm zeiget, durch eine ganze Gallerie von Gemählden führet.

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Aber vielleicht ist die Pest kein vortheilhafter Vorwurf für die Mahlerey. Hier ist ein anderer, der mehr Reiße für das Auge hat. Die rathpflegenden trinkenden Götter. 6 Ein goldner

b) Iliad. A. v. 1-4. Tableaux tirés de l'Iliade p. 30.

offener Pallast, willkührliche Gruppen der schönsten und verehrungswürdigsten Gestalten, den Pocal in der Hand, von Heben, der ewigen Jugend, bedienet. Welche Architektur, welche Massen von Licht und Schatten, welche Contraste, welche Mannigfaltigkeit des Ausdruckes! Wo fange ich an, wo höre ich auf, mein Auge zu weiden? Wann mich der Mahler so bezaubert, wie vielmehr wird es der Dichter thun! Ich schlage ihn auf, und ich finde mich betrogen. Ich finde vier gute plane Reiz len, die zur Unterschrift eines Gemähldes dienen können, in welchen der Stoff zu einem Gemählde liegt, aber die selbst kein Gemählde sind.

Οι δε πεοι παρ Ζηνι καθημενοι ἠγορούντο

Χρυσεῳ ἐν δαπεδῳ, μετα δε σφισι ποτνια Ήβη
Νεκταρ ἐφνοχοει· τοι δε χρυσεοις δεπάεσσι

Δειδέχατ' ἀλληλους, Τρωων πολιν εἰσορόωντες.

Das würde ein Apollonius, oder ein noch mittelmäßigerer Dichs ter, nicht schlechter gesagt haben; und Homer bleibt hier eben so weit unter dem Mahler, als der Mahler dort unter ihm blieb.

Noch dazu findet Caylus in dem ganzen vierten Buche der Jlias sonst kein einziges Gemählde, als nur eben in diesen vier Zeilen. So sehr sich, sagt er, das vierte Buch durch die mannigfaltigen Ermunterungen zum Angriffe, durch die Fruchtbarkeit glänzender und abstechender Charaktere, und durch die Kunst ausnimt, mit welcher uns der Dichter die Menge, die er in Bewegung segen will, zeiget: so ist es doch für die Mahlerey gänzlich unbrauchbar. Er hätte dazu segen können: so reich es auch sonst an dem ist, was man poetische Gemählde nennet. Denn wahrlich, es kommen derer in dem vierten Buche so häufige und so volls kommene vor, als nur in irgend einem andern. Wo ist ein ausgeführteres, täuschenderes Gemählde als das vom Pandarus, wie er auf Anreißen der Minerva den Waffenstillestand bricht, und seinen Pfeil auf den Menelaus losdrückt? Als das, von dem Unrücken des griechischen Heeres? Als das, von dem beyderseitigen Angriffe? Als das, von der That des Ulyffes, durch die er den Tod seines Leucus rächet?

Was folgt aber hieraus, daß nicht wenige der schönsten Gemählde des Homers keine Gemählde für den Artisten geben? daß

der Artist Gemählde aus ihm ziehen kann, wo er selbst keine hat? daß die, welche er hat, und der Artist gebrauchen kann, nur sehr armselige Gemählde seyn würden, wenn sie nicht mehr zeigten, als der Artist zeiget? Was sonst, als die Verneinung meiner obigen Frage? Daß aus den materiellen Gemählden, zu welchen die Gedichte des Homers Stoff geben, wann ihrer auch noch so viele, wann sie auch noch so vortrefflich wären, sich dennoch auf das mahlerische Talent des Dichters nichts schliefsen läßt.

XIV.

Ist dem aber so, und kann ein Gedicht sehr ergiebig für den Mahler, dennoch aber selbst nicht mahlerisch, hinwiederum ein anderes sehr mahlerisch, und dennoch nicht ergiebig für den Mahler seyn: so ist es auch um den Einfall des Grafen Caylus gethan, welcher die Brauchbarkeit für den Mahler zum Probiersteine der Dichter machen, und ihre Rangordnung nach der Anzahl der Gemählde, die sie dem Artisten darbieten, bestimmen wollen, a

Fern sey es, diesem Einfalle, auch nur durch unser Stillschweigen, das Ansehen einer Regel gewinnen zu laffen. Milton würde als das erste unschuldige Opfer derselben fallen. Denn es scheinet wirklich, daß das verächtliche Urtheil, welches Caylus über ihn spricht, nicht sowohl Nationalgeschmack, als eine Folge seiner vermeinten Regel gewesen. Der Verlust des Gesichts, sagt er, mag wohl die größte Aehnlichkeit seyn, die Milton mit dem Homer gehabt hat. Freylich kann Milton keine Gallerieen füllen. Aber müßte, so lange ich das leibliche Auge hätte, die Sphäre desselben auch die Sphäre meines innern Auges seyn, so würde

a) Tableaux tirés de l'Iliade, Avert. p. V. On est toujours convenu, que plus un Poeme fourniffoit d'images & d'actions, plus il avoit de uperiorité en Poefie. Cette reflexion m'avoit conduit à penfer que le calcul des differens Tableaux, qu'offrent les Poemes, pouvoit fervir à comparer le merite refpectif des Poëmes & des Poëtes. Le nombre & le genre des Tableaux que prefentent ces grands ouvrages, auroient été une espece de pierre de touche, ou plutôt une balance certaine du merite de ces Poëmes & du genie de leurs Auteurs.

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