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„Zwo Grazien sind aller Welt zum Hohn;

„Und ach! die dritte hat er schon!

,,So flagten sie. Umsonst! Aglaja war entflohn.

‚Nun schlichen sie an den Büschen herum, und schlugen leise an die Blätter und flohen nach jedem Schlage furchtsam zurück.

„Denn stellten sie sich gleich, den Räuber auszuspähn, ,,So zitterten sie doch für Furcht, ihn nur zu sehn. „Endlich kamen sie an ein Rosengebüsche, das meine Chloe versteckte ,, und mich. Chloe saß vor mir, ich hinter Chloen.

Ist bog ich schlau an ihrem Hals mich langsam über, „Und stahl ihr schnell ein Mäulchen ab;

Itt bog sie unvermerkt den Hals zu mir herüber, ,,Und jedes nahm den Kuß auf halbem Weg sich ab, ,,Denn jedes nahm und jedes gab.

In diesem Spiele überraschten uns die Grazien, und sie lachten laut, „da sie uns küssen sahen, und hüpften fröhlich zu uns herbeh. Da ,,ist Aglaja! riefen sie. Die Schalkhafte! Du küssest, da wir ‚unruhig herumirren, und dich nicht finden können? — Und ißt liefen sie mit meiner Chloe davon.

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"Was? rief ich, lose Räuberinnen!

,,Wie sollte sie Aglaja seyn?

„Ihr irrt euch sehr, ihr Huldgöttinnen! „Für Grazien ist das nicht sein!

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,,Gebt Chloen mir zurück! Betrogne, sie ist mein!

"Doch die Grazien hörten mich nicht, und liefen mit meiner Chloe das ,,von. Zornig wollte ich ihnen nacheilen, als plößlich Aglaja hinter ,,einer Buche hervortrat, und mir winkte, und freundlich lächelnd also „ju mir sprach:

,,Warum willst du zu Chloen eilen?

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Beglückter Sterblicher, Aglaja liebet dich.

,,Küß ist einmal statt Chloen mich;

Wünsch nicht dein Mädchen zu ereilen:

"Ich, eine Göttin, liebe dich. "Schüchtern sah ich die Huldgöttin an.

Auf ihren Wangen sprach Entzücken,

„Und Jugend und Gefühl aus den verschämten Blicken.

"Gefährliche Reizungen! - Aber mit dreister Hand ergriff ich die

,,Huldgöttin, führte sie zu ihren Schwestern, und sprach: Hier ist

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Nun, was sagen Sie hierzu? D, Sie sind entzükt. Welche allerliebste, kleine Erdichtung! Nie hat ein Dichter sein Mädchen mehr erhoben! Nichts kann feiner seyn! Nichts zärtlicher! O die Griechen! die Griechen! Kommen Sie zurück aus ihrer Entzückung! Ich habe Sie hintergangen. Der Gelehrte in Neapolis hat nichts entwickelt; Alciphron hat feine Eowτonaryvia geschrieben; was Sie gelesen, ist nicht aus dem Griechischen übersegt; die Grazien sind ein ursprüngliches Werk eines Deutschen. Streichen Sie die Manethuser Saiten, gleich zu Anfange, nur weg, und segen Cremoneser Saiten dafür; denn so sagt der Dichter, und ich mußte diese geringe Spur des Modernen vor ihren Augen verbergen.

Aber, höre ich Sie fragen, warum sollte ich denn nun hintergangen werden? Darum! Würde ich ihre Neugier wohl rege gemacht haben, wenn ich Ihnen gerade zu geschrieben hätte: In Leipzig sind vor kurzen vier kleine Bogen heraus gekommen, unter der Aufschrift, Tåndeleyen. Tåndeleyen? würden

Sie gerufen haben.

gern, wozu wir am

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Warum thun wir Deutschen doch das so wenigsten aufgelegt find?

Vergebens hätte ich hinzu gefeßt: aber es sind artige Tändeleyen; sie werden den Verfasser auf einem ganz eigenen Pfade finden; sie sind eines Greffer würdig! Sie hätten mir aufs höchste geglaubt, und es dabey bewenden lassen.

Aber nun biete ich Ihnen Trog, es dabey bewenden zu lassen. Denn ich muß Ihnen nur sagen, daß alles, was die vier Bogen enthalten, in dem nehmlichen Geschmacke und fast von gleichem Werthe ist. Sie werden sie ganz lesen; laffen Sie doch sehen, ob unsere Urtheile zusammen treffen. Nach den obigen Grazien, hat Amors Triumph, und der Geschmack eines Ruffes meinen vorzüglichen Beyfall. Nächst diesen haben mich die Kriegslist des Amors, an den Maler, die Gde, und

Bacchus und Amor am meisten vergnügt. Die Kennzeichen der Untreue wollen mir wegen des Bärtchens nicht gefallen; der Scherz ist zu bürgerlich. In dem Stücke an Chloen ist mir der Alp zuwider; und wenn der erzürnte Jupiter zu seiner untreuen Nymphe sagt:

Geh hin, und seh ein Alp, buhl und erweck nur Grauen! so straft er uns arme Schlafende mehr, als die Nymphe. In dem verliebten Wunsche ist mir die Vermischung der alten Mythologie und des Geistersystems nach dem Gabalis anstößig. Diese und einige andere Stücke hätte ich, wenn ich an des Verfassers Stelle gewesen wäre, zurückbehalten, und die einzeln Schönheiten derselben zu beffern Ganzen versparet. So würde ich mir zum Exempel den Anfang von den gedachten Kennzeichen der Untreue heilig aufbewahret haben, bis ich einen edlern Schluß dazu gefunden hätte; denn so wie dieses Stück igt ist, kömmt es mir nicht anders vor, als eine antique verstümmelte Bildsäule, die ein neuer Steinmez zu ergänzen gewagt. Betrachten Sie nur:

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„Ich Jüngling lief eilig hinzu, hob ihn sanft aus dem Wasser heraus, ,,und trocknete seine nassen Flügel, und erwärmte ihn in meinem Bu,,sen. Nun dankte mir Amor freundlich, und sprach: Lieber Jüngling, „du haft den Amor gerettet: womit soll ich deine Großmuth vergel,,ten? Erhalte mir meine Chloe getreu; antwortete ich. D Jüngling, rief er, was bittest du? Steht es in der Gewalt des ,,Amors, die Liebe in den Herzen der Mädchen einzuschränken? „Da schlug ich die Augen nieder, und seufzte. Aber der reißende Sohn der Cythere ermunterte mich wieder: Seufze nicht, Jüngling! ,,Amor kann deine Bitte wenigstens zum Theil erfüllen.

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So weit geht alles gut! Wie gesagt, ein schöner antiquer

Rumpf; aber nun - - welch ein gothischer Kopf ist darauf geflickt! „Sobald Chloe einen andern als dich küßt, soll schnell ein

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Bärtchen aus ihrer Lippe hervor keimen, zum Merkmal, daß fie dir „untreu ist. So sagte Amor.

,,Run, Chloe, wirst du dich wohl scheun.

„Ich würde den Verrath auf deiner Lippe sehen.

,,Manch holdes Mädchen schon seh ich mit Bärten gehen:

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Sie müssen wohl nicht treu gewesen seyn.

Ach nicht doch! Sie müssen keinen Bart haben, die holden Mädchen, sie mögen uns treu seyn oder nicht!

XVI. Den 19. April. 1759.

Drey und dreyßigster Brief.

su.

Ja wohl ist der Verfasser der Tåndeleyen, wenn diese sein erster Versuch sind, ein Genie, das sehr viel verspricht! Aber auch darinn haben Sie Recht: Das Lied eines Mohren hätte ihm nicht entwischen sollen. Es ist nicht allein das schlechteste Stück in seiner Sammlung; es ist an und vor sich selbst schlecht. — Lied eines Mohren! Und der Mohr ist fast nirgends als in der Ueberschrift zu finden. Aendern Sie das einzige schwarze Mädchen und die Cederwålder, so kann es ein Kalmucke eben so wohl singen, als ein Mohr.

Wie weit ist er hier unter seinem Muster geblieben! Denn wer sieht nicht so gleich, daß sein Mohrenliedchen, eine Nachahmung des vortreflichen Liedes eines Lappländers, in den neuen Gedichten des Verfassers des Frühlings, seyn soll? In diesem scheinet überall die Scene durch, wo es gesungen wird, und überall der, der es singt.

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In den zerstörten Haaren

Hängt mir schon Eis.

So will ich bald an Grönlands weissen Küsten

Nach Zama schreyn.

Die lange Nacht kömmt schon c.

Und wie ungekünftelt, wie wahr ist alles, was der Lappländer spricht; dahingegen der Mohr mit unter Non-Senfe plaudert. Z. E. Ich will an ihre Brust mich legen,

Das kleinste Röcheln spähn, und horchen, wie sie schlägt;

Dann soll mein Herz mit seinen stärkern Schlägen

Den Aufruhr bändigen,

Der sich in ihrem Busen regt.

Die stärkern Schläge seines Herzens sollen den Aufruhr båndigen, der sich in dem Busen seines Mädchens regt! Zwar vielleicht hat der Dichter mit diesem Zuge das verbrannte Gehirn des Mohren bemerken wollen. Und alsdenn habe ich nichts dagegen.

Aber wieder auf das Lied des Lappländers zu kommen. Es giebt ein wirklich Lappländisches Lied, welches der Herr von Kleist bey dem seinigen vor Augen gehabt zu haben scheinet. Sie können es bey dem Scheffer in dem fünf und zwanzigsten Hauptstücke seiner Lapponia finden. Schade, daß ich das Buch nicht gleich bey der Hand habe! Sie sollten mit Vergnügen sehen, daß die Nachahmungen eines solchen Meisters, Verbesserungen sind.

Sie würden auch daraus lernen, daß unter jedem Himmelsstriche Dichter gebohren werden, und daß lebhafte Empfindungen kein Vorrecht gesitteter Völker sind. Es ist nicht lange, als ich in Ruhigs Littauischem Wörterbuche blätterte, und am Ende der vorläufigen Betrachtungen über diese Sprache, eine hierher gehörige Seltenheit antraf, die mich unendlich vergnügte. Einige Littauische Dainos oder Liederchen, nehmlich, wie sie die gemeinen Mädchen daselbst fingen. Welch ein naiver Wig! Welche reizende Einfalt! Sie haben in dem Litthauischen Wörterbuche nichts zu suchen: ich will Ihnen die zwey artigsten also nach Ruhigs Ueberfegung, daraus abschreiben:

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Erste Daina.

Abschied einer heyrathenden Tochter.

1.

Ich habe aufgefagt meinem Mütterlein, schon vor der Helfte des Sommerleins.

2.

,,Such, Mütterlein, dir ein Spinnerlein; ein Spinnerlein und ,, Weberin.

3.

„Ich habe gnug gesponnen das weisse Flächslein; gnug gewürket ,,feine Leinwandlein.

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